Protocol of the Session on March 27, 2019

(Abgeordnete Grotheer [SPD]: Herr Präsident, ich nehme die Wahl an! – Beifall)

Meine Damen und Herren, ich darf im Namen aller Abgeordneten dieses Hauses Frau Antje Grotheer zu ihrer Wahl zur Präsidentin der Bürgerschaft die herzlichsten Glückwünsche aussprechen!

(Anhaltender Beifall)

Ich unterbreche die Sitzung für die Glückwünsche.

(Unterbrechung der Sitzung 10.32 Uhr)

Vizepräsident Imhoff eröffnet die Sitzung wieder um 10.41 Uhr.

Frau Präsidentin Grotheer, ich bitte Sie jetzt, diesen Platz einzunehmen!

(Beifall)

(Präsidentin Grotheer übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe ein bisschen etwas vorbereitet. Ich glaube die Aktuelle Stunde schaffen wir heute Vormittag nicht mehr. Nein, Scherz beiseite! Nichts ist so unbeliebt wie eine Präsidentin, die zu lange redet, habe ich mir vorher sagen lassen. Also versuche ich mich kurzufassen. Diese

Ankündigungen sind ja meistens die, auf die ganz lange Redebeiträge folgen.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrte Frau Schriftführerin, liebe weitere Vorstandsmitglieder, liebe Abgeordnete des Hohen Hauses, meine sehr verehrten Damen und Herren, danke! Ich danke Ihnen und euch für das Vertrauen und die Unterstützung! Ich freue mich sehr. Mein besonderer Dank geht an die beiden Vizepräsidenten, die in den vergangenen Monaten hier viele Aufgaben mit Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bürgerschaftsverwaltung so engagiert übernommen haben.

(Beifall)

Aber gleichzeitig vermisse ich – das wird vielen hier ähnlich gehen – nach wie vor die Stimme von Christian Weber im Parlament. Christian hat hier große Fußspuren hinterlassen. Ihm gelten mein besonderer Dank und Respekt für seine Arbeit im und für das Parlament, für seinen unermüdlichen Einsatz für Bremen, für die Demokratie.

(Beifall)

Auch deshalb übernehme ich dieses Amt mit Ehrfurcht und Hochachtung. Ich komme aber auch mit großer Freude und viel Energie! Ich will versuchen, Ihren und euren Ansprüchen an mich als Bürgerschaftspräsidentin gerecht zu werden. Ich will Ihnen und euch eine faire, eine gerechte Präsidentin sein.

Auch bei einem weiteren Thema will ich das, was Christan gelebt hat, fortsetzen: Ich will für dieses „Ding Demokratie“ werben, wie es neulich die jungen Leute bei den Fridays for Future genannt haben. Dabei möchte ich alle erreichen: von den protestierenden Schülerinnen und Schülern angefangen bis zu den Menschen weit weg von diesem Marktplatz, die schon lange nicht mehr wählen gegangen sind. Wir hatten vor vier Jahren die niedrigste Wahlbeteiligung in diesem Land. Ich will diesen Zustand nicht hinnehmen, sondern aktiv – mit Ihnen und euch allen gemeinsam – daran arbeiten, ihn zu ändern. Deshalb ist es mir enorm wichtig – nicht nur in den gut zwei Monaten bis zur Wahl –, alles daran zu setzen, um die Menschen in unseren beiden Städten davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, wählen zu gehen,

(Beifall)

dass es letztlich an ihnen liegt, wie die Zukunft unseres Bundeslandes und unserer Gesellschaft aussieht, dass es tatsächlich um etwas geht und dass an dem oft geäußerten Vorwurf „die da oben tun doch sowieso, was sie wollen“ nichts daran ist. Im Gegenteil! Damit wir wirklich die Interessen der Menschen in unseren Städten vertreten können, müssen wir alle uns gemeinsam um sie bemühen und parteiübergreifend dafür kämpfen, dass sie sich einbringen, dass sie ihr demokratisches Recht nutzen und bestimmen, wohin die Reise geht! Meinen Beitrag dazu will ich gern und voller Überzeugung leisten. Ich werde die nächsten Wochen nutzen, auf möglichst viele Menschen in Bremen und Bremerhaven, in den Stadtteilen, in den Vereinen und Verbänden zuzugehen – für diese eine Botschaft: Geht wählen!

(Beifall)

Für mich steht fest: Wir müssen heraus aus unseren Filterblasen, heraus auf die Straßen und wieder ins Gespräch kommen, mit allen. Wir müssen trotz oder gerade wegen der parteipolitischen Unterschiede immer wieder diese eine Botschaft verbreiten: Nutzt eure Stimme! In diesem Jahr sind es mit der Europawahl, der Bürgerschaftswahl, der Wahl der Stadtverordnetenversammlung und der Beiräte und dem Volksentscheid sogar ziemlich viele Stimmen. Viele Entscheidungen, viele Möglichkeiten, viel Macht, etwas zu erreichen! Das müssen wir transportieren, dafür will ich kämpfen, und dafür brauche ich Sie und euch als Botschafter für die Demokratie.

Noch etwas ist mir sehr wichtig als Bürgerschaftspräsidentin: Ich freue mich, dass ich die erste Frau in diesem hohen Amt bin,

(Beifall)

und ich hoffe, dass wir mit den vielen anderen weiblichen Präses und Präsidentinnen, die wir schon längst in dieser Stadt haben und die wir auch in Bremerhaven haben, ein sichtbares Zeichen setzen für echte Gleichberechtigung. So wichtig es aber ist, dass Frauen zeigen, dass sie sich in derartigen Positionen durchsetzen können und dass dort niemand mehr an uns vorbeikommt: Gleichberechtigung darf sich nicht in der Diskussion über Gästelisten bei der Eiswette oder bei der Schaffermahlzeit erschöpfen.

(Beifall)

Ja, es ist richtig, dass sich dabei etwas tun muss, aber viel wichtiger ist es, dass Gleichberechtigung bei der weitaus größeren Mehrheit der Frauen ankommt. Hohe Ämter und Spitzenpositionen gibt es vergleichsweise wenige, aber es gibt gerade in den sozialen Berufen, in der Pflege, in unseren Kitas, an den Kassen der Supermärkte und in den Vorzimmern der Büroetagen noch weitaus mehr zu tun, um wirklich etwas für die Gleichberechtigung von Frauen zu erreichen.

(Beifall)

Dazu gehören gute Löhne und Arbeitsbedingungen, dazu gehören Wertschätzung und Respekt. Wir sind nicht nur die angeblich „bessere Hälfte“, wir sind die Hälfte! Deswegen gehört uns auch die Hälfte.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Deswegen will ich mich auch dafür stark machen, dass wir endlich auch die strukturelle Ungleichbehandlung von sogenannten Männer- und Frauenberufen auflösen. Auch das gehört für mich zur Demokratie, und ich wünsche mir generell eine lebendige Demokratie in unseren beiden Städten, dass wir gemeinsam für unsere Themen kämpfen, dass wir streiten, dass wir überzeugen – mit Worten, mit Argumenten, mit Respekt –, ohne persönlich zu werden, ohne Hass und Hetze!

(Beifall)

Grundbedingung dafür ist die Fähigkeit zum Kompromiss und das Anerkennen anderer Meinungen und gemeinsamer Regeln. Ich setze und vertraue darauf, dass Sie mir dabei die Arbeit in diesem Punkt einfach machen. Auf dass die Glocke, die jetzt hier vor mir steht, möglichst selten zum Einsatz kommen muss.

Damit ich sie nun nicht als Erstes benutzen muss, um meine eigene Redezeit zu begrenzen, sollten wir uns jetzt ans Arbeiten machen, denn wir haben einiges vor uns. Mein erster Tag im Amt beginnt mit der Aktuellen Stunde mit gleich vier Themen! Es fängt also gut an, und ich wünsche mir, euch und Ihnen für heute und für die Zukunft: lebhafte Debatten in einer lebendigen Demokratie. Lassen Sie uns anfangen!

(Beifall)

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde liegen vier Themen vor, und zwar erstens auf Antrag der Abgeordneten Zenner, Frau Steiner und Fraktion der FDP, „Justiz am Limit – endlich ausreichend Personal für die Staatsanwaltschaft!“, zweitens auf Antrag der Abgeordneten Frau Bernhard, Frau Vogt und Fraktion DIE LINKE, „Lohndiskriminierung endlich beenden – Equal Pay durchsetzen“, drittens auf Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Schaefer und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, „Klimakrise: Die Schülerinnen und Schüler haben‘s verstanden – konsequenter Klimaschutz jetzt!“ und viertens auf Antrag der Abgeordneten Frau Neumeyer, Röwekamp und Fraktion der CDU, „Scholz-Pläne stoppen – Bund muss weiter Verantwortung für Flüchtlinge übernehmen“.

Hinsichtlich der Reihenfolge der Redner wird nach der Reihenfolge des Eingangs der Themen verfahren. – Ich stelle Einverständnis fest.

Zu den ersten beiden Themen als Vertreter des Senats Senator Günthner. Zum dritten Thema als Vertreter des Senats Senator Dr. Lohse. Zum vierten Thema als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Sieling.

Die Beratung ist eröffnet.

Das erste Thema lautet:

Justiz am Limit – endlich ausreichend Personal für die Staatsanwaltschaft!

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit vielen Jahren ist offenkundig, dass die Bremer Justiz auf allen Ebenen mehr Personal braucht. Diese Debatte führen wir nicht zum ersten, und wenn sich die mangelhafte Personalsituation nicht zügig ändern wird, auch nicht zum letzten Mal. Fakt ist, die Justiz und mit ihr die Staatsanwaltschaft sichern die Rechtsprechung für uns alle. Diese Rechtssicherheit in einem zeitlich angemessenen Rahmen hat ihren Preis. Langsam fragen wir uns ernsthaft, meine Damen und Herren von der Koalition, ob Sie diesen Preis nicht zahlen können oder einfach nicht wollen.

(Beifall FDP)

Mangelnde Wertschätzung, Überlastung, Überstunden, etwa 48 Stunden im Schnitt, das ist normaler Alltag für viele Damen und Herren in der Justiz. Neu ist diese Überlastung nicht. Das kennen wir bereits von der Polizei mit über 300 000 Überstunden, mit über 10 000 Eingängen bei der Polizei, die noch nicht bearbeitet sind. Jetzt zeigt sich wieder einmal, was das ganze Kaputtsparen an den falschen Stellen gebracht hat. Die Staatsanwaltschaft droht auch unterzugehen. Wenn man erst einmal untergegangen ist, dann ist es schwer, wieder an die Wasseroberfläche zu kommen. Die Staatsanwaltschaft ruft nach dieser Hilfe. Es ist Ihre Aufgabe, sie zu gewähren.

(Beifall FDP)

In unser aller Interesse, wir brauchen endlich eine zukunftssichere Justiz und eine schlagkräftige Staatsanwaltschaft für Bremen. Das haben die Bürgerinnen und Bürger verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Das bedeutet ganz einfach, wir müssen uns um mehr Personal kümmern. Bereits jetzt gibt es jedoch schon erhebliche Probleme – auch mit der Anschlussfinanzierung. Viele Stellen in der Justiz sind nur temporär finanziert. Wir müssen uns für die nächsten Jahre überlegen, wie wir diese Stellen dauerhaft absichern.

(Abgeordneter Rupp [DIE LINKE]: Am besten durch Personal!)