Angesichts all dessen sind wir der Meinung, dass die Bremer Wirtschaftspolitik diese Entwicklung mehr ins Auge fassen muss, als sie es in der Vergangenheit getan hat. Deshalb hat Frau Vogt genau an der richtigen Stelle die Frage aufgeworfen. Auch ich glaube, hier ist eine Korrektur notwendig.
Jetzt wird intensiv über die Frage diskutiert, ob die Nahrungs- und Genussmittelindustrie womöglich die Basis für ein neues Cluster sei. So weit würde ich im Moment nicht gehen. Wir diskutieren auch darüber, ob der Gesundheitsbereich und alle Humandienstleistungen ein solches Cluster bilden können. Ich würde es im Moment nicht einfach aus der Tasche ziehen wollen.
In den Vordergrund möchte ich die Aussage stellen, dass wir genau hinschauen müssen, um festzustellen, was die neuen Betriebe und die kleinen und mittelständischen Betriebe, die es schon länger in unserer Stadt gibt, brauchen. Brauchen sie Assistenz bei der Entwicklung von Innovationen? Brauchen sie eine Integration in unser touristisches Konzept? Brauchen Sie spezialisierte Förderung in
Wenn man im Netz sucht, findet man interessante Vorbilder. Ein Beispiel ist das verträumte Lübeck. Man erwartet vielleicht nicht viel, wenn man auf deren Website geht. Ganz verkehrt! Dort hat man im Rahmen von foodRegio einen wunderbaren gemeinsamen Auftritt der Nahrungsmittel- und Genussmittelbranche organisiert. Alle lokalen Lebensmittel- und Futtermittelproduzenten werden zusammengefasst präsentiert, und zwar nicht auf einer reinen Reklameoberfläche, sondern verbunden mit Hinweisen zu Ausbildungsmöglichkeiten und mit ernsthaftem Nachdenken über die Beschaffung der Rohstoffe, über die Lösung etwaiger technischer und hygienischer Probleme, über das Organisieren von Innovationen und dergleichen mehr. Das finde ich vorbildlich. In diesem Fall sollte sich unsere Stadt an unserer Hanse-Schwester an der Ostsee ein Vorbild nehmen.
Wir sollten überlegen, ob im STARTHAUS-Konzept nicht solche Kompetenzen systematisch etabliert werden müssen. Wir sollten uns fragen, ob nicht die alten Gründerzentren der Bremer Lebensmittelindustrie – ich erinnere an das Beispiel Kaffee Hag; daran war zunächst einmal nichts „öko“, sondern es ging darum, das Koffein aus dem Kaffee zu bekommen, damit auch nervösen Menschen leckerer Kaffee zum Frühstück serviert werden kann – zum Ausgangspunkt für die nächste Generation, den nächsten Zyklus der Entwicklung gemacht werden können. Insoweit kann Bremen, finde ich, mehr als bisher leisten. – Vielen Dank!
(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Bei dem Redebeitrag hätte die Aktuelle Stunde auch von euch kommen können!)
Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen, sehr geehrte Besucher! Ende Februar wurde bekannt, dass der traditionsreiche Pralinen- und Schokoladenhersteller Hachez nach 130 Jahren in Bremen seine Produktion nach Polen verlagern will. Hachez ist nur eines von vielen renommierten Unternehmen, die ihren Bremer Standort in den letzten Jahren ganz oder teilweise aufgegeben haben. Coca-Cola, Kellogg, Könecke, DHL Home Delivery, Eggers-&-Franke-Gruppe sind neben Hachez weitere große Namen, die man hier – leider – nennen muss. In allen Fällen ist die
Abwanderung mit schmerzlichen Arbeitsplatzverlusten und Steuerausfällen verbunden. Weiter in Bremen beheimatete Konzerne wie Bosch, Mondelez und zuletzt Airbus haben bereits Stellenstreichungen angekündigt. In Bremerhaven ist vor allem die hoch subventionierte Windenergiebranche unter Druck geraten; ein Beispiel ist Senvion.
Dass immer mehr große Unternehmen unser Land verlassen, ist symptomatisch für die abnehmende Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Bremen, kennzeichnet aber nur die Spitze des Eisberges. Denn auch der Klein- und Mittelstand ist betroffen. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen. Im Zeitraum zwischen 1996 und 2015 wurden im Jahresdurchschnitt 5 892 Gewerbe im Land Bremen neu angemeldet. 2016 waren es nur noch 4 411 und im letzten Jahr gerade noch 4 318. Diese Entwicklung spielt sich ausgerechnet in Zeiten von Hochkonjunktur und expandierendem Welthandel ab, von dem das Bundesland Bremen als Hafenstandort besonders stark profitiert. Wie wird es erst aussehen, wenn der aktuelle Boom ausläuft und sich das wirtschaftliche Wachstum abschwächt, etwa weil die Zinsen an den Kapitalmärkten wieder steigen – was absehbar ist – oder der internationale Warenhandel und damit deutsche Exporte durch zunehmenden Protektionismus bedroht werden? Denn mit diesen Herausforderungen sehen sich auch andere Regionen in Deutschland konfrontiert, die damit aber offensichtlich besser, sehr viel besser klarkommen als Bremen.
Nein, meine Damen und Herren, wir haben es hier nicht mit einem Versagen der Marktwirtschaft, sondern mit einem Versagen der hiesigen Politik zu tun. Denn diese agiert im rot-grünen Bremen alles andere als unternehmerfreundlich und bleibt bei der Kontinuität des Irrglaubens, ein Weiter-so sei gut so.
Anstatt der Wirtschaftsförderung oberste Priorität einzuräumen und so die ökonomische Grundlage für Wohlstand und Steuereinnahmen zu schaffen, ist der Senat vorrangig damit beschäftigt, Bremen zu Deutschlands Ökohauptstadt mit dem progressivsten, aber ineffizientesten Schulsystem, dem dichtesten Radwegenetz und der nachsichtigsten Justiz zu machen.
Gleichzeitig werden Steuergelder für millionenschwere, wirtschaftlich fragwürdige Prestigeobjekte wie das OTB oder den Hafentunnel in Bre
merhaven verpulvert oder in eine ideologisierte Bildungspolitik mit Inklusion gesteckt, die deutlich schlechtere Ergebnisse hervorbringt als die leistungsorientierte, gegliederte Schule, aber dafür dreimal so teuer ist. Dabei erreichen die Bildungsausgaben in Bremen derzeit nicht einmal den Bundesdurchschnitt, meine Damen und Herren. Zukunftsorientierung sieht für uns anders aus.
Um ihre kostspieligen Projekte zu realisieren, betreibt die rot-grüne Landesregierung trotz angespannter Haushaltslage weiterhin eine freigiebige Ausgabenpolitik. Und wenn das Geld nicht reicht, das man über den Länderfinanzausgleich den Steuerzahlern in anderen Bundesländern aus der Tasche zieht, wird eben bei den heimischen Unternehmen zugelangt. Erst im letzten Jahr hat die Stadt Bremen den Gewerbesteuerhebesatz auf stolze 470 Prozent angehoben. Diese Steuererhöhung, die angeblich nur vorübergehend gelten sollte, hat Bremens Wirtschaft völlig unvorbereitet getroffen. Denn anders als früher hielt es der Senat nicht für nötig, im Vorfeld das Gespräch mit der IHK und den Wirtschaftsverbänden zu suchen. Solche im stillen Kämmerlein ersonnenen Hauruckaktionen rauben den Unternehmen die Planungssicherheit und zerstören das Vertrauen der Wirtschaft in die Politik.
Dabei haben Bremens Unternehmen bereits in der Vergangenheit erheblich zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben und zur Sanierung des Haushalts beigetragen. Zwischen 2010 und 2016 ist das Gewerbesteueraufkommen im Land um 80 Prozent auf knapp 570 Millionen Euro gestiegen. Leider ist nur ein vergleichsweise geringer Anteil dieser Einnahmen in wirtschaftsfördernde Maßnahmen geflossen.
Nach der neuerlichen Erhöhung liegt die Gewerbesteuerbelastung in der Stadt Bremen um knapp 30 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt. Bremen gehört zu den vier Städten in Deutschland, in denen die Gewerbesteuer in den letzten 15 Jahren am stärksten gestiegen ist. Das nennt man „vorausschauende Finanz- und Wirtschaftspolitik“?
Seien Sie bitte ehrlich zu sich selbst und erkennen Sie diese Entwicklung, die nicht zum Guten für Bremen sein wird! Es war noch nie eine gute Idee, die Kuh zu schlachten, die Milch geben soll.
Die Rechnung bekommen wir gerade wieder aufgedeckt. Schlechte Schulen, krasser Lehrermangel, unzureichende Infrastruktur, besorgniserregende Sicherheitslage, umkämpfter Wohnungsmarkt, zu geringes Angebot an Gewerbeflächen, hohe Unternehmensteuern – das allein sagt schon alles aus.
Angesichts dieser Rahmenbedingungen muss sich niemand wundern, dass immer mehr Unternehmen Bremen den Rücken kehren oder sich bei uns erst gar nicht ansiedeln wollen und dass Fachkräfte und deren Familien wenig Lust verspüren, in die Hansestadt zu ziehen oder hier zu bleiben. Dadurch aber wird die Zukunft des Standortes Bremen nachhaltig gefährdet. Es droht eine dauerhafte Abwärtsspirale, eine Spirale nach unten. Da die Bedingungen zu wünschen übrig lassen, wandern immer mehr Firmen ab, mit ihnen auch die Arbeitsplätze. Infolgedessen sinken Kaufkraft und Steuereinnahmen, weshalb der öffentlichen Hand weniger Geld für Investitionen in Bildung und Infrastruktur sowie die Förderung der Wirtschaft zur Verfügung steht. Bremen gerät so gegenüber anderen Standorten weiter ins Hintertreffen, was sowohl Investoren als auch qualifizierte Arbeitskräfte abschreckt. Das engt die finanzielle Gestaltungsmöglichkeit der Bremer Politik weiter ein. So schafft sich Bremen auf kurz oder lang selbst ab.
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Wende in der Wirtschaftspolitik. Sie darf nicht länger ein Nischendasein im Verantwortungsbereich eines offensichtlich desinteressierten Senators fristen. Sie muss zur Chefsache gemacht werden!
Die Abwanderung von Unternehmen darf künftig nicht mehr mit einem Schulterzucken garniert oder mit populistischen Empörungsritualen „wider den bösen Kapitalismus“ zur Kenntnis genommen werden. Es ist doch bezeichnend, dass die Wirtschaftsbehörde von der Entscheidung von Hachez, die Produktion nach Polen zu verlagern, völlig überrascht wurde. Das zeigt, wie schlecht die Vernetzung zwischen Politik und Wirtschaft in Bremen mittlerweile geworden ist.
Meine Damen und Herren, das muss sich ändern, und zwar schnell. Notwendig sind mehr Pragmatismus und Flexibilität anstelle von ideologischer Sturheit.
Wir brauchen ein Frühwarnsystem, um von geplanten negativen Standortentscheidungen hiesiger Unternehmen frühzeitig zu erfahren und politisch gegensteuern zu können. Es muss in jedem Einzelfall eingehend analysiert werden, was die jeweilige Firma bewogen hat, ihre Geschäftstätigkeit in Bremen einzuschränken oder ganz aufzugeben.
Außerdem sollte das Wirtschaftsressort regelmäßig Umfragen bei den Verantwortlichen bremischer Unternehmen durchführen, um aus erster Hand und nicht aus den Medien zu erfahren, wo die Betriebe der Schuh drückt und welche Verbesserungsmöglichkeiten gesehen werden. Aus den so gewonnen Erkenntnissen lassen sich wichtige Handlungsempfehlungen für die Politik ableiten, die der Senat dann aber auch umsetzen sollte.
Vielleicht hilft auch ein vierteljährliches Wirtschaftstreffen zwischen den Verantwortlichen und der Politik. Eine gute Vernetzung und kurze Wege sind wichtig für unseren Standort Bremen. Denn Standortentscheidungen und Existenzgründungen lassen sich politisch sehr wohl beeinflussen.
Eine wichtige Rolle dabei spielt die Besteuerung der Unternehmen. Die Gewerbesteuerhebesätze dürfen nicht nach Kassenlage der Finanzsenatorin festgelegt werden,
sondern sind in eine mittelfristig ausgerichtete Standortkonzeption einzubetten. Diese muss sowohl die Gesamtbelastung der ortsansässigen Betriebe als auch die relative Wettbewerbsposition Bremens berücksichtigen.
Im Vordergrund sollte der Vergleich mit den Gemeinden im niedersächsischen Umland als unmittelbare Wettbewerber von Bremen und Bremerhaven stehen, sowohl was die Neuansiedlung von Firmen als auch was Standortverlagerungen kleiner und mittelständischer Unternehmen angeht, die zumeist innerhalb einer Region stattfinden. Strategisches Ziel einer klugen und konsistenten Wirtschaftspolitik muss es sein, Bremens Steuerkraft so weit zu stärken, dass unser Bundesland finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen kann
und nicht länger auf entwürdigende Transferzahlungen aus dem Länderfinanzausgleich angewiesen ist. Dieses Ziel ist auch für unseren Stadtstaat erreichbar. Das zeigt das Beispiel Hamburg.
Begleitend ist eine Straffung der Ausgabenpolitik erforderlich, die ökonomischen Prioritäten folgen muss und sich nicht an ideologischen Wunschträumen orientieren darf.
Meine Damen und Herren, sollte es nicht gelingen, Bremen wieder zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort zu machen, wird die Abwanderung von Unternehmen weitergehen und somit der Verlust von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen. Ist Bremen finanziell nicht lebensfähig, wird auch die politische Selbstständigkeit des Bundeslandes auf Dauer nicht zu halten sein. Denn die Steuerzahler in Deutschland werden nicht ewig bereit sein, das rot-grüne Missmanagement in Bremen zu alimentieren. Davon scheint der Senat offenbar auszugehen. Doch ist dies ein gefährlicher Trugschluss.
Wir brauchen jetzt eine Rückbesinnung auf hanseatische Tugenden, vor allem beim Senat. Deshalb heraus aus dem bequemen Biosessel und heran an die Arbeit! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich bin etwas verwirrt angesichts dieser Debatte, die ganz oben ansetzt, aber ganz unten endet. Ich stelle mir nämlich die Frage, was die 200 oder mehr Kolleginnen und Kollegen bei Hachez, die sich mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze auseinandersetzen müssen – mit dem möglichen Verlust; wir kämpfen ja noch um den Erhalt –, eigentlich davon haben, dass heute so, wie wir es bisher hören mussten, über dieses Thema debattiert wird. Alles wurde miteinander vermengt, die Frage der Wirtschaftsförderung mit der Entwicklung der Nahrungs- und Genussmittelbranche und der Entscheidung eines Konzerns. Alles wurde in einen großen Topf gerührt. Am Ende kam heraus, unser Wirtschaftsstandort sei es nicht wert, dass man sich hier weiter engagiere. Das ist die Aussage, die ich dem letzten Beitrag entnommen habe. Sie steht übrigens in diametralem Gegensatz zu den Zahlen, die sich jeder anschauen kann.
Am meisten verwirrt bin ich über Ihre Fraktion, liebe Kollegin Vogt. Sie haben zu Recht aufgezählt, welche großen, gewinnträchtigen Konzerne im Nahrungs- und Genussmittelbereich in Bremen in den letzten Jahren Arbeitsplätze abgebaut haben. Ihre Konsequenz hinsichtlich der Wirtschaftsförderung ist, wir müssten jetzt diesen Konzernen, die allesamt viel Geld verdient haben und weiter verdienen, verlorene Zuschüsse als Wirtschaftsförderung geben. Nach Ihrer Auffassung haben wir den Fehler gemacht, die Wirtschaftsförderung umzustellen, und denen, die viel Geld verdienen, müssten wir noch mehr Geld geben, damit sie hierbleiben.