Protocol of the Session on August 29, 2018

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will zu Anfang auch sagen, ich bin der Fraktion der CDU sehr dankbar, dass sie diesen Antrag gestellt hat. Der eine oder andere von Ihnen wird feststellen, vor allen Dingen wenn er sich die Papiere noch einmal angeschaut hat, da steckt der Teufel tatsächlich im Detail.

Wir haben eine Situation, dass wir heute über die so genannten Arbeitsassistenten nach § 102 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch sprechen. Darin wird eigentlich geregelt, dass es so etwas wie ein grundsätzliches Recht von Menschen mit Behinderungen gibt, dass sie die Möglichkeit haben, auch auf dem ersten Arbeitsmarkt mit einer Unterstützung – nämlich mit dieser Assistenz, da kommt dieser Begriff her – wiederum ein Stück weit für sich selber sorgen können, in einen Arbeitsprozess integriert sind, in eine Firma, in irgendeine Anstellung. Das ist etwas, glaube ich, was man nicht wichtig genug einschätzen kann, weil diese Assistenz eigentlich auch der Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts von Menschen mit Behinderung ist, aber auch von der Wahl- und Wunschfreiheit, die man diesen Menschen, wie allen anderen auch, zugestehen muss.

Von daher ist es eigentlich eine gute Sache, eine wichtige Sache. Jetzt stellt man fest, und das hat die Fraktion der CDU dankenswerterweise ein bisschen herausgearbeitet, dass es auf der einen Seite über das Amt für Versorgung und Integration Bremen Gelder gibt. Die Arbeitsassistenz wird aus

dieser so genannten Ausgleichabgabe der Unternehmen, wenn sie nicht eine bestimmte Quote von behinderten Menschen einstellen, finanziert. Da kann man feststellen: Oh Mensch, in Bremen, immerhin, sonst haben wir immer zu wenig Geld, da ist es zumindest so, dass in einem Topf einfach 5,6 Millionen Euro sind, die bisher nicht aufgebraucht worden sind.

Dem gegenüber steht aber, das hat die Fraktion der CDU in ihrer Nachfrage und letztendlich später auch in ihrem Antrag aufgearbeitet, das Amt für Versorgung und Integration Bremen hat im Grunde genommen eine ganze Zeit eine Regelung gehabt, aufgrund der sie gesagt haben: Bei einer vollen Stelle, die ein Mensch mit Behinderung besetzt, darf es sozusagen höchstens 50 Prozent Assistenz geben. Da kann man sagen: Okay, vielleicht macht das ja Sinn, weil man ja sonst immer fragen muss, wer das eigentlich bezahlen soll. Aber wenn man dann auf der anderen Seite einfach feststellt, es gibt da noch genügend Geld, dann kann man sich schon fragen, warum es nicht anders ist. Ist es tatsächlich so, dass diese Menschen, was ja auf der einen Seite wiederum positiv wäre, nur 50 Prozent Assistenz benötigen, wenn man eine AchtstundenStelle hat. Das wäre ja vielleicht gar nicht so schlecht. Aber man weiß nicht so genau, ob das tatsächlich so ist und die Gemengelage ist relativ schwierig.

Die Gemengelage ist auch schwierig, weil man im Grunde genommen sagen kann, das Amt für Integration und Versorgung Bremen, das dann wiederum finanziert, gibt ein Stück weit auch Bedingungen vor. Dem gegenüber steht aber das Sozialgesetzbuch. Frau Grönert hat das gut dargestellt, es gibt eine gewisse Konkurrenz der Rechtstitel zueinander und dann ist die Frage, was im Moment gilt.

Ich glaube, dass dieses grundsätzliche Recht von Menschen mit Behinderung auf Assistenz, damit sie dann tatsächlich auch arbeiten können und möglicherweise auch eine sinnvolle Tätigkeit ausführen können. Dieses Recht hat einen besonders hohen Stellenwert und dem sollten wir dadurch Rechnung tragen, indem man versucht, da klarere und vielleicht auch bessere Regelungen zu schaffen. So hat Herr Dr. Buhlert das auch gesagt, da sind auch wir von der Fraktion DIE LINKE der Meinung, dass die Forderung der Fraktion der CDU, dass man dazu eine Verwaltungsanweisung schreibt und nicht einfach nur die Regeln der Integrationsämter übernimmt, eine ganz gute Idee ist, weil eine bundesweite Klärung, das wurde hier

ja auch schon gesagt, sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Mit einer eigenen Bremer Verwaltungsanweisung, könnte man das Eine oder Andere heilen und auf bessere Füße stellen, bis man dann tatsächlich auf der Bundesebene etwas erreicht hat. Von daher werden wir dem Antrag der Fraktion der CDU zustimmen. – Danke sehr!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich für den Antrag der Fraktion der CDU bedanken, das muss ich ganz ehrlich sagen und auch für die Debatte in der Deputation. Ich habe jedenfalls viel gelernt in einem, wie ich finde, zunächst riesigem Berg an bürokratischen Vorgaben, denen Menschen mit Behinderung gegenüberstehen, wenn sie Arbeitsassistenzen für ihre Berufsausübung brauchen.

Es ist nicht ganz so leicht und da gibt es relativ viele Hürden. Dabei ist die UN-Menschenrechtskonvention da ziemlich klar: Es gibt das Recht auf gleichberechtigte Arbeit, egal ob mit oder ohne Behinderung. Die Menschen haben das Recht auf Arbeit und die notwendige Unterstützung, die sie dazu brauchen, muss und sollte ihnen gewährt werden.

(Zuruf Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP])

Denn, und das ist ja nun einmal sehr eindeutig, nur das Recht auf Arbeit und auch die Möglichkeit, eine Tätigkeit auszuüben, sind die Garantie dafür, dass ein Mensch für seinen Lebensunterhalt einstehen kann. Und das ist doch das Ziel von uns allen, jedem Menschen die Teilhabe an dem Arbeitsmarkt und damit eben auch die ganz grundlegende soziale Teilhabe zu gewährleisten.

Nun ist es so, das haben wir auch alle monatelang, wie ich finde, gut miteinander beraten und besprochen, dass wir eine relativ paradoxe Situation vorgefunden haben. Herr Erlanson hat es beschrieben, ein ziemlich dick gefüllter Topf mit der Ausgleichsabgabe, es sind inzwischen mehr als fünf Millionen Euro darin, er steigt auch weiter an. Das ist die schlechte Nachricht, das heißt nämlich, dass sehr viele Unternehmen ihre Quote nicht erfüllen und dadurch die Ausgleichsabgabe zahlen – also das ist erst einmal eine schlechte Nachricht, wir wünschen uns das anders. Aber die Ausgleichsabgabe ist eben dazu da, anderen bei der Berufstätigkeit zu

helfen. In der Tat scheint es so zu sein, dass das Amt für Versorgung und Integration Bremen relativ lange, relativ restriktiv mit den Arbeitsassistenzen und mit den Hilfen umgegangen ist.

Nun haben wir aber auch alle schon vor Monaten mitbekommen, dass der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen dort eingegriffen hat und dass wir seither davon ausgehen können, dass das Amt für Versorgung und Integration Bremen die Hilfen nach Bedarf und nach Einzelfallregelung vergibt, so wie wir uns das auch vorstellen.

Die BIH-Richtlinie: Da kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob wir eine eigene Regelung haben sollen. Wir glauben, dass es angemessen und geboten ist, dass wir uns auf Bundesebene beteiligen, um dort zu eindeutigeren Regelungen zu kommen. Wir halten das für einen guten Weg und sind da auch ganz frohgemut, dass wir unsere Vorstellungen zukünftig umgesetzt wissen.

Grundsätzlich, glaube ich, müssen wir einfach in zweierlei Hinsicht noch mehr Anstrengungen unternehmen, nämlich einerseits, deswegen habe ich es betont, viel mehr Unternehmen dazu zu bekommen auch Menschen einzustellen. Zu erleichtern, dass sie Menschen mit Behinderungen einstellen und auf der anderen Seite dann auch im Öffentlichen Dienst dafür sorgen, dass Menschen ihre volle Berufstätigkeit mit Hilfen ausführen können und nicht zwangsweise reduziert oder eingeschränkt tätig bleiben müssen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Grönert, ich möchte gern dort anknüpfen, wo Sie fast aufgehört haben. Sie haben gesagt, in der Theorie ist fast alles möglich, allein die Praxis zeigt uns, dass es nicht umgesetzt wird und ich glaube, das ist genau das Problem. Wir haben hier Regelungen in Bremen, die durchaus die Möglichkeit schaffen, dass genau das passiert, was jetzt in der öffentlichen Diskussion, glücklicher Weise, richtig hochgekocht ist.

Wir hatten einen Fall in Bremen – und ich bin durchaus dankbar für die große Berichterstattung in dieser Sache – der deutlich gemacht hat, dass die Betroffene eben nicht die Unterstützung bekom

men hat, die sie sich gewünscht hat und die vielleicht auch nötig gewesen ist. Wir haben eine Regelung, die davon spricht, dass in der Regel 50 Prozent Assistenzleistungen gewährt werden, aber dieses ‚in der Regel‘ bedeutet eben, dass man auch darüber hinaus gewähren kann.

(Abgeordnete Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Nur das ist anscheinend in der Vergangenheit nicht so offensiv ausgelegt worden, wie es durchaus möglich gewesen wäre. Die Debatte, auch in der Deputation, hat ja gezeigt, dass es hier durchaus einen Bewusstseinswandel gegeben hat. Ich glaube, dass in der Behörde die Möglichkeiten zukünftig sehr viel offensiver ausgeschöpft werden, sowohl, was die Gewährung der Assistenzleistungen in der Quantität angeht, als auch die Bezahlung derjenigen, die dann diese Assistenzleistungen vornehmen.

Es ist ebenfalls deutlich geworden, dass Bremen sein Verfahren ändert, indem jetzt die Unterschiedlichkeit zwischen Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnissen aufgehoben wird. Das begrüße ich für meine Fraktion ganz ausdrücklich. Wir sind der Meinung, dass es daher tatsächlich keiner weiteren Regelung auf Bremer Ebene bedarf, sondern eher einer offensiveren Ausgestaltung der Möglichkeiten, die bestehen. Dass man sich aber natürlich weiterhin gemeinsam dafür einsetzt, dass das Ganze auf Bundesebene dementsprechend ausgestaltet wird. – Danke!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Siering.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch von meiner Seite aus, herzlichen Dank für die Debatte, dieser ging ja der Antrag der Fraktion der CDU voraus. Weil die Debatte auch noch einmal zeigt, dass wir hier über ein Thema reden, das ausgesprochen wichtig ist. Auch wenn die Zahl verdächtig klein erscheinen mag, wir haben in Bremen 37 solcher Arbeitsassistenzen, davon sind 16 im öffentlichen Bereich, 21 bei privaten Unternehmen. Das ist aus meiner Sicht deutlich ausbaufähig, das will ich ausdrücklich sagen.

(Beifall SPD, FDP)

Denn hier geht es ja darum, dass eben die Teilhabe von Menschen auch mit einem Handicap am Berufsleben, am Arbeitsleben sicherlich ein wichtiges Ziel ist, das wir auch gemeinsam weiter verfolgen sollten. Es gab Berichterstattungen zu Fällen, die will ich gar nicht im Detail bewerten, aber manchmal ist die Berichterstattung durchaus hilfreich, um das eigene Agieren, das eigene Verhalten noch einmal zu überprüfen. Das haben wir auch zum Anlass genommen, als senatorische Behörde noch einmal sehr intensiv die Gespräche mit dem Amt zu suchen. Ich will ausdrücklich sagen, dass wir uns sehr gewünscht haben, dass zukünftig bei allen Entscheidungen der Mensch in den Mittelpunkt der Entscheidung gestellt wird. Dass das die Maxime sein muss, denn völlig richtig ist, die Mittel der Ausgleichsabgaben, die auch nur zweckgebunden eingesetzt werden können, sind ausreichend vorhanden. Am Geld scheitert es schon einmal gar nicht, das ist auch klar.

Auf der anderen Seite müssen wir aber natürlich auch dafür Sorge tragen, dass wir ein ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln sicherstellen. Für dieses ordnungsgemäße Verwaltungshandeln ist eine solche BIH-Richtlinie für uns wertvoll. Das will ich ausdrücklich sagen. Das ist ja nicht irgendeine Richtlinie, sondern das ist die Richtlinie, die die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen gemeinsam erarbeitet, gemeinsam diskutiert und auch gemeinsam fortentwickelt hat. Wir haben deswegen auch noch einmal bei uns intern ausdrücklich darüber diskutiert, ob es Sinn macht, diese BIH-Richtlinie in eine eigene Richtlinie zu überführen, haben uns dann dagegen entschieden, weil es aus unserer Sicht sinnvoll und richtig ist, so zu verfahren wie auch die anderen Bundesländer.

Wenn ich mich umschaue und sehe, dass die BIHRichtlinie auch in Niedersachsen zur Anwendung kommt, ist das für uns durchaus auch ein Stück weit mit handlungsleitend, da wir hier keine unterschiedlichen Rechtssysteme implementieren wollen.

Gleichwohl haben wir noch einmal dafür Sorge getragen, dass die BIH-Richtlinie für uns in Bremen aufgrund einer Anweisung den Rang einer Verwaltungsvorschrift hat, weil wir dort mit dem Bundesrecht auch eine Rechtssicherheit haben. Das haben wir an zwei Stellen nicht mehr, dementsprechend haben wir hier ausdrücklich klargestellt, dass die

Vorgaben, die an zwei Stellen der BIH-Empfehlung nicht mit höherrangigen Recht im Einklang stehen, ausdrücklich ausgenommen werden. Das heißt, dass wir zukünftig sehr wohl die Möglichkeit – nicht nur zukünftig, die hatten wir auch in der Vergangenheit –. Dass wir sehr wohl und sehr genau darauf achten, dass wir hier dem Wunschrecht der Menschen Genüge tun, dass wir dort alles ermöglichen, um die Teilhabe am Arbeitsmarkt uneingeschränkt zu ermöglichen. Daran soll es nicht scheitern. Dementsprechend, das will ich an der Stelle noch einmal betonen, geht es nicht um das Geld, sondern um eine möglichst große Teilhabe. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit Drucksachen-Nummer 19/1240 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, DIE LINKE, FDP, BIW, Abgeordneter Tassis [AfD], Abgeordnete Wendland [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab. Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht der staatlichen Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Drucksache 19/1590 Kenntnis.

Meine Damen und Herren, ich habe vernommen, dass unter den Fraktionen keine Einigkeit darüber besteht, ob ich jetzt noch einen Tagesordnungspunkt aufrufe. Das ist so?

Dann schließe ich die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) für heute und wir sehen uns Morgen pünktlich um 10.00 Uhr wieder.

(Schluss der Sitzung 18.06 Uhr)