Protocol of the Session on May 31, 2018

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zunehmende religiöse Extremismus stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen, stellt auch eine Bedrohung unseres Gemeinwesens dar. Wenn man dieser Entwicklung nicht entgegentritt, die Entwicklung nicht ernst nimmt oder sie allein den Sicherheitsbehörden überlässt, begeht man aus unserer Sicht einen schweren Fehler. Deswegen ist es gut und wichtig, sich die in Bremen bestehenden Programme anzuschauen, zu hinterfragen, und zwar nicht unter dem Aspekt des Misstrauens, sondern unter dem Aspekt der Hilfestellung, der ausreichenden Ressourcen und der Erreichung aller Zielgruppen. Genau das haben wir getan.

Deswegen teilen wir Ihr pauschales Urteil über die bremischen Hilfesysteme nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU. Bei kitab – das ist ja hier angesprochen worden – gab es zweifellos Probleme: nie bei der dort geleisteten Arbeit, wohl aber in der personellen Besetzung. Das stimmt und führte auch zur damaligen Veröffentlichung auf der Homepage, die auf lange Bearbeitungszeiten hinwies. Nun stehen aber vier Beraterinnen und Berater für Familienangehörige und Fachkräfte in der Auseinandersetzung mit der islamistischen Orientierung sowie der Einzelbetreuung von direkt betroffenen Menschen zur Verfügung. Klar ist aber auch, dass sichergestellt sein muss, dass eine solche Vakanz nicht wieder entsteht.

In Ihrem Antrag blenden Sie nahezu vollständig das Projekt JAMIL aus, das im Bereich der Prävention ansetzt und aus unserer Sicht wichtige Arbeit leistet. Worum geht es bei der Präventionsarbeit? Auf der dunklen Seite stehen Menschen, die durch

die Quartiere ziehen, die an Türen klingeln und einfache Antworten versprechen und junge Menschen für ihre Ideologien gewinnen wollen. Die Gefahr geht nicht nur von bestimmten Räumlichkeiten aus, dieses Bild, das wir immer haben: bestimmte Gebäude in der Stadt, in denen Ideologisierung stattfindet. Darüber sind wir weit hinaus. Wir haben es mit menschlichen Rattenfängern zu tun, die sich ganz bestimmte Quartiere aussuchen und einfach eine Art aufsuchende Arbeit machen, wie wir sie von der Straßensozialarbeit kennen.

Dem müssen wir nicht nur die klassische Beratung entgegensetzen, sondern auch unsere aufsuchende Arbeit. Junge Menschen müssen ein Ohr finden, das ihnen zuhört, eine Person, mit der sie ihre Fragen diskutieren und zu der sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen können.

Meine Damen und Herren, das wirksamste Präventionsmittel bleibt aber, junge Menschen als gleichwertigen Bestandteil in diese Gesellschaft zu integrieren. Zu häufig erleben junge Menschen Diskriminierung und Ausgrenzung in der Freizeit, bei der Jobsuche. Wenn wir es nicht schaffen, diesen jungen Menschen klarzumachen, und auch umzusetzen, dass sie ein fester und wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft sind, werden wir weiterhin Jugendliche an diese ideologischen Rattenfänger verlieren.

Mit dem Kompetenzzentrum KODEX sollen die Rückkehrerinnen und Rückkehrer erfasst werden. Das wurde gerade erst in der Innendeputation im Februar noch einmal vorgestellt. Auch die dortige Konzeptionierung ist nicht in Ihre Antragstellung eingeflossen. Nun sagen Sie, dass das noch nicht aufgebaut sei. Das stimmt, aber es ist eben inhaltlich trotzdem richtig und wird hoffentlich auch in Kürze die Arbeit aufnehmen, da bin ich auch schon gespannt auf die Aussagen des Staatsrates der Innenbehörde.

Die pauschale Kritik der CDU tragen wir also nicht mit, aber wir halten auch nicht alles für optimal gelöst. Aus unserer Sicht stellt sich die Frage, ob unsere Programme eigentlich auch Frauen und Mädchen aus der salafistischen Szene erreichen? Alle Angebote stehen zwar offiziell beiden Geschlechtern gleichermaßen offen, ob sie allerdings diese Zielgruppe erreichen, konnte uns bisher nicht ausreichend dargelegt werden. Dabei spielen gerade Frauen und Mädchen eine deutlich wichtigere Rolle in der Szene, wie aus unserer Kleinen Anfrage zu dem Thema auch noch einmal deutlich geworden ist.

Ferner glauben auch wir, dass im Schulbereich noch Handlungsbedarf besteht. Insofern ist es gut, dass die zuständige Bildungssenatorin heute dieser Debatte auch beiwohnt. Die Bildungsbehörde muss aus unserer Sicht sicherstellen, dass Lehrerinnen und Lehrer befähigt werden, mit den Herausforderungen umgehen zu können. Lehrerinnen und Lehrer brauchen Sicherheit im Umgang mit und in der Einschätzung diverser Fragestellungen. Der Schule kommt hier eine wichtige Schlüsselrolle in der Präventionsarbeit zu.

Wir haben eben schon überlegt, ob vielleicht auch einmal eine gemeinsame Sitzung der Deputation für Inneres und der Deputation für Bildung zu diesem Themenkomplex angemessen sein könnte,

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Ja, ist es!)

in der man sich über die einzelnen Fragestellungen einmal austauscht, aber in der man vielleicht auch den Behörden die Möglichkeit gibt, das, was schon läuft, in ausreichender Form darzustellen. Insofern, da beide Deputationsvorsitzenden ja gerade hier im Raum anwesend sind, lade ich das gern bei Ihnen ab.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Die haben nicht zugehört!)

Den nächsten Punkt fand ich in der Antragstellung der Fraktion der CDU auch berechtigt. Es betrifft die Frage, wie eigentlich der Umgang mit Internet, sozialen Medien und Co ist. Da finde ich, glaube ich, müssen wir in der Diskussion auch noch einmal fragen, ob das eigentlich eine Rolle sein kann, die ein Bundesland leisten soll oder ob wir da nicht eher auf die Arbeit des Bundeskriminalamtes und seiner Fähigkeiten und seiner Größe vertrauen sollten. Ich bin noch nicht abschließend zu einem Ergebnis gekommen. Ich bin jedoch tatsächlich der Auffassung – gerade wenn man sich das anschaut, dass diese ideologisierenden Videos und alles Mögliche immer zentral eingespeist werden –, dass das eine Aufgabe ist, bei der die Länder die Unterstützung des Bundes benötigen.

Insgesamt: Wir halten das Thema für wichtig. Wir negieren es nicht. Wir halten es auch für total falsch, es zu verniedlichen. In Ihrem Antrag sehen wir allerdings keinen geeigneten Lösungsvorschlag. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was uns umtreibt, wenn wir von den Tätigkeiten von Extremisten in Form von beispielsweise Anschlägen erfahren haben, genauso wie das, was uns umtreibt, wenn wir darüber nachdenken, wie man so etwas vorbeugen kann, ist die Frage nach dem Warum. Warum radikalisiert sich jemand, warum geht jemand diesen Weg, warum ist jemand gewaltbereit, warum verfängt sich jemand in ein solches Weltbild?

Wenn wir uns einmal ansehen, was national und international an Erklärungsversuchen in der Diskussion ist, dann sind das zum großen Teil Erklärungsversuche, es gibt Belege, aber es ist nicht evident. Es gibt Belege dafür, dass nicht vorhandene Väter, dass mangelnde Bildung, dass mangelnde religiöse Bildung, Diskriminierung und Perspektivlosigkeit Dinge sind, die die Menschen radikalisieren. Es gibt aber auch Leute, die in prekären Verhältnissen leben, die sich nicht radikalisieren, und genauso gibt es Personen, die sich radikalisieren, die aus guten Verhältnissen kommen und sehr hoch gebildet sind. Wir erinnern uns an die Attentäter vom 11. September. Die Studenten aus Hamburg waren Ingenieurstudenten eines Ingenieurstudienganges und konnten Flugzeuge fliegen, leider.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Vielleicht haben sie das aber auch gezielt gemacht, um das zu ler- nen!)

Das heißt, wir sind in vielerlei Hinsicht ahnungslos. Wir haben eine Idee, warum sich Leute radikalisieren, aber wir wissen es nicht. Es gibt Vorschläge, dass man mit Sozialarbeitern arbeitet, mit Sozialarbeitern, die womöglich einen religiösen Hintergrund haben, mit muslimischen Sozialarbeitern. Wir haben einerseits das Problem, dass auf dem freien Markt so gut wie keine Sozialarbeiter verfügbar sind. Die sind im Moment alle gebunden. Dazu kommt andererseits, dass der Islam vielleicht gar keine so große Rolle spielt, wie man immer denkt. Dass der Islam vielleicht eine Eintrittskarte sein kann, um ins Gespräch zu kommen mit diesen Leuten, dass es aber in Wirklichkeit gar nicht darum geht, wie der Islam auszulegen ist. Herr Röwekamp hat es angesprochen, der Islam ist womöglich nur eine Entschuldigung dafür, radikal zu werden, genauso wie es die Rechtsradikalen mit dem Nationalismus machen oder die Linksradikalen mit der Revolution.

Die Universitäten in Osnabrück und Bielefeld haben Chat- und WhatsApp-Protokolle von zwölf Personen ausgewertet, die Anschlagsversuche unternommen haben, und zwar die letzten drei Monate vor den Anschlägen. Sie haben diese Chat-Protokolle daraufhin angesehen, ob es Hinweise darauf gibt, wie die sich religiös radikalisiert haben. Sie haben festgestellt, dass ein erheblicher Anteil dieser zwölf jungen Männer im Grunde genommen überhaupt gar keine Ahnung vom Islam hat. Sie gingen nicht einmal in die Moschee, deren Kenntnisse über ihre eigene Religion waren rudimentär. Einer von denen war noch nicht einmal im Besitz eines Korans. Der Wissenschaftler, der das zusammengetragen hat, Michael Kiefer, hat der Zeitung „DIE WELT“ im letzten November ein Interview gegeben. Er sagte, einige von denen haben sich ihr religiöses Wissen mit Google zusammengetragen. Wenn das so ist, dann kann auch eine Moscheegemeinde nicht weiterhelfen, weil diese Leute ganz andere Beweggründe haben.

Wie gesagt, wir wissen vieles nicht. Was wir aber wissen, ist, junge Menschen erreichen wir in der Schule. Das ist ein Hafen, den alle anlaufen oder alle anlaufen sollten, dazu sind sie verpflichtet. Deswegen sind natürlich die Lehrer an vorderster Stelle gefordert, Präventionsarbeit zu leisten, aber auch als Frühwarnsystem für Radikalisierung zu funktionieren. Damit sie das tun können, brauchen wir dringend Fortbildungen sowie Schulungen. Um diese Fortbildungen und diese Schulungen durchführen zu können, benötigen wir Erkenntnisse. Es hilft uns nicht, dass wir uns überlegen, worin die Gründe liegen und uns auf Hinweise verlassen, sondern wir brauchen wissenschaftliche Erkenntnisse.

Der Wissenschaftler Michael Kiefer schlug vor, in Deutschland ein Wissenschaftszentrum nach dem Vorbild des King‘s College einzurichten, das solche Dinge erforscht. Ich finde, mit der Bremer Universität, die ja nun leider ihren Exzellenzstatus verloren hat, hätten wir eine hervorragende Stelle, um ein solches Institut zu gründen und dieses Thema zu erforschen: Was bringt junge Leute dazu, sich zu radikalisieren, wie sind die Mechanismen, und an welcher Stelle kann man einhaken? Solange wir keine wissenschaftlichen Erkenntnisse haben, können wir viel guten Willen haben, aber wir werden es immer nur nach bestem Wissen und Gewissen versuchen können. – Vielen Dank!

(Beifall BIW)

Als nächster Redner hat das Wort Staatsrat Ehmke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aus Sicht des Senators für Inneres ist nicht alles falsch, was in diesem Antrag steht. Wir würden auch nicht alles ganz so negativ sehen, wie Sie und die Abgeordnete Vogt es zum Teil getan haben. Aber den Antrag ereilt das Schicksal, das Anträge ereilt, wenn sie ein halbes Jahr, nachdem sie beschlossen worden sind, beraten werden.

Richtig ist, zu dem Zeitpunkt, als der Antrag geschrieben wurde, gab es noch kein neues Konzept für die Islamismusprävention und die ressortübergreifende Koordinierung in diesem Bereich. Richtig ist ferner, zwei Wochen nach diesem Antrag haben wir der Innendeputation ein erstes Konzept vorgestellt und sind insofern, was den ersten Beschlusspunkt anbelangt, sicherlich vorangeschritten und haben diese Forderung im Prinzip erfüllt. Wir haben in der Tat aber dieses Institut, diese Koordinierungsstätte noch nicht eingerichtet. Die beiden Stellen befinden sich in der Ausschreibung. Das heißt, das Auswahlverfahren läuft derzeit. Wir sind optimistisch, dass es in Kürze auch tatsächlich mit dann vorhandenen personellen Ressourcen beginnt.

Ich sage ganz offen, ich bin mit der Geschwindigkeit der Umsetzung auch nicht zufrieden. Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute schon weiter sind, aber ich bin ganz optimistisch, dass es jedenfalls jetzt gelingt, relativ zeitnah an den Start zu kommen.

Ansonsten ist das eine Aufgabe der Prävention, die ressortübergreifend behandelt werden muss, und wir sind in den Ressortbereichen unterschiedlich weit. Wir sind und waren mit kitab nach unserer Auffassung die ganze Zeit im Bereich Jugend und Soziales ganz gut aufgestellt. Da haben wir nach unserer festen Überzeugung keine inhaltlichen Defizite, sondern es fehlte an hinreichenden Ressourcen. Das heißt, das, was sie gemacht haben, haben sie gut gemacht. Sie waren nur nicht genug Personen, um es schnell genug und umfassend genug zu machen. Dort sind inzwischen die personellen Verstärkungen abgeschlossen, und zurzeit ist die Institution nach unserer Auffassung in der Lage, den Anforderungen, die an sie gerichtet sind, in einem hinreichenden Maße gerecht zu werden.

Wir haben auch in anderen Bereichen Präventionsangebote. Das Landesamt für Verfassungsschutz

arbeitet, soweit es die Information an Schulen anbelangt, mit dem Verein VAJA e. V. zusammen. Es gibt eine gemeinsame Handreichung des Landesamtes für Verfassungsschutz und der Sozialbehörde für Mitarbeiter in Flüchtlingseinrichtungen. Das Landeskriminalamt hat eine Stelle eines Experten für Extremismusprävention ausgeschrieben, um die polizeilichen Präventionsmaßnahmen in diesem Bereich weiter zu intensivieren.

Auch im Bereich Schule, darauf hat die Abgeordnete Tuchel hingewiesen, gibt es inzwischen acht Stellen, die im Rahmen des Jugendmigrationsdienstes an Schulen eingesetzt werden, um auf diese Zielgruppe hinzuwirken. Das wird aus einem Bundesprogramm bezahlt. Insofern finde ich nicht, dass der Bund uns damit allein lässt, sondern der Bund setzt insgesamt etwa 100 Millionen Euro für die Extremismusprävention ein, die in den Ländern und Gemeinden abgerufen werden können. Es ist unsere Aufgabe, auf diese Bundesprogramme zurückzugreifen. Das tun wir auch. Ich glaube, dass wir zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden inzwischen eine ganz gute Kooperation erreicht haben.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Schule ist unter- entwickelt!)

Was eine tatsächliche Lücke in unserer Konzeption war, ist das, was der Abgeordnete Röwekamp angesprochen hat, nämlich wie wir eigentlich mit denen arbeiten, die nicht auf dem Weg zur Radikalisierung sind, sondern die inzwischen einen solchen Grad an Radikalisierung und Gewaltbereitschaft entwickelt haben, dass viele soziale Träger sagen, vielen Dank, aber mit denen möchten wir nicht mehr arbeiten. Das ist für uns zu viel, da sind wir in einem ständigen Spannungsfeld zwischen den Sicherheitsinteressen des Staates und unserer sozialarbeiterischen Zuwendung an die Betroffenen. Die sind uns schlicht zu gefährlich. Diese Lücke haben wir erkannt und haben im Februar den Auftrag der Innendeputation bekommen, mit dem Träger Legato – das ist der Träger, der auch in der Justizvollzugsanstalt mit diesem Personenkreis arbeitet – Gespräche darüber zu führen, dass sie ein entsprechendes Angebot für diesen Personenkreis vorhalten. Für Menschen, die von den Sicherheitsbehörden schon beobachtet werden. Die nicht im Frühstadium der Radikalisierung sind, sondern die wir durchaus für gefährlich halten.

Ich will ganz offen sagen, wir haben das auch in der Innendeputation kontrovers diskutiert. Wir sind mit einem Punkt noch nicht ganz am Ende, das ist die

Frage des Datenaustausches zwischen den Sicherheitsbehörden und den Trägern. Das ist in dem Bereich durchaus in beide Richtungen nicht unkompliziert. Zum einen brauchen wir ein klares Regelwerk. Wenn die Träger mit Personen arbeiten und sie erkennen, dass von diesen Personen konkrete Gefahren ausgehen, dann dürfen wir sie mit diesem inneren Zwiespalt nicht allein lassen, sondern da brauchen wir ein klares Regelwerk: Unter welchen Bedingungen sind welche Informationen in welcher Form an die Sicherheitsbehörden weiterzuleiten.

Wir sind inzwischen noch auf ein ganz anderes Problem gestoßen, die Informationsweitergabe in die andere Richtung. Wie kommt der Träger eigentlich an die Informationen, die beim Landesamt für Verfassungsschutz und bei der Polizei über Personen vorliegen, die gefährlich sind? Das sind zum Teil sensible Informationen, die aus Gefahrenermittlungsvorgängen, aus laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, aus möglicherweise nachrichtendienstlichen Maßnahmen erhoben worden sind. Ohne diese Informationen kann der Träger nicht mit denen arbeiten. Das ist ein Problem, das alle 16 Bundesländer im Moment sehr intensiv beschäftigt. Wir haben auf Ebene der Innenministerkonferenz entsprechende Arbeitskreise, die sich genau mit dieser Frage beschäftigen. Wir haben in Bremen zwischen den Ressorts eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Landesdatenschutzbeauftragten eingesetzt, die sich diese Frage der Informationsweitergabe noch einmal anschaut.

Denn am Ende ist es so, dass wir auf der einen Seite natürlich Informationen schützen müssen, dass wir Vertrauen in sozialarbeiterische Arbeit, auch für psychologische und therapeutische Arbeit gewährleisten müssen. Wenn wir die Informationen zwischen den beteiligten Stellen nicht austauschen können, dann wird auf der anderen Seite die Zusammenarbeit nicht funktionieren. Das heißt, in dem Bereich haben wir eine Aufgabe, der wir uns zu stellen haben und an der wir aber gegenwärtig auch arbeiten.

(Glocke)

Herr Staatsrat, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dogan?

Ja, bitte!

Bitte, Frau Dogan!

Vielen Dank, Herr Ehmke. Wir sind aus meiner Sicht in dieser Debatte auf eine Problematik nicht eingegangen: Auf Rückkehrer, die kleine Kinder haben, die dort geboren und nur mit dem Islamischen Staat aufgewachsen sind. Mich würde interessieren, ob Sie Zahlen haben und was präventiv gemacht wird. Die sind nicht im Bildungssystem, die kann man nicht so unterstützen, wie wir das hier im Haus alle wollen.

Wir haben das Thema in der Parlamentarischen Kontrollkommission erörtert und uns mit unseren Sicherheitsbehörden auf den Fall vorbereitet, dass es zu einem solchen, von Ihnen beschriebenen, Szenario kommt. Wir haben in der Tat auch erste Rückkehrer aus den Krisengebieten. Was wir aber im Moment nicht haben, zumindest nach meinem aktuellen Informationsstand, ist die Situation, dass Personen mit Kindern nach Bremen zurückgekehrt sind, von denen die Kinder entweder konkret im Kriegs- und Krisengebiet traumatisiert worden sind oder aber wir befürchten müssen, dass sie möglicherweise auch durch den Islamischen Staat für Kriegs- und Gewalthandlungen ausgebildet worden sind. Wir sind im Gespräch mit den Behörden, auf die das dann zukommt. Das ist natürlich etwas, was dann auch die Sicherheitsbehörden betrifft. Sie haben es aber angedeutet, das wird in erster Linie bei Schule und Kindergarten der Fall sein, weil diese Kinder dort sein werden.

Es ist natürlich klar, wenn ich ein Kind habe, das aus einem brutalen Kriegsgebiet kommt – das haben wir im Bereich der Flüchtlingsbewegung ohnehin –, und wenn wir dann noch Kinder haben, die möglicherweise über ihren gesamten Entwicklungsprozess selbst gezielt ausgebildet worden sind in einer bestimmten Ideologie – es gibt auch Kinder, die inzwischen dort geboren worden sind – , dann ist das eine Herausforderung, die auch für uns neu ist. Wir haben gesagt, wir haben das beim Landesamt für Verfassungsschutz auf dem Zettel, wie man so schön sagt, und sind im Gespräch mit den Behörden. Wir haben im Moment keine konkreten Erkenntnisse, dass eine solche Rückkehr nach Bremen unmittelbar bevorsteht. Man darf sich jedoch nichts vormachen, es gibt diese Familien. Es gibt diese Familien mit Kindern, deshalb kann sich die Situation auch von heute auf morgen ändern.

(Abgeordnete Dogan (Bündnis 90/Die Grünen): Vielen Dank!)

Ich will zum Schluss noch darauf hinweisen, wenn unsere vielfältigen Strukturen in diesem Koordinierungszentrum, die wir haben, die wir auch ausbauen und im Moment verstärken, reibungslos funktionieren, dann werden wir uns auch mit dem einen oder anderen neuen Phänomen auseinandersetzen müssen, das Sie hier angesprochen haben. Gerade dafür haben wir in diesem Koordinierungszentrum eine Forschungsstelle vorgesehen.

Die Frage, wie wir eigentlich mit Frauen und Mädchen umgehen, das hat der Abgeordnete Fecker angesprochen, stellt sich natürlich auch. Die für uns wichtig. Wenn wir die Sicherheitsbehörden, nicht nur unsere eigenen, sondern bundesweit, fragen, dann entsteht immer der Eindruck, als sei Salafismus ein überwiegend männliches Problem. Wir stellen dann immer fest, dass quasi 90 Prozent der den Sicherheitsbehörden bekannten Personen Männer sind. Das hat wahrscheinlich viel damit zu tun, dass diese Männer nach außen sichtbar werden und nicht damit, dass es dahinter nicht auch Frauen gäbe. Es ist kaum vorstellbar, dass wir einen überzeugten extremistischen Vater haben, der zu Hause durch die Mutter und Ehefrau an die Kinder ein liberales, freiheitlich demokratisches Gemeinwesen weitervermitteln lässt. Das ist eher unwahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass in diesen Familienstrukturen der Mann, den wir vielleicht kennen, weil er sich in einer bestimmten Moschee aufhält, weil er an bestimmten Runden und Besprechungen teilnimmt, der uns bekannt ist, nicht der Einzige ist, der dieser Ideologie zuzurechnen ist, ist hoch. Deshalb haben wir durchaus noch Erkenntnisprobleme, die wir lösen müssen. Es fehlt uns aber auch ein Stück weit an den konzeptionellen Wegen, wie wir dann mit denen umgehen.

(Glocke)

Ein anderes Phänomen ist angesprochen worden. Wie ist es eigentlich mit dem Radikalisierungsprozess, wenn Religion gar keine Rolle spielt? Es ist schön, dass Islamwissenschaftler mir hervorragende Konzepte darüber aufschreiben, wie man mit Radikalisierten umgeht, wenn Religion die tatsächliche Triebfeder ist. Wenn die mehr als Erzählvariante dazukommt, dann komme ich, was den Bereich anbelangt, allein mit einem religiösen, mit einem wissenschaftlichen Ansatz nicht weiter. Das heißt in der Tat, und soweit würden wir auch dem Antrag zustimmen, wir haben noch eine Reihe von Aufgaben vor uns. Es gibt durchaus noch viel zu tun. Wo wir widersprechen würden, ist, dass wir noch nichts getan haben. Wir glauben schon, dass