Protocol of the Session on November 8, 2018

Die Welt hat sich seit den Siebzigerjahren deutlich verändert. Die kommerzielle Luftfahrt in Europa hat einen umfangreichen Deregulierungs- und Liberalisierungsprozess durchlaufen, und es ist ein Versäumnis, dass das im Betriebsverfassungsgesetz verankerte Mitbestimmungsrecht bisher nicht an diese Entwicklung angepasst wurde. Es ist richtig, an dieser Stelle ein klares Zeichen zu setzen und auch seitens der Bremischen Bürgerschaft zu sagen, so nicht!

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat Ende Oktober angekündigt, Pilotinnen und Piloten, Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern mit einer Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes die Gründung von Betriebsräten unabhängig vom Bestehen eines Tarifvertrages zu ermöglichen, und ich begrüße diesen Vorstoß außerordentlich. Der Bundesgesetzgeber muss hier seine Schutzfunktion für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahrnehmen und den Missbrauch der Sonderregelung beenden, meine Damen und Herren. Durch die Aufhebung des § 117 Betriebsverfassungsgesetz kann der Weg für Betriebsratsgründungen grundsätzlich für das gesamte Flugpersonal geöffnet werden. Die bestehende Gesetzeslücke könnte endlich geschlossen werden, und die Ungleichbehandlung kann ein Ende finden. Eine Abschaffung der Sonderregelung würde dazu führen, dass die Unternehmen, bei denen es Nachholbedarf gibt,

per Gesetz verpflichtet wären, diesen auch zuzulassen. Ich sage ausdrücklich, die Unternehmen, bei denen es Nachholbedarf gibt, da es auch Positivbeispiele aus der Luftfahrtbranche gibt und der Abschluss von Tarifverträgen durchaus nichts Unübliches ist.

Meine Damen und Herren, in der Aussicht darauf, dass die Bremische Bürgerschaft heute den vorliegenden Antrag beschließen wird, darf ich Ihnen die Mitteilung machen, dass ich bereits gestern eine Senatsbefassung zur Entscheidung über einen Beitritt zu einer vorliegenden Bundesratsinitiative des Landes Berlin in Auftrag gegeben habe.

(Beifall SPD)

Insofern möge diese Information auch bei denjenigen ermunternd wirken, die mit ihrer Zustimmung zum vorliegenden Antrag noch zögern. Der Senat wird den Beschluss der Bürgerschaft jedenfalls kurzfristig umsetzen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/1893 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, Abgeordneter Patrick Öztürk [SPD, frakti- onslos]; Abgeordneter Tassis [AfD])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Abgeordneter Schäfer [LKR])

Stimmenthaltungen?

(FDP, BIW)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Die bestehenden Notfallambulanzen durch Portalpraxen entlasten! Antrag der Fraktion der CDU vom 15. Mai 2018 (Drucksache 19/1658)

Wir verbinden hiermit:

Ambulante Notfallversorgung dauerhaft verbessern Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Juni 2018 (Drucksache 19/1730)

Dazu als Vertreterin des Senats Senatorin Prof. Dr. Quante-Brandt.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Bensch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste! Deutschlandweit kann man wirklich davon sprechen, dass Not in den Notaufnahmen herrscht. Es ist nicht nur eine Aufgabe der Leistungserbringer, der Kliniken, der Kassenärztlichen Vereinigung, sondern mittlerweile kann man auch sagen, es ist eine Aufgabe der Politik, alles Erdenkliche dafür zu tun, dass diese Situation besser wird. In diesem Jahr hat Schleswig-Holstein damit angefangen. Die dort regierende Koalition aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hat einen wirklich sehr, sehr pragmatischen Bundesratsantrag eingereicht, der nach meinem Kenntnisstand immer noch in den Bundesratsausschüssen ist, und der Kern ist, dass Schleswig-Holstein aus der Erfahrung gelernt hat.

Was hat sich dort abgespielt? Schleswig-Holstein hat tatsächlich 33 Anlaufpraxen in den Städten und in den ländlichen Bereichen, und diese Anlaufpraxen sind das, was man als ambulante Niederlassungen innerhalb der Kliniken bezeichnen könnte. Der Vorteil ist naheliegend: Man erkennt, ob es ein tatsächlicher Notfall für das Krankenhaus ist oder ob man dort hausärztlich versorgen kann. Das Problem in Schleswig-Holstein war aber, dass man nur außerhalb der üblichen Sprechzeiten dieses Angebot wahrnehmen kann. Mit dem Antrag will Schleswig-Holstein erreichen, dafür eine Gesetzesgrundlage zu schaffen, dass wir überall, nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern auch in unserem Bundesland, dafür Sorge tragen können, dass es

sogenannte Portalpraxen gibt, Anlaufstellen, die nicht nur außerhalb der Sprechzeiten von ärztlich niedergelassenen Einrichtungen in Anspruch genommen werden können, sondern dauerhaft, 24 Stunden, sieben Tage und 365 Tage im Jahr.

Wir als Fraktion der CDU sind der Auffassung, das ist genau der richtige Weg, um es für die Patienten besser zu gestalten, aber auch um die Notaufnahmen, bei denen Not herrscht, zu entlasten.

(Beifall CDU)

Nachdem Schleswig-Holstein das im März eingereicht hat, haben wir hier im Mai unseren Antrag eingereicht und gesagt, wir fordern Bremen auf, dem Antrag von Schleswig-Holstein beizutreten. So lautet der Antrag auch jetzt noch. Wenn wir dem beitreten, dann stärken wir diese Haltung. Ich bin gespannt, welche Beschlüsse die Bundesratsausschüsse fassen werden. Dann hat im Juni die rotgrüne Koalition einen Antrag eingereicht, in dem es heißt, der Senat möge sich auf Bundesebene dafür einsetzen, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Darin stehen auch noch ein paar Punkte, keine so konkreten Gesetzespunkte wie bei dem Schleswig-Holstein-Antrag, aber immerhin lohnenswerte Ziele. Wir sind der Meinung, wir sollten diesen pragmatischen Weg gehen, eine Gesetzesgrundlage dafür zu schaffen, dass wir tatsächlich die Strukturen verbessern, dass wir die notärztliche Versorgung verbessern und vor allem die Notaufnahmen entlasten.

Wir müssen immer eines bedenken: Aufklärung ist das eine – –. Fragen Sie doch bitte einmal in Ihrem Umfeld, in Ihrer Familie, ob die Menschen wirklich wissen, an wen sie sich zu wenden haben, zum Beispiel werktags nach 17 Uhr, wenn sie ein, ich sage einmal, Leiden haben. Wenn man lebensbedrohlich verletzt ist oder erkrankt ist, ich glaube, dann weiß jeder, dass er die 112 zu wählen hat. Aber prüfen Sie wirklich einmal nach, ob jemand schon einmal die 116117 gewählt hat. Bei den Gesundheitsdialogen, die ich mit der Fraktion der CDU in den letzten Monaten in fast allen Regionen unseres Bundeslandes unternommen habe, war kaum jemand dabei. Wir müssen also neben dem Schaffen von guten und besseren Strukturen parallel auch dafür sorgen, dass das vorhandene System und die bestehenden Möglichkeiten besser werden. Denn so schlecht ist unsere Notfallversorgung in Deutschland nicht. Wir müssen sie aber auf alle Fälle besser gestalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Dehne.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind, glaube ich, beim Thema Notfallversorgung inhaltlich gar nicht so weit auseinander. Ich habe das auch beobachtet, was jetzt im Bundesrat in den Ausschüssen abläuft. Es ist nicht ganz einfach, das nachzuvollziehen, auch mein Stand ist, dass das noch nicht erledigt ist.

Wir haben von der SPD aus im Frühjahr eine Konferenz mit fünf Bundesländern gehabt, bei der wir uns mit allen, die in der SPD Gesundheitspolitik machen, getroffen und auch mit Praktikerinnen und Praktikern aus Notaufnahmen und so weiter gesprochen haben, die uns dort noch einmal die Situation schilderten.

Herr Bensch, Sie haben es eben schon gesagt, unsere Notfallversorgung in Deutschland beruht auf vier Säulen. Die eine ist eben der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung für die nicht lebensbedrohenden gesundheitlichen Beschwerden nachts und am Wochenende, wenn die niedergelassenen Ärzte nicht geöffnet haben. Wir haben den Rettungsdienst, wir haben für lebensbedrohliche Notfallsituationen rund um die Uhr die medizinischen Notaufnahmen der Krankenhäuser und wir haben die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit ihren Praxen. Die haben auch die Pflicht, die Bereitschaftsversorgung außerhalb der üblichen Sprechzeiten über die KV sicherzustellen. Das ist die Theorie, Herr Bensch, Sie haben das auch schon erläutert, die Realität sieht doch vergleichsweise anders aus.

Wir haben überfüllte Notaufnahmen in den Krankenhäusern, die auch immer mehr in Anspruch genommen werden. Da ist auch kein Pegel abzusehen, der einmal erreicht ist, im Gegenteil, es geht hinsichtlich der Fallzahlen immer noch bergauf. Und das, obwohl oft gar keine lebensbedrohlichen Situationen vorliegen.

Ich habe mir das anhand eines Vortrags zu den häufigen Diagnosen beziehungsweise Einsatzgründen im kassenärztlichen Notfalldienst, den ich mir im April anhören durfte, einmal angeschaut. Im Jahr 2003 waren die häufigen Diagnosen Rückenschmerzen, Infekte der Atemwege, leichte Verletzungen, akute Schmerzen, Blutdruckentgleisungen, um einmal ein paar Beispiele zu nennen. Im

Jahr 2018, also 15 Jahre später: Insektenstiche, Absicherung von Pflegepersonal, Durchfallerkrankungen, Infekte, chronische Schmerzen. Chronische Schmerzen sind nun nicht das, was wir dort behandeln wollen.

Spannend dabei ist – obwohl wir hier auch oft schon das Thema lange Wartezeiten der Menschen im Krankenhaus hatten, wenn sie mit einem für sie gefühlten Notfall vor Ort sind – dass 75 Prozent der Bevölkerung sagen, sie fühlen sich im Krankenhaus besser versorgt und sie rechnen auch mit geringeren Wartezeiten.

Das führt natürlich das ambulante Notfallversorgungssystem an die Belastungsgrenze, und deshalb sehen die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen es auch so, müssen wir hier dringend zu einer Veränderung kommen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Was ist zu tun? Die Fraktion der SPD hält es für dringend notwendig, dass wir Reformvorschläge für eine optimierte ambulante Notfallversorgung umsetzen und dafür braucht es auch eine klare gesetzliche Grundlage, um eben zukünftig die ambulante und auch die stationäre Notfallversorgung unter einem gemeinsamen Dach zentral zu organisieren. Die Aufteilung in diese zwei Sektoren, die wir haben, ist an der Stelle überflüssig und auch nachteilig für eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten.

Deshalb soll sich der Bremer Senat auf Bundesebene für die Schaffung solcher einheitlichen Anlaufstellen für Notfallpatientinnen und Notfallpatienten als integrierte Notfallzentren einsetzen. Die sollten an einem Krankenhaus angesiedelt sein und, das hat Herr Bensch auch schon gesagt, rund um die Uhr zur Verfügung stehen.

Denn das System mit diesen vier Säulen, wie ich es eben auch noch einmal ausgeführt habe, ist etwas, das viele Menschen gar nicht verstehen. Sie wissen nicht, wo genau die Grenzen verlaufen, und aus unserer Sicht ist es auch sinnvoll, dass Menschen, wenn sie ein gesundheitliches Problem haben und sich unsicher sind, was genau sie eigentlich gerade haben, nicht noch lange überlegen oder recherchieren müssen, sondern dass sie auch wirklich da abgeholt werden, wo sie mit ihrem Problem gerade sind.

Die Fraktion der SPD will auch, dass alle medizinischen Hilfsgesuche in einer qualifizierten integrierten Notrufleitstelle entgegengenommen werden, weil, wie Herr Bensch auch ausgeführt hat, diese Telefonnummer 116117 den Wenigsten bekannt ist. Selbst wenn die Straßenbahn der BSAG fröhlich in Bremen herumfährt und das mit großer blauer Werbung und kleinen Kärtchen, die überall verteilt werden, bewirbt und Kampagnen schaltet, ist das ganz offensichtlich noch nicht angekommen.

Daher aus unserer Sicht: eine Stelle, gute qualifizierte Aufnahme des Anliegens, schnelle Abarbeitung nach einem gesicherten Kriterienkatalog mit einer guten Qualität und schnelle Klärung, ob es wirklich lebensbedrohlich oder ob es das nicht ist.

Gerade bei kleineren Krankheiten kann man Menschen oft auch helfen, indem man ihnen zuhört, einen kurzen Rat gibt und sie an den Arzt verweist, der am Telefon sitzt. Andere Länder machen uns das vor, von daher müssen wir hier, aus meiner Sicht, dringend zu einer Änderung kommen.

(Beifall SPD – Präsident Weber übernimmt wieder den Vorsitz. – Glocke)

Ich komme gleich zum Schluss.

Auch die Trägerschaft und Kooperationsform ist dann flexibel auszugestalten. Wir brauchen für diese Notfälle eine einheitliche, Sektoren übergreifende, kostendeckende Versorgung und Vergütung, damit das auch aus Sicht derer, die das vorhalten, sinnvoll ist.

Also zum Schluss: Wir brauchen ein gutes Paket im Sinne der Patientinnen und Patienten und auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an der Notfallversorgung beteiligt sind. – Herzlichen Dank!