Unbeachtet, dass dieses Amt nicht der bremischen Aufsicht unterliegt, unbeachtet der Tatsachen, dass es sich hier um eine Außenstelle des Bundesamtes handelt. Formalien, wie Zuständigkeiten, haben hier nicht interessiert. Doch gerade hier ging es um Aufsicht und Fachaufsicht, Weisungsbefugnis und Kontrolle.
Das mag sich kleinlich anhören, ist aber Kern der Aufklärung. Bremen im Fadenkreuz eines jeden. Unter diesem Generalverdacht schien es die erstbeste Lösung zu sein, nach dem Motto: „Mit einem Knüppel auf den Sack schlagen, und irgendjemanden wird es schon treffen, der ‚Aua‘ schreit“. Die Stadt Bremen und der BAMF-Skandal, na ja, der Ruf war da aber schon längst dahin, und wenn man sich allein die Debatten in sozialen Netzwerken angesehen hat, war es doch klar: Kann nur in Bremen passieren, so etwas Unglaubliches.
Dann ging es auch schon mit enormer Fahrt weiter. Aktuelle Stunden in der Bremischen Bürgerschaft: Wie kann es sein, dass Herr Pistorius es wusste und Herr Mäurer nicht? Wie kann es sein, dass das Innenressort nichts davon wusste? Haben Sie oder gar die rot-grüne Regierung davon gewusst? Wer steckt da noch mit unter einer Decke? Wer ist verwickelt in diesen Skandal, der die Bundesrepublik Tage und Monate beschäftigt hat?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hatte in dieser Zeit so viele mediale Anfragen wie selten, in all ihren erdenklichen Facetten. Politik und Medien waren auf Skandalsuche oder, rückblickend, ein Teil des Skandals. Ich möchte auch nicht verhehlen, dass das Ganze nach Skandal roch, und zwar stark. Aber in einem solchen Fall ist auch ein Stück weit Vernunft gefordert, Aufklärung, Ermittlung, genaues Hinschauen.
Ich habe meine Schlussfolgerung daraus gezogen, wie wichtig es doch ist, sich von Vorverurteilungen zu distanzieren, nicht einfach in jedes Mikrofon hineinzusprechen, ohne die Beweise für die Anschuldigung zu haben. Sich erst einmal zu besinnen –
und auf Grundlage von Fakten und nicht von geschürten Meinungen und Meinungsbildern zu agieren. Was am Ende geblieben ist: 0,9 Prozent. Ein Skandal? Nein, aber verbrannte Erde, gezündelt von allen Seiten. Gerade von politisch verantwortlicher Seite ist hier aber oberste Vorsicht geboten. So etwas zu instrumentalisieren und für die eigene Politik zu verwenden, finde ich elendig.
Meine Damen und Herren, da halte ich es wie Herr Hinrichs vom „Weser-Kurier“, und ich erlaube mir ein kurzes Zitat: „Über Horst Seehofer ist viel geschrieben worden in diesen Tagen. Eines kann jetzt mit Fug und Recht hinzugefügt werden: Der Bundesinnenminister hat die Vorkommnisse in der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aufgepumpt und für seine Zwecke instrumentalisiert. –
Ziele waren die Kanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik. Seehofers Verhalten war schäbig und erschüttert das Vertrauen in die Behörden.“ Dem ist aus meiner Sicht nichts mehr hinzuzufügen.
Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, will ich noch ein, zwei Sätze zum Antrag sagen. DIE LINKE, sie fordert Herrn Seehofer auf, die Außenstelle unverzüglich wieder in Betrieb zu nehmen. Das möchte ich auch, inhaltlich schließe ich mich vollständig an.
Jedoch hat der Bundesinnenminister bereits angekündigt, die vollständige Wiederinbetriebnahme steht unmittelbar vor der Umsetzung. Zu etwas aufzufordern, was schon in die Wege geleitet wurde und das bereits begonnen wurde, das finde ich wiederum überflüssig. Polemik, die ich andernorts verurteile, der kann ich mich selbst nicht im gleichen Atemzug bedienen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für mich geht es im Kern also nicht mehr darum, die Inbetriebnahme zu fordern, die kommt, und die kommt hoffentlich zeitnah. Sondern vielmehr geht es darum: Wie gehen wir mit unserer Verantwortung
Menschen gegenüber um, und wie verhalten wir uns in solchen Fällen, wie geschehen in der Vergangenheit, auch in Zukunft?
Ich habe in meinem Beitrag versucht, mich und das Geschehene erneut zu reflektieren und mir meiner Verantwortung als Politiker erneut bewusst zu werden, und ich hoffe, dass der eine oder andere, hier in der Bremischen Bürgerschaft und darüber hinaus, das auch tut. Wir halten den Antrag für erledigt und lehnen ihn daher ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Überschrift: Bremer BAMF-Außenstelle wieder eröffnen – und im konkreteren Antragstext steht: Unverzüglich wieder zu eröffnen. Beides ist auf den Weg gebracht. Es gibt überhaupt gar keinen Zweifel daran, –
dass die Bremer BAMF-Außenstelle wiedereröffnet wird. Sie muss wiedereröffnet werden, und sie muss auch unverzüglich wiedereröffnet werden, das heißt, ohne schuldhaftes Zögern muss sie eröffnet werden, wenn alle Vorfälle, die es dort gegeben hat – wenn auch nicht in diesem Ausmaß, wie es leider verbreitet worden ist, sondern auf einem reduzierteren Niveau – und wenn alle Vorgänge aufgeklärt sind.
Dies ist seitens des Bundes angekündigt worden, und daher sehe ich gar nicht die Substanz für diesen Antrag.
Für uns ist auch nicht verständlich, wieso DIE LINKE hier in die Bremische Bürgerschaft einen Antrag einbringt, der sich mit der Wiedereröffnung der BAMF-Außenstelle in Bremen befasst. Das BAMF ist eine Bundesbehörde mit Sitz in Nürnberg. Die Entscheidung, ob und wann die Außenstelle wieder geöffnet wird, muss also in Nürnberg oder im Bund verbleiben, und dies wird demnächst auch wiederkommen.
Wir bedauern auch das, was zwischenzeitlich an Öffentlichkeit, an Medienarbeit abgelaufen ist und dass dadurch viele Menschen in Misskredit gebracht worden sind. Das muss bereinigt werden, daran führt gar kein Weg vorbei, aber auf der anderen Seite können wir auch die Vorkommnisse im Bremer BAMF nicht herunter spielen. Auch 0,9 Prozent sind auf die gesamten Verfahren gesehen immer noch ein Anteil, der im Ergebnis nicht passieren darf.
Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen Vertrauen in staatliche Institutionen verloren haben, wiegen die Fehler und bewusst manipulative Einwirkungen, wie es „welt.de“ berichtet hat, umso schwerer. Richtig ist, 145 Fälle, die Sie zitiert haben, sind bisher strafrechtlich oder als bewusst manipulativ beeinflusst festgestellt worden.
Es wurden etwa 20 000 Akten überprüft. Von den 1 371 Fällen, an denen zwei Anwälte beteiligt gewesen sind, sind immerhin 550 Akten nicht rechtskonform abgearbeitet. Unter den übrigen, also ohne die Beteiligung der beiden Anwälte gut 18 000 Akten, befinden sich weitere 2 000 Akten, die mangelhaft bearbeitet worden sind. Hinzu kommt, wir haben eine polizeiliche Ermittlungsgruppe eingerichtet mit vornehmlich bremischen Polizeibeamten aber auch Unterstützung aus dem Bund, und die Ermittlungsarbeit, die dort gemacht werden muss, ist auch noch nicht abgeschlossen.
Wir müssen das einfach nüchtern betrachten. Es macht Sinn, diese Vorfälle, auch, wenn sie sich auf einem wesentlich reduzierteren Niveau herausgestellt haben, strafrechtlich aber auch verwaltungsrechtlich vernünftig abzuarbeiten, zügig abzuarbeiten, damit diese BAMF-Stelle wieder eröffnet werden kann. Und die Rückschlüsse, wie zukünftig in diesen Außenstellen des BAMF gearbeitet werden kann, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, darauf kommt es an.
Da dies noch nicht vollständig abgewickelt worden ist aber demnächst bevorsteht, halten wir den Antrag für ins Leere laufen. Es wird dazu kommen, dass die Bremer BAMF-Stelle wiedereröffnet wird, das ist Aufgabe der Bundespolitik. Wir können hier kein zusätzliches Signal setzen. Ich kann auch nicht erkennen, dass sich dadurch eine wesentliche
Überlastung anderer Stellen ergibt oder dass Antragsteller unverhältnismäßig hohe Wartezeiten in Kauf nehmen müssen.
Summa summarum lassen wir das sachlich, strafrechtlich, verwaltungsrechtlich anständig aufklären, lassen wir uns daraus die richtigen Schlüsse ableiten für die zukünftige Arbeit im Migrationsamt, und dann wird auch diese Bremer Stelle wieder eröffnet werden. – Danke sehr!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit ihrem Antrag, die Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge unverzüglich wieder zu öffnen, vertritt die Fraktion DIE LINKE die gleiche Meinung wie diverse Medien, die den Skandal um unrechtmäßig erteilte Asylbescheide kleinreden oder sogar ganz in Abrede stellen.
Als vermeintlicher Beweis für diese steile These dient der Bericht einer Expertenkommission des BAMF, die sich mit den Vorgängen in der Bremer Außenstelle befasst hat. Danach hat es unter den 12 848 Akten zu positiv beschiedenen Asylanträgen nur 145 Fälle gegeben, bei denen eine so wörtlich „bewusst manipulative Einflussnahme zur Erreichung einer bestimmten Entscheidung festgestellt werden konnte und aktenkundige Information eine getroffene Entscheidung ausschlossen“.
Diese, auch von der Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag, wiedergegebene Zahl ist zwar richtig, aber nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Denn neben den 145 besonders eklatanten Fällen hat die Kommission noch 2 043 weitere ermittelt, in denen der Sachverhalt vom Bremer BAMF nicht hinreichend geklärt wurde, um die getroffene Asylentscheidung zu rechtfertigen.
Insgesamt sei die Bearbeitung von 2 845 der insgesamt 12 848 Aktenvorgänge kritikwürdig gewesen, heißt es in diesem Bericht. Das ist immerhin eine Quote von mehr als 22 Prozent, Herr Senkal, nicht 0,9 Prozent, sondern 22 Prozent und alles andere als eine Lappalie, meine Damen und Herren.
Noch bedeutsamer ist die Tatsache, dass die wahrscheinlich heikelste Fallgruppe gar nicht in die bezeichnete Vollprüfung des BAMF einbezogen war. Es geht um die 4 568 Asylanträge jesidischer Flüchtlinge, die von zwei Rechtsanwälten aus Hildesheim und Oldenburg vertreten wurden. Die beiden Juristen sollen wiederum eng mit der Leiterin des Bremer BAMF kooperiert haben. Genau diese Fälle waren es, meine Damen und Herren, die den Stein seinerzeit ins Rollen gebracht hatten. Weil ungewöhnlich viele dieser Anträge vom BAMF Bremen positiv beschieden wurden, besteht Korruptionsverdacht.
Dieser Verdacht ist keineswegs ausgeräumt. Er wird im Gegenteil durch ein weiteres Gutachten gestützt, und meine Vorredner sind auf das Gutachten gar nicht eingegangen, –
was mich persönlich sehr wundert. Das ist nämlich ein Gutachten vom Bundesrechnungshof, das im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat erstellt wurde. Danach übernahm das BAMF Bremen von 4 407 untersuchten Fällen jesidischer Flüchtlinge die Mandanten der besagten Anwälte aus Niedersachsen, mehr als 3 900, obwohl die Betroffenen ihren Schutzantrag gar nicht im Land Bremen gestellt hatten.
Das entspricht immerhin einer Quote von 89 Prozent. Im bundesweiten Vergleich üblich sind gerade einmal drei Prozent. Bei 42 Prozent der Asylsuchenden wurde die Identität nicht geklärt. In anderen Dienststellen waren es nur neun Prozent. Das vorgeschriebene Vier-Augen-Prinzip zur Überprüfung von Asylbescheiden wurde in 81 Prozent der Fälle missachtet, und in 87 Prozent der Fälle, die von einem der beiden Anwälte betreut wurden, war Dienststellenleiterin Ulrike B. an den Asylentscheidungen persönlich beteiligt. Auch das ist höchst ungewöhnlich, meine Damen und Herren.
Der Rechnungshof konstatiert, dass die beiden Rechtsanwaltskanzleien vom BAMF Bremen systematisch bevorzugt behandelt und die Asylanträge ihrer jesidischen Mandanten wohlwollend beschieden worden seien. Die Behörde kommt zu dem Entschluss: Die Prüfung hat Verdachtsmomente erhärtet, dass Ulrike B. und mindestens fünf weitere Mitarbeiter jahrelang massiv gegen geltendes Recht, Sicherheitsvorgaben und hausinterne Anweisungen verstoßen haben.
Die Experten des BAMF attestierten Frau B. in ihrer Expertise zudem ein fehlgeleitetes Amtsverständnis. Von einem Skandälchen oder einer Entlastung der Bremer Amtsleiterin oder anderer im Verdacht stehende Behördenmitarbeiterinnen und Behördenmitarbeiter kann also gar keine Rede sein. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um das ganze Ausmaß der Affäre ans Tageslicht zu bringen.
Im derzeitigen Stadium der Ermittlungen wäre es ein völlig falsches Signal, die Bremer Dienststelle des BAMF wiederzueröffnen. Zunächst einmal muss Klarheit geschaffen werden. Nur so lässt sich das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Flüchtlingsbehörde wiederherstellen. Dass die Fraktion DIE LINKE an einer umfassenden Aufklärung offenbar kein Interesse hat, sondern lieber rasch zur Tagesordnung zurückkehren möchte, lässt tief blicken.
In ihrem Abschlussbericht weist die BAMF-Expertenkommission darauf hin, dass die Schutzquoten der Bremer Außenstelle den Bundesdurchschnitt in der Spitze um 47 Prozent übertrafen. Auf die ungewöhnlich hohe Zahl positiver Asylbescheide, die in Bremen erteilt wurden, hatten wir in diesem Haus bereits im April hingewiesen. Nutznießer waren nicht nur jesidische Flüchtlinge, sondern auch Asylbewerber aus anderen Regionen der Welt.
Obwohl diese Auffälligkeiten statistisch bereits seit 2010 nachweisbar sind, will der Senator für Inneres, Ulrich Mäurer, davon erst Anfang 2017 erfahren haben. Dabei sind es nach Abschluss der Asylverfahren die Ausländerbehörden der Länder, die aufenthaltsrechtliche Erlaubnisse erteilen oder die Abschiebung abgelehnter Antragsteller zu veranlassen haben. Da die allermeisten von der Bremer Außenstelle des BAMF geprüften Anträge von Asylsuchenden stammen, die im Land Bremen gemeldet waren, wusste die hiesige Ausländerbehörde um die hohe Anerkennungsquote.