Protocol of the Session on September 26, 2018

11. Baden in Flüssen und Seen Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 28. August 2018

12. Sanierungsbedarf Schulhöfe Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 30. August 2018

13. Soziale und menschenrechtliche Kriterien in der öffentlichen Beschaffung Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 31. August 2018

14. FSJ digital auch in Bremen ermöglichen! Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 31. August 2018

15. Heranwachsende junge Frauen mit Jugendhilfebedarf Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 3. September 2018

16. Unbesetzte Funktionsstellen in den Schulleitungen Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 4. September 2018

17. Neue Optionen im Umgang mit Pyrotechnik im Stadion Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 4. September 2018

18. IT- und Datensicherheit im Mittelstand Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 4. September 2018

19. Rechenzentren als wichtiger Baustein der digitalen Infrastruktur Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 4. September 2018

20. Nachhaltigkeit der Professorinnenprogramme an den Bremer Hochschulen Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 6. September 2018

21. Welche Rolle spielen Bremer Unternehmen beim Krieg in Rojava und inwiefern kann der Senat sich humanitär engagieren? Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 10. September 2018

22. Fleischgerichte, vegetarische und vegane Gerichte, Halal- und koscheres Essen an den Mensen der Hochschulen in Bremen und Bremerhaven: Angebot, Nachfrage und Preisgestaltung Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 12. September 2018

23. Telekommunikationsüberwachung durch Funkzellenabfragen Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 20. September 2018

24. Spielt Schwimmen in der Polizeiausbildung noch eine Rolle? Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 25. September 2018

III. Sonstiger Eingang

1. Mitteilung des Senats über die vom Senat beschlossene Antragstellung der Bundesratsinitiative „Entschließung des Bundesrates ‘Es ist normal, verschieden zu sein‘“ Mitteilung des Senats vom 25. September 2018 (Drucksache 19/1844)

Wird das Wort zu den interfraktionellen Absprachen gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wer mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden.

(Einstimmig)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Fraktion der CDU ihren Antrag unter dem Tagesordnungspunkt 55, Genehmigungsverfahren verkürzen – Musterbauordnung als Vorbild nehmen, inzwischen zurückgezogen hat. Der Bericht der staatlichen Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie

und Landwirtschaft unter Tagesordnungspunkt 56 ist damit auch erledigt.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Frau Vogt, Frau Bernhard und Fraktion DIE LINKE folgendes Thema beantragt worden:

Schließung der Wohngeldstelle in Bremerhaven, anhaltende Überlastung in Bremen – Eine Katastrophe mit Ansage

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Deutschendorf.

Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich nehme an, es ist hinlänglich bekannt: Seit Montag letzter Woche, dem 17. September 2018, ist die Wohngeldstelle in Bremerhaven geschlossen. Wann sie wieder öffnet, ist nicht eindeutig klar. Auf der Website heißt es, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in etwa in zwei Wochen wieder für Termine zur Verfügung stehen. Anträge können per Post eingereicht werden, auch telefonischer Kontakt ist möglich, einen Termin bekommt man jedoch nicht. Es sind zwei Wochen vorgesehen, es ist aber nicht deutlich, ob die tatsächlich ausreichen werden. Wir sind der Meinung, dass die Schließung der Wohngeldstelle so etwas wie die Markierung des Eisberges darstellt. Unterhalb dieses Ereignisses liegen mehr oder weniger drei Jahre, die die systematische Anhäufung eines Bearbeitungsstaus in den Wohngeldstellen von Bremerhaven und Bremen zur Folge haben. Das ist aus unserer Sicht eine extrem fatale Entwicklung.

Im Juli 2015 beschloss der Bundestag eine Reform des Wohngeldgesetzes mit höheren Zuschüssen und höheren Einkommensgrenzen. Es war erwartet worden, dass sich die Zahl der Haushalte, die Wohngeld bekommen können, dadurch annähernd verdoppelt. Damit war auch klar, die Wohngeldstellen werden deutlich mehr zu tun haben. Was aber nicht erfolgte, war eine Anpassung der Personalausstattung. Die Folge ist logisch. Wir haben es mit einem hohen Krankheitsstand zu tun, wir haben keine Vertretung in Urlaubszeiten, es gab Personalabgänge, und letztendlich – das war abzusehen - lief alles auf eine exorbitante Überlastung

hinaus. Im Mai 2015 – ein halbes Jahr vor der Reform – ist es beispielsweise so gewesen, dass es in Bremen 13,5 Vollzeitstellen gegeben hat, und nach dieser Veränderung waren es wieder 13,5 Stellen. Das heißt, da hatte sich überhaupt gar keine Verschiebung ergeben. Aktuell sind es in Bremen noch etwa 900 Anträge, die seit drei Monaten und länger nicht bearbeitet werden. In Bremerhaven sind es circa 400. Wir haben als Fraktion DIE LINKE diese Aktuelle Stunde auch mit der Formulierung „Eine Katastrophe mit Ansage“ beantragt. Das ist insofern zutreffend, weil es ja nichts ist, was überraschend gekommen wäre. Wohngeld beantragt man nicht, weil man die entsprechenden Geldmittel zur Verfügung hat. Für eine vierköpfige Familie liegt die Einkommensgrenze ungefähr bei einem Bruttoeinkommen von 3 000 Euro, und bei Alleinstehenden sind es 1 100 bis 1 300 Euro. In Bremerhaven ist es übrigens etwas niedriger. Durchschnittlich werden 150 Euro im Monat ausbezahlt. Das ist eine Menge Geld für diejenigen, die darauf angewiesen sind. Und es ist insbesondere eine Menge Geld, wenn man es drei, vier Monate und länger nicht bekommt.

Das sind ja keine Familien im Hartz-IV-Bezug. Wer nämlich Hartz IV erhält, also SGB-II–Leistungen bezieht, bekommt ja kein Wohngeld, das wird dort gar nicht angerechnet. Es geht um diejenigen, die mit ihrem Lohn und ihrer Rente knapp darüber liegen, und das ist das Fatale.

(Beifall DIE LINKE)

Das heißt, diesen Haushalten fehlt Geld, auf das sie Anspruch hätten, und das spüren sie auch täglich. Diese Familien beziehungsweise Antragstellerinnen und Antragsteller wissen ja auch lange nicht, ob sie es überhaupt bekommen werden. Das heißt, es gibt auch eine nicht unwesentliche Planungsunsicherheit. Wir reden hier immer von Armutsbekämpfung. Es gab einen Ausschuss dazu, wir haben Maßnahmen diskutiert, aber an der entscheidenden Stelle, da wo den Menschen soziale Leistungen letztendlich zustehen, da gibt es jetzt diesen Engpass. Das ist völlig inakzeptabel.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde, an der Stelle muss man auch sagen, es ist eine politische Katastrophe, weil es letztendlich heißt, dass dieser Staat mit seinen Sozialgesetzen nicht funktioniert und die Menschen im Einzelnen den Eindruck haben, für mich funktioniert es nicht. Gäbe es eine Auseinandersetzung, wir hatten sie um die Schwerlasttransporte et cetera, dann würde

natürlich viel mehr politischer Druck entstehen. Ein wenig erinnert das an die Auseinandersetzung, die wir um das Stadtamt hatten. Da gab es Schlangenbildung und einen Aufschrei. Hier ist der Aufschrei bisher relativ klein geblieben, wenn man aber auf der anderen Seite bedenkt, wen es betrifft – –. Deswegen finde ich es so wichtig, dass wir uns dieser Verantwortung auch noch einmal zuwenden.

Es geht nicht darum, dass die Beschäftigten schlecht arbeiten. Das möchte ich an der Stelle ganz explizit sagen, das hat mit einem Vorwurf in diese Richtung überhaupt nichts zu tun.

(Beifall DIE LINKE)

Die Politik ist hier nicht engagiert. Wenn die Bearbeitung sozialer Leistungen nicht funktioniert, dann wird genau das deutlich mit der Schließung der Wohngeldstelle in Bremerhaven. Das bedeutet auch, dass Demokratie nicht funktioniert. Letztendlich ist das ein ganz bedenkliches Signal. Wenn man sich die Broschüre des Bundesministeriums ansieht, „Wohngeld 2016/2017, Ratschläge und Hinweise“, ist dort alles sehr ausführlich dargestellt, es heißt „Wohngeld ist kein Almosen des Staates. Wer zum Kreis der Berechtigten gehört, hat darauf einen Rechtsanspruch.“ Natürlich wissen wir alle, dass die Wohngeldreform des Bundes in eine Zeit fiel, in der die Personalentwicklung in Bremen und Bremerhaven nicht gerade nach oben zeigte, ganz im Gegenteil, es ging nach unten. Es gab Vorgaben zum kontinuierlichen Personalabbau, bestenfalls zum Erhalt des Personalbestands. Deshalb hätte man aber an der Stelle unmittelbar reagieren müssen, um aufzufangen, was abzusehen war. Im Koalitionsvertrag von Rot-Grün aus dem Jahr 2015 steht, das Stadtamt, die Wohngeldstelle, das Amt für Soziale Dienste, das Jobcenter, das Finanzressort, der Bremer Umweltbetrieb und die Baubehörde sollen zeitnah und in hoher Qualität die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger bearbeiten.

(Abgeordneter Hinners [CDU]: Hört sich gut an!)

Schöner Satz, ja. Aber für die Betroffenen, die das jetzt über ein Vierteljahr und länger mehr oder weniger ertragen mussten, spricht aus so einem Satz blanker Hohn.

(Beifall DIE LINKE)

Im schlechtesten Fall wird die Distanz zu unseren sozialen Gesetzen beziehungsweise auch unserer

demokratischen und parlamentarischen Verfasstheit deutlich größer. Deswegen ist es so wichtig, dass wir diese Löcher eben nicht aufkommen lassen. Und es wäre auch wichtig einzuräumen, jetzt und hier und heute zu sagen, ja, das war ein Fehler, das haben wir nicht richtig beurteilt. Das müssen wir dringend beheben.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist ja nicht so, dass die Wohngeldhaushalte tatsächlich in dem Umfang gestiegen wären, wie man das erwartet hatte. Im Land Bremen sind es 4 400 Haushalte, die Zahl ist Ende 2015 auf 5 200 angestiegen, ein Anstieg um 18 Prozent. Bundesweit sind die Wohngeldhaushalte gegenüber 2016 sogar gefallen, auch in Bremen. Das hat damit zu tun, dass es diese Umstellung gegeben hat, aber auch damit, dass die Situation momentan nicht so ist, dass es attraktiv ist, Wohngeld zu beantragen. Trotzdem sinkt der Bearbeitungsstau nicht. Es gab in der Stadtgemeinde sogar einen Höhepunkt von 1 600 Anträgen. Wir haben in der Baudeputation immer wieder abgefragt, wie es aussieht. Ich möchte gar nicht in Abrede stellen, dass es Bemühungen gab, dieser Spitze Herr zu werden. Aber es ist nicht so, dass es ausreichend wäre, ganz im Gegenteil geht es viel zu langsam.

(Beifall DIE LINKE)

Ich gehe davon aus, dass es auch in Bremerhaven nicht einfach ausreichen wird, wenn man diese Stelle zwei Wochen schließt. Damit wird dieses Problem langfristig nicht aufgehoben. Es wird nur verschwinden, wenn wir die Personalausstattung entsprechend anheben. Lassen Sie mich eins sagen: Wohngeldbezug ist auch ein Instrument, mit dem wir diesen Mietsteigerungen, die wir landauf, landab haben, begegnen wollen. Diese individuelle Förderung wird dafür eingesetzt, dass gerade Haushalte, die über 30 Prozent und mehr für Miete aufbringen müssen, damit unterstützt werden können, dass dem begegnet wird. Wir wissen alle, dass das in Bezug auf die Wohnungsproblematik mit Sicherheit nicht ausreichend sein wird, aber es hat ja Gründe, warum der Wohngipfel, der letztes Wochenende in Berlin getagt hat, auch darüber nachdenkt – und ich fürchte mich schon vor den Ergebnissen – das Wohngeld und auch die Bemessungsgrundlage wieder anzuheben. Das ist explizites Ziel dieser Regierung. Ich weiß nicht, wie lange sie noch existiert und wie es tatsächlich weitergeht, aber momentan steht das auf der Agenda und es ist für 2019 auch klar geplant, dass wir mit dem Wohngeld in diesen Missstand eingreifen wollen.