Im vergangenen Jahr ist es zu 2 200 Straftaten gegenüber Geflüchteten und ihren Unterkünften gekommen. Dabei wurden über 300 Menschen verletzt. Viele Täter sind der Polizei im Übrigen nicht als rechtsmotivierte Gewalttäter bekannt gewesen, vielfach handelte es sich um selbst ernannte „besorgte Bürger aus der Nachbarschaft“ – ein entsprechendes Verfahren ist vor Kurzem in Bremen durchgeführt worden –, die nicht in die klassischen Strukturen von Neonazis eingebunden sind. Das zeigt aber nichts anderes, als dass rechte Gewalt an breitere Schichten anschlussfähiger geworden ist. Das ist eine Herausforderung, die für die Polizei und für die Staatsanwaltschaft relativ neu ist. Das, finde ich, ist sehr besorgniserregend. Deswegen ist es auch richtig, dass wir hier heute diesen Bericht einfordern.
Warum er genauso wichtig ist, wie in den Jahren 2003 und 2008 sowie 1989 bis1992 und 2000 – in diesen Jahren hat es nämlich diese Berichte hier gegeben –, ist das Wissen, dass die AfD ein Sammelbecken für rechte Reaktionäre und Rechtsradikale ist, und zwar auch in Bremen.
In Bremen haben Antifaschisten seit Jahren äußerst detailliert dokumentiert, dass es große Schnittmengen zwischen der AfD und ihrer Jugendorganisation und der sogenannten Identitären Bewegung gibt. Zur Identitären Bewegung – damit ich jetzt nicht in den Ruf komme, dass ich hier linke Propaganda verbreitete –, zitiere ich den Senat: „Unter den Aktivisten befinden sich stets Personen, die zuvor in anderen rechtsextremistischen Organisationen aktiv waren.“
Weil es von der Zusammenarbeit zwischen IB, AfD und Junger Alternative insbesondere aus den letzten Bundestagswahlkampf genügend Fotos, Videos, gemeinsame Podcasts bei YouTube und gemeinsame Auftritte bei Facebook gibt, hat das inzwischen auf der Bremer Verfassungsschutz realisiert. In einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage von mir heißt es – ich zitiere aus der Antwort des Senats, nicht DIE LINKE denkt sich etwas aus –: „Im Rahmen der Beobachtung des Phänomenbereiches Rechtsextremismus erlangte das Landesamt für Verfassungsschutz zudem Kenntnis über Kontakte von Aktivisten der rechtsextremistischen Gruppierung IDB zu Mitgliedern der Landesverbände von AfD und JA.“
Ehrlich gesagt, an der Stelle hätte der Senat ruhig deutlicher werden können, denn das Wort „Kontakte“ ist ziemlich zurückhaltend formuliert. Tatsächlich gibt es eine konkrete Zusammenarbeit. Es sind die gleichen Leute, die bei der Identitären Bewegung und bei der AfD-Jugend unterwegs sind, und man besucht die gleichen Aufmärsche der Neonazis, wie zum Beispiel im Sommer in Berlin. Das ist öffentlich bekannt und belegt. Man kann es auch in Zeitungen nachlesen, auch der „Weser-Kurier“ hat darüber berichtet.
Informationen über diese Strukturen sind also keine Mangelware. Es ist absolut gut und richtig, dass der hier vom Senat beantragte Bericht genau diese Schnittstellen zwischen der AfD und rechtsextremen Organisationen noch einmal näher beschreiben soll,
denn dann kann er nicht von dieser Seite als linksversiffte Propaganda denunziert werden. Dazu werde ich mich in der zweiten Runde noch einmal näher äußern. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede von Herrn Tassis zeigt, dass unser Antrag hier und heute goldrichtig gewesen ist.
In meinem ersten Debattenbeitrag bin ich auf die Veränderungen innerhalb der gesellschaftlichen Akzeptanz eingegangen. Das, was vor einiger Zeit noch nicht laut gesagt worden ist, findet heute Applaus, aber viel zu selten Gegenrede. Auf der anderen Seite organisiert sich die Fremdenfeindlichkeit noch offener und scheint das Schmuddelimage zu verlieren, Letzteres zumindest teilweise.
Es gibt die sogenannten Reichsbürger. Die Mitglieder dieser Gruppierung sehen sich als Angehörige eines Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 oder früherer Jahre an. Ihre altertümliche Einstellung und ihr erklärtes Ziel der Nichtanerkennung und Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung machen deutlich, dass die sogenannten Reichsbürger trotz ihrer teils abstrusen Thesen keinesfalls harmlos sind, sondern sie sind eindeutig extremistisch und eine Bedrohung für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung.
Es ist hier auch wichtig anzumerken: Nicht wenige von ihnen sind oder waren bis vor Kurzem bewaffnet. Manche von ihnen schrecken nicht davor zurück – Frau Kollegin Vogt hat es auch noch einmal erwähnt –, Waffen zu benutzen. So erschoss ein Reichsbürger in Bayern einen Polizisten, als ein Spezialeinsatzkommando ihm wegen seiner staatsfeindlichen Gesinnung seine legal erworbene Waffe abnehmen wollte.
Eine weitere relativ neue rechte Gruppierung ist die Identitäre Bewegung. Dass sie auch in Bremen aktiv ist, wurde bei einer Aktion im Mai 2017 öffentlichkeitswirksam. Einige Anhänger besetzten das Segelschiff Alexander von Humboldt an der Schlachte und hissten dort ein Banner, auf dem sie eine Festung Europa forderten und vor – ich zitiere – „Asylbrand“ warnten. Diese Bewegung glaubt an den Ethnopluralismus, nach dem jedes Volk für sich bleiben sollte. Die Konsequenz ist der eigens erfundene Begriff der Remigration, also die grundsätzliche Rückführung von Migranten. Wenn ich das hier im Hause vortragen muss, dann wird mir – und es sollte für uns alle gelten – Angst und Bange.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Form des Nationalismus ist hochgradig gefährlich. Sie ist gefährlich, denn sie ebnet den Boden für Hass und rechtsextremistische Übergriffe.
Im Einleitungstext zu unserem Antrag haben wir auch die Verbindung zur Alternative für Deutschland dargestellt. Über eine lange Zeit gab es ein Hin und Her und den wenig glaubwürdigen Zwischenstand, man habe nichts mit Pegida und anderen zu tun. In der letzten Woche hat der Parteikonvent anders entschieden und sieht keine Probleme in einer Zusammenarbeit und in personellen Überschneidungen. Das, was immer klar gewesen ist, ist jetzt ausgesprochen.
Das spiegeln auch die Erkenntnisse des Bremer Verfassungsschutzes – wie beschrieben – in Bezug auf die Identitären wider. Es ist auch Fakt, dass sich in den Reihen der Bremer Identitären Neonazis tummeln. In Bremen erscheint die rechte Szene insgesamt zunehmend als eine Mischszene, in der sich die Akteure fließend und parallel in verschiedenen, auch parteinahen, Gruppierungen engagieren. Ich halte besonders dieses wechselseitige Engagement für problematisch, zumindest zeigt es, wie weit auch parteipolitisch verbundene Personen gehen und wie weit die Fremdenfeindlichkeit reicht.
In dem dringend erforderlichen Bericht sollten daher neben den bisher schon betrachteten Grundsätzen neuerer Bewegungen auch ihre Zusammenarbeit und ihre personellen Überschneidungen Beachtung finden. Hier wird gebrandschatzt und mit dem Feuer gespielt. Wir müssen uns dem wieder verstärkt widmen und Konsequenzen ziehen.
Aus diesem Grund wollen wir den FDP-Antrag nicht direkt beschließen. Wir wünschen uns eine nähere Befassung, inwiefern eine Verbindung der vielfältigen und unterschiedlichen Themen in einem einzigen Bericht sinnvoll ist. Wir möchten uns daher mit dem Antrag in der Deputation für Inneres beschäftigen. Wir plädieren für eine Überweisung. Unseren Antrag möchten wir in der vorliegenden Form beschließen.
Frau Schnittker, zum Zitat aus dem „Weser-Kurier“! Ich habe geantwortet, dass wir nach dem Linksextremismus sowohl in öffentlichen als auch
in nicht öffentlichen Sitzungen in der Innendeputation fragen. Das heißt nicht, dass ich danach nur im nicht öffentlichen Teil Sitzung frage, sondern auch im öffentlichen Teil. Das war der Zusammenhang, den Sie richtig wiedergeben müssen, wenn Sie mich zitieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.Abgeordneter Zenner (FDP)*): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe meine Ausführungen nicht ganz beenden können.
Wir werden – und das habe ich zu Beginn meiner Ausführung gesagt – natürlich auch die Bekämpfung des Rechtsextremismus in seinen verschiedenen Schattierungen unterstützen. Das ist völlig klar.
Aber – ich wiederhole – wir halten Ihren Antrag für zu kurz gegriffen, wenn es einem darum geht, die freiheitlich demokratische Grundordnung und unsere Werte, die ich vorhin beschrieben habe, in den Mittelpunkt zu stellen, dann kommt es darauf an, die wehrhafte Demokratie, die sich in Deutschland seit 70 Jahren bewährt hat, sowohl gegen links als auch gegen rechts, als auch gegen politischen Terrorismus und Extremismus zu verteidigen, und es muss gegen alle gleichermaßen gehen.
Dies leisten Sie in Ihrem Antrag nicht. Sie leisten es auch einfach nicht in Ihrem Antrag, wenn ich die Ereignisse beim G20-Gipfel in den Fokus stelle, wenn ich – und das ist ja auch schon gesagt worden – die Anschläge auf Gewerkschaftseinrichtungen der Polizei nehme, denn das sind ja keine polizeigewerkschaftlichen interne Auseinandersetzungen, dann sind das Angriffe von Bürgerinnen und Bürgern aus dem linken Milieu, anders kann man sich das nicht vorstellen, die sich gegen die Polizeibeamten richten.
Sie richten sich gegen die Polizei und damit gegen die staatliche Ordnung. Deswegen verstehe ich nicht, warum dies nicht in einen Bericht aufgenommen werden soll.
Ich möchte noch einmal zu den Straftaten aus dem Linksextremismus kurz ein paar Daten nennen: der Anstieg von 2001 bis zum Jahr 2016 von 4 418 auf 9 389; Gewalttaten von 1 168 auf 1 702; allein im Jahr 2016 aus dem linksextremen Milieu sechs versuchte Tötungen, 638 Körperverletzungen, 134 Brandstiftungen, sieben herbeigeführte Sprengstoffexplosionen, 186 Fälle von Landfriedensbruch, 50 gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Straßenverkehr sowie 23 Raubdelikt. Wenn wir uns das vor Augen führen, dann haben wir auch dort Kriminalität, die unsere staatliche Ordnung, unsere Zivilisation und unsere Zivilgesellschaft beeinträchtigt.
(Abgeordneter Senkal [SPD]: Aber haben wir mit einem Satz gesagt, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden?)
Alle drei Komponenten, Rechtsextremismus, Linksextremismus und religiöser Extremismus gehören in diesen Bericht hinein.
Es kommt auch nicht darauf an, nur noch einmal alle vier Jahre die Verfassungsschutzberichte abzuschreiben oder zu verlängern. In den Berichten steht schon genug. Wir erwarten aus den Berichten – nun hat man ein bisschen mehr als ein Jahr Zeit, vier Jahre Zeit, manchmal gibt es Wellen in den Entwicklungen – genauer zu beobachten, genauer zu analysieren und Präventionsvorschläge zu unterbreiten,
Gleichermaßen beantragen wir die Überweisung des Antrags der Koalition in die Deputation. - Danke schön!
(Beifall FDP – Abgeordneter Senkal [SPD] Wir woll- ten Ihren Antrag überweisen, aber jetzt nicht mehr!)