Protocol of the Session on October 15, 2015

Wir sind natürlich gefragt, die Situation in den Herkunftsländern zu beurteilen und zu überlegen, auf welche Weise in den Herkunftsländern Veränderungen herbeigeführt werden könnten. Im Übrigen sind in diesem Zusammenhang einige EU-Länder zu beobachten, zu nennen ist stellvertretend Ungarn, in denen die Situation zu hinterfragen ist.

(Beifall FDP, SPD)

Also, wir akzeptieren das Kriterium „sicheres Herkunftsland“, und sicherlich ist das bei einigen Herkunftsländern differenzierter zu betrachten. Wir arbeiten daran mit, wenn es gilt, ein Einwanderungsrecht zu schaffen.

In der Debatte sind Geldleistungen angesprochen worden. Es hat bisher eine intensive Diskussion stattgefunden. Wir Liberale sehen, dass mit der Gewährung von Geldleistungen häufig Bürokratie und Aufwand verbunden sind. Wir schlagen daher vor, pragmatische und günstige Lösungen umzusetzen. Natürlich ist es nachvollziehbar, wenn Geldleistungen nicht für Monate im Voraus gewährt werden – der Teil des Kompromisses ist sinnvoll –, aber es ist zu überlegen, wenn Geldleistungen lediglich in einem Taschengeldrahmen gewährt werden sollen. Wer soll den notwendigen Verwaltungsaufwand leisten? Es sind doch genug andere Dinge zu erledigen, und den Flüchtlingen ist die Möglichkeit einzuräumen, selbstbestimmt zu entscheiden, welche Waschlotion sie beispielsweise verwenden wollen.

(Beifall FDP)

Für uns als FDP steht außer Frage, dass Ausreisepflichten nachgekommen werden muss, wenn ein Verfahren abgeschlossen worden ist und sie bestehen. Wir vertreten allerdings auch die Auffassung, dass die Verfahren zu verkürzen sind. Die Idee, Flüchtlinge sechs Monate lang in der Erstaufnahmeeinrichtung leben zu lassen, stellt doch eine Kapitulation dar. Ich sage nicht, dass Asylverfahren innerhalb von 48 Stunden, wie es in der Schweiz üblich ist, erledigt sein müssen, aber zwischen 48 Stunden und sechs Monaten sind viele sinnvolle Lösungen denkbar, die ein Durchlaufen sämtlicher Instanzen ermöglichen und die zu einer Prüfung führen. Es ist doch der eigentliche Skandal, dass es nicht möglich ist, Verfahren mit einem Ergebnis zu beenden, sodass die Flüchtlinge wissen, ob sie in Deutschland bleiben können oder nicht.

(Beifall FDP)

Der Asylkompromiss spricht Bremen zusätzliche Finanzmittel zu. Ich bin mit Herrn Tschöpe nicht nur im Bereich Wohnungsbau einer Meinung. Nach dem Königsteiner Schlüssel sind fünf Millionen Euro für den Wohnungsbau vorgesehen. Ich bin der Auffas

sung, dieser Betrag muss nicht nur um eine Schippe drauf erhöht werden, sondern um eine Baggerschaufel, damit Vernünftiges gebaut werden kann.

(Beifall FDP, SPD)

Es ist ja richtig, die Kosten bis zum Bescheid zu übernehmen, aber sind 670,00 Euro wirklich der Betrag, der ausreicht? Aus meiner Sicht ist dieser Betrag nicht hoch genug. Der Bund müsste zusätzliches Finanzmittel zur Verfügung stellen. Es könnte und müsste mehr sein. Das müsste differenziert betrachtet werden. Am Ende stehen die Punkte, die wir brauchen: Mehr Geld vom Bund, wir bleiben dabei!

Das Betreuungsgeld! Es wird jetzt gesagt, dass das Betreuungsgeld umgewidmet werden soll. Alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien haben in der Vergangenheit gefordert, dass diese Mittel für die Kindertageseinrichtungen eingesetzt werden sollen.

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Das fin- det aber nicht statt!)

Jetzt kommen noch mehr Flüchtlinge – trotzdem brauchen wir das Geld für die Kindertageseinrichtungen –,

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Ein Drit- tel!)

sodass uns zusätzliche Mittel für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt werden müssen, Herr Dr. Güldner.

Wir müssen doch sagen, dass der Asylkompromiss vieles enthält, das Regierungen gut finden können, uns als FDP reicht das an dieser Stelle nicht, sodass wir zu dem Ergebnis kommen, dass man das Ganze differenziert sehen muss.

Zusammenfassend stelle ich fest, wir enthalten uns bei der Abstimmung, weil wir das Differenzierte am Besten mit einer Enthaltung ausdrücken können. Zum Antrag der LINKEN sagen wir Nein. Die Gründe dafür sind in meinen Ausführungen deutlich geworden. – Herzlichen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Herr Röwekamp, Sie haben eben dargestellt, dass das Land Bremen sowie andere Länder und Kommunen Finanzmittel erhalten werden. Das erkennen wir an. Diese Mittel – und das muss man auch deutlich sagen – sind keine Wohltat, und sie hätten viel früher zur Verfügung gestellt werden müssen. Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen

schon länger geplanten Gesetzesverschärfungen und dem Zurverfügungstellen der zusätzlichen Finanzmittel.

Zum Gesetzentwurf möchte ich deutlich sagen, dass er aus unserer Sicht einen Rückschritt in die Steinzeit abbildet. In diesem Zusammenhang führte die CDU-Fraktionsvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Frau Klöckner, aus: Eine solche Gesetzverschärfung habe sie in den letzten 20 Jahren nicht erlebt. Das habe sich niemand vorstellen können.

Der Gesetzentwurf zielt nur auf Abschreckung, er enthält verfassungswidrige Leistungskürzungen, und er führt nicht dazu, die Verfahren zu beschleunigen. Von meinen Kollegen sind einige Beispiele genannt worden. Aus welchen Gründen sollen Flüchtlinge länger in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben? Zuerst waren es drei Monate, jetzt sind es sechs Monate, wenn dieses Gesetz nach Ihren Begründungen dazu führen soll, dass die Verfahren beschleunigt werden. Nein, meine Damen und Herren, dadurch werden die Verfahren nicht beschleunigt! Es wird zusätzlich vermehrt zu Konflikten in diesen Aufnahmeeinrichtungen kommen. Das erleben wir hier, das erleben wir aber auch bundesweit, wenn so viele Menschen so lange Zeit dort bleiben.

Die Einführung des Sachleistungsprinzips ist nicht richtig, einige Kollegen haben das angesprochen. Ich möchte noch einmal deutlich sagen, diese 143 Euro, die die Flüchtlinge pro Monat bekommen, sind für die meisten Menschen nicht fluchtentscheidend.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn man das auf Sachleistungen umstellt, werden Ihnen das die Leute danken, bei denen wir uns in den letzten Wochen für die engagierte Arbeit vor Ort bedankt haben. Das wird zu mehr Bürokratie und mehr Arbeit führen. Das wird die Menschen vor Ort überhaupt nicht entlasten, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich glaube, dass es dadurch auch zu Mehrkosten kommen wird. Das ist sehr viel Aufwand für ein bisschen Symbolpolitik. Von diesen Leistungskürzungen erhofft man sich natürlich, das spricht sich herum, und die Leute kommen nicht. Herr Röwekamp und Herr Tschöpe, Sie sind beide Juristen. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht erst vor drei Jahren noch einmal richtigerweise darauf Bezug genommen und deutlich gemacht hat, die Würde des Menschen ist unantastbar und migrationspolitisch nicht zu relativieren. Ich kann aus meiner Sicht dem zustimmen, was viele Stellungnahmen enthalten, die ich gelesen habe. Sie bezeichnen den Gesetzentwurf als verfassungswidrig.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Es bringt uns nicht weiter, Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten ein Arbeitsverbot aufzuerlegen. Das bedeutet, sie werden nicht arbeiten können. Ich möchte daran erinnern, dass es eine europäische Aufnahmerichtlinie gibt, die auch hier in Deutschland gilt. Das heißt, was Sie hier vorhaben, ist auch europarechtswidrig.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich komme zu den sicheren Herkunftsstaaten. Herr Tschöpe, Sie haben richtigerweise aus dem Papier zitiert und gesagt, darin werden nicht nur sichere Herkunftsstaaten deklariert, sondern es gibt auch einen Passus dazu. Ich frage mich natürlich, warum man Staaten als sicher deklariert, wenn man gleichzeitig in solch ein Papier schreibt, weil es dort Probleme gibt, werden wir auf jeden Fall wirtschaftliche und soziale Unterstützung gewähren.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Legale Migration!)

Sie sprachen davon, dass man hier Zugang zum Arbeitsmarkt hat. Schauen Sie sich den Gesetzentwurf doch an! Den haben Sie sich doch angeschaut! Es wird eine Vorrangprüfung geben. Es gibt tausend Ausschlussgründe. Sie werden feststellen, durch diese Tür, die Sie uns zu verkaufen versuchen, werden keine Menschen zu uns kommen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Tschöpe [SPD]: Wenn sie jetzt herkommen, müssen sie doch wieder zurück!)

Wie bitte?

(Abg. Tschöpe [SPD]: Wenn sie jetzt herkommen, müs- sen sie wieder zurück!)

Sie haben aber doch im letzten Jahr gesehen, wir haben mehrere Herkunftsstaaten als sicher bezeichnet, Herr Tschöpe. Sie haben vorhin in Ihrer Rede deutlich gemacht, dass das Grundrecht auf Asyl weiterhin bestehen bleibt, dass es ein individuelles Recht ist und dass die Leute immer noch kommen und das beantragen können. Das fand ich richtig gut. Ich versuche hier deutlich zu machen, dass man durch die Ausweisung sicherer Herkunftsländer nicht das von Ihnen verfolgte Ziel erreichen wird, dass die Menschen nicht herkommen. Deswegen versuche ich deutlich zu machen, das ist Symbolpolitik. Damit werden Sie diese Herausforderung, diese Probleme vor Ort überhaupt nicht lösen können.

Wir stehen durch die hohen Flüchtlingszahlen vor einer ganz großen historischen Herausforderung. Diese eben von mir genannten Punkte zeigen auf, dass das weder mit unserer Verfassung noch mit Europarechtsbestimmungen vereinbar ist. Sie werden dazu führen, dass wir die Probleme vor Ort lösen müssen. Ich

habe den Eindruck, man will nach außen zeigen, wir sind handlungsfähig und unternehmen etwas. Die tatsächlichen Probleme werden dadurch aber überhaupt nicht gelöst.

Zu den Abschiebungen hat Frau Leonidakis von Nacht und Nebel gesprochen oder es in dem Antrag geschrieben. Darauf wurde Bezug genommen. Damit meint sie, es wird Abschiebungen geben, die vorher nicht angekündigt werden. Das ist ein schlimmes Erlebnis nicht nur für die Kinder, sondern für alle Betroffenen. Deshalb meint sie, es ist eine Nacht-undNebel-Aktion. Ich finde das nicht richtig. Deswegen werden wir Grünen diesem Gesetzentwurf auch nicht zustimmen. Wir haben das auf unserer Landesmitgliederversammlung so beschlossen und werden Ihre Anträge ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf eine Frage haben die Grünen keine Antwort gegeben. Im Gegenteil! Sie haben die Debattenlage noch verschärft.

Sind Sie wirklich der Auffassung, dass der badenwürttembergische Ministerpräsident und die Bürgermeisterin der Grünen in Hamburg morgen ihre Hand für einen solch gravierenden Verstoß gegen die deutsche Verfassung heben, meine Damen und Herren? Ist das Gesetz wirklich so offensichtlich verfassungswidrig, dass sich jeder Grüne ebenso wie Sie empören und sagen muss, diesen Schritt gehe ich niemals weiter? Nein, Sie als Grüne sind in Ihrem Verhalten zu dieser Gesetzesinitiative tief gespalten. Sie ist aber nicht offensichtlich rechtswidrig. Herr Kretschmann ist kein Rechts- und Gesetzes- und Verfassungsbrecher. Er ist genauso gesetzestreu wie die CDU-Ministerpräsidenten.

(Beifall CDU)

Wie erklären Sie sich denn eigentlich, dass weite Teile der Grünen zustimmen und sich teilweise enthalten haben, während nur Sie in Bremen die Weisheit und Menschenrechte mit Löffeln gefressen haben? Ich verwahre mich gegen solche Anwürfe, dass sich jeder, der für dieses Gesetz ist, gegen das Asylrecht und gegen die Verfassung in Deutschland stellt! Im Gegenteil, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Manchmal verrät einen auch die Sprache. Es war nicht nur der Begriff von Nacht und Nebel, sondern auch die Bezeichnung, dass hier ein Sondergesetz geschaffen würde. Diese Bezeichnung weise ich zumindest für meine Fraktion entschieden zurück, weil sie uns

in die Nähe von nationalsozialistischen Verbrechen stellt, dass zu akzeptieren ich auch von der LINKEN nicht bereit bin, ich will das ausdrücklich so sagen!