Protocol of the Session on November 25, 2015

Erst kürzlich habe ich eine Dokumentation gesehen, in der jemand vom LaGeSo Berlin nach Brandenburg zur Erstaufnahme geschickt worden ist. Er hat eine Fahrkarte bis zur Erstaufnahmestelle in Brandenburg bekommen, aber kein zusätzliches Geld. Der Busfahrer hat sich geweigert, den Flüchtling mitzunehmen, und der Flüchtling wusste nicht, wie er die 15 Kilometer zum Übergangswohnheim bewältigen sollte. Das finden Sie witzig? Wir dürfen dann nicht sagen, dass das Isolation sei? Das ist Isolation! Genau das wollen Sie, und wir wollen das nicht!

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Zu dem Punkt in den Tod schicken, Herr Röwekamp! Ja, auch dazu habe ich schon einmal etwas gesagt. Wir wissen aus den Berichten von Amnesty International, aus den Berichten der Flüchtlingsräte, dass Menschen, die verfolgt sind, wie in den Balkanländern, wie vor allen Dingen im Kosovo, wenn man sie tatsächlich im Winter abschiebt, auf den Müllkippen leben und teilweise erfrieren. Ich kenne den Fall einer Frau aus dem vorletzten Jahr aus Niedersachsen,

die krank war, Roma war, abgeschoben worden ist, auf die Müllkippe nach Mitrovica kam und zwei Tage später gestorben ist, weil sie nämlich nicht mehr mit ihren Medikamenten versorgt werden konnte. Das ist eine Abschiebung in den Tod, das will ich nicht, das will meine Kollegin nicht! Ich kann vielleicht sagen: Okay, sie ist jung und schießt manchmal in der Wortwahl über das Ziel hinaus, aber faktisch und in der Sache hat sie recht.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Der Kollege Zicht hat es auch gesagt, wir hatten keinen nominellen Winterabschiebestopp, aber Bremen hat in den letzten fünf Jahren auf eine Abschiebung im Winter verzichtet. Ich war froh darüber. Ich möchte, dass das weiterhin so bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie mit dem, was Sie in den Antrag geschrieben haben, nicht zu einer Verschärfung der Diskussion und Auseinandersetzung beitragen, dann irren Sie sich. Wenn Sie hier reden und sagen, wir könnten in Europa, in Deutschland, in Bremen nicht mehr verkraften, dann ist das das, was die Stammtische bedient. Das ist das, was wir nicht wollen! Wir brauchen solche Diskussionen nicht! Wir müssen uns eher überlegen: Wie gelingt es, die Menschen zu integrieren? Wie schaffen wir es, dass alle Menschen, die hier ankommen, in die Schule kommen, dass sie in der Lage sind, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen et cetera?

(Abg. Bödeker [CDU]: Ja, klar!)

Es ist interessanterweise gerade die Wirtschaft, die sagt: Wir brauchen diese Flüchtlinge, und wir brauchen die Zuwanderung. Sie wollen mit Ihren Anträgen suggerieren, wir schafften das nicht, das heißt, wir wollten hier keine gelungene Integration? Ehrlich gesagt, ich bin jetzt 50. Ich möchte nicht mit 75 in irgendeinem Pflegeheim liegen, und wir haben keine Menschen mehr, die mich pflegen, weil wir überhaupt keine Menschen haben, die nachkommen.

Ich rede darüber – –.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Wer hat das eigentlich gesagt? Worüber reden Sie eigentlich? Das hat nie- mand gesagt!)

Doch, Ihr Kollege Herr Röwekamp hat mehrfach

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Nein, hat er nicht!)

das Wort in den Mund genommen: Wir verkraften das nicht, wir können das nicht verkraften, das ist mehr, als wir schaffen können! Das ist eine Wortwahl, die

ich hoch gefährlich finde angesichts der Herausforderung, vor der wir stehen, und der Anforderung, die der demografische Wandel mit sich bringt, Herr Dr. vom Bruch, um das einmal ganz klar zu sagen.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Im Sinne von Integrati- on wird es Grenzen geben!)

Wir haben hier mehrfach gesagt: Wir wollen Zuwanderung, und im Grunde sind wir froh darüber, dass wir Flüchtlinge brauchen.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Niemand bestreitet das ernsthaft! – Glocke)

Also müssen wir uns darum kümmern, dass es funktioniert. Wir dürfen hier nicht den rechten Hetzern Tür und Tor öffnen, die davon reden, dass wir irgendwelche Sachen nicht schaffen, dass wir überfordert sind, Das-Boot-ist-voll-Parolen verbreiten oder so tun, als würden wir unter der Last zusammenbrechen.

(Glocke)

Das tun wir nicht. Wir müssen es nur anpacken, wir müssen es vernünftig regeln. Es ist total klar, dass Bremen mit seinen klammen Mitteln das nicht allein kann und wir deswegen natürlich eine ganz andere Finanzierung der Kommunen und der Länder brauchen, um das einmal eben klarzustellen!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Glocke)

Aber es ist keine Frage – –.

Frau Vogt, Sie sind schon lange über Ihre Redezeit hinweg!

Letzter Satz! Aber es ist keine Frage dessen, ob in diesem Jahr 1 000 000 oder 1 000 001 oder 500 000 Menschen nach Deutschland kommen, sondern es ist eine Frage des politischen Willens, und es ist eine Frage der Verteilung der Mittel! – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin Ihnen, Frau Vogt, und Frau Senatorin Stahmann sehr dankbar, die zu Recht gesagt hat, dass die Debatte um Flüchtlingspolitik und Asylpolitik viel zu ernst ist, um sie hier in diesem, wie ich finde, aggressiven, populistischen Stil zu führen, wie Sie, Herr Röwekamp, und die Zwischenrufe der CDU das heute tun.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Da haben sich ja drei ge- funden!)

Ich finde es, ehrlich gesagt, nicht richtig, einer Sozialsenatorin vorzuwerfen, sie verbreite hier nur grüne Stammtischparolen.

(Abg. Frau Neumeyer [CDU]: Das haben Sie uns vor- geworfen!)

Das kann man hier so nicht stehen lassen, weil Frau Stahmann jeden Tag hier mit Herzblut für die Flüchtlinge und die Interessen der Flüchtlinge eintritt. Flüchtlingspolitik ist ein grünes Herzensthema. Es hat aber nichts mit Stammtischreden oder Stammtischparolen zu tun.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Von wem stammt denn die Geschichte mit dem Stammtisch?)

Herr Röwekamp, ich habe vorhin gehört, dass Sie glauben, 40 wild gewordene Grüne entscheiden, wie sich Bremen im Bund verhält.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: 42 vielleicht!)

Es wäre ja schön, wenn es einmal so wäre. Ich kann Ihnen sagen: Die Landesmitgliederversammlung hat sich sehr intensiv und sehr konstruktiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Mich erstaunt in diesem Zusammenhang Ihre Definition – das kam heute mehrmals, heute Morgen, aber auch vorhin in Ihren Debattenbeiträgen vor, und ich finde es auch bedenklich – von Demokratie. Demokratie ist nicht, wenn man so abstimmt, wie es Ihnen, Herr Röwekamp, vom Ergebnis her passt, sondern Demokratie ist eben, dass es unterschiedliche Meinungen zu Themen gibt und unterschiedliche Meinungen respektiert werden.

(Abg. Leidreiter [ALFA]: Ha, ha, ha!)

Die zeigen sich eben auch in Abstimmungsergebnissen. Demokratie ist bei unterschiedlichen Meinungen auch, dass man das Instrument der Enthaltung hat. Das ist gelebte Demokratie, nicht die Definition: Es passt Herrn Röwekamp vom Ergebnis.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Sie sprechen davon, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen werden müssen. Ja, das sehen wir alle so, und das tun wir auch, aber ganz sicher haben die Bürgerinnen und Bürger in dieser Frage eben auch unterschiedliche Meinungen und Interessen.

Wir haben – das möchte ich ganz deutlich sagen – im Nachgang zu der letzten Debatte in der Bürgerschaft im Oktober und im Nachgang zu dem Bundes

ratsverhalten viel, sehr viel positives Feedback bekommen, und zwar gerade auch von gesellschaftlichen Institutionen. Sie haben den gesellschaftlichen Konsens angesprochen. Es waren gerade die beiden großen Kirchen, die sich eben nicht von Ihnen vertreten gefühlt haben

(Abg. Frau Kappert-Gonther [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Richtig!)

und uns bescheinigt haben, dass das Abstimmungsverhalten von Bremen im Bundesrat richtig war.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin stolz – das sage ich Ihnen auch –, in einem Land zu leben, das eben nicht wie die meisten anderen Bundesländer einem Asylverschärfungsgesetz zugestimmt, sondern sich im Einklang mit Brandenburg, Thüringen und Niedersachsen enthalten hat.

Zum Bleiberecht! Heute ist mehrmals darauf hingewiesen worden: Das Asylrecht ist ein Grundrecht, es ist ein Individualrecht. Wenn Sie aber, Herr Röwekamp, sich, wenn es um die Frage der sicheren Herkunftsländer geht, hierhin stellen und sagen: Die Menschen haben hier keine Perspektive, also tun wir ihnen einen Gefallen und schieben sie möglichst schnell ab!, sage ich Ihnen: Sie haben eben auch keine Perspektive in ihren Herkunftsländern. Ihre Ausführungen suggerieren, als hätten sie sie hier nicht, aber dort. Das stimmt eben nicht.

Meine Damen und Herren, wir haben heute Morgen diskutiert, dass wir Menschen in diesem Land, in Europa Schutz bieten müssen, wenn sie aus Krisengebieten kommen, wenn sie verfolgt werden. Ich bin, ehrlich gesagt, ganz bei der Bundeskanzlerin Frau Merkel, dass das unsere Aufgabe ist. Ein Asylverschärfungsgesetz ist eben kein adäquates Mittel für eine gelungene Flüchtlingspolitik. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tassis.