Herr Senator, nach § 29 unserer Geschäftsordnung haben Sie die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage die mündlich zu wiederholen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Antwort auf unsere Große Anfrage bestätigt, dass es für die meisten Flüchtlinge nicht leicht sein wird, einen existenzsichernden Job zu finden. Fehlende Berufsausbildungen sind nicht einmal eben nachzuholen, die Anerkennung einer Ausbildung oder eines Studiums verläuft schleppend und führt nicht immer zum gewünschten Ergebnis, und mangelnde Deutschkenntnisse tragen dann das Ihre dazu bei. Zwei Drittel der Menschen aus Asylherkunftsländern, die heute in Bremen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, sind lediglich in Teilzeit oder in einem 450-EuroJob beschäftigt, und das dürfte kaum existenzsichernd sein.
Aktuell sind hier ungefähr 10 000 Menschen aus Asylherkunftsländern als arbeitssuchend gemeldet und hoffen auf eine Anstellung. Im Jahr 2017 fanden circa 680 Betroffene aus dieser Gruppe einen Job, oft eben in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt.
Auf unsere Frage nach Maßnahmen, durch die der Senat die Vermittlung von Flüchtlingen in Arbeit eigeninitiativ unterstützt, verweist er in erster Linie auf das BAP, auf das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm des Landes Bremen, dessen Angebote ja allen Menschen offenstehen. Zudem kündigt er für Ende 2018 ein eigenes Programm an, das Förderlücken der Regelangebote mittelfristig schließen soll. Dieses Programm, das einen langen Vorbereitungsweg hinter sich hat, klingt in seiner Beschreibung aber eher nicht nach einem großen Befreiungsschlag. Es werden vom Senat einige kleinere und örtlich begrenzte Angebote aufgelistet, die zumindest auf den ersten Blick oft überhaupt nichts mit Integration oder Vermittlung in Arbeit zu tun haben.
Integration Points, bei denen alle wichtigen Akteure – vom Jobcenter über Ausländerbehörden und berufsständischen Vertretungen – an einem Ort erreichbar wären, lehnt der Senat ab, solch ein gebündeltes Angebot werde nicht gebraucht, denn es gebe in Bremen bereits eine Vielzahl dezentraler spezialisierter Einrichtungen, die ähnliche Funktionen wie die Integration Points übernehmen würden. Doch das, was der Senat für ausreichend hält,
wünschen sich viele Menschen aus der Praxis anders. Sie wollen kurze Wege, schnell auffindbare aktuelle Informationen – übrigens auch im Internet – und ein besseres Zusammenspiel der Behörden mit dem Rest der Welt, oder es würde auch reichen mit dem Rest von Bremen. Diesem Anliegen wird das neue Programm aber leider nicht entsprechen.
In diesem Jahr stehen wir zudem neben all dem, was ich in fünf Minuten thematisch leider kaum ansprechen kann, vor einem ganz besonderen Kraftakt: Demnächst werden bis zu 850 jugendliche Flüchtlinge die allgemeine Berufsschule verlassen. Wie kann man diesen Jugendlichen sinnvolle berufliche Perspektiven eröffnen? Was hat man vom Werdegang der 223 Schüler gelernt, die im letzten Jahr die allgemeine Berufsschule verließen? Wenn man die Antwort des Senats liest, dann stellt man fest, dass man davon nichts lernen konnte, weil der Senat nicht weiß, was aus diesen jungen Menschen geworden ist. Er weiß gerade noch, dass 88 von ihnen weiter auf die Berufsfachschule oder auf die Erwachsenenschule gingen. Vom Verbleib der restlichen 135 Schüler weiß er gar nichts, schreibt er in der Antwort.
Von den 850 Jugendlichen in diesem Jahr wird zwar – wie die 223 im letzten Jahr – ein großer Teil einen Schulabschluss erreichen, aber er wird ihnen in der Praxis nicht wirklich weiterhelfen. Er qualifiziert nur Einzelne für eine Ausbildung, für die man Deutschkenntnisse mindestens nach der Niveaustufe B2 braucht, und selbst in eine Einstiegsqualifizierung, eine EQ, für die die Stufe B1 Bedingung ist, können viele nicht starten, weil sie die Stufe B1 nicht erreicht haben.
Weil deshalb aber der Aufenthaltsstatus einer Duldung von sehr vielen dieser Schüler und Schülerinnen in Gefahr ist, fühlt sich der Senat mit dem Rücken an der Wand und hat sich eine Lösung überlegt: Nach den Sommerferien 2018 wird es mit der Bremer Integrationsqualifizierung, der BIQ II, einmalig ein Angebot für 200 dieser Flüchtlinge geben. Begründet wird dieses deutschlandweit einmalige aufenthaltssichernde Konstrukt damit, dass den jungen Menschen so noch ein weiteres Jahr in einem schulähnlichen, aber leider sehr eingeschränktem Format ermöglicht wird, das für eine EQ nötige Sprachlevel B1 zu erreichen. Doch obwohl wir bereits Mitte Juni haben, gibt es für die BIQ II bislang nur eine vage inhaltliche Beschreibung.
Das Vertiefen der Sprache scheint durch einen zertifizierten Sprachförderkurs tatsächlich gesichert.
Doch Theatergruppen, Lernkurse in der „Fahrradwerkstatt“ und schwimmen gehen werden nicht reichen, um den Jugendlichen das nötige Rüstzeug für den Start und das Bestehen einer EQ oder gar das Erreichen eines Ausbildungsabschlusses mitzugeben. Sie brauchen sicher auch Mathematik und andere Fächer, um später Prüfungen bestehen zu können.
Außerdem ist das Angebot BIQ II zwar freiwillig, aber weil man seinen Aufenthalt nicht sichern darf, indem man sich in eine Liste einträgt, aber anschließend nicht kommt, muss es eine Teilnahmepflicht geben. Was plant der Senat eigentlich für das nächste Jahr, um den Aufenthalt weiter zu sichern, wenn diese Jugendlichen den Sprung in eine EQ oder eine Ausbildung wieder nicht schaffen? Das lässt sich nicht unendlich so fortsetzen, und das kann auch nicht Ziel der Politik sein. Mit einer heute schulnäher ausgestalteten BIQ II würden Sie jedenfalls vielen jungen Flüchtlingen den Aufenthalt sehr viel nachhaltiger sichern, wenn auch nicht allen. Ich muss jetzt leider Schluss machen, ich glaube, da reichen fünf Minuten nicht aus, um dazu ausführlicher etwas zu sagen. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin mir nicht sicher, ob wir dieselbe Antwort gelesen haben.
Das Thema Flüchtlinge und Arbeitsmarkt ist heute vermutlich aktueller denn je. Dabei sehen wir Arbeit als Schlüssel zur Integration und Teilhabe. Arbeit ermöglicht das Anwenden von Kenntnissen und Fähigkeiten. Qualifikation schafft Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen, fördert soziale Netzwerke, unterstützt die weiterführende sprachliche Qualifikation und öffnet zudem die Tür zu Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Arbeit bedeutet zudem – und das ist ja nicht nur für hier neu angekommene Menschen wichtig, sondern genauso für alle anderen, die hier geboren wurden – einen strukturierten Tagesablauf, die Chance, über eigenes Geld verfügen und das Leben eigenverantwortlich gestalten zu können.
Die Integration in den Arbeitsmarkt in Deutschland ist nicht einfach. Hürden liegen im Spracherwerb,
auf dem Weg vom Übergang von der Schule in den Beruf, einer Ausbildung, in der Diskriminierung bei Bewerbungsverfahren, aber auch bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen. Häufig ist auch eine Überforderung oder Unsicherheit hinsichtlich der Vielfalt und der Strukturen zu spüren.
Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der CDU, „Hat Bremen die Voraussetzungen für eine gelingende Integration in den Arbeitsmarkt geschaffen?“, formuliert ein eindeutiges Ja. Der Senat hat sowohl die Voraussetzungen als auch die Rahmenbedingungen für eine gelingende Integration in den Arbeitsmarkt geschaffen. Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage, über die wir heute diskutieren, zeigt auf, welche Lösungsansätze das Land Bremen bisher verfolgt hat und künftig verfolgen wird, um eine berufliche Ausbildung in Deutschland beziehungsweise in Bremen und Bremerhaven beziehungsweise die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse zu ermöglichen. Ich stelle fest, dass die Anteilnahme und Bereitschaft des Senats, der Kammern und der Partner am Ausbildungsmarkt sehr groß sind, um eine Ausbildung junger Flüchtlinge innerhalb der bremischen Unternehmen zu erhöhen.
Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge sind jünger als 25 Jahre, also in einem Alter, in dem sie eine Ausbildung benötigen. Bremen und Bremerhaven unterstützen diese Integration von Flüchtlingen mit zwei großen Maßnahmepakten, das steht ganz klar in der Antwort, vom Deutschlernen bis hin zur Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums. Aufsuchende Beratung an Schulen und Übergangswohnheimen dient dazu, jungen Menschen die hiesigen Möglichkeiten der beruflichen Integration zu erklären. Bremen investiert zusätzlich neben dem Erwerb der deutschen Sprache in das Erkennen von Kompetenzen und Potenzialen von Flüchtlingen und unterstützt die Integration in Ausbildung und Beruf. Die Schwerpunkte dabei sind gute Beratung, sprachliche Vorbereitung und fachliche Unterstützung.
Auch gemeinnützige Tätigkeiten werden vermittelt, damit Geflüchtete die erste berufliche Erfahrung in Bremen und Bremerhaven sammeln können. Im Rahmen des Projekts – ich nenne jetzt ein Beispiel, das auch in der Antwort des Senats steht – des Senats „Frauen und Flucht“ informiert die ZGF geflüchtete Frauen auch zum Thema Sprachbildung und Arbeitsmarktunterstützung.
Wichtig ist auch eine zügige Anerkennungspraxis von im Ausland erworbenen Abschlüssen und Berufen. Gerade vor diesem Hintergrund ist es gut, dass wir noch im April dieses Jahres – das hat die CDU noch nicht wahrgenommen, aber trotzdem! – mit der Änderung des Bremischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes die Weichen für eine schnellere Anerkennungspraxis gestellt haben.
Davon profitieren sowohl die Menschen, die hier ankommen, als auch die Wirtschaft, die in vielen Bereichen händeringend nach motivierten Fachkräften sucht.
An dieser Stelle bedanke ich mich beim Senat und der Senatskanzlei für die offene und ehrliche Art der Problemanalyse, die Beschreibung der aktuellen Ausgangslage und die zusammenfassende Bewertung für die künftigen integrationspolitischen Anstrengungen! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man sich die Maßnahmen und Zahlen in der Antwort des Senats durchsieht, kommt man durchaus zu dem Schluss, dass eine ganze Menge passiert, aber das wird bei Weitem nicht reichen. Ich glaube, die Integration von ausländischen Zuwanderern in den Arbeitsmarkt ist durchaus unterschätzt worden, und wir haben das Problem, dass insbesondere unsere arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen dafür zu spät kreiert und auf den Weg gebracht worden sind.
Wir gingen ja einmal davon aus, dass es durchaus einen nicht unerheblichen Anteil von Fachkräften geben wird, die da bei uns entsprechend eingespeist werden können, aber inzwischen ist ja auch deutlich geworden, dass es so einfach nicht ist. Drei Viertel aller aus dem Ausland Zugewanderten sind beruflich qualifiziert. Sie haben entweder ein Studium absolviert oder einen beruflichen Abschluss, aber bei der neuen Zuwanderung – und das ist ja auch der große Unterschied, mit dem wir konfrontiert sind – ist es ja fast umgekehrt: Drei Viertel haben keine berufliche oder akademische Ausbildung, weder mit Abschluss noch ohne, das ist inzwischen auch eine völlig andere Situation, aber
die meisten Erwachsenen haben durchaus eine Berufserfahrung. Das ist ja genau der Punkt, dass wir in dem Zusammenhang eben keine formale Ausbildung nachweisen können, weil es so etwas in den Heimatländern in der Form gar nicht gibt.
Die Anerkennung für diese Gruppe steht insofern als Option gar nicht so richtig zur Verfügung, und das bedeutet, ohne entsprechende Qualifizierung ist die, ich sage einmal neue Zuwanderung eine direkte Zuwanderung in den Niedriglohnsektor, und das geht auch aus der Antwort des Senats deutlich hervor. Die Abgänge in die sozialversicherte Beschäftigung der Jahre 2016 und 2017 gehen ja zu circa 40 Prozent in die Leiharbeit. Das löst ja kein Fachkräfteproblem, und das ist auch keine gelingende Integration – jedenfalls bestimmt nicht aus unserer Sicht –, und das verstärkt den Druck in einem Sektor des Arbeitsmarktes, der ja sowieso schon sehr unter Druck steht.
Die Zahlen zeigen auch die Probleme bei der weiblichen Integration in den Arbeitsmarkt. Der Frauenanteil bei den Abgängen in die Beschäftigung ist vor allem bei den Asylherkunftsländern extrem gering, und ohne dass die Frau letztendlich auch arbeitet, kann man in Deutschland letztendlich den sozialen Aufstieg überhaupt nicht mehr schaffen. Das ist ein Zusammenhang, der nicht nur dafür gilt, sondern durchaus insgesamt für die gesamte Bundesrepublik.
Die Jugendlichen machen den kleineren Teil der neuen Zuwanderung aus. Auch wenn man vieles an den Maßnahmen für Jugendliche kritisieren kann, liegt hier zumindest ganz klar die Priorität darauf, dass es eine Integration in Ausbildung sein muss, und das ist auch richtig an der Stelle, aber es fehlen zusätzliche Ausbildungsplätze, die wir natürlich auch insgesamt dringend nötig brauchen.
Es gibt verschiedene Maßnahmen, das sind die kommunalen EQs, wir haben die Eingliederungsqualifizierung der Bundesagentur für Arbeit, die durchaus gute Übergangszahlen aufweist, und dazu kommt die sogenannte Bremer Integrationsqualifizierung. Es gibt immer noch keinen Rechtsanspruch auf Sprachförderung, aber es gibt zumindest das Angebot zur Sprachförderung, und zwar unabhängig vom Aufenthaltsstatus, und das ist auch richtig.
Für die Gruppe der Erwachsenen hingegen sieht es besonders schlecht aus. Es gibt keine klare Antwort auf die Frage, wie jemand, der zu Hause einen handwerklichen Beruf ausgeübt hat, hier zu einem
beruflichen Abschluss kommen soll. Dass sich auch für die Gruppe der Erwachsenen ein dualer Ausbildungsplatz ergibt, ist weitgehend illusorisch. Außerdem wollen sie möglichst bald arbeiten und brauchen ein entsprechendes Einkommen, denn sie wollen ja selbstständig davon leben können, das darf man auch nicht vergessen.
Also, die Normalbiografie unseres Arbeitsmarktes, erst qualifizieren und dann in den Arbeitsmarkt, greift an der Stelle eben einfach nicht. Ich sehe hier bisher auch leider keine ausreichenden Lösungsansätze. Es fehlt an Maßnahmen zur begleitenden Qualifizierung, auch zur Teilzeitausbildung, und es gibt keine Möglichkeit, die berufliche Erfahrung in irgendeiner Weise als Qualifizierung für weitere Bildungsgänge anerkennen zu lassen, und vor allen Dingen gibt es kein Konzept, wie die Betreffenden sich ihren Weg zu einer Fachkraft überhaupt leisten können, das darf man ja auch nicht vergessen. Für das BAföG sind die meisten zu alt, für die Ausbildungsförderung bräuchte man einen Ausbildungsplatz – beides geht ja nicht aufstockend –, und wenn man dann in Teilzeit arbeitet, dann fehlt einem quasi auch die Hälfte. Das ist also letztendlich natürlich ein wesentlicher Kostenfaktor.
Das sind Grenzen, die nicht nur ausländische Zuwanderer und Zuwanderinnen haben – das muss man hier letztendlich auch einräumen –, sondern diese Probleme gibt es letztendlich auch bei den anderen, die hier in Deutschland leben.
Die OECD hat gerade eine Studie veröffentlicht, nach der ein sozialer Aufstieg in Deutschland bis zu sechs Generationen dauern kann. Ich finde, das ist für ein Land wie unseres ein ziemlich bescheidener Wert. Über die Situation –
und damit komme ich zu meinen letzten Sätzen! – muss man nachdenken, ob wir so etwas Ähnliches brauchen wie eine Bildungsreform, die genau dem gerecht wird und das System als solches ein Stück aufbohrt und nicht noch jeweils einfach rechts und links Maßnahmen daran anbaut.