Ja, da kann man sich fragen, warum er so ärgerlich ist, aber Demokratiefähigkeit, und Regierungsfähig
keit machen sich nicht an einem Gesetz fest, das im Bundesrat beraten wird und Ihnen vielleicht entgegenkommt, aber das wirklich dem, wofür grüne Politik in der Flüchtlingspolitik über Jahre steht, diametral entgegengesetzt ist! Dass wir dies nicht mittragen können, zeigt, glaube ich auch, dass wir immer noch in einer Demokratie leben, eben nicht alles mitzutragen, was von oben vorgegeben wird, und dafür gibt es unterschiedliche Instrumente. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte hier ist ja ziemlich bewegt. Ich erkläre mir die Erregung des Kollegen Röwekamp auch ein bisschen damit, dass er vielleicht ahnt, dass das, was mit diesem Gesetz beabsichtigt ist, wirklich verfassungswidrig ist.
Das hat das Bundesverfassungsgericht benannt, und genau da muss man die Rechtsprechung auch einmal ernst nehmen und durchlesen, sie ist zu dieser Frage eindeutig.
Ja, ich bin auch der Meinung – es ging zwar nicht in meine Richtung –, dass die Zustimmung durch die Ministerpräsidenten der anderen Länder einen Verfassungsbruch bewusst hinnimmt, was auch allen bewusst ist, und das ist auch das Kalkül, denn bis der nächste Schiedsspruch des Bundesverfassungsgerichts erfolgt, werden drei bis fünf Jahre vergehen, und genau das ist die Berechnung, bis dahin auf Abschreckung zu setzen. Das ist schäbig und bewusster Rechtsbruch, meine Damen und Herren!
Noch ein Satz zu dem angesprochenen Nacht- und Nebelerlass durch die Nationalsozialisten! Es war nie unsere Absicht, die Praxis nächtlicher, unangekündigter Abschiebungen in die Nähe der Verbrechen der Nationalsozialisten zu stellen. Ich glaube, dazu gehört auch etwas Kreativität, das in unseren Antrag hineinzuinterpretieren.
Wenn Sie kein anderes Argument haben, sich mit unseren Dingen auseinanderzusetzen, dann kommt so etwas. Ich finde es, ehrlich gesagt, etwas unlauter, Herr Tschöpe! – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch zwei, drei etwas unaufgeregtere Anmerkungen machen. Es tut mir leid, aber dieses ewige laute Jammern, die CDU nehme das Grundrecht auf Asyl nicht ernst, bringt mich manchmal in Rage, und wenn ich da überreagiert haben sollte, bitte ich, mir dies nachzusehen. Ich verwahre mich aber entschieden gegen die Behauptung, dass unsere Fraktion in irgendeiner Weise die Menschenrechte oder Grundrechte nicht achtet oder akzeptiert, das Gegenteil ist der Fall! Wir sind der Auffassung, wir wollen uns auf die Menschen konzentrieren, die wirklich unseren Schutz brauchen,
und um das gewährleisten zu können, müssen wir manchen Menschen eben auch sagen, dass es mit dem bestehenden System nicht funktioniert. Insbesondere aus den Westbalkanstaaten – ich habe es schon in der letzten Debatte erwähnt –, haben wir Anerkennungsquoten, die bis auf wenige Einzelfälle null sind.
Natürlich hat jeder, der individuell in seiner Heimat verfolgt wird – aus politischer, aus religiöser Motivation oder weil er einer Minderheit angehört –, das Recht, dass wir uns in Deutschland sein Begehren ganz genau anhören, und er bekommt wie jeder andere Mensch in Deutschland auch ein rechtsstaatliches Verfahren dafür, meine Damen und Herren! Wir wissen aber doch auch ziemlich genau, dass für die Mehrheit derjenigen, die aus dem Westbalkan kommen, das Asylrecht nicht der richtige Schlüssel ist für Deutschland, weil sie mit dem, womit sie herkommen, in Deutschland weder integriert werden können noch eine längerfristige Perspektive haben, sondern von uns mit der Antwort, ihr müsst wieder nach Hause, ausgestattet werden. Ist das denn human, diesen Menschen zu sagen, ihr könnt hier als Geduldete bleiben? Ist das ein integratives Signal, dass wir diesen Menschen geben wollen? Nein! Ich sage, wir müssen uns auf die Menschen konzentrieren, die auf Dauer oder längere Zeit hier bleiben. Auf sie wollen wir uns konzentrieren, und ihnen wollen wir den bestmöglichen Zugang in unsere Bildungssysteme, zu unserem Arbeitsmarkt und eben auch in unsere Gesellschaft geben, aber das können wir nicht mit allen Menschen machen, die kommen, sondern nur mit denen, die auch einen entsprechenden Anspruch auf Schutz in Deutschland haben.
(Beifall CDU – Abg. Frau Dogan [Bündnis 90/Die Grü- nen] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)
Herr Röwekamp, können Sie mir vielleicht sagen, ob Sie Kenntnis davon haben, dass es in der letzten Woche sehr viele Stellungnahmen im Innenausschuss gegeben hat, die diesen Gesetzentwurf als verfassungswidrig erachtet haben?
Selbstverständlich habe ich davon Kenntnis, aber ich vertraue darauf, dass alle, die an diesem Gesetzgebungsverfahren beteiligt gewesen sind – ob es Ministerien, politische Mehrheiten, Länder wie Baden-Württemberg waren, die auch die verfassungsgemäße Prüfung durchgeführt haben, wie Herr Kretschmann beispielsweise – zu einer verlässlichen Einschätzung gekommen sind. Es ist so wie heute Morgen. Eine Garantie, eine Vorabbefassung des Bundesverfassungsgerichts, gibt es in Deutschland nicht. Das finde ich gut, weil ich überzeugter Anhänger dieses Systems bin. Jedes Gesetz kann in die unabhängige Überprüfung unserer Gerichte gestellt werden. Ich bin sicher, dass es verfassungsfest ist. Eine Garantie dafür, gibt es aber bei keinem Gesetz in Deutschland, Frau Dogan. – Danke!
Ich will Ihre Redezeit nicht wegnehmen. Herr Röwekamp, Sie kennen aber schon die Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht, auf die ich Bezug genommen habe?
Ja, es gibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die ich inhaltlich völlig richtig finde, wonach es einen bestimmten, wie auch immer bemessenen Barbetrag geben muss. Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, ist unter dem Aspekt der Menschenwürde nicht zuzumuten, dass sie für jeden Hygieneartikel und jeden Schokoriegel einen Antrag in dreifacher Ausfertigung bei deutschen Behörden stellen müssen.
Die Frage, was wir diesen Menschen an Barleistungen und was wir ihnen an Sachleistungen gewähren wollen, kann man noch einmal überdenken. Ich habe in der letzten Debatte schon ein Beispiel gebracht. Die Betroffenen bekommen bis zur Anerkennung in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen 143 Euro Bargeld. Davon müssen sie 60 Euro für einen Telefondienstanbieter ausgeben, damit sie mit ihren Familien und Kindern in der Türkei korrespondieren können. Davon müssen sie ein Sozialticket für 45 Euro bezahlen, um in Bremen mit Bus und Straßenbahn zu fahren. Wenn ich das sehe, frage ich mich, ob es nicht besser ist, diesen Menschen statt Barleistungen in dieser Höhe ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr und WLAN-Zugang in ihren Einrichtungen zu geben. Ist den Menschen mit dieser Sachleistung nicht mehr geholfen als mit einer Geldleistung? Niemand will die Geldleistung vollständig abschaffen. Ich finde aber, wir müssen darüber reden, wie allen Menschen besser geholfen wird, vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle mit einer besseren Sachleistung.
Ich will zum Schluss dieser Debatte nur noch eines sagen. Wenn ich gesagt habe, es geht darum, ob wir in Deutschland konsensfähig sind, heißt das natürlich nicht, dass mit dem, was heute der Bundestag und hoffentlich morgen der Bundesrat beschließen, die Debatte zu Ende ist. Wir haben auch nicht unsere politischen Grenzen überwunden. Ich werde wahrscheinlich beim nächsten Mal nicht die Grünen wählen.
Wahrscheinlich werde ich von Ihnen auch keine persönlichen Stimmen bekommen. Jeder behält seine Überzeugung. Wenn Herr Seehofer meint, für Bayern ist es das Richtige, die Grenze zu Österreich zu schließen, dann kann er doch diese Meinung haben. Ich teile diese Einschätzung nicht. Wenn Sie der Auffassung sind, dass wir definitiv an der einen oder anderen Stelle mehr Leistungen für Asylbewerber benötigen, dann nehme ich Ihnen diese Einschätzung nicht. Dieser Konsens, der am 24. September getroffen worden ist, erledigt das Thema Asyl in Deutschland nicht insgesamt. Er nivelliert auch nicht die Unterschiede zwischen Sozialdemokraten und der CDU. Er schafft aber eine solide Basis, damit wir das, was wir in den letzten Jahren, Monaten, Wochen und Ta
gen geschafft haben, nicht gefährden, sondern in gezielte Bahnen lenken, und damit wir auf die akute Situation eine gesellschaftliche Antwort finden. Deswegen sage ich noch einmal, eine Enthaltung im Bundesrat ist eine Nein-Stimme.
Unser Ministerpräsident, Bürgermeister Carsten Sieling, hat am Tisch gesessen und keine Protokollerklärung abgegeben wie Herr Ramelow. Er teilt das Ergebnis dessen, was er da verhandelt hat, inhaltlich voll. Er hat unter Mitwirkung von Bürgermeisterin Karoline Linnert aktiv an diesem Kompromiss mitgearbeitet. Ich erwarte, dass die Bremer Grünen nicht aus ideologischen Gründen und nicht aus durchsichtigen und fadenscheinigen Gründen parteiinterner Zerrissenheit nach dem Motto, wir wischen Frau Linnert jetzt einmal eines aus, die Konsensfähigkeit Bremens infrage stellen und unseren Bürgermeister im Regen stehen lassen. Ich setze darauf, dass Karoline Linnert morgen eine sachgerechte Entscheidung treffen wird, die vielleicht nicht jedem Grünen schmeckt, die aber für Deutschland und Bremen richtig ist. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte gern als Erstes sagen, die Hitzigkeit, die eben in der Debatte aufgekommen ist, ist im Kern meines Erachtens Vorbote für Entscheidungen, die noch auf uns zukommen und noch viel schwieriger werden als das, was für morgen vorliegt. Das werden auch Themen und Entscheidungen sein, mit denen wir uns hier in Bremen beschäftigen müssen, ich werde nachher darauf zu sprechen kommen. Das ist die Ursache dessen. Ich möchte trotzdem darum bitten, dass wir ruhig Blut bewahren, gerade weil die Lage so schwierig ist und die Herausforderungen so groß sind. Ich bitte darum, dass wir die Dinge nüchtern und sachlich beurteilen, denn wir entscheiden über die Zukunft vieler Menschen, übrigens auch über die unserer Bürgerinnen und Bürger. Ich möchte, dass die Lösung dieser humanitären Aufgabe im Zusammenhalt unserer beiden Städte erfolgt und die Menschen beieinander bleiben, meine Damen und Herren!
Bezüglich der Themen, die hier diskutiert worden sind und werden, möchte ich darauf hinweisen, dass es sich um zwei Beschlüsse handelt. Seit heute Mittag kann man ja von einem Beschluss des Deutschen Bundestages reden. Es handelt sich zum einen um den Beschluss der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom 24. September mit der Bundeskanzlerin unter Teilnahme der gesamten Bundesre
Es ist wichtig, diese beiden Dinge auseinanderzuhalten, weil sie teilweise unterschiedliche Themen bearbeiten, aber auch in den Inhalten genau zu betrachten sind. Sie weisen gewisse Unterschiede auf. Wir müssen uns die Mühe machen, darauf im Vorfeld einer Entscheidung genau zu schauen.
Das will ich sagen und bedanke mich für die Unterstützung bei dem Kompromiss, den wir trotz unterschiedlicher Fragestellungen und Aufgabenstellungen am 24. September hinbekommen haben. Es ist wirklich auch ein Kompromiss in dem Sinne, dass es nicht viele gibt, die sich damit identifizieren. Herr Röwekamp hat das angesprochen. Es ist ein Kompromiss. Kissinger hat einmal gesagt, Kompromisse sind nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn beide Parteien damit gleich unzufrieden sind. Auch in diesem ganz ernsten Sinne ist es ein Kompromiss, der ausgesprochen positive Wirkungen hat.