Ich würde mich sehr freuen, Herr Kollege Dr. Güldner, wenn Sie eine Initiative ergreifen würden, dass wir uns dann noch einmal fraktionsübergreifend zusammensetzen, was den Gedenkort angeht. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die beiden Punkte, die angesprochen wurden, hatte ich zum Ende meines ersten Beitrages erwähnt: Gedenkort, finanzielle Ansprüche als Überschrift.
Bei der Frage des Gedenkortes hat die FDP-Fraktion gewisse Bedenken, so will ich einmal sagen. Es ist unstreitig, dass das eine menschenrechtswidrige Praxis gewesen ist und dass es einen tragischen Todesfall nicht nur in Bremen, sondern auch an anderer Stelle gegeben hat, dass die Schuldfrage letztlich juristisch, gerichtlich offen geblieben ist und dass wir mit staatlichen Unrechtsmaßnahmen nicht nur in diesem Bereich, sondern, wenn wir in eine intensivere Debatte eintreten würden, auch in vielen anderen Feldern aufwarten könnten.
Deswegen haben wir ein bisschen Bedenken, ob das hier personalisiert wird oder auch auf diesen Bereich für Bremen zugeschnitten wird und ob es nicht besser wäre, diese Thematik der staatlichen Gewalt in die Erinnerungsorte mit einzubauen, die schon aus der Vergangenheit für diese Fälle von uns praktiziert werden. Das ist das eine.
Das zweite: Finanzielle Ansprüche. Die Individualansprüche wurden in dem Fall Condé bedient, nicht befriedigt, sicherlich nicht. Die Bemessung maße ich mir überhaupt nicht an. Rein juristisch sind Entschädigungszahlungen sicherlich hier verjährt. Die Personen hatten seinerzeit anwaltliche Vertretung gehabt und haben können und hätten die seinerzeit durchsetzen können. Rein juristisch ist da nichts mehr regelbar. Ob wir dieses politisch noch wollen, auch dies halte ich für problematisch, weil wir den Einzelfällen mangels Dokumentation letztlich nicht mehr gerecht werden können. Wenn wir dort eine gerechte Lösung wollten, müssten wir alle Fälle ermitteln und aufmachen können, und diese Möglichkeit sehe ich im Ergebnis nicht, so dass wir selbst bei einer Pauschalierung zu keiner gerechten Praxis kämen.
Worauf es uns wichtiger ankommt, ist, dass wir prüfen, ob die Entschädigungstatbestände geprüft werden müssen, ob sie ergänzt werden müssen, damit in Zukunft unmittelbar Entschädigungsrecht angewandt werden kann und dass wir allgemein den Blick schärfen, dass staatliche Maßnahmen permanent auf menschliche Würde und auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen sind. – Danke schön!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehöre zu denjenigen, die über das Thema der Umstände, der Hintergründe, der politischen Verantwortlichkeit und der Konsequenzen des Todes von Laye-Alama Condé und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen schon sehr häufig diskutiert hat – meistens eher im informellen Bereich. Ich will es nicht versäumen zu sagen, dass ich gegenüber den Beiträgen von meinen Kollegen, Herrn Dr. Güldner und Frau Vogt Bedenken habe und die möchte ich auch gern äußern – sowohl was den Gedenkort angeht als auch die finanzielle Entschädigung.
Ich weiß, dass die politisch-moralischen Argumente dafür sehr stark auf dem Tisch liegen. Ich weiß, dass der Impuls, ein klares Signal gegenüber den Betroffenen, den Opfern von zwangsweiser Brechmittelvergabe, gegeben werden soll. Ich weiß, dass es bei so einem Gedenkort mit Sicherheit nicht nur darum gehen würde, an den Tod – ich sage nur – dem Tod von Herrn Condé zu gedenken. Das alles weiß ich. Ich weiß – die ausführlichen
Darstellungen, die gerade auch die Initiative dargelegt hat – dass es ihr darum geht, an die unrechtmäßige staatliche Gewaltanwendung zu erinnern und dieses in den Vordergrund zu stellen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns natürlich immer fragen, ob das, was wir vielleicht gut meinen und was wir erreichen wollen, ob das letztendlich in der Praxis auch so ankommt? Meine große Sorge bei einem Gedenkort ist, dass wir diesen als Mahnung ansehen, als Mahnmal, als Erinnerung an ein staatliches Fehlverhalten, aber dass wir es letztendlich nicht im Griff haben, dass dieses Mahnmal, dieser Erinnerungsort missverstanden wird und aktiv falsch gedeutet wird, nämlich in ein Denkmal für einen Dealer. Ich weiß, dass gerade auch die Initiative gesagt hat, dann muss man das offensiver machen, dann muss man das darstellen. Ja, würde ich gerne einfach so lösen, das Problem, aber wenn wir das machen wollen, dann brauchen wir auch diejenigen, die uns zuhören, die bereit sind, mit uns darüber zu sprechen, um dies auch zu erkennen.
Herr Dr. Güldner und Frau Vogt, ich glaube wir haben keine Schwierigkeit mit all denjenigen darüber zu sprechen, mit denen wir ansonsten umgehen, den Linken, den Kritischen, den Alternativen im Viertel, in der vorderen Neustadt. Da wird es ganz einfach sein. Aber sobald wir diese Gruppe verlassen und dann mit denjenigen sprechen, die mir heute im Viertel schon wieder sagen: Leute, macht ihr hier eigentlich nichts gegen diejenigen, die auf den Straßen Drogen verkaufen? Warum schaut ihr da eigentlich zu? Ich glaube, dass diejenigen nicht bereit sind mit mir darüber zu sprechen, sondern dass die viel lieber hören, wenn gesagt wird: Das ist ein Denkmal für den Dealer. Ich befürchte, dass sehr viele hier auch in dieser Stadtgesellschaft zu der Frage, was macht ihr da, sagen: Leute, habt ihr keine anderen Themen? Was ist mit meinen Ansprüchen an die Politik? Ist das, was ihr hier macht, wirklich das Allerwichtigste?
Christina Vogt, ich befürchte – und darüber sollten wir dann auch sprechen und nicht von vornherein unterstellen, dass man nur etwas hinwegreden will – dass wir so eine Sache mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht so durchbekommen, wie wir uns das selber erhoffen.
waren das, die nicht mehr dokumentiert sind, deren Akten vernichtet sind. Das kann man bedauern, das kann man kritisieren, aber wir machen Politik nicht unter selbst gewählten Umständen. Wenn wir es beschließen würden, es wäre nicht möglich 1 200 Leute zu finden. Wie will man das machen? Die Initiative hat darauf hingewiesen, man kann versuchen bei den Anwälten vielleicht noch Fälle zu finden, aber haben die tatsächlich noch Unterlagen nach 13 bis 26 Jahren?
Wissen die noch, wo ihre damaligen Klienten waren. Und dann, Frau Dr. Schaefer, kommt ein Problem: Weil nichts dokumentiert ist, müssten wir all denjenigen, die sich melden sagen: Gut, wir entschädigen ohne Prüfung des Einzelfalls. Das kann man natürlich politisch –
Herr Präsident, bitte gönnen Sie mir diese Ausführung noch – so machen unter Verweis darauf, dass man bei dieser Sache weiter gehen kann, aber auch hier möchte ich daran erinnern: Wie viele Menschen klagen vor Gericht für ihre Rechte und sind nicht erfolgreich, weil sie keine Beweise erbringen können, auch gegen den Staat oder in anderen Sachen? Wenn Sie auf einen Fall schauen, bei dem man entschädigt, ohne dass im Einzelfall geprüft wird, wie wirkt das? Ich befürchte, dass auf einen oder zwei, die das gut finden, fünf bis sieben kommen, die sagen, das ist nicht mein Verständnis von Rechtsstaat. Das möchte ich ergänzen. Darüber möchte ich gerne mit Ihnen diskutieren, nicht im kurzen Schlagabtausch, sondern in der weiteren Diskussion. – Danke schön!
Ich möchte einmal zu bedenken geben, dass jeder normale Bürger, auch derjenige oder diejenige, die keine Lust hat, dass vor ihrer Tür gedealt wird, ein absolutes Anrecht darauf hat, dass dieser Staat angemessen und nicht rechtswidrig mit seinen Bürgern umgeht. Ich finde durchaus bedenkenswert und das sollte sich auch die SPD-Fraktion überlegen, dass der Polizeipräsident beziehungsweise die Polizei Bremen überhaupt gar kein Problem mit so einem Gedenkort hätte, genau weil es nämlich daran erinnern soll
und eher Vertrauen schafft, weil die Polizei in Bremen sich mit diesem Fall auseinandergesetzt und daraus Konsequenzen gezogen hat. Ich würde das auch als eine vertrauensbildende Maßnahme werten können. Ich finde es sehr wichtig, dass wir uns darüber in Ruhe unterhalten – da gebe ich Ihnen recht, Herr Gottschalk –, aber ich finde, diesen Aspekt sollte man nicht außer Acht lassen. Wenn die Polizei weiter ist, als wir hier im Parlament, das hätte ich nicht gedacht, aber dann nehme ich das zur Kenntnis.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir in Vorbereitung auf die heutige Debatte noch einmal die vorangegangenen Debatten angeschaut. Herr Dr. Güldner hat darauf hingewiesen, nicht nur die Rechtsprechung in Bremen, nicht nur der Senat waren verschiedentlich mit diesem Thema befasst, sondern auch die Bremische Bürgerschaft hat seit 1992 vielfach über dieses Thema gesprochen. Herr Dr. Güldner hat, glaube ich, fast jede dieser Debatten mit bestritten und ich vermute, Sie werden mir zustimmen, dass diese Debatte eine der nachdenklichsten und sachlichsten und vielleicht angemessensten Debatten über diesen Vorfall ist. Insofern muss man, glaube ich, zur Kenntnis nehmen, dass so eine gewisse zeitliche Distanz durchaus hilft.
Denn im Jahr 2006 ging es doch noch sehr stark um die Fragen, wann ist denn jetzt eigentlich genau die zwangsweise Brechmittelvergabe und durch wen ausgesetzt worden und war man vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder war man das nicht? Ich habe zur Kenntnis genommen, es gibt auch heute immer noch unterschiedliche Interpretationen über diesen Punkt. Aber da kommt es mir jetzt auch gar nicht darauf an, sondern ich glaube, dass mit der Betrachtung heute klar ist, dass unabhängig davon, ob im Jahr 2005 oder im Jahr 2006 die endgültige Entscheidung getroffen worden ist, die Entscheidung im Jahr 2001 falsch war. Falsch war in der rückblickenden Betrachtung nicht nur ein schwerwiegender Fehler, eine rechtlich falsche Einschätzung, sondern ein Fehler, der zum Tod eines Menschen geführt hat. Inzwischen ist diese Feststellung völlig unumstritten und der Senat hat sie verschiedentlich hier getroffen und stellt das auch bei einer Auseinandersetzung über Einzelfragen seiner jetzigen Antwort noch einmal vorweg.
Der Tod war vermeidbar und die Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen damals so waren, wie sie waren, diese Entscheidungen, die hier, im Senat, in der Justiz getroffen worden sind, die waren falsch. Dafür haben sich der Polizeipräsident, der Innensenator, der Präsident des Senats entschuldigt. Ich will noch einmal hervorheben, das haben sie ausdrücklich nicht nur persönlich getan. Ich werde Lutz Müller berichten, wie oft er hier erwähnt worden ist. Aber ich will ganz ausdrücklich sagen, es ist nicht nur Lutz Müller, sondern es ist die Polizei Bremen, die sich sehr intensiv mit der Aufarbeitung beschäftigt hat. Es ist darauf hingewiesen worden, dass in der Tat ein Bild, eine Zeichnung von LayeAlama Condé im Büro des Polizeipräsidenten hängt. Sie hängt dort nicht nur als persönlicher Ausdruck des Polizeipräsidenten, dann hätte er das auch zu Hause aufstellen können, sondern sie hängt dort auch an dem Ort, an dem die Führungskräfte der Polizei zu Besprechungen zusammenkommen, an dem relevante Entscheidungen für die Polizei Bremen getroffen werden, als ständige Mahnung für alle Beteiligten, dass die Institutionen des Staates dem Schutz und der Rechte ihrer Bürger verpflichtet sind, dass insbesondere dort, wo staatliche Zwangsmaßnahmen stattfinden, der Staat mit einem absoluten Höchstmaß an Verantwortungsbewusstsein und absolutem Respekt vor der Menschenwürde zu agieren hat. Auch deshalb fühlt sich die Polizei als Institution, die Polizei in Bremen und auch wir im Senat dieser Aufarbeitung und diesen Feststellungen verpflichtet.
Ich habe die Debatte aus dem Jahr 2001 auch deshalb noch einmal angesprochen, weil ich mich gut daran erinnere, dass ich 2001 in die Bürgerschaft zurückgekehrt bin, und so haben wir hier alle in verschiedenen Funktionen unsere Berührungen, jedenfalls viele von uns, mit dieser Debatte. Ich für meinen Teil muss sagen, ich bin sehr froh, dass wir das heute hier so diskutiert haben. Ich sehe natürlich auch, dass die Debatte noch nicht am Ende ist. Ich weiß, dass die moralischen Argumente für eine Entschädigungszahlung sehr stark sind. Kollege Dr. Güldner, ich verstehe, dass es absolut unbefriedigend ist, dass keine Dokumentation mehr vorhanden ist, auf die wir unseren Aufarbeitungsprozess an dieser Stelle stützen können. Trotzdem, finde ich, sind die Argumente, die vorgetragen sind, warum wir auch an tatsächliche Grenzen stoßen können und an rechtliche Grenzen bei diesem Vorgang, nicht so ohne weiteres vom Tisch zu wischen. Ich bin deshalb nicht dagegen, dass man das
weiter diskutiert, aber ich will durchaus darauf hinweisen, dass die Probleme, die hier vorgetragen worden sind, sehr ernst zu nehmen sind.
Arno Gottschalk hat gefragt, wie konnte es eigentlich dazu kommen? Wie konnte es dazu kommen, dass eine solche Praxis über einen solch langen Zeitraum in Bremen und andernorts überhaupt akzeptiert und respektiert wurde? Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, es gibt viele Rahmenbedingungen, aus denen man vielleicht versuchen könnte, das zu erörtern. Ich will das für den Senat jetzt ausdrücklich nicht tun. Ich möchte das deshalb nicht tun, weil ich nicht den Eindruck entstehen lassen möchte, dass es den Versuch gibt, die Ereignisse, die sich im Dezember 2004 und auch im Januar 2005 dargestellt haben, in irgendeiner Art und Weise rechtfertigen zu wollen. Das, was damals passiert ist, war Unrecht, ist durch nichts zu rechtfertigen und das Einzige, auf das man vielleicht noch verweisen kann, ist das, das im Nachhinein an Auseinandersetzung und Aufarbeitung in staatlichen Institutionen stattgefunden hat, und die Bereitschaft, sich der Verantwortung zu stellen. Das ist etwas, was man in der Tat vorzeigen kann. Gerade das, was unsere Polizei geleistet hat, das ist etwas, wo wir auch im Innenressort sagen, das finden wir richtig gut und beeindruckend. Aber das, was in den Jahren 2004, 2005 passiert ist, das war Unrecht und das ist durch nichts zu entschuldigen und dafür hat der Senat sich in aller Form verschiedentlich entschuldigt und das tue ich im Namen des Senats abschließend zu dieser Debatte auch hier noch einmal.- Vielen Dank!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 19/1592 auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war der letzte Tagesordnungspunkt für heute. Ich schließe die Sitzung.