Protocol of the Session on March 14, 2018

Diese Anmerkung ging in Richtung FDP. Das habe ich mit meinem Arm angezeigt. Das hätten Sie gesehen, wenn Sie hochgeschaut hätten, Kollege Röwekamp.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Ach so!)

Selbst ab drei Jahren ist es für die Kinder mit Migrationshintergrund häufig zu spät. Ich habe vorhin die Bertelsmann-Studie zitiert. Um die soziale Selektion in der Bildung zu umschiffen beziehungsweise zu vermeiden, wäre es viel besser, wenn man die Kinder früher in die Einrichtungen bekäme. Deswegen wiederhole ich unseren nachdrücklichen Appell an Sie, in Ihren Prüfauftrag wenigstens die Frage aufzunehmen, ob und wenn ja, wann die weitere Ausweitung der Beitragsfreiheit möglich ist. Das, was Sie beschließen wollen, ist zwar nicht verkehrt, aber eben auch nicht das Gelbe vom Ei.

(Abgeordneter Güngör [SPD]: Es ist realistisch, und damit können Sie nicht so viel anfangen!)

Kollege Güngör, auch wir wissen, wie die Realität aussieht.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ach so? Ich dachte, Sie wollten schon jetzt an- fangen!)

Deswegen haben wir ein Stufenmodell vorgeschlagen. Zunächst wollen wir das Einstiegsjahr beitragsfrei machen, weil auch wir wissen, dass es Kapazitätsgrenzen gibt, und zwar sowohl bei den Räumen als auch bei den Fachkräften. Was diesen Fachkräftemangel angeht, so müssen wir, unabhängig von der Beitragsfreiheit, extrem gegensteuern. Sonst werden von einem Kita-Notstand in einen Kita-Kollaps steuern. Das kann niemand in diesem Haus oder in unserem Bundesland wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon heute stehen Räume leer, weil das Personal nicht zur Verfügung steht. Wir brauchen uns nichts vorzumachen, mit der Beitragsfreiheit wird die Inanspruchnahme

steigen. Das wollen wir, aber dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja! – Abgeordneter Güngör [SPD]: Deshalb beginnen wir erst zum August 2019!)

Deshalb wollen auch wir die volle Beitragsfreiheit erst in eineinhalb Jahren herstellen. Wenn Sie unseren Antrag gelesen hätten, wüssten Sie das, Kollege Güngör. Wir wissen sehr wohl, dass einige Vorbereitungen nötig sind. Die Beitragsfreiheit darf nicht zulasten des Ausbaus gehen, das ist ganz klar. Die Beitragsfreiheit darf auch nicht zulasten der Betreuungsqualität gehen; auch das machen wir in unserem Antrag deutlich.

Den Fachkräftemangel haben wir schon. Allein in Bremen fehlen 70 bis 100 Fachkräfte in den Einrichtungen. Für Bremerhaven kann ich es nicht genau sagen, aber auch dort fehlen Fachkräfte.

(Glocke)

Mit einer Höhergruppierung muss die Attraktivität des Berufs gesteigert werden, da 50 praxisintegrierte Ausbildungsplätze zusätzlich den akuten Fachkräftemangel nicht stoppen werden. Deswegen schlagen wir ein Maßnahmenpaket vor. Dazu gehören die Höhergruppierung und der Ausbau zur Qualitätssicherung. Für die Frage der Finanzierung habe ich jetzt, glaube ich, keine Zeit mehr. Ist das richtig?

(Abgeordneter Tschöpe [SPD]: Schon seit drei Mi- nuten! – Heiterkeit)

Wir können uns gern bei einem Kaffee weiter unterhalten. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Okay. – Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Debatte ist schon mehrfach Niedersachsen genannt worden. Deshalb will ich hier nachlegen. Wir tun sogar mehr als Niedersachen, Herr Röwekamp. Schon heute ist die Betreuungssituation in Bremen, übrigens bundesweit anerkannt, besser als in vielen anderen Bundesländern.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Während in Bremen nämlich 20 Kindergartenkinder von zwei Betreuungskräften versorgt werden, müssen sich in Niedersachsen nach Landesvorgabe zwei Kräfte um 25 Kinder kümmern. Im U-3-Bereich, also in den Krippen, sieht es ähnlich aus. In Bremen kommen zwei Erzieherinnen auf acht oder, je nach baulicher Eignung, maximal zehn Kinder. In Niedersachsen liegt die Gruppengröße bei gleicher Betreuerinnenzahl bei 15 Kindern.

(Interner Wortwechsel zwischen der Abgeordneten Ahrens [CDU] und der Abgeordneten Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen] – Glocke)

Hallo!

Frau Ahrens und Frau Dr. Schaefer, das geht alles von meiner Redezeit ab. Ich hätte mir eigentlich eine GO-Debatte gewünscht.

Ich bitte, den Ausführungen von Herrn Güngör zu folgen und nicht Diskussionen in Ihren Reihen dazu zu führen. Das geht an alle. – Danke!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Röwekamp, wir tun im Übrigen auch in Sachen Beitragsfreiheit ab August 2019 mehr als Niedersachsen. Dort sollen die Kitas beitragsfrei werden. Die Elternbeiträge für Tagesmütter und -väter sind davon bislang ausgeklammert. In Bremen soll die Beitragsfreiheit hingegen auch für Tagesmütter und Tagesväter gelten. Denn für uns gibt es insoweit keinen Unterschied, wir wollen kein Kind von der Beitragsfreiheit ausschließen, ob es im Kindergarten oder von einer Tagesmutter beziehungsweise einem Tagesvater betreut wird. Alle Kinder ab dem Alter von drei Jahren sollen bis zur Schule beitragsfrei betreut werden.

(Beifall SPD)

Da auch dazu einige Fragen aufgekommen sind, füge ich hinzu: Es geht um eine tägliche Betreuungszeit von acht Stunden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir finden, acht Stunden sind das Mindeste, wenn es darum geht, wirklich einen Beitrag dazu zu leisten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Wir sorgen also nicht nur finanziell für Entlastung, sondern tun auch etwas für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist ein richtiger und auch ein großer Schritt.

(Beifall SPD)

Nebenbei gesagt, Herr Röwekamp, dass die CDU jetzt versucht, sich mit diesem Antrag an die Spitze der Bewegung zu setzen, das mag verständlich sein. Vielleicht wollen Sie Ihren neuen, bisher unbekannten Kandidaten ins Gespräch bringen. So richtig glaubhaft ist das aber nicht, Herr Röwekamp, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die SPD, übrigens auch DIE LINKE, für kostenfreie Bildung schon gestritten haben, als bei den Christdemokraten noch die Herdprämie angesagt war und als politischer Renner galt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordne- ter Röwekamp [CDU]: Aber umgesetzt haben Sie Ihr Vorhaben bisher nicht!)

Herr Röwekamp, ich erinnere mich noch gut, dass ich Ende März vergangenen Jahres bei „buten un binnen“ im Studio stand und gegen reichlich Kritik die SPD-Idee der beitragsfreien Kita verteidigen musste. Damals hat Frau Ahrens die Idee noch als nicht umsetzbares, laues Wahlkampfgeschenk bezeichnet. Das ist die Wahrheit!

(Beifall SPD – Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Das war es ja auch! Sie haben Ihre Idee bis heute nicht umgesetzt!)

Jetzt zitiere ich Ihren Spitzenkandidaten, weil Sie gesagt haben, ich hätte die Idee vor 14 Tagen abgelehnt. Im Rahmen von „Pro & Contra“ mit Ihrem Spitzenkandidaten sagte dieser: „Realistisch ist der Schwenk zum Kitajahr 2019 zu schaffen.“

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Das haben Sie bei „buten un binnen“ gesagt!)

Das ist ein Zitat, Herr Röwekamp. Deshalb fordere ich Sie auf, noch einmal nach vorn zu kommen. Bei „buten un binnen“ habe ich gesagt – Sie können sich das auf Youtube noch einmal anschauen –, dass wir uns das sehr gut vorstellen können. Ich habe heute ausgeführt, dass nach Abschluss des Koalitionsvertrages jetzt die Bundesmittel zur Verfügung zu stehen.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Der Koalitions- vertrag war noch nicht unterschrieben, lag aber schon vor!)

Das ist ein realistisches Vorgehen und kein plakatives Wahlkampfgelaber, das Sie hier von sich geben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordne- ter Röwekamp [CDU]: Bisher nichts Neues! Sie ha- ben nur Angst vor dem Wähler!)

DIE LINKE fordert wie immer mehr als die anderen. Es würde uns jetzt aber finanziell überfordern – das ist schon von Kollegin Dr. Schaefer gesagt worden –, auch die Krippenplätze in die Neuregelung aufzunehmen. Trotzdem möchte ich hier klar sagen, die Forderung ist richtig. Wir werden sie nicht aus den Augen verlieren. Wir wollen junge Familien weiter entlasten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt aber auch Kritik. Schon heute, Sie haben es erwähnt, ist die beitragsfreie Kita für 56 Prozent der Menschen per Gerichtsbeschluss festgelegt. Da Sie das Thema Gerechtigkeit angesprochen haben: Warum sollen die übrigen 44 Prozent, die ja finanziell bessergestellt sind, eigentlich nicht weiterhin einen Beitrag leisten?

Da darauf schon eingegangen worden ist, will ich dazu nicht mehr im Detail ausführen. Es gibt sehr wohl zahlreiche Eltern– das haben wir auch in der Diskussion um die neue Beitragsordnung deutlich gesagt –, für die dieser Beitrag eine echte finanzielle Belastung darstellt. Sie haben mehrere Beispiele genannt. Nehmen wir eine Krankenpflegerin, die mit einem Postboten verheiratet ist. Auch diese Familie muss einen Beitrag zahlen.

Es geht aber auch um das Prinzip. Bildung muss staatliche Aufgabe sein! Dafür muss der Staat, also wir alle gemeinsam und nicht nur die Eltern, aufkommen.

(Beifall SPD)

Letztlich sind Kinder unser aller Zukunft. Dass wir aber nach wie vor der Überzeugung sind, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache, ist kein Gegensatz dazu. Allerdings sind KitaBeiträge in meinen Augen kein Mittel, um in diesem Sinne für Gerechtigkeit zu sorgen. Das müssen wir über ein solidarisches Steuersystem schaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sodass Reiche mehr belastet werden zugunsten von Menschen, die mit weitaus weniger Geld zurechtkommen müssen.

(Beifall SPD – Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: „Reiche“?)

Wir werden unsere Anstrengungen für den Ausbau der Kitaplätze und eine bessere Betreuungsqualität weiter erhöhen. Völlig klar ist, dass die Beitragsfreiheit nicht zulasten der Qualität gehen darf. Weiterentwicklung und Intensivierung von Sprachförderangeboten, Personalstandards, die an die sozialen Herausforderungen der Einrichtungen angepasst sind, Verstärkung der Elternarbeit, insbesondere in benachteiligten Quartieren, Vernetzung und flächendeckende Kooperation zwischen Kita und Schule – all das wollen und müssen wir sicherstellen.

(Glocke)

Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss! – Zusammen mit der Beitragsfreiheit schaffen wir auf diese Weise gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Bildungsweg unserer Kinder. Wir stärken die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir entlasten die Eltern. Das alles zusammengenommen ist für uns ein mehr als gutes Signal, das heute von der Bürgerschaft ausgeht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)