Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 2015 Mitteilung des Senats vom 17. November 2015 (Drucksache 19/148) 1. Lesung
Ich möchte darauf hinweisen, dass in diese Aussprache auch die Beratung des Stadthaushalts einbezogen werden soll.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat legt Ihnen heute die Entwürfe von Nachtragshaushalten für das Land und die Stadtgemeinde Bremen für das Haushaltsjahr 2015 vor, wobei es sich für den Haushalt der Stadtgemeinde Bremen um den zweiten Nachtrag handelt, der erste Nachtrag regelte die Investitionen in die Netzgesellschaften.
Nachtragshaushalte sind erforderlich, wenn es im laufenden Haushalt größere Veränderungen, Verschiebungen zwischen Land und Stadt oder einen zusätzlichen Mittelbedarf gibt, der über die von Ihnen erteilte Kreditermächtigung hinausgeht. In diesem Fall, so werde ich das hier auch erläutern, liegen alle drei Gründe vor.
Mit dem vorgelegten Nachtragshaushalt wird auch das Verpflichtungsermächtigungsvolumen erhöht, damit eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 402 Millionen Euro für den Kauf von Straßenbahnen und Investitionen in die ÖPNV-Infrastruktur erteilt werden kann. Das Geld wird nicht im Jahr 2015, aber sukzessiv in den nächsten immerhin 37 Jahren Lebenszeit der Straßenbahnen benötigt, damit binden wir das Geld zukünftiger Haushalte. Nach Auffassung des Senats müssen 29,7 Millionen Euro zusätzlich zur ursprünglichen Haushaltsplanung für das Land und die Stadtgemeinde kreditfinanziert werden.
Um damit zu beginnen, Sie wissen, dass wir diese circa 30 Millionen Euro vor dem Hintergrund der aktuellen Weltlage für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen benötigen. Insgesamt beziffert sich der finanzielle Mehrbedarf für Flüchtlinge auf 105 Millionen Euro, den Großteil können wir also durch zusätzliche eigene Steuereinnahmen aufbringen.
Schon in meiner Rede zur Einbringung der Haushalte 2014 und 2015 am 25. September 2013 – das ist schon ein bisschen her – habe ich hier in der Bürgerschaft darauf hingewiesen, dass wir wegen der bundesweit stark ansteigenden Zahl an Flüchtlingen aufgrund der schrecklichen kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und im Irak zusätzliches Geld für die Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern benötigen werden. Schon damals hatte der Senat angekündigt, dass er sich dieser Herausforderung mit einem humanitären Konzept und der Zurverfügungstellung entsprechender finanzieller Mittel stellen will. Verfolgte sind bei uns in Bremen willkommen.
Dennoch sind die Herausforderungen groß und ohne weitere Unterstützung durch den Bund und die europäische Staatengemeinschaft kaum zu bewältigen. Für den Senat ist die politische Linie: Die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen darf nicht am Geld scheitern, trotzdem müssen wir sparsam wirtschaften, und es wird keine über den Sanierungsweg hinausgehenden Kürzungen der anderen Ausgaben geben, um das zu finanzieren.
Im Folgenden möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick geben, wie sich infolge von Mehrausgaben und Mehreinnahmen der Bedarf zum Schluss der Nachtragshaushalte ergibt. Im September 2015 hat der Senat angesichts von Haushaltsrisiken in einer Höhe von damals geschätzten rund 250 Millionen Euro eine Haushaltssperre verhängt. Die Summe hat sich heute reduziert. Die aktuelle Bestandsaufnahme hat Mehrausgaben und Mindereinnahmen von insgesamt 215 Millionen Euro ergeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie kommen diese 215 Millionen Euro zustande? Die Summe setzt sich aus zahlreichen Einzelposten zusammen. Wir brauchen unter anderem 15 Millionen Euro mehr für Polizei und Feuerwehr, 19 Millionen Euro mehr im Kita-Bereich aufgrund eines verstärkten Ausbaus des Angebots, der Tarifeinigung für Erzieherinnen und Erzieher und der Rückerstattung von KitaBeiträgen, die wir nicht absehen konnten, als die Haushaltsanschläge gemacht wurden.
Die Folgen der Schiffskrise schlagen sich in geringeren Zahlungen von Bremer Landesbank und BLG an den Haushalt nieder. Ferner besteht das Risiko, dass wir 17 Millionen Euro EU-Mittel weniger als erwartet bekommen, die wir hier einpreisen. Hier verhandelt das Wirtschaftsressort noch mit Brüssel, sodass wir die Hoffnung haben, dass das Geld nicht verloren ist. Wir melden Ersatzprojekte, aber haushaltsmäßig müssen wir dem Risiko Rechnung tragen.
Der mit Abstand größte Mehrausgabebedarf mit 105 Millionen Euro besteht, wie ich eingangs schon sagte, für die Unterbringung von Flüchtlingen. Das Land hilft hier ausdrücklich unseren beiden Kommunen, das heißt auch Bremerhaven, einmalig im Wege einer Landeszuweisung. Um die Kommunen in der Flüchtlingsfrage zu entlasten, hat das Land Bremen Unterbringungs- und Integrationskosten in Höhe von insgesamt 104,5 Millionen Euro, von der Stadt Bremen in Höhe von 96,4 Millionen Euro und Bremerhaven in Höhe von 8,1 Millionen Euro, übernommen.
Für die auch mit Bremerhaven geeinten Anmeldungen der Mehrausgaben sollen die Bundeshilfen an beide Gemeinden erstattet werden – selbstverständlich! – und die überplanmäßigen Mehrausgaben dann vom Land an die Gemeinden überwiesen werden. Die überproportional hohen Kosten der Stadtgemeinde Bremen sind vor allem damit begründet, dass es hier
deutlich höhere Aufwendungen für Unterbringung gibt. Wir können viel weniger als die Stadt Bremerhaven auf leer stehende Immobilien zurückgreifen, und die Kosten der Stadtgemeinde Bremen bei den Hilfen und der Begleitung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind auch deutlich höher als in Bremerhaven.
Die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen bildet für Bremen wie für alle Bundesländer und Kommunen eine enorme Herausforderung. Die Zahl der Flüchtlinge ist stark angestiegen und steigt weiter an. Von 2009 bis 2014 kamen 5 028 Flüchtlinge nach Bremen. 2015 werden insgesamt rund 10 000 Flüchtlinge erwartet. Außerdem stieg die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Bremen von 53 im Jahr 2011 auf circa 2 800 im Jahr 2015 an. Daraus kann man ersehen, dass das nicht in den laufenden Haushalten dargestellt werden kann.
Ich möchte hier zunächst ausdrücklich auf die positiven Aspekte der steigenden Flüchtlingszahlen hinweisen. Die Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und bei uns eine neue Heimat finden sollen, werden uns helfen, den demografischen Wandel in unserer Gesellschaft zu meistern.
Handwerk, Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung sehen in Zeiten des wachsenden Fachkräftemangels eine Chance, unter den Flüchtlingen Auszubildende zu finden. Hier sind wir vorbildlich mit einem Projekt vorangegangen. Diese Auszubildenden werden später ebenso wie ältere Flüchtlinge, die bei uns Arbeit finden, in die Sozialversicherungssysteme einzahlen und die Inlandsnachfrage steigern. Bis es soweit ist, müssen wir ihnen bei der Integration in unsere Gesellschaft helfen. Dazu gehören das Erlernen der Sprache, der Kita-, Schul- und Hochschulbesuch sowie Wohnung. Das alles kostet Geld. Gleichzeitig profitieren alle in der Zukunft von einer gelungenen Integration, Neubürgerinnen und Neubürger sowie Alteingesessene.
Man kann es hier trotzdem nicht verschweigen: Das Land Bremen und seine beiden Städte sind mit den damit verbundenen Kosten überfordert. Wir können die Flüchtlingsunterbringung und Integration nicht allein schultern. Bisher übernimmt der Bund nur ungefähr zehn Prozent der in Bremen entstehenden Kosten. Das ist viel zu wenig.
Es geht um eine nationale Aufgabe, die alle Länder und Gemeinden stark fordert. Die bisher zugesagte Hilfe des Bundes reicht nicht aus. Da muss nachgebessert werden. Bremen verhält sich in den Verhandlungen mit den Bundesländern im Bundesgebiet so, dass wir darlegen, welche Ausgaben wir haben und dass wir mit den bestehenden Haushalten nicht zurechtkommen können.
Wir sind im Gespräch mit anderen Bundesländern, wie sie ihre Haushaltsprobleme, die durch die Aufnahme von Flüchtlingen entstehen, jetzt meistern. Viele müssen wie wir Steuermehreinnahmen einsetzen. Es gibt in einigen Bundesländern auch Nachtragshaushalte, aber man muss sich schon der Tatsache stellen, dass in Bremen durch die Verzahnung zwischen Land und Gemeinden die Probleme eher auftauchen. Wir haben ja immer besonders engen Kontakt mit dem anderen Sanierungsland Saarland. Abgesehen davon, dass sie dort viel mehr Wohnungsleerstand als Bremen haben, ist es dort so, dass, weil es ein Flächenland ist, Überweisungen an die Gemeinden stattfinden, die bei uns so nicht stattfinden; hier drücken die Mehrausgaben sofort in den laufenden Haushalt. Deshalb gibt es eine verzögerte Problemdarstellung zwischen Bremen und den anderen Bundesländern. Wir sind da vorneweg, aber ich bin mir ganz sicher: Wir haben keine besondere Lage. In einem Stadtstaat ist es besonders schwierig, aber es ist nicht so, dass wir haushaltspolitisch eine singuläre Stellung haben. So wird es nicht sein.
Nun komme ich zu den Mehreinnahmen. Den 215 Millionen Euro Mehrausgaben stehen Mehreinnahmen und in diesem Jahr nicht benötigte Mittel in Höhe von 185 Millionen gegenüber, sodass sich eine zusätzliche Kreditaufnahme von, wie gesagt, knapp 30 Millionen Euro ergibt.
Wodurch wird das Haushaltsloch von 215 Millionen Euro bis auf 30 Millionen Euro geschlossen? Auch die Summe der Mehreinnahmen setzt sich aus vielen Einzelposten zusammen. Den mit Abstand größten Einzelposten bilden Steuermehreinnahmen in Höhe von 97 Millionen Euro, die sich aus der aktuellen Steuerschätzung ergeben haben. Weitere 88 Millionen Euro werden durch diverse Einzelbeträge erbracht. Darunter ist die einmalige Geldbuße von Rheinmetall von 28,5 Millionen Euro, die wir hier verwenden. Auch bei den Haushaltsproblemen sind Dinge, die nur einmalig wirken. Deshalb kann man das vertreten. Ich habe aber immer gesagt, man soll sich nichts vormachen: Strukturell wirkt dieses Geld nicht. Wir werden diese Einnahmen in den nächsten Jahren nicht mehr haben.
14 Millionen Euro haben wir über eine Umlage der Ressorts eingesammelt. Generell ist es bei der Haushaltsaufstellung so, dass fünf Prozent Planungsreserve sind. Zehn Millionen Euro können wir vom Sondervermögen Hafen bekommen. Das sind Mittel, die in diesem Jahr nicht mehr benötigt werden. Endlich sind auch die Gelder der Werberechte, die wir in den letz
ten Jahren immer abschreiben mussten, eingegangen. Auch die können wir jetzt verwenden. Diese 88 Millionen Euro sind nicht Bestandteil des vorgelegten Nachtragshaushalts. Der Haushalts- und Finanzausschuss wird hierzu noch im Dezember im Rahmen des Haushaltsvollzugs entsprechende Nachbewilligungsanträge beschließen – so, wie es immer ist.
Das noch verbleibende Minus von 30 Millionen Euro soll, wie vom Senat vorgeschlagen, im Wege der Ihnen zur Entscheidung vorgelegten Nachtragshaushalte durch zusätzliche Kredite abgedeckt werden. Dadurch erhöht sich die Nettokreditaufnahme. Der Sanierungsweg wird aber weiter eingehalten. 2015 beträgt der Sicherheitsabstand zur maximal zulässigen Kredithöhe noch 90 Millionen Euro.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur wer einen für alle erkennbaren Eigenbeitrag leistet, dem wird auch in der Zukunft von anderen geholfen. Dieser Grundsatz gilt auch weiter. Der Haushaltsvollzug 2015 zeigt uns aber, dass ein schwieriger Weg vor uns liegt und die Gestaltungsspielräume aufgrund der notwendigen Hilfen für Flüchtlinge und des Konsolidierungskurses für alle enger werden. Dennoch besteht auch im Rahmen der gerade beginnenden Aufstellung der Haushalte 2016 und 2017 genügend Raum zur Gestaltung.
Der Senat wird sich daher weiterhin mit vollem Engagement im Sinne einer nachhaltigen und generationengerechten Politik für zukunftsichernde Investitionen in Bremen einsetzen. Wir arbeiten die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam Schritt für Schritt ab, um mit dem Bund und mit den anderen Bundesländern zusammen darüber zu reden, wie Bremen den vereinbarten Konsolidierungsvertrag weiterhin einhalten kann.
Der Nachtragshaushalt fließt als Grundlage – wie auch die Haushaltsplanung für 2016/2017 – in weitere Gespräche mit dem Bund ein. Es ist für Bremen wichtig, dass keine Zweifel daran aufkommen, dass wir willens und fähig sind, die Verträge, die wir geschlossen haben, einzuhalten. Das brauchen wir auch für die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich, für den wir gemeinsam große Hoffnungen haben, dass es nun doch bald etwas wird. Das wäre für die Planungssicherheit, die wir brauchen, um die nächsten Jahre zu gestalten, wirklich sehr wichtig.
Es geht auch darum, welche Kosten für Flüchtlinge vom Bund erstattet werden, und vor allen Dingen, wie die Berechnungen für den Sanierungsweg neu gestaltet werden können, denn der Bund gibt ja über die Umsatzsteuer einen Teil der Ausgaben für die Flüchtlinge auf die Art und Weise über höhere Umsatzsteuerpunkte an die Länder.
Wenn die Verabredungen mit dem Bund so sind, DIE LINKE kritisiert das ja auch immer, dass Steuermehr
einnahmen nicht verwendet werden dürfen – das dürfen sie schon, aber nicht in dem Jahr, in dem sie auftauchen –, dann gibt es dort einen Widerspruch, wenn gleichzeitig an uns Umsatzsteuerpunkte für Flüchtlinge gehen. Darüber müssen wir unbedingt mit dem Bund sprechen. Es ist wichtig, dass dort auch ein Fundament der Vertragstreue und Seriosität entsteht, und wir müssen darüber sprechen, dass wir auch mit den anderen Bundesländern einheitliche Verfahren wählen, wie die zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge verbucht werden.
Es darf kein Zweifel daran aufkommen, dass diese Kosten auch real entstehen und wir uns nicht in anderen Haushaltsbereichen entlasten, aber Sie können sicher sein, dass wir mit anderen Sanierungsländern gemeinsam mit dem Bund sprechen müssen, wie die Gestaltung des Haushalts vor dem Hintergrund dieser großen Herausforderung in Zukunft sein wird, und dieser Nachtragshaushalt ist eine weitere Grundlage für die Gespräche. – Vielen Dank!