Protocol of the Session on March 27, 2019

Wer sich anschaut, wie die Lastenverteilung war, der sieht in der Bundestagsdrucksache unter dem Stichwort „Bremen“, dass wir im Jahr 2017 9,6 Millionen Euro für die Beteiligung an den Ausgaben der Länder bekommen haben, das sind 670 Euro pro Monat und Kopf. Wir haben für die Entlassungspauschale für unbegleitete minderjährige

Ausländer 2,9 Millionen Euro bekommen. Wir haben 6,4 Millionen Euro für die Verbesserung der Kinderbetreuung bekommen und wir haben 16,5 Millionen Euro für die Integrationspauschale bekommen, zusammen circa 35 Millionen Euro.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das klingt nach sehr viel Geld. Wenn man sich aber anschaut, welchen Aufwand wir in den beiden Gemeinden und im Land für die Flüchtlingsaufnahme haben, dann stellt die Bundesregierung in der Antwort und in dem Bericht an den Bundestag für das Jahr 2017 fest, „dass die Entlastungen nur 12,9 Prozent der flüchtlingsbedingten Bruttoausgaben des Stadtstaates Bremen gedeckt haben.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Rest zahlen unsere beiden Gemeinden und das Land. Der Anteil des Bundes an den entstehenden Mehrkosten für die Aufnahme von Menschen, die aus Fluchtgründen zu uns kommen, beträgt nur 12,9 Prozent. Wer das mit anderen Bundesländern vergleicht, stellt fest, dass das sehr unterschiedlich ist. Ich habe beispielsweise gelesen, dass in SachsenAnhalt, die auch immer sehr laut brüllen, um das einmal vorsichtig zu sagen, der Anteil der Bundesfinanzierung bei fast 50 Prozent liegt.

Das muss ich noch einmal sagen: Wir Bremer leisten einen ganz wesentlichen Anteil der flüchtlingsbedingten Mehrkosten aus unseren alleinigen und ausschließlichen haushalterischen Mitteln. Ich finde, das ist eine besondere Feststellung wert.

(Beifall CDU)

Umso unverständlicher ist es für mich, dass der Bundesfinanzminister und ehemalige Hamburger Bürgermeister Scholz, SPD, angekündigt hat, diese Kosten dramatisch absenken und perspektivisch fortfallen zu lassen. Ich finde, wir müssen mit aller Geschlossenheit, die erforderlich ist, aber auch mit allem Nachdruck dafür sorgen, dass diese Pläne möglichst schnell fallen gelassen werden.

(Beifall CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, BIW)

Der Bund darf sich von diesen Kosten nicht in einer solchen Weise verabschieden, denn die Kosten entstehen nicht in der Eigenverantwortung des Landes. Wir haben auf die Frage, wie viele Menschen nach Deutschland flüchten und wie viele wir davon in Bremen und Bremerhaven aufnehmen werden, wie lange das Asylverfahren dauert, wie das Asylverfahren abgeschlossen wird, wie viele Menschen

von denen, die abgelehnt worden sind, hier geduldet werden, wir haben nicht einmal auf die Frage, wie viele Menschen von denen, die abgelehnt wurden, wieder in ihre Heimatländer zurückgeführt werden, wir haben auf alle diese Maßnahmen, die die Kosten verursachen, so gut wie keinen Einfluss.

Das unterliegt ganz maßgeblich dem Einfluss der Bundespolitik und der Bundesregierung. Umso unverantwortlicher ist es, zu sagen: Wir haben zwar im Bund die Verantwortung, aber finanzieren sollen es die Länder. Ich finde, als Bremische Bürgerschaft müssen wir ganz klar sagen: So lassen wir mit unseren Interessen nicht spielen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Deswegen habe ich die Hoffnung und Erwartungshaltung, sehr geehrter Herr Bürgermeister, dass Sie im Kreise der Ministerpräsidenten mit der gleichen Vehemenz gegen die Pläne ihres Parteifreundes Olaf Scholz vorgehen, wie Sie es auch 2016 gemacht haben. Damals haben Sie sich in der Debatte sehr laut zu Wort gemeldet. Ich nehme wahr, dass Sie sich auch in die aktuellen Debatte, wenn auch leiser, eingebracht haben. Aber ich sage: Jedes Verhandlungsergebnis, das für unser Bundesland unter 12,9 Prozent abschließt, ist ein schlechtes Verhandlungsergebnis.

Der Bund müsste sich zu mindestens 50 Prozent an diesen Flüchtlingskosten beteiligen. Das wäre eine gerechte Lastenverteilung in Deutschland, und deswegen wollen wir als Fraktion der CDU, dass wir hier gemeinsam ein Zeichen setzen. Wir lassen uns das als Land nicht gefallen, und wir wollen, dass unser Ministerpräsident und unser Senat gemeinsam mit den anderen Ministerpräsidenten erfolgreich gegen diese Pläne von Olaf Scholz vorgehen. – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt in dieser Frage aus meiner Sicht keine zwei Meinungen. Der Haushaltsentwurf von Bundesminister Scholz ist eine Zumutung.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, CDU, DIE LINKE, FDP, BIW)

Dieser Haushaltsentwurf passt im Übrigen zu dieser Regierung im Bund, denn Haushalt und Regierung haben abgewirtschaftet.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Für den Kampf gegen Hunger und den internationalen und nationalen Klimaschutz fehlt das Geld, im Verteidigungsetat jagt dafür ein Millionendesaster das nächste. Statt konkreter struktureller Maßnahmen nun also die Einsparung bei der Flüchtlingshilfe. Meine Damen und Herren, es ist inakzeptabel, dass Olaf Scholz versucht, auf dem Rücken von Flüchtlingen und Kommunen seine Haushaltsprobleme zu lösen. Das ist ja jetzt schon eine Diskussion, die wir häufiger hatten, wenn wir auch – der Hinweis sei gestattet, Herr Kollege Röwekamp – unter Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble festgestellt haben, dass der Bund seine Beteiligung deutlich zurückhaltender formuliert, als wir es gern gehabt hätten.

Damals wie heute kann man eigentlich schon von unterlassener Hilfeleistung sprechen. Was bedeutet das Ganze nun für das Land Bremen? Wenn wir uns einig sind, dass bei der Grundausstattung, beim Essen, Trinken und Wohnen, nicht gespart werden kann, dann unterhalten wir uns doch einmal ganz konkret über mögliche Auswirkungen dieser Kürzungen. Wir könnten die gute Unterbringungspraxis, die wir in Bremen haben, verändern. Statt vieler dezentraler, kleiner Einrichtungen können wir es wie andere Länder machen und große Massenunterkünfte bereitstellen. Das kann aber niemand ernsthaft in diesem Land wollen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Dann seien da noch die zahllosen Integrationsprojekte in den Quartieren zu nennen, Mittel für Sportvereine, um deren Integrationsleistung zu unterstützen, stadtteilbezogene Jugendarbeit für Geflüchtete, Beratungsstellen für Geflüchtete wie Ankommen im Quartier, kommunale Sprachkurse für Flüchtlinge, Gesundheitskarten für Flüchtlinge, psychosoziale Betreuung – denken Sie an Refugio – oder die stadtteilbezogene Familienarbeit, durch die insbesondere in Zuzugsquartieren Geflüchtete unterstützt werden sollen, um sich in die Gesellschaft integrieren zu können, und das Stichwort Kinderbetreuung ist auch gerade gefallen.

Während der Senat in Bremen bereits im Integrationskonzept klargestellt hat, dass Integration kein kurzfristiger Prozess ist, hat der Bundesminister der

Finanzen offensichtlich noch enormen Nachholbedarf. Der Haushaltsentwurf ist unverantwortlich und gefährdet im Übrigen auch das Integrationsklima in unserem Land. Wir können an dieser Stelle nur den Präsidenten des Senats auffordern, hier auf der Ebene der Ministerpräsidenten und innerhalb seiner eigenen Partei die Notwendigkeit der finanziellen Beteiligung des Bundes einzufordern. Der Bund darf sich aus unserer Sicht nicht aus seiner Verantwortung stehlen und die Länder und Kommunen nicht im Regen stehen lassen. Wir schaffen das, aber nun einmal nur gemeinsam. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, CDU, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich ist es in gewisser Weise eine kleine Premiere, denn so nah, Herr Röwekamp, war ich Ihren Positionen in den ganzen Jahren, glaube ich, noch nie. Ich sehe Vieles von dem, was Sie gesagt haben, und auch von dem, was mein Kollege Fecker gesagt hat, ganz genauso.

Ich erinnere mich sehr gut an das Jahr 2015, als in sehr kurzer Zeit sehr viele Menschen nach Bremen kamen. Das Problem war nie die Vielzahl der Menschen, sondern die Kürze der Zeit. Das Sozialhilfesystem ist damals kollabiert. Ich habe mich noch öffentlich aufgeregt und gesagt: Container bauen, das können wir nicht machen. Wir können Menschen nicht in Containern unterbringen. Nachher waren wir froh, dass wir Container hatten, und sind irgendwann bei Zelten gelandet.

In dieser wirklich sehr aufgeregten Zeit, finde ich, hat Bremen klug gehandelt, dass wir es nicht den Populisten überlassen haben, Hetze zu treiben, sondern dass wir sehr sorgfältig darüber nachgedacht haben, in welchem Bereich wir welche Initiativen, welche Verbesserungen ergreifen müssen. Da will ich einmal sagen, dass Bremen das im Großen und Ganzen doch sehr gut gemacht hat

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

bei allem, das man vielleicht auch kritisieren könnte, aber im Großen und Ganzen sehr gut. Ich finde, zu der Zeit damals, als Herr Schäuble noch Finanzminister war, hat die Erwartung, dass der Bund sich an den Kosten für die Flüchtlinge beteiligt, dass die überhaupt stattfindet, das hat eine

Zeit gedauert, und es war auch notwendig, darauf hinzuweisen, dass man die Verantwortung nicht auf die Kommunen und auf die Bundesländer abwälzen kann, weil wir gar nicht in der Lage sind, schon gar nicht als Haushaltsnotlageland, die Situation zu bewältigen.

Dass das am Ende geglückt ist und dass wir tatsächlich Zuschüsse und Unterstützung bekommen haben, das war auch bitter nötig. Es geht ja nicht nur darum, dass diejenigen, die hier ankommen, etwas zu essen, zu trinken und zum Wohnen haben. Wir haben teilweise Flüchtlinge, hoch traumatisiert, die eine spezialtherapeutische Behandlung brauchen. Die ist nicht umsonst zu haben. Uns fehlten Therapeuten, uns fehlten Übersetzer, uns fehlten überall diejenigen Menschen, die sich als Fachpersonal um diese Geflüchteten kümmern. So gesehen schließe ich mich absolut an, was den Aufruf an unseren Bürgermeister in Berlin betrifft, dafür zu kämpfen, dass genau die Seite im Haushalt geändert werden muss.

Ich sage das als Sozialpolitiker, nicht als Finanzpolitiker, und ich will jetzt auch gar nicht über Steuerpolitik reden, obwohl ich da auch einiges zu sagen hätte. Wenn Ihr Spitzenkandidat der Fraktion der CDU jetzt schon andeutet, im Sozialbereich müsse man Kürzungen vornehmen, da sei etwas zu streichen, wenn das auch der neue Junge-UnionVorsitzende überall schon laut erzählt, dann sage ich Ihnen einmal ganz ehrlich, dass im Sozialressort zu kürzen fast nicht möglich ist. Wir haben eher in allen Bereichen, sei es die Jugendhilfe, sei es der Kinderschutz, egal wohin Sie schauen, eine sehr angespannte Situation.

Dass sich das allmählich etwas lockert und verbessert, dass man in der Sozialpolitik wieder Luft bekommt, das halte ich für einen positiven Aspekt. Aber wenn das Geld nun gleich wieder gestoppt wird, dann sehe ich ehrlich gesagt sehr viel an Gemeinsamkeit mit der Frage der Integration, mit der Frage der Inklusion. Die sehe ich insgesamt dann eher auf dem absteigenden Ast.

Es hat damals ja schon einmal eine Zeit gegeben, in der man meinte, man könnte 40 Millionen Euro aus dem Sozialaushalt einfach so herausschneiden. Ich warne davor, immer zu denken, in dem Bereich sei es nicht nötig. Ganz im Gegenteil. Wir haben in diesem Bundesland eine große Schere zwischen Arm und Reich. Wenn wir allein das betrachten, dann kann es nicht sein, dass wir insgesamt weniger Geld haben, und wenn wir für die Flüchtlinge weniger Geld von der Bundesebene bekommen,

dann müssen wir das mit eigenen Mitteln kompensieren. Woher sollen die denn dann kommen? Die Frage stelle ich einmal an dieser Stelle.

Ein Projekt, das mir selbst und im Übrigen auch der Fraktion DIE LINKE, dem Kollegen Tuncel, der jetzt nicht da ist, ganz stark am Herzen liegt, ist, dass wir in Bremen eigentlich die Verantwortung haben, 20 jesidische Frauen hierher zu holen, weil die ganz besonders gequält, gedemütigt, vergewaltigt werden, alles, das ganze üble Programm. Dass wir uns so schwertun, diese 20 Frauen nach Bremen zu holen, hat nicht nur etwas mit Bremen zu tun, das hat auch mit der Bundesebene zu tun. Auch das kostet Geld, weil das einer Spezialbehandlung bedarf, und ich bin sehr davon überzeugt, dass wir das aus humanitären Gründen leisten können müssten.

(Beifall SPD, DIE LINKE, FDP)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, plädiere ich dafür, dass – –. Ich weiß gar nicht, ob man den Erfolg des Bürgermeisters an der jeweiligen Lautstärke erkennt. Ich glaube, dass er schon sehr genau weiß, worum es uns an der Stelle geht und dass wir diese Mittel in der Sozialpolitik dringend vom Bund brauchen und nicht allein kompensieren können. In dem Sinne, lieber Herr Bürgermeister, haben Sie die volle Unterstützung der Fraktion der SPD, in Berlin zu handeln und dafür zu kämpfen.

(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Dann kann ja nichts mehr passieren!)

Der frühere Bürgermeister in Hamburg, Olaf Scholz, müsste eigentlich aus eigener, ganz naher Anschauung sehr genau wissen, was das mit den Kommunen und den Ländern macht. Ich finde, daran kann man den auch einmal erinnern – und ich spreche wirklich nur für diesen Bereich des Haushalts –, dass man da seine sozialpolitische Sicht der Dinge nicht verstecken kann, sondern dass man auch im Interesse des Gemeinwohls vornweg sein muss. Ich möchte nämlich nicht, dass wir in Bremen irgendwann eine Situation bekommen, in der die Flüchtlinge hinten hinunterfallen und man den Populisten freie Bahn für Hetze jeder Art lässt.

Ich möchte, dass wir das, was wir bisher geleistet haben, ordentlich fortsetzen, vielleicht sogar in der einen oder anderen Frage verbessern können. Das Argument, es kämen jetzt weniger, das ist wahr. Es kommen jetzt weniger. Jetzt haben wir endlich in den Einrichtungen einmal ein bisschen mehr Luft,

ein bisschen mehr Platz. Man kann das Ganze ein bisschen entzerren und das kostet natürlich Geld.

Wenn Sie glauben, wir könnten von nun an auf einen Schlag einmal alle Einrichtungen abschaffen – –. Ich plädiere in der Deputation für Soziales, Jugend und Integration ständig dafür, dass wir einen ordentlichen Puffer behalten müssen, weil niemand weiß, ob es nicht eine Situation gibt, in der es dann doch wieder mehr sind, die nach Bremen kommen. Das muss sehr genau diskutiert, sehr genau abgewogen werden, aber einen gewissen Puffer an Unterkünften, den müssen wir uns erhalten und das muss man sich auch leisten können. In diesem Sinne bitte ich Herrn Bürgermeister Dr. Sieling, sich in Berlin dafür einzusetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Manchmal ist man verwundert, wenn man Aktuelle Stunden sieht, weil man sich fragt: Was ist das Interesse dahinter? Was soll erreicht werden? Wir als Freie Demokraten haben hier schon häufiger vorgestellt, wie wir uns Zuwanderungspolitik, Einwanderungsrecht und Asylpolitik vorstellen.

Ich habe mich gefragt, wer so eine Aktuelle Stunde einbringt, um zu sagen: Wir wollen mehr Geld für Integration haben, wir wollen eine vernünftige Flüchtlings- und Integrationspolitik machen und das ausreichend finanzieren. Ich wundere mich, dass es die Fraktion tut, die stark auf das Sachleistungsprinzip setzt, die keine Änderung in der Einwanderungspolitik vornimmt, die nicht dafür sorgt, dass wir in Einwanderungsfragen vorankommen. Trotzdem, ich nehme positiv wahr, dass sich die Fraktion der CDU in Bremen dafür einsetzt, dass das Verursacherprinzip gilt.