Protocol of the Session on November 25, 2015

Ich erinnere mich, während der letzten Debatte, als ich hier als Grüne die Kanzlerin gelobt und gesagt habe, dass sie sich durch eine menschliche Flüchtlingspolitik auszeichne, da war es Ihre Fraktion, Herr Röwekamp, die ihrer Kanzlerin keinen Beifall gezollt hat.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Röwekamp [CDU]: Nein, Ihnen haben wir kei- nen Beifall gezollt!)

Das können sie jetzt drehen und wenden wie Sie wollen, es ist so gewesen! Es ist auch ein CDU-Ministerpräsident gewesen, der gestern gesagt hat, man solle in den Länder Obergrenzen für Flüchtlinge einführen. Welch ein Schwachsinnsvorschlag, wir haben den Königsteiner Schlüssel!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Sind Sie jetzt bei den Stammtischen, oder sind Sie bei der Sache?)

Ich bin völlig bei der Sache, Herr Dr. vom Bruch! Sie können sich gar nicht vorstellen, wie nahe ich bei der Sache bin, denn es ist absolut mein Thema, wie wir in Bremen mit geflüchteten Menschen umgehen. Das ist auch ein Thema des Innenressorts, und auch das Innenressort ist absolut bei der Sache, damit wir die Situation gut und konsequent im Sinne der Menschen in Bremen umsetzen.

Ich will mich auch nicht aufregen, aber ich rege mich darüber auf, wenn man das Schicksal der Menschen benutzt, um aus ihrem Schicksal politisch Nektar zu saugen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Röwekamp [CDU]: Genau das tun Sie!)

Nein!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Doch!)

Nein!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Doch, genau das tun Sie!)

Herr Haseloff hat ja noch nicht einmal von der CDU Unterstützung bekommen. Herr Haseloff ist ja sogar von seinen eigenen Kolleginnen und Kollegen alleingelassen worden!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Herr Kretschmann hat von den Grünen im Bund auch keine Unterstützung be- kommen, als er seinen Vorschlag machte!)

So mag vielleicht die Welt sein.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Blamabel!)

Wir haben die Position der Bremer Grünen deutlich gemacht, und dann sind Sie eben besonders zufrieden mit den Grünen in Baden-Württemberg. Ich lasse das auch zu.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Dann sagen Sie doch einmal etwas dazu!)

Lassen Sie uns unsere Position, die wir im Bundesrat eingenommen haben! Ich finde, der Bürgermeister hat unsere Position in der letzten Debatte ordentlich und sachlich vorgetragen, warum wir uns wie verhalten haben.

(Zuruf Abg. Dr. vom Bruch [CDU])

Sie müssen mir hier jetzt keine Schulnoten geben, Herr Dr. vom Bruch! Das ist noch einmal eine andere Debatte, Herr Dr. vom Bruch!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Dann würden Sie nicht ver- setzt werden!)

Bremen hat sich im Bundesrat der Stimme enthalten, und das ist durchaus üblich, wenn in einer Koalitionsregierung unterschiedliche Meinungen vorhanden sind. Sie kennen das durchaus auch aus anderen Konstellationen.

(Unruhe CDU, SPD)

Sie hören das Echo der Kolleginnen und Kollegen an dieser Stelle!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Aber wenigstens könnte man es begründen, oder muss man im Bundesrat streiken?)

Ich wünsche mir von der CDU, dass Sie sich von dem Haseloff-Vorschlag distanzieren und Frau Merkel unterstützen und sagen, dass die Festlegung eine Obergrenze beim Flüchtlingszuzug nicht angemessen ist!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Zuruf CDU: Das tun wir!)

Ich wünsche mir weiterhin von der CDU, dass sie sagt, dass das Grundrecht auf Asyl ein individuelles Schutzrecht ist, sie die Abschottung ablehnt und wir die Flüchtlingssituation in Europa mit den anderen Ländern gemeinsam lösen müssen.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Welch ein Unsinn! Das ha- ben wir alles gesagt, Frau Stahmann!)

Es geht um die Punkte, die Sie in Ihrem Antrag aufgelistet haben. Wir sollen beispielsweise zum Sachleistungsprinzip zurückkehren. Das Sachleistungsprinzip haben wir zum Glück schon lange überwunden. Ich bin deshalb froh, dass die Koalition Ihren Antrag ablehnen wird und damit hier sofort versenkt.

(Heiterkeit, Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Senatorin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rupp?

Ja, bitte!

Bitte, Herr Rupp!

Frau Senatorin, ich habe einmal nachgeschaut: Im Jahr 2014 wurden in Bremen 21 400 Grundschülerinnen und Grundschüler beschult, im Jahr 1980 waren es rund 28 400. Glauben Sie, dass wir heute infrastrukturell in der Lage sind, die Situation von 1980 wieder herzustellen, oder wären wir damit überfordert?

In diesem Hause sitzen einige Abgeordnete, die 1980 zur Schule gegangen sind und die Schule mit Erfolg verlassen haben.

(Heiterkeit, Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Rupp [DIE LINKE]: Vielen Dank, Frau Senatorin!)

Lieber Thomas Röwekamp, Sie haben hier eine Rede – ich sage einmal – aus dem Bauch heraus mit Verve gehalten. Als Senatorin nehme ich mir heraus, dass ich auch zu bestimmten Themen vielleicht etwas hemdsärmelig, aber aus dem Leben heraus Stellung nehmen darf.

Ich glaube wirklich, dass die Aufgabe, wie wir 13 500 Menschen, die allein in diesem Jahr Bremen erreichen werden, in Bremen integrieren, ernsthaft bearbeitet werden muss und dass der vorliegende Antrag keine sachgemäße Bearbeitung zulässt. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat ja einen Vorteil, wenn man nicht mehr fachpolitisch für ein Thema zuständig ist, denn dann hört man sich die Debatten aus einem etwas anderen Blickwinkel an. Ehrlich gesagt, Herr Röwekamp, aus Ihrem Einstieg in die Debatte und Ihrer Mimik konnte man entnehmen, dass es Ihnen mithilfe Ihres Antrags eine wahre Freude gewesen ist, die Grünen und die Koalition vorführen zu können. Mithilfe Ihres Antrags – und an dieser Stelle hat Frau Senatorin Stahmann recht – wollten Sie über Stammtischparolen einen politischen Keil in die Koalition treiben, und zwar auf Kosten derer, die zu uns kommen und bei uns Schutz suchen, das muss ich hier einmal ganz klar sagen!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Bensch [CDU]: Wer hat denn von Sonderlagern gesprochen?)

Herr Röwekamp, ich und wir alle sind von Ihnen einige Demagogie gewohnt. Sie können meiner Kollegin Leonidakis sicherlich die Wortwahl vorwerfen, was Sie aber dann gemacht haben, einer Kollegin, die 1984 geboren worden ist, und einer Fraktion, in der, glaube ich, nur ein Mitglied der DKP angehört hatte, die Situation in der DDR vorzuhalten, das ist unterirdisch!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Einmal abgesehen davon, Herr Röwekamp, in unserem Landesverband und in unserer Fraktion werden Sie niemanden finden, der die DDR, Sonderlager und deren spezifische Menschrechtsverletzungen in irgendeiner Form gutheißt oder zu irgendeiner Politikform erklärt. Der Kollege Rupp, der seinerzeit Mit

glied in einer Partei gewesen ist, die dieser Staatsform nahe gestanden hat, hat sich dazu bereits mehrfach glaubwürdig geäußert. Sie wissen ganz genau, dass er ganz anders denkt und diejenigen, die später geboren sind, sowieso.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Zurück zur Sache! Wir haben uns hier auch schon einmal gestritten, ob ich das Wort Lager für Übergangswohnheime benutzen darf. Ich habe es in einem Fall getan, bei dem ich es auch als berechtigt angesehen habe. Es handelte sich um die Übergangswohnheime Wardamm und Ludwig-Quidde-Straße. Zum damaligen Zeitpunkt wohnten Flüchtlinge seit zehn Jahren in den Übergangswohnheimen, sie wollten das Übergangswohnheim verlassen, sie konnten es aber nicht, weil zu dem Zeitpunkt die jetzt geltenden rechtlichen Bestimmungen noch nicht in Kraft getreten waren. Den damaligen Zustand habe ich mit den Worten beschrieben, dass das an eine Lagerinternierung erinnere. Sie haben sich furchtbar über meine Wortwahl aufgeregt. Meine Kritik war allerdings berechtigt. Heute würde ich die Bremer Übergangswohnheime nicht als Lager bezeichnen, weil wir eine ganz andere Situation haben, Herr Röwekamp.

Meine Kollegin hat die Hotspots und die Einrichtung von Isolationszentren kritisiert, und das sind sie wirklich. Wenn Sie sich Übergangswohnheime in Flächenländern anschauen, sie liegen irgendwo im Wald. Nehmen Sie einmal Berlin: Dort liegen sie in Industriegebieten ohne irgendeine verkehrliche Anbindung. Die Flüchtlinge müssen aber Behördengänge unternehmen, und sie wissen nicht, wie sie die Behörden erreichen sollen.

Erst kürzlich habe ich eine Dokumentation gesehen, in der jemand vom LaGeSo Berlin nach Brandenburg zur Erstaufnahme geschickt worden ist. Er hat eine Fahrkarte bis zur Erstaufnahmestelle in Brandenburg bekommen, aber kein zusätzliches Geld. Der Busfahrer hat sich geweigert, den Flüchtling mitzunehmen, und der Flüchtling wusste nicht, wie er die 15 Kilometer zum Übergangswohnheim bewältigen sollte. Das finden Sie witzig? Wir dürfen dann nicht sagen, dass das Isolation sei? Das ist Isolation! Genau das wollen Sie, und wir wollen das nicht!