Es ist überhaupt eine Pflicht für jeden politisch bewussten Bürger diesem Gesetz zum Opfer zu fallen. Wer ihm bisher nicht zum Opfer gefallen ist, scheidet aus dem politischen Diskurs der Zukunft aus. Stimmen Sie daher bitte mit allem Pathos, der auch Ihnen manchmal in guten Momenten angelegen ist, vehement gegen meinen Antrag. Darum möchte ich doch sehr bitten, auf dass alle Menschen in Bremen und auch bei den Medien, die das Gesetz trotz AfD-Ferne sehr, sehr kritisch sehen, im Journalistenbund und in anderen Gremien, stimmen Sie bitte mit Vehemenz gegen meinen Antrag, tun Sie mir den Gefallen heute Nachmittag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Skandalös sind hier einzig und allein die Haltung und die Tatsachenverdrehung des Antragstellers.
Ihre rechtspopulistischen Verschwörungstheorien, die Sie hier immer wieder ausbreiten, sind und bleiben unerträglich.
Ich möchte trotzdem kurz zur Sache sagen, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist im Übrigen nach einem umfangreichen Gesetzgebungsverfahren im letzten Jahr im Bundestag beschlossen worden, übrigens nicht in der letzten Sitzung der Legislaturperiode. Aber es wäre ja schön, wenn dies die einzige Ungereimtheit in Ihrem Antrag wäre.
Ich weiß, wir haben hier vor einem Jahr auch darüber debattiert, es gab und gibt Kritik an den konkreten Regelungen. Ich habe hier vor einem Jahr gesagt und dabei bleibe ich auch, meine Haltung ist, Straftaten, Hass und Gewalt im Netz und auch Tatsachenverdrehungen und Falschinformationen – wie wir sie hier leider häufiger auch von Ihnen,
Herr Tassis, hören – müssen effektiv verfolgt werden. Straftaten müssen effektiv und stringent geahndet werden.
Die Betreiberinnen und Betreiber von Social Media und die Bereitsteller von Kommunikationsplattformen, die daran gut verdienen, die haben da auch eine Verantwortung, die müssen nicht nur nach ihren geschäftlichen Interessen handeln, sondern müssen, genau wie klassische Medien, darauf achten, dass nicht strafbar gehetzt wird. Ich will zugestehen, dass diese Regelungen durchaus auch kritisch gesehen werden können und auch kritisch gesehen werden und das auch aus guten Gründen, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die hier seitens der AfD geäußerte Kritik ist nicht solch ein Grund, diese Kritik ist ebenso durchsichtig wie scheinheilig.
Durchsichtig, weil es Herrn Tassis und der Partei, der er angehört, offensichtlich darum geht, das Schüren von Fremdenhass zu verteidigen. Sie wollen Ihre zum Teil völkische Hetze hier unter Schutz gestellt sehen. Hassprediger, die ihre Botschaften als Kritik an der Bundesregierung verklären und dann auch noch behaupten, sie sollen angeblich unterdrückt werden, was für ein ausgemachter Blödsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zudem ist der Antrag auch noch scheinheilig. Wir können uns alle noch sehr gut daran erinnern, wie die AfD mit Menschen, die sich kritisch mit politischen Haltungen auseinandersetzen, umgeht. Da wurde zum Denunziantentum aufgerufen, da wurde für ein Portal geworben, in dem man melden sollte, wenn missliebige Äußerungen getätigt werden. Da sollte jemandem, dessen Aufgabe es ist, Menschen kritisches Bewusstsein beizubringen, nämlich einem Politiklehrer in Bremen-Nord, der Mund verboten werden. Es ist ungeheuerlich, wie die AfD damals nicht nur Klage führte, sondern eben auch offen für das Denunziantentum warb, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Hetze der AfD und im Übrigen auch der Gruppe Bürger in Wut gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben wir von gestern nur allzu gut im Ohr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das
wahre, das hässliche Gesicht der AfD hat Herr Tassis hier in dieser Debattenwoche schon häufiger unverhohlen gezeigt und insbesondere in den Debatten, in denen es uns um Hilfe, um Menschlichkeit, um sozialen Zusammenhalt geht.
Zusammengefasst: Der AfD geht es nicht um den Schutz der Meinungen anderer, nicht um sachliche Auseinandersetzungen und vor allem nicht um das, was uns hier alle eint, nämlich um eine offene und demokratische Gesellschaft. Der AfD geht es darum und das ist in diesem Antrag auch wieder deutlich geworden, ihre Hetze möglichst ungestört betreiben zu können und dem stehen wir hier alle entgegen.
Bei allen inhaltlichen und politischen Differenzen, die wir hier in diesem Hause sachlich und konstruktiv austragen, stehen wir alle demokratischen Parteien gemeinsam gegen eine solche Hetze, und da werden Sie, Herr Tassis, sie, meine Damen und Herren von der AfD und alle Rechtspopulisten, immer mit unserem harten Widerstand rechnen müssen. – Ich bedanke mich!
Wer dem Antrag des Abgeordneten Tassis (AfD) mit der Drucksachen-Nummer 19/1599 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, Die LINKE, FDP, BIW, Abgeordnete Wendland [partei- los], Abgeordneter Öztürk [fraktionslos])
Bevor ich jetzt den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich gern unsere ehemalige Abgeordnete Frau Dr. Kappert-Gonther herzlich bei uns begrüßen.
Berufsabitur auch in Bremen einführen Antrag der Fraktion der FDP vom 11. April 2018 (Drucksache 19/1614)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, ein pfiffiger, erfolgreicher und durchaus auch handwerklich begabter junger Mann, neunte, zehnte Klasse, offenbart seinen Eltern beim Abendessen, dass er keine Lust mehr hat, die Schule zu Ende zu machen, sondern eine Schreinerlehre beginnen möchte. Selbst wenn die Eltern wüssten, dass Handwerksbetriebe derzeit händeringend Nachwuchs suchen, und wenn sie wüssten, dass die Verdienstaussichten hervorragend sind, würde es wohl in den meisten Familien eine Diskussion geben. Noch eher würde es eine Diskussion geben, wenn die Schwester eine Ausbildung zur Tänzerin machen wollte. Denn Eltern wollen im Allgemeinen, dass ihre Kinder einen möglichst hohen Schulabschluss erreichen, oft sogar dann, wenn sie theoretisch die Akademisierungstendenzen unserer Zeit ablehnen.
Mit dem Berufsabitur könnten junge Menschen, ausgehend von einem mittleren Bildungsabschluss, einen Doppelabschluss erwerben, in dem zum Beispiel der Gesellenbrief einerseits und die allgemeine Hochschulreife andererseits erworben werden. 15- oder 16-jährige Schülerinnen und Schüler sind oft nicht Willens oder auch überfordert, eine Entscheidung für einen festgelegten Karriereweg zu treffen. Sie sind manchmal einfach zu jung dafür. Wer eigene Kinder hat, weiß das.
Mit dem Berufsabitur können sie ohne Zeitverlust auch später im Leben noch entscheiden, ob sie weiterarbeiten möchten, ob sie den Meister machen möchten oder doch noch ein Studium aufnehmen. Diese Entscheidung wird nach dem Berufsabitur erstens später und zweitens erfahrungsbasiert ge
troffen. Denn dann kennen sie nicht nur ihre Schulwelt von innen, sondern auch den Betrieb und berufsfachliche Themenfelder. Erfahrungsbasierte Entscheidungen bieten eine realistische Entscheidungsgrundlage und sind deswegen natürlich auch nachhaltiger.
Es gibt immer mehr Menschen, die sich erst mit 40 oder noch später für ein Studium entscheiden, die Berufslaufbahnen sind flexibler geworden und erlauben häufiger Neuorientierungen. Lebens- und Lernwege haben sich verändert und dem muss sich das Ausbildungssystem heute anpassen, dem auch gerecht werden.
Deswegen wollen viele Jugendliche, auch motiviert durch ihre Eltern, ihre schulische Laufbahn mit dem Abitur abschließen, auch wenn die direkte anschließende Ausbildung das nicht erfordert.
Da beim Berufsabitur weder das Niveau der Hochschulreife noch das Niveau des berufsschulausbildenden Abschlusses gesenkt wird, umfasst der Ausbildungsweg vier Jahre. Die breit gefächerte Qualifizierung, die für jeden angestrebten anschließenden Lernweg alle Türen öffnet, kostet einen Preis, nämlich ein Jahr länger lernen. Gerade für lernstarke Schülerinnen und Schüler mit Interesse an praktischer Arbeit ist diese Form der Ausbildung interessant. Wir wollen die Schülergruppe wieder für eine Ausbildung gewinnen, indem wir ihnen eine Chance geben, Abitur und Ausbildung ohne Zeitverlust und Umwege zu erreichen.
Auch für kompetente Schülerinnen und Schüler aus ausbildungsfernen Familien kann das Berufsabitur einen Anreiz darstellen, einen höheren Bildungsabschluss anzustreben. In den drei Jahren bis zum Abitur an der Gesamtschule belastet nämlich der junge Mensch das Budget der Familie. Beim Berufsabitur gibt es, je nach Ausbildungsberuf, vom ersten Tag an eine Ausbildungsvergütung. Das motiviert junge Menschen möglicherweise, den langen Weg zum Abitur anzutreten oder hilft lernwilligen Schülerinnen und Schülern dabei, Eltern zu überzeugen, die eigentlich möchten, dass das Kind schnell Geld verdient.
Nicht nur in Bayern und Baden-Württemberg, sondern auch in Hamburg, Berlin und Niedersachsen wurde das Berufsabitur bereits eingeführt. Wir als Fraktion der FDP wollen den Bremer Schülerinnen
und Schülern diese Möglichkeit ebenso eröffnen und dazu beitragen, den Ausbildungsstandort in Bremen attraktiv zu machen.
Im Gegensatz zu den in Bremen bislang bestehenden vollschulischen doppelqualifizierenden Bildungsgängen, ist beim Berufsabitur eine Doppelqualifizierung in allen Berufen möglich. Kommen genügend Schülerinnen und Schüler einer Berufsausrichtung zusammen, wird das Zusatzangebot mit dem regulären Berufsschulunterricht verzahnt. Für alle anderen steht ein berufsübergreifendes Angebot zur Verfügung.