Protocol of the Session on February 27, 2019

(Beifall FDP – Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist doch wirklich naiv!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Leonidakis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Zenner, ich mache mir ehrlich gesagt ein bisschen Sorgen wegen des Niveaus hier. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, dass man Länder auf dem Papier als sicher deklariert und Ihr Gegenbeweis dann der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist, dann finde ich das schwach. Zu den zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Sie angeführt haben: Ich weiß nicht, welche Sie meinen. Lesen Sie doch einmal bei queer.de nach, beim LSVD, lesen Sie doch einmal bei Pro Asyl nach oder bei Amnesty International, das sind zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich sehr wohl mit dem Thema befasst haben und dazu ganz eindeutige Einschätzungen abgeben. Ich glaube, das würde tatsächlich zur Versachlichung der Gemengelage führen.

Ich habe schon gesagt, die Asylanerkennungszahlen der Bundesregierung sind nicht die, die es tatsächlich sind. Wir haben, ich wiederhole das noch einmal, denn das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen, zwischen 6,3 und 10,8 Prozent bereinigte Anerkennungsquoten. Man muss hier von der bereinigten Anerkennungsquote ausgehen. Ich habe aber auch gar nicht das Gefühl, dass die FDP ein ehrliches Interesse daran hatte, sich mit dem Thema an sich zu beschäftigen.

(Abgeordnete Steiner [FDP]: Eine üble Unterstel- lung!)

Ich habe eingangs schon gesagt, ich halte das für ein billiges Manöver, das Sie hier vornehmen. Frau Steiner, weil Sie hier schon dazwischenrufen, ich habe mir Ihre Pressemitteilung durchgelesen. Ich muss sagen, dass Sie es unverständlich finden, dass Länder nicht zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, die ein beliebtes Urlaubsziel sind, –

(Zurufe Abgeordnete Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen] und Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen])

da muss ich wirklich sagen, das zeigt einfach nur Ihre Kleinkariertheit und nichts anderes.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Hauptsache, einen schönen Urlaub machen, genau. Wenn Sie nicht in der Lage sind, zu differenzieren, was es für jemanden wie Sie bedeutet, in Tunesien Urlaub zu machen, und was der Unterschied zur Lebensrealität von Schwulen, Lesben oder Transsexuellen ist, die dort im Gefängnis sind, oder was die Realität von den Polisario ist, die politisch verfolgt werden, dann sparen Sie sich solche Anträge.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich hätte mich gefreut, da Sie sich mit einem Urteil von wegen Urlaubsland so weit an die Presse wagen, wenn Sie die Gelegenheit nutzen und sich mit den Gästen von den Polisario aus der West-Sahara, die heute hier in Bremen sind, einmal auf einen Kaffee treffen und sich einmal mit denen unterhalten, wie eigentlich die politische Lage in Marokko ist.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ihr Kollege war gerade bei dem Treffen mit den Gästen der West-Sahara dabei!)

Wenn Sie das gemacht haben, unterhalten Sie sich doch einmal und hören einmal auf die Fakten anstatt auf billige Wahlkampfmanöver. – Danke!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ordentlich Stimmung, das ist ja leider meistens bei diesen Themen so. Ich will noch einmal kurz richtigstellen, Herr Kollege Zenner: Das Land Bremen hat der Einstufung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten nicht zugestimmt, sondern zumindest der grüne Koalitionspartner – bei der SPD habe ich es ehrlicherweise nicht mehr im Kopf – hat das abgelehnt, weil wir insgesamt das Instrument – –.

(Zuruf Abgeordnete Aulepp [SPD])

Genauso? Okay. Wie immer Rot und Grün Seite an Seite. Der grüne Koalitionspartner hat abgelehnt, weil das Instrument der sicheren Herkunftsstaaten am Ende nichts anderes ist als eine weitere Aushöhlung des individuellen Rechts auf Asyl, und das steht aus gutem Grund in unserem Grundgesetz. Ich muss akzeptieren, dass zwei Drittel des Deutschen Bundestags und des Bundesrats das anders gesehen haben. Trotzdem sage ich Ihnen sehr deutlich: Politisch bleibt es dabei, dass wir das Instrument der sicheren Herkunftsstaaten ablehnen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Dann haben Sie gerade traumwandlerisch darüber gesprochen, dass wir natürlich auch nicht mit allen Verfassungsschutzämtern aller Länder zusammenarbeiten können. Persönlich bin ich ganz froh darüber, dass wir nicht mit all denen zusammenarbeiten, weil es gute Gründe dafür gibt, dass wir das nicht tun sollten, und die Frage des Austauschs von Daten und dergleichen. Wir haben uns jetzt sehr auf den Bereich der Homosexuellen hier fokussiert und ehrlicherweise habe ich da noch keine Lösung gefunden, außer dass die eine Beratung bekommen sollen. In meinem Kopf stellen sich die ganze Zeit zwei Fragen: Was soll die Beratung bringen und wie sollen sie denn der Person, der sie gegenüber sitzen, klarmachen, dass sie homosexuell sind, dass sie einer strafrechtlichen Verfolgung unterliegen?

Es gibt im Übrigen eine großartige App, die heißt „Sicher reisen“. Sie kommt vom Auswärtigen Amt,

befindet sich immer gut auf dem Telefon. Unter „strafrechtliche Hinweise“ gibt es da für diese Länder den Hinweis.

Ich will auch einmal ganz deutlich sagen, dass ich diesen Antrag als Schlag ins Gesicht zum Beispiel all derjenigen Menschen in Tunesien empfinde, die dort für ein Verfassungsgericht streiten, um ihre Rechte gegenüber der Regierung einklagen zu können. Es ist ein Schlag ins Gesicht all der Menschen in Algerien, die für den Schutz der Gewerkschaften streiten, meine Damen und Herren! Es ist nicht so, dass es hier allein um die Frage der Homosexuellen geht, sondern es gibt in allen Ländern verschiedenste Bereiche, in denen die Menschenrechte, die Grundrechte, die wir aus gutem Grund immer und immer wieder verteidigen, in denen diese Werte mit den Füßen getreten werden. Hier als Deutscher Bundestag oder auch als Bundesrat aus Berlin zu erklären, diese Länder seien sicher, ist eine falsche Entscheidung.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Un- ruhe – Glocke)

Vielleicht können Sie sich noch einen Moment gedulden.

Herr Kollege Fecker, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinners zulassen? Herr Kollege Hinners, Sie haben das Wort.

Herr Fecker, Sie haben ja deutlich gemacht, dass Bündnis 90/Die Grünen mit diesem Weg nicht einverstanden sind. Jetzt meine konkrete Frage: In Baden-Württemberg regiert ein grüner Ministerpräsident, der ganz eindeutig erklärt hat, er sei einverstanden mit dieser Regelung?

Das haben Sie vollkommen richtig erkannt, Herr Kollege Hinners. Ich kann Ihnen jetzt auch einmal sagen, beim Digitalpakt hat die Bundestagsfraktion der CDU und die CDU-dominierte Bundesregierung das eine beschlossen und die CDU-mitregierten Länder das andere. Also, der Wert des Föderalismus ist doch, –

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Vizepräsidentin Dogan übernimmt den Vorsitz)

dass wir unsere Haltung und unsere Meinung nicht konform entlang von Parteilinien ausrichten. Also – um es ganz deutlich zu sagen –, das Zentralkomitee

entscheidet bei Bündnis 90/Die Grünen nicht, wie es läuft. Ich glaube, das hat auch Frau Kollegin Aulepp vorgebracht.

Ein letzter Satz: Ich habe gerade über den CSD und die Verfolgung in den Ländern gesprochen. Das ist der eine Spagat. Frau Kollegin Leonidakis hat gerade darauf hingewiesen, dass sich die Fraktionsvorsitzenden der Bürgerschaft mit Vertreterinnen und Vertretern der West-Sahara in der Mittagspause getroffen haben, um über die Situation in diesem Land zu reden. Sie wissen, dass dieses Parlament sich immer wieder mit der Situation dort auseinandergesetzt hat, dass wir alle Schreiben vom König von Marokko bekommen haben, der die Entscheidung dieses Parlaments verurteilt hat. Sich dann hier hinzustellen und zu sagen, das sei im Wesentlichen sicher, die haben zwar eine relativ große Fläche noch annektiert, wahrscheinlich sogar mit Waffengewalt, aber das sei im Wesentlichen sicher, das ist der zweite Spagat in der heutigen Debatte, den Sie hier versuchen hinzubekommen. Da holen Sie sich eine ziemliche Zerrung.

Der letzte Punkt: die Frage der Zahlen. Ganz ehrlich, Sie haben jetzt hier, sowohl CDU als auch FDP, darauf hingewiesen, dass die Zahlen sehr eindeutig sind, dass die Schutzquote gering ist. Können Sie mir dann bitte einmal erklären, wieso ich dann, wenn das System funktioniert, andere gesetzliche Regelungen brauche? Das habe ich bis heute nicht verstanden, –

(Abgeordneter Hinners [CDU]: Wir beschleunigen das Verfahren!)

das Asylrecht funktioniert doch im Grundsatz. Es geht darum, ein vernünftiges individuelles Verfahren sicherzustellen. Das Einzige, was Sie am Ende beschneiden, ist der Rechtsweg für die Betroffenen. Das ist eine Aushöhlung des Asylrechts, das machen wir nicht mit. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Aulepp.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu vier Punkten kurz noch etwas sagen. Der erste Punkt, darauf ist der Kollege Fecker ja schon eingegangen, ist die Frage: Warum sind eigentlich aus den Westbalkanländer weniger Leute nach Deutschland gekommen? Das lag nicht daran, dass sie zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden,

wie gesagt, der Kollege Fecker hat es schon gesagt. Das wäre ja auch sehr unlogisch. Diese Menschen hätten ja vorher auch schon merken müssen, dass die Anerkennungsquoten verschwindend gering sind. Von daher kann das eigentlich keinen Unterschied gemacht haben.

Der zweite Punkt ist, und das, finde ich, ist wieder bedenklich, dass in solchen Diskussionen durch die Behauptung, es seien begrenzte Kapazitäten vorhanden, die dann ausgeschöpft würden und nicht denjenigen zur Verfügung stünden, die sie wirklich verdient hätten, wieder suggeriert wird, es gäbe eine endliche Anzahl von Verfahren, und wenn die aus dem Einkaufskorb herausgenommen sind, dann hat man Pech gehabt. Das Recht auf Asyl ist individuell, und jeder und jede kann es beantragen.

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Wem es zusteht, der bekommt es auch, da gibt es keine Kapazitäten, da gibt es keine Obergrenzen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Der dritte Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die ausdrückliche Beratungsmöglichkeit, also dass man da dann etwas Gutes für die Menschen tut, die davon betroffen sind, und dann hat man das irgendwie geheilt. Das Verwaltungsverfahren ist genauso wie das Verwaltungsgerichtsverfahren ein Verfahren des Amtsermittlungsgrundsatzes. Das heißt, sowohl die mit dem Verfahren befassten Behörden als auch die mit dem Verfahren befassten Gerichte müssen nicht darauf warten, dass jemand beraten wird und dann Ansprüche geltend macht, sondern die müssen das erforschen. Die müssen herausfinden, ob das wahr ist, was da an Asylgründen, an Fluchtgründen, an Verfolgung vorgetragen wird. Und von daher ist diese Beratungsangelegenheit eher ein Feigenblatt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Der vierte Punkt, zu dem ich hier etwas sagen möchte: Ja, Herr Zenner, es ist sachlich richtig, im Bundestag zustimmen ist etwas anderes, man könnte auch sagen, es ist das Gegenteil von nicht zustimmen. Da besteht ein Dissens, den haben Sie richtig lokalisiert. Allerdings: Wenn man sich vertraglich verpflichtet hat, weil man Kompromisse eingeht, weil man auf Bundesebene einen Koalitionsvertrag abschließt und dann zähneknirschend einer Sache zustimmt, dann daraus zu konstruieren, das könne ja nicht so schlimm sein, denn da

haben ja auch SPD-Mitglieder zugestimmt, das finde ich abenteuerlich, und das möchte ich an der Stelle auch deutlich zurückweisen. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss noch einmal zu den Sahrauis und der West-Sahara und Marokko deutlich machen, was ich vorhin auch schon gesagt habe: Das kann man nicht als eines zusammenfassen.