Protocol of the Session on January 24, 2019

(Beifall CDU)

Zweite Bemerkung! Weil Sie gesagt haben, Frau Böschen, man dürfe nicht vernachlässigen, dass unserem Ausbildungsmarkt auch Umlandbewohner zur Verfügung stehen. Ja, das stimmt natürlich. Darauf kann man aber auch zwei Antworten geben: Die erste Antwort ist ehrlicherweise, wenn man die Schulabschlüsse mit dem Umland vergleicht, kommt jeder Vierte aus Niedersachsen. Bei den bestehenden und abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen haben die Niedersachsen eine Quote von 43 Prozent. Das heißt, die Absolventen der niedersächsischen Umlandschulen, Speckgürtel, wie Sie es genannt haben, profitieren überproportional von dem Angebot an Ausbildungsplätzen in Bremen.

Das hat natürlich etwas mit der Qualität von Bildungsabschlüssen zu tun, weil sie im Wettbewerb stehen.

(Beifall CDU, BIW)

Deswegen müssen wir an dieser Stelle auch über die Qualität von Bildungsabschlüssen und die Berufsorientierung reden.

Lassen Sie mich eine dritte Bemerkung dazu machen, wenn Sie vom Speckgürtel reden, sehr geehrte Frau Kollegin Böschen, dann ist es vielleicht auch manchmal ein Anlass, sich an die eigene Nase zu fassen. Diese Menschen ziehen ja, im letzten Jahr waren es 2 000, nicht von Bremen in das Umland, weil sie getrieben werden, sondern sie ziehen deswegen dahin, weil dort die Lebensbedingungen für junge Familien besser sind, als in Bremen und Bremerhaven.

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Weil die betriebliche Situation in Bremen besser ist?)

Weil sie sich ihren Wohnraum dort leisten können, weil es nicht nur für hohe und niedrige Einkommen bezahlbaren Wohnraum gibt, wie in Bremen, sondern auch für mittlere Einkommen und weil es dort die bessere Kita und die bessere Schule gibt.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Deswegen ziehen die Menschen dorthin, und nicht, weil sie gern in Syke, in Bassum oder in Schiffdorf wohnen, sondern sie ziehen deswegen hin, weil es dort lebenswerter ist. Dann muss doch die Antwort der Sozialdemokraten sein, sich zu fragen, warum ziehen die Menschen dorthin, und wie kann man dafür und für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sorgen, dass die Mittelschicht nicht aus den Städten Bremen und Bremerhaven flieht, sondern dass wir sie hier, in unserer Mitte, behalten. Um den Wechsel herbeizuführen, ist Politik gefordert. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Dr. Müller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Noch zwei Anmerkungen! Liebe Frau Strunge, ich glaube, wie wir unseren Wählern unser Wahlprogramm erklären, das können Sie getrost uns überlassen. Ich habe vorhin sehr deutlich gesagt, dass wir eine freiwillige und branchenspezifische Ausbildungsumlage nicht ablehnen. Von daher würde ich darum bitten, in Ihren Beurteilungen anderer Redebeiträge zu differenzieren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Der zweite Punkt, ich habe Ihnen jetzt zwei Redebeiträge lang intensiv zugehört, weil Sie gestern angekündigt haben, heute einen umfassenden

Plan vorzulegen, den wir gestern diskutiert haben, nämlich die Verbindung von Innovations- und Fachkräftestrategie. Sie erinnern sich, das haben wir gestern diskutiert. Sie haben beide Anträge, sowohl den koalitionären als auch den von der CDU abgelehnt. Beide sind sehr detailliert gewesen mit Hunderttausenden von Maßnahmen, aufgelistet zur Fachkräfteverbesserung. Sie haben gesagt, das ist alles nicht genug, und morgen werde ich Ihnen erläutern, wie meine Vorstellungen aussehen. Liebe Frau Strunge, ich habe heute außer einer einzigen Maßnahme, gestern haben wir Dutzende diskutiert, heute habe ich außer einer einzigen Maßnahme, die sich Ausbildungsumlage nennt, nichts gehört. Das finde ich sehr, sehr schade. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Strunge für eine Kurzintervention.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Dr. Müller, ich würde Ihnen gern noch einmal darlegen, was Sie gerade kritisiert haben. Wir haben uns gestern als Fraktion DIE LINKE bei den beiden unterschiedlichen Anträgen der Koalition und der CDU zu der Innovations- und Fachkräftestrategie enthalten, weil wir fanden, dass ein ganz wesentlicher zentraler Punkt, nämlich die Frage, wie qualifizieren wir Bremer Jugendliche nachhaltig, nicht beantwortet wurde, in beiden Anträgen hat, oh Wunder, der Ausbildungsfonds gefehlt. Wir halten aber die Qualifizierung von Bremer Jugendlichen als das zentrale Element zur Fachkräftesicherung. Wäre dieser Punkt bei dem einen oder anderen Antrag enthalten gewesen, dann hätten wir in jedem Fall auch den anderen Maßnahmen zugestimmt. Wir haben auch nicht mit Nein gestimmt, weil wir nicht gesagt haben, dass alle diese Maßnahmen falsch sind, sondern weil wir finden, diese Maßnahmen sind einfach nicht ausreichend genug.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Dann lieber gar nichts machen?)

Sie werden wahrscheinlich nicht umfassend zur Fachkräftesicherung beitragen. Deswegen haben wir uns enthalten. Ich hoffe, Sie verstehen das. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Siering.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, dass unser Ziel sein muss, die Ausbildungsplätze in Bremen und Bremerhaven zu erhöhen, ein besseres Matching auch zwischen Auszubildenden und den Ausbildungsplätzen zu erreichen. Es ist völlig klar, dass jede Jugendliche und jeder Jugendliche in Bremen eine klare Perspektive braucht.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Mit der Jugendberufsagentur und der Ausbildungsgarantie hat der Senat zwei Instrumente auf den Weg gebracht, zwei arbeitsmarktpolitische Angebote geschaffen und das genau auch dieses Jahr umgesetzt. Bei der Jugendberufsagentur können wir sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven kontinuierlich steigende Beratungszahlen sehen. Ein großer Erfolg dabei ist nicht zuletzt die enge Zusammenarbeit, die wir jetzt zwischen der Agentur für Arbeit, der Handelskammer Bremen, den Unternehmensverbänden, der Handwerkskammer und der Arbeitnehmerkammer erreicht haben, dass wir hier sehr eng zusammenarbeiten können. Auch bei der Ausbildungsgarantie, sie schafft nämlich Perspektiven durch die finanzielle Förderung, durch die Anreize, die wir dort geschaffen haben, die Einrichtung zusätzlicher Klassen für schulische Ausbildung, die Finanzierung auch von außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen und nicht zuletzt durch die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze auch im öffentlichen Dienst.

Die beiden Instrumente Jugendberufsagentur und Ausbildungsgarantie sollen genau erreichen, dass uns kein Jugendlicher verloren geht, dass wir über den Verbleib einen Überblick haben.

(Zuruf Abgeordnete Strunge [DIE LINKE])

Wir sind auf dem Weg, das zu erreichen. Ich sage ausdrücklich, wir sind noch nicht hundertprozentig am Ziel. Man muss hier sehen, dass uns gerade die Datenschutzbelange doch erhebliche Schwierigkeiten gemacht haben, um genau den Schuldatenabgleich so zu erreichen, dass es eine Selbstverständlichkeit wird, dass wir den Verbleib der jeweiligen Jugendlichen nach der schulischen Ausbildung erfahren.

(Beifall SPD)

Ich will ausdrücklich betonen, das Datenschutzgesetz ist geändert, das Schuldatenschutzgesetz, und wir sehen jetzt tatsächlich zum ersten Mal die volle Bandbreite, sodass dieses Instrument auch seine ganze Wirkung entfalten kann. Die Steigerung der Ausbildungszahlen, wir setzen als Senat ausdrücklich auch auf die freiwillige Vereinbarung mit der Wirtschaft. Wir haben gerade im Oktober die Ausbildungsgarantie verlängert, die Vereinbarung mit den Unternehmen verlängert, Pardon, und ich will an der Stelle auch noch einmal deutlich sagen,

(Zuruf Abgeordnete Strunge [DIE LINKE])

das ist angeklungen, wir sehen doch, dass bei der Ausgleichsabgabe genau das nicht eintritt, dass eine Zwangsgebühr zu einer besseren Quote bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung geführt hat.

Das Gegenteil ist der Fall! Wir haben hier steigende Einnahmen zu verzeichnen. Wir hätten sie gern nicht, offen gestanden, zum ersten Mal in der Bremer Geschichte,

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, BIW)

muss man, glaube ich, sagen, würden wir lieber auf Geld verzichten und stattdessen mehr Menschen mit Behinderung einstellen.

(Beifall CDU)

Man sieht an der Stelle, dass eine Zwangsabgabe nicht unbedingt den gewünschten Effekt erzielt. Deswegen setzen wir auf die Freiwilligkeit.

(Abgeordneter Rupp [DIE LINKE]: Wie viele Ar- beitsplätze sind denn damit in den letzten Jahren geschaffen worden?)

Die Partner der Bremer Vereinbarung haben sich darauf verständigt, die Attraktivität der beruflichen Bildung zu steigern. Dort gilt es weiterhin, noch eine ganze Reihe von Dingen zu tun, die wir vor uns haben und die wir angehen wollen.

(Abgeordnete Strunge (DIE LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Herr Staatsrat Siering, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Strunge?

Selbstverständlich, gern!

Bitte, Frau Strunge!

Herr Staatsrat, würden Sie mir zustimmen, dass die freiwilligen Vereinbarungen bisher auch nicht zielführend waren? In der Bremer Vereinbarung war geplant, dass 7 800 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Die zusätzlichen Ausbildungsplätze waren weit darunter und ausschließlich im fachschulischen Bereich und im öffentlichen Dienst, aber nicht in der betrieblichen Berufsausbildung?

Da will ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Nein, ich stimme dem nicht zu. Wir sehen eindrücklich, dass es beispielsweise gerade in der Altenpflege, bei der wir eine freiwillige Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern erreicht haben, funktioniert. Dort gibt es eine Verständigung auf freiwilliger Basis, und wir sehen, dass die Ausbildungsplätze, die wir in diesem Bereich dringend brauchen, da wir dort einen erheblichen Fachkräftemangel sehen, dass genau das funktioniert.

(Beifall SPD, FDP, BIW)

Deswegen, die Freiwilligkeit ist doch hier das Credo. Wenn unsere Bemühungen zur Verbesserung des Ausbildungsmarktes allerdings nicht erfolgreich sein sollten, das will ich auch sagen, werden wir natürlich auch weiter überlegen müssen, wie wir damit umgehen. Selbstverständlich werden wir das auch mit den anderen Ländern diskutieren. Das ist auch in der Debatte noch einmal deutlich geworden. Welchen Sinn macht es denn, wenn wir hier in Bremen als Insellösung ein Zwangsinstrument schaffen, wenn das niedersächsische Umland nicht mitmacht? Wir boykottieren oder wir blockieren uns doch selbst an der Stelle.

(Zuruf Abgeordneter Rupp [DIE LINKE])

Wenn, können wir das nur im Schulterschluss mit anderen tun. Ich verschließe mich überhaupt nicht, solche Gespräche zu führen, das will ich hier ausdrücklich sagen. Ich will auch noch einmal betonen, selbstverständlich sind auch die Betriebe in der Pflicht, ihre Anstrengungen zu verstärken, mehr junge Menschen in Ausbildung zu bringen.

(Beifall SPD)