Welches Leben wollen wir selbst den bleibeberechtigten Flüchtlingen bei uns ermöglichen, wenn wir es nicht einmal schaffen, für sie die Grundlagen der Integration durch die nötige Bildung, medizinische Betreuung – ich habe ja gerade auch die psychologische Betreuung genannt –, Ausbildung, Arbeit und Wohnung herzustellen? Natürlich ist das Recht auf den Ehepartner, auf die Kinder oder auf die Eltern ein hohes Gut, aber dieses Recht wird ja nicht zuerst durch uns, die wir Flüchtlinge aufnehmen, sondern durch egoistische Mächtige und ihre unmenschliche Tyrannei in den Herkunftsländern ausgehebelt.
Wir beherbergen in Deutschland bereits viele Flüchtlinge, doch wir können, auch wenn es nur schwer zu ertragen ist, nicht alles wieder geradebiegen, was auf der Welt gerade schiefläuft. Selbst wenn wir in den vergangenen Jahrzehnten zu
manchen Entwicklungen im Weltgeschehen beigetragen und uns sogar mitschuldig gemacht haben, können wir das jetzt nicht durch eine ungebremste Aufnahme wieder glatt bügeln.
Ich möchte noch zwei weitere Punkte zu bedenken geben. Zuerst: Das weite und zum Teil bereite Herz vieler Menschen in Deutschland – Herr Zenner hat eben gerade auch schon von diesem Herzen gesprochen – darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass unsere Gesellschaft aus sehr unterschiedlichen Gruppen bis hin zu solchen mit einem Herzen nahezu aus Stein besteht. Die Politik hat aber auch die Aufgabe, alle diese Gruppen in den Blick zu nehmen und für einen Ausgleich, für ein Gleichgewicht in unserem eigenen Land zu sorgen.
Zweitens, politisches Handeln muss immer auch auf die Botschaften achten, die es sendet, ob gewollt oder ungewollt. Wenn wir einem Flüchtling den Flüchtlingsstatus nach Prüfung nicht zu erkennen und ihm mitteilen, dass er in absehbarer Zeit in sein Heimatland zurückkehren muss, ihm aber anschließend dennoch erlauben, seine Familie nachzuholen, dann werden wir wohl oder übel eine sehr widersprüchliche Botschaft senden.
Familie auch die Hoffnung erhöhen, dass sich doch noch ein Weg zum Bleiben finden wird. Subsidiär geschützt zu sein bedeutet, in wenigen Jahren zurückgehen zu müssen, auch mit der Familie. Man muss auch noch eine ganz andere Frage stellen dürfen: Warum kann ein subsidiär geschützter Flüchtling nicht umgekehrt noch viel öfter zu seiner Familie zurückkehren, wenn diese sich in einem sicheren Lager oder in sicheren Regionen des Herkunftslands aufhalten sollte?
Sicher ist das Recht auf Familie kostbar, doch manchmal ist es, wie zurzeit, einfach nicht uneingeschränkt zu ermöglichen.
Dem Antrag der LINKEN können wir nicht zustimmen, weil er all das nicht berücksichtigt. Der Antrag der FDP hat sich inzwischen durch den gefundenen Kompromiss erledigt.
Durch den auf Bundesebene gefundenen Kompromiss sollen nun ab August monatlich 1 000 Familienangehörige nach Deutschland kommen dürfen. Es wird auch weiterhin Härtefallentscheidungen geben. Doch der allgemeine Familiennachzug zu vorübergehend Geschützten soll auch für die Zukunft ausgesetzt bleiben.
Die Bremer CDU-Fraktion möchte mit ihrem Antrag den inzwischen auch im Bundesrat mit Zustimmung versehenen Kompromiss unterstützen. Wir bitten dafür um Ihre Zustimmung. – Danke!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir unterhalten uns als Bremer über den Familiennachzug, obwohl das Thema nicht zur Länderhoheit gehört. Das Prinzip der Subsidiarität gilt eben nicht im Einwanderungsrecht.
Das Bundesrecht regelt diesen Rechtsbereich auf nationaler Ebene, und wir haben das Europarecht, das diesen Rechtsbereich innerhalb der EU regelt. Wir Bremer können allenfalls unseren Einfluss in den Verhandlungen geltend machen, die dazu führen. Wir können hier aber keine eigenen Gesetze schaffen.
Was ergibt sich aus dem Bundesrecht? Wir haben heute vernommen, dass die Bundeskanzlerin gewählt und vereidigt worden ist. Der GroKo-Vertrag gilt, und nach dem GroKo-Vertrag soll der Familiennachzug in einer Größenordnung von 1 000 Personen pro Monat auch für Angehörige subsidiär Geschützter gelten. Das Ganze wird ein bisschen dadurch abgeschwächt, dass man sagt, diese 1 000 Personen aus dem Familiennachzug sollen auf eine Zielgröße circa 220 000 Migranten pro Jahr angerechnet werden, die man generell zulassen will.
Das ist aber auch eine Nebelkerze, wie Ihr glückloser ehemaliger Vorsitzender schon in einer Fernsehshow gesagt hat, wenn mehr kommen, dann kommen eben mehr. Wie im Koalitionsvertrag schon zutreffend steht – und das steht da nicht ohne Grund –, bekennt sich die Koalition natürlich ausdrücklich dazu, europäisches Recht umzusetzen, sofern es nationalem Recht widerspricht. Die Koalition kann gern sagen, dass sie im Rahmen des Familiennachzug 1 000 Personen von subsidiär Geschützten monatlich zusätzlich aufnimmt, die große
Wir haben auf der EU-Ebene im Moment noch die Situation, dass die Dublin-III-Verordnung zumindest formell gilt. Sie wird ja seit 2015 einfach ignoriert, aber die Politik hat festgestellt, dass das Ignorieren von Gesetzen auf Dauer auch keine Lösung ist, also versucht man die Dublin-III-Verordnung so zu novellieren, damit sie funktioniert. Das Ganze läuft dann unter Dublin IV.
Die Dublin-IV-Verordnung soll wieder eine Verordnung sein, die auf europäischer Ebene umgesetzt werden soll. Das, was man bei der Dublin-IIIVerordnung als problematisch angesehen hat, war im Wesentlichen die Bestimmung, dass das jeweilige Land der EU für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, in die der Asylbewerber zuerst eingereist ist und dass eine Weiterreise innerhalb der EU nicht möglich ist. Das heißt, alle Asylverfahren, die wir im Moment in Deutschland durchführen, laufen im Prinzip entgegen der Intention der Dublin-III-Verordnung.
Man hat gesagt, man möchte die Dublin-III-Verordnung nicht einfach ignorieren, sondern sie durch die Dublin-IV-Verordnung ersetzen. Welche Grundlage hat die Dublin-IV-Verordnung? Die Grundlage für die Dublin-IV-Verordnung ist der sogenannte Wikström-Report. Cecilia Wikström ist die Vorsitzende des Ausschusses
für die Entwicklung der Vorlagen für Dublin IV. Der Report ist im Europaparlament abgestimmt, und er soll die Grundlage für die Verhandlungen sein, die die Kommission mit den nationalen Regierungen führt. Die Verhandlungen sind bereits weitestgehend abgeschlossen.
Welchen Inhalt hat der Wikström-Report? Es stehen auf den ersten Blick ziemlich viele unverfängliche positive Dinge im Report: Ein soll einen Verteilungsschlüssel in der Europäischen Union geben. Die Länder, die an den Außengrenzen liegen, sollen entlastet werden. Es soll Quoten geben, die man zu beachten hat, obwohl man nicht so richtig weiß, wie sie durchgesetzt werden sollen. Der eigentliche Hammer in dem Wikström-Report verbirgt sich im Absatz 5.1.
Im Absatz 5.1 – und damit komme ich jetzt zum Thema Familiennachzug – steht, dass jeder Asylbewerber, der in die EU kommt, auf erste Anfrage angeben kann, in welchem Land er Verwandte oder Freunde hat und explizit ohne Überprüfung dieser
Angabe wird er dann in dieses Land verbracht. Dieses Land ist dann für seinen Asylantrag zuständig. Diesem Land obliegt es dann auch zu prüfen, ob die Angaben gestimmt haben, und gegebenenfalls könnten diese Leute nach einer Quote wieder auf die übrigen Länder der EU verteilt werden. Wir alle wissen, wie in Deutschland mit abgelehnten Asylbewerbern verfahren wird, sie werden eben nicht Deutschland verlassen.
Der Wikström-Report sagt nichts anderes aus, dass in Zukunft unter der Vorgabe der Familienzusammenführung jeder Migrant, der nach Europa kommt und Asyl beantragt, verlangen kann, nach Deutschland gebracht zu werden. Das wird er auch tun.
Ich finde es richtig, dass DIE LINKE und die Grünen dem zugestimmt haben, denn es ist ihre Politik, jegliche Migrationsschranken abzubauen. Ich finde es merkwürdig, dass die SPD und die CDU dem mit einem Koalitionsvertrag zugestimmt haben, der eigentlich etwas anderes aussagt. Ich finde es auch merkwürdig, dass die FDP dem zugestimmt hat. Sie erwecken häufig den Eindruck, als ob Sie die unbegrenzte Masseneinwanderung einhegen, als ob Sie den Missbrauch des Asylrechts einhegen, als ob Sie die Migration nicht qualifizierter Einwanderung einhegen wollten. Mit Ihren Entscheidungen im Europaparlament machen Sie genau das Gegenteil. – Danke!
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen, sehr geehrte Besucher! Der Antrag der FDP zur Neuregelung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte scheint auf den ersten Blick sehr vernünftig zu sein. Bei näherem Hinsehen offenbaren sich dem sachkundigen Leser allerdings eine Reihe von Pferdefüßen und Unrichtigkeiten.
Wie auch die FDP zutreffend erkannt hat, sind die Integrationskapazitäten der Städte und Gemeinden als Folgen des Zustroms von mehr als 1,4 Millionen Asylsuchenden, die zwischen den Jahren 2015 und 2017 nach Deutschland gekommen sind, absolut erschöpft. An diesem Zustand würde sich in absehbarer Zeit selbst dann nichts ändern, wenn wir davon ausgehen, dass sich die Zugangszahlen
Wohnraum für die Unterbringung von Zuwanderern lässt sich ebenso wenig aus dem Boden stampfen, wie die Plätze in Kitas und Schulen, für die man nicht nur eine bauliche Infrastruktur, sondern auch gut qualifizierte Lehrer und Erzieher in ausreichender Zahl benötigt.
Die FDP führt in ihrer Antragsbegründung aus, dass es die Aufgabe des Staates sei, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte zu gewährleisten, weil die Ehe und die Familie unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stünden. Dem ist zu widersprechen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1987 in einer Grundsatzentscheidung festgestellt, dass der einschlägige Artikel 6 des Grundgesetzes keinen Anspruch auf Ehegattennachzug vermittelt. Aus dem Völkerrecht, dem Unionsrecht und der Kinderrechtskonvention kann ebenfalls kein unbedingtes Nachzugsrecht für Flüchtlinge mit subsidiären Schutzstatus hergeleitet werden, auch wenn linke Parteien und Hilfsorganisationen gern Gegenteiliges behaupten. Dies nur zur juristischen Klarstellung, meine Damen und Herren.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, besonders auf der linken Seite, wir Bürger in Wut bekennen uns ausdrücklich zum Schutz von Ehe und Familie. Uns ist es auch wichtig, dass Familien, die durch Flucht oder Vertreibung getrennt worden sind, wieder zusammengeführt werden. Das muss aber nicht zwingend in Deutschland geschehen.
(Lachen Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordnete Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist schon klar!)
Die FDP fordert in ihrem Antrag den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten in Deutschland dann zuzulassen, wenn Leib, Leben oder Freiheit des nachzugsberechtigten Personen im Aufenthaltsstaat ernsthaft gefährdet ist. Wir Bürger in Wut sagen, dieser Vorbehalt muss grundsätzlich und sogar zeitlich unbefristet gelten.
Die Wiederherstellung des Familienverbandes hat regelmäßig in dem Land zu erfolgen, in dem sich die Angehörigen des nach Deutschland geflohenen Asylsuchenden befinden, und zwar unabhängig vom Schutzstatus und vom Alter der Betroffenen. Die Voraussetzung ist aber – hören Sie bitte genau
zu –, dass die Familie dort in Sicherheit leben kann, angemessen versorgt ist und nicht Gefahr läuft, in einen Kriegs- oder Verfolgerstaat abgeschoben zu werden.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Migrant zu seiner Familie zurückzuschicken, anstatt ihm das Recht einzuräumen, seine Familienmitglieder nachzuholen. Dies sagte im Übrigen der CDU-Obmann im Innenausschuss des Deutschen Bundestags und der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Georg Nüßlein von der CSU. Schließlich sollen die Menschen nach dem Wegfall der Fluchtursachen rasch in ihrer Heimat zurückkehren, um dort am Wiederaufbau teilzunehmen. Auf diesen Aspekt werde ich gleich noch ausführlich eingehen.
Außerdem würde man der besorgniserregenden Entwicklung entgegenwirken, dass immer mehr Kinder und Jugendliche von ihren Eltern unbegleitet auf die gefährliche Reise in der Erwartung nach Europa geschickt werden, später im Rahmen der Familienzusammenführung ebenfalls nach Deutschland kommen zu dürfen. Meine Damen und Herren, der Leitsatz einer vernünftigen Asylpolitik muss lauten: Flüchtlinge sind keine Einwanderer. Sie sind Gäste auf Zeit, die in ihrer Heimat zurückzukehren haben, wenn sie dort nicht mehr durch Verfolgung, Massengewalt oder Krieg bedroht werden.
Das ist nicht nur aus Sicht der Aufnahmestaaten erforderlich, deren Ressourcen für die Unterbringung und die Integration Schutz suchender Zuwanderer begrenzt sind, sondern das liegt auch im fundamentalen Interesse der Herkunftsländer, denn bei den Flüchtlingen, die nach Europa kommen, handelt es sich zumeist um bessersituierte Migranten, die, gemessen am Niveau Heimatländer, überdurchschnittlich gebildet beziehungsweise beruflich qualifiziert sind. Genau diese Menschen sind es, die für den Wiederaufbau dringend benötigt werden,
um die fragilen Postkonfliktgesellschaften sowohl sozioökonomisch als auch politisch zu stabilisieren. Denken Sie einmal darüber nach!
Nur dann, wenn diese Stabilisierung gelingt, kann ein nochmaliger Ausbruch kriegerischer Auseinandersetzungen oder die Wiederkehr autoritärer Regime – und damit neue Flüchtlingsströme – verhindert werden.