Protocol of the Session on December 7, 2017

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb danke ich an dieser Stelle auch noch einmal für diesen gemeinsamen Antrag.

Abschließend nur noch zwei Punkte: Ich glaube, wir dürfen uns nicht vormachen, mit Glyphosat jetzt alle Probleme im Griff zu haben. Wir müssen weiterhin für eine Agrarwende kämpfen und dafür arbeiten, dass wir eine andere Perspektive für die landwirtschaftliche Produktion haben, die nachhaltig ist und nicht nur dem Profitstreben der Agrarindustrie Genüge tut. Wir müssen auch im Blick haben, dass mit derartigen Geschäftsmodellen wie von Monsanto auch im globalen Süden erhebliche Abhängigkeiten von großen westlichen Agrarkonzernen bestehen. Auch dazu bedarf es weiterer Vorschläge, und hiermit ist noch nicht alles abgeräumt, aber ich glaube, wir befinden uns damit zumindest in Bremen auf einer Schiene, die so richtig ist. - Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aktuelle Stunde zum Thema Glyphosat! Diese Diskussion ist ja nicht sehr aktuell, über die Entscheidung des Bundeslandwirtschaftsministers in Brüssel wurde auch ausreichend debattiert.

Ich möchte zunächst einmal auf das Glyphosat selbst eingehen. Glyphosat selbst - Herr Janßen hat es richtig gesagt - ist erst einmal ein Pestizid, also ein Pflanzenschutzmittel, und gehört zu der Gruppe der Herbizide, also der Unkrautvernichtungsmittel. Deswegen ist die Anwendung erst einmal Vernichtung von Unkraut. Frau Schaefer, ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, dass das den größten Schaden für Insekten bringt.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Weil das wissenschaftlich nachgewiesen ist!)

Insektizide sind im Wesentlichen Neonikotinoide, und sie tragen - da bin ich bei Ihnen - sicherlich auch ihren Teil zum Insektensterben bei, aber bei einem Herbizid ist dafür nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die ich gewonnen habe, bisher kaum ein Zusammenhang zu erkennen.

Glyphosat, worum ging es eigentlich in dieser Abstimmung? Es ging um die Abstimmung, ob die Zulassung, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, weiterhin verlängert werden darf. Wenn man wissenschaftliche Erkenntnisse erlangt, dann ist man doch auch der Meinung, dass die großen staatlichen Institutionen, die sich mit Toxikologie und Risikobewertung beschäftigen, da meinungsbildend sein sollten.

Die rot-grüne Bundesregierung hat nach der BSEKrise die Trennung zwischen Lebensmittelüberwachung und Risikobewertung in die Wege geleitet, zu Recht! Daher ist aus dem Bundesamt für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin zum einen das Bundesinstitut für Risikobewertung geworden und zum anderen das BVL, das sich um die Kontrolle kümmert.

Dieses Institut für Risikobewertung beschäftigt sich seit Jahr und Tag mit der Debatte über Glyphosat. Es kommt zu der Erkenntnis, dass nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen bei der Anwendung keine Krebsgefahr besteht und auch vermutlich keine Krebsgefahr besteht. Es besteht keine akute Toxizität durch Glyphosat. Alle Kennwerte, die es gibt - No-Effect-Level, No-Observed-AdverseEffect-Level, ich will sie gar nicht alle aufzählen -, alle LD50-Werte zeigen auf, dass Glyphosat selbst in Reinsubstanz für denjenigen, der damit umgeht, keine toxikologische Wirkung, weder akut noch chronisch, verursacht. Das sind nicht meine Erkenntnisse, sondern das ist das, was unser bundesweit höchstinstanzliches Institut für Risikobewertung - 855 Menschen arbeiten da, um solche Sachen zu ermitteln! - an Erkenntnissen hat. Genauso

kommt auch die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, zu dem gleichen Ergebnis.

Die WHO ist eine vielfältige Organisation. In dem Bereich, wo es um Anwendung der Pestizide geht, kommt auch die WHO zu der Erkenntnis, im Bereich dessen, wie Glyphosat angewendet wird, gibt es keine Anzeichen dafür, dass es Krebs erzeugt, und es gibt auch keine Verdachtsmomente dafür. Wenn Sie Glyphosat auf Zelllinien schütten, und wenn Sie mit Glyphosat als Reinsubstanz Tiere füttern, dann - zu dem Ergebnis kommt die internationale Organisation WHO, die sich mit Krebserzeugung beschäftigt - könnte es Krebs erzeugen. Könnte! Es ist nicht klar, ob es Krebs erzeugt, es ist aber auch nicht klar, ob es keinen Krebs erzeugt.

(Zurufe Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Unterscheidung muss man sich doch einmal vor Augen führen. Deswegen rate ich allen, sich in der politischen Debatte einmal ein bisschen zurückzunehmen, ein bisschen durchzuatmen und auf die toxikologischen Werte einzugehen. Wenn man zum Beispiel Glyphosat mit anderen Pestiziden vergleicht, zum Beispiel - ich habe das einmal gemacht - mit Kupferoxychlorid, einer Schwermetallverbindung, die als Pflanzenschutzmittel für ökologischen Landbau zugelassen ist: Der toxikologische Wert ist ungefähr achtmal schlimmer als beim Glyphosat, ein akut toxischer Wert! Es ist persistent, es lässt sich nicht abbauen, es lässt sich höchstens ausschwemmen, aber auch dann ist es schwer löslich. Das heißt, Sie bringen Kupfer auf die Felder, das Kupfer bleibt da, und wir essen diese Kupferverbindung am Ende in nennenswerten Mengen mit.

(Abg. Saxe [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie viele Ne- belkerzen haben Sie eigentlich noch?)

Es gibt MAK-Werte dafür, die es für Glyphosat nicht gibt. Das sind Werte für die Bauern, die damit umgehen, die die maximale Arbeitsplatzkonzentration angeben. Glyphosat ist nachweisbar im Menschen, ja, im Wesentlichen im Urin. Ein Teil davon geht auch über die Darmwand in den Körper über - ungefähr 20 Prozent - und wird dann mit dem Urin wieder ausgeschieden, und jeder, der sich mit Toxikologie befasst, der weiß auch, dass es gut ist, wenn es mit dem Urin ausgeschieden wird.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist doch absurd!)

Das heißt nämlich, insbesondere wenn es unverändert ausgeschieden wird, dass es im Wesentlichen keine Belastung des Körpers mit sich bringt. Es ist immer dann ein Problem, wenn insbesondere fettlösliche Substanzen sich im Fettgewebe einlagern und dauerhaft über Monate oder sogar Jahre im Körper bleiben.

(Zurufe Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Schaefer, Sie haben Bier genannt. Bier, mein Lieblingsbeispiel! Man hat Spuren von Glyphosat in Bier gefunden. Das ist nicht verwunderlich, weil es natürlich auch in der Nähe von Gerstenfeldern et cetera angewendet wird, aber jetzt zu sagen, da ist eine Substanz, die könnte eventuell krebserregend sein, und die ist jetzt im Bier! Da sage ich Ihnen, im Bier ist zu fünf Prozent eine Substanz, die erstens akut toxisch ist, wenn Sie sie trinken, und zweitens hochgradig krebserregend! Das ist unser Trinkalkohol. Insofern frage ich mich, über was reden wir hier eigentlich?

(Beifall FDP, CDU, BIW)

Über was reden wir hier eigentlich?

(Abg. Saxe [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir reden über Insektensterben, vielleicht reden Sie auch ein- mal darüber!)

Insektensterben! Insektizide sind ein Problem, wenn es um Insektensterben geht, nicht Glyphosat! Glyphosat vernichtet Pflanzen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Es gibt auch verschiedene Folgen! Das kann ich Ihnen aber gleich noch einmal erklären!)

Um eines noch einmal zum Schluss zu sagen: Natürlich bin ich auch der Meinung, dass man an vielen Stellen vielleicht weniger einsetzen muss und sollte.

(Beifall FDP, CDU)

Das ist doch auch unstrittig.

Sie haben in Ihrem Antrag das Institut genannt, jetzt habe ich den Namen vergessen, und es steht auch darin, dass es im Ackerbau Alternativen gibt, das schreiben Sie richtig, und dort, wo man pflügen kann, sollte man pflügen, das ist auch gut und richtig. Ich weiß nicht, wie Sie das am Ende bei der Straßenbahn realisieren wollen. Vielleicht können Sie uns das auch noch einmal erklären?

Dort, wo Erosionsgefahr bei den Böden ist - das steht auch eindeutig darin -, sollte man lieber Glyphosat verwenden, als zu pflügen, das ist nämlich ökologisch verträglicher. Insofern bitte ich doch einfach einmal um ein bisschen mehr Entspannung in der Debatte!

(Beifall FDP, CDU, BIW)

Ein bisschen mehr Vertrauen in unsere nationalen wissenschaftlichen Institutionen! - Vielen Dank!

(Beifall FDP, CDU, BIW - Abg. Röwekamp [CDU]: Ich weiß schon, warum ich Chemie in der Oberstufe abgewählt habe!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Crueger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollege Hilz, was wir hier gerade in Ihrem sehr faktenreichen Beitrag erleben durften, war, ich glaube, Sie kommen ja selbst auch aus der Naturwissenschaft: Wenn Naturwissenschaftler und Geistes- oder Sozialwissenschaftler, also Buchkundige, zu denen ich mich selbst auch zählen muss, miteinander reden, dann lebt man häufig auf verschiedenen Planeten!

Ich glaube, in genau dieser Debatte ist aber wichtig, dass man sich, auch wenn man kein Chemiestudium oder Biologiestudium absolviert und das Fach möglicherweise schon in der Oberstufe abgewählt hat, sich aber anschickt, Umweltpolitik zu machen, doch auch ein bisschen von dem informieren lässt, was Naturwissenschaftler tagein, tagaus machen und dabei so herausgefunden haben. Insofern ist tatsächlich in Ihrem Beitrag viel Wahres gesagt worden, und ich möchte an dieser Stelle einfach einmal davor warnen, dass wir am Beispiel Glyphosat so eine große Hysterie, was das Krebsrisiko angeht, hier verursachen, denn wenn ich mir anschaue, wie die wissenschaftlichen Befunde sind, dann sehe ich, dass das Krebsrisiko von Glyphosat sich knapp unter dem von Backpulver bewegt. Ja, auch Backpulver, das wir täglich mit unserem Frühstücksbrötchen und unserem Nachmittagskuchen konsumieren, ist nicht ungesund, ja, gewisse Medikamente, die wir regelmäßig nehmen, Schmerztabletten, haben durchschnittlich noch eine deutlich höhere letale Dosis.

Ich meine, die Lösung ist ganz einfach, das wusste schon Paracelsus im Jahr 1538, als er sagte: Allein die Dosis macht, dass ein Stoff giftig ist. An der

Stelle lassen Sie uns bitte zurückstellen, dass wir durch die Verlängerung um fünf Jahre für Glyphosat hier Sorge haben müssen, es gäbe es in der Bevölkerung ein irgendwie gesteigertes Krebsrisiko! So sind die wissenschaftlichen Belege nicht, und es geht eben am Ende des Tages auch immer darum, ob ich Glyphosat zu 100 Prozent pur trinke oder ob es in verdünnten Dosen in der Landwirtschaft ausgebracht wird. Das ist der eine Punkt.

Ich möchte dann aber auch noch sagen, denn wir haben ja gemeinsam diesen Antrag eingebracht: Natürlich wäre es aus Sicht der Landwirtschaft wünschenswert, wenn man möglichst wenig Herbizide einsetzen müsste. Jeder, der sich ein bisschen damit auskennt, weiß das auch. Es ist jetzt schade, Herr Kollege Imhoff ist heute nicht da, er ist ja unser Fachmann an der Stelle. Ach, da hinten, nicht auf dem üblichen Platz! Herr Kollege Imhoff kann es bestätigen: Auch das, was wir ökologischbiologische Landwirtschaft nennen, kommt nicht ohne den Einsatz von chemischen Hilfsmitteln aus, das muss man auch einmal so sagen.

Das Beispiel, das jetzt immer genannt wird, ja, dann lasst uns den Boden doch umgraben, ich glaube, der Fachbegriff lautet Grubbern: Das hat auch Nachteile, denn wenn ich den Boden immer wieder aufreiße, ohne ihn zu wenden, was tue ich denn dann? Ich fördere Bodenerosion! Das heißt, bei der Frage, warum man in der Siebzigerjahren von dem bewährten Verfahren abgekommen ist, den Boden regelmäßig aufzureißen und zu lockern, um auf diese Weise das gerade wachsende Unkraut, Beikraut oder wie auch immer zu entwurzeln und dem Sonnenschein preiszugeben, und dann hatte sich das Thema relativ leicht erledigt, bestand neben dem maximalen Aufwand, der damit einhergeht - das ist natürlich tatsächlich sehr personalaufwendig -, auch in einer Überlegung, die die Bodenfestigkeit anging.

Wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, was eigentlich international gerade diskutiert wird, das Thema Wasser als knappe Ressource hat uns in den letzten Jahren beschäftigt: Die aktuelle Debatte geht in Richtung Boden als knappe Ressource. Ich warne also bei allem, was wir tun, was die Böden angeht! Da sind wir in Mitteleuropa noch in einer vergleichsweise privilegierten Situation, aber wir wollen ja so etwas wie Glyphosat und Landwirtschaft dann auch global diskutieren. Wir wollen nicht, dass dann auf anderen Kontinenten landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Stoffen sind, von denen wir hier sagen, nein, aber bitte in Europa nicht!

Man muss das, wenn schon, dann global diskutieren, und dann muss man immer auch die Frage des Bodens als bedrohte Ressource mit diskutieren.

(Beifall SPD)

Insofern ist es mit der Lösung nicht ganz so leicht.

Ich glaube, der Antrag, den wir zu dieser Aktuellen Stunde eingereicht haben, ist gut. Bremen kann da nicht viel machen. Deshalb haben wir den Punkt mit der BSAG darin, aber damit rettet man natürlich nicht die Welt. Das ist dann eher das Prinzip „Global denken, lokal handeln“, und gleichzeitig gibt es unsere Initiative in Richtung Bund. Als Landtag steht uns frei zu sagen, wir möchten bitte, dass dem Beispiel Frankreichs gefolgt wird und man an der Stelle zu einer nationalen Lösung kommt.

Ich finde auch - das war eine Initiative der LINKEN - sehr gut, das Nichtkulturland, also all die Flächen, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden, vom Einsatz von Glyphosat auszunehmen. Das Nichtkulturland sind bei Feldern beispielsweise die Knicks, die Gräben, das sind Wege in Parkanlagen und so weiter. Da haben sie noch eine gute zweite Ebene mit eingebracht, von der wir hier auch sagen können, wir können auch nicht nur in Richtung Berlin rufen, sondern wir können auch selbst hier in Bremen etwas in die Wege leiten. Insofern an der Stelle auch vielen Dank dafür!

Dann will ich aber doch noch ein paar Sätze zu dem Punkt sagen, was eigentlich mit dem Insektensterben ist, weil die Debatten sich ja immer miteinander verschränken. Wir sind jetzt sehr alarmiert worden - auch da ist wieder mein erster Impuls, ist das Alarmismuswissenschaft oder ist das wirkliche Wissenschaft? -, dass es in Offenlandflächen einen massiven Schwund an Biomasse, also nicht an Artenvielfalt, sondern an Menge von Insekten gibt. Die Kollegin Frau Schaefer hat dieses sehr schöne literarische Beispiel mit den Autowindschutzscheiben genannt, diese anekdotische Evidenz, die uns irgendwie allen widerfährt, dass wir denken, früher waren gefühlt mehr Insekten.

Wir müssen das tatsächlich auf eine vernünftige wissenschaftliche Grundlage stellen, deshalb unsere Forderung nach einem bundesweiten Insektenmonitoring, und bitte nicht nur in Offenlandflächen, sondern auch in Waldflächen, denn auch Wald wird bewirtschaftet! Wir haben da eine ganz andere Zusammensetzung bei den Insekten. Auch das interessiert uns. Wenn wir es mit dem Thema

Insekten ernst meinen, ist das nicht so ein Nachgang oder so ein schönes Argument in der Frage, soll jetzt in der Landwirtschaft Chemie eingesetzt werden oder nicht, sondern da geht es uns um die Insekten per se. Dann geht es uns auch nicht nur um die Insekten als Bestäuber, sondern dann geht es uns auch um die Insekten, die nicht bestäuben. Mir persönlich liegt auch die Feldmücke am Herzen, muss ich ganz ehrlich sagen, obwohl deren bestäubende Wirkung eher gering ist und sie eher ein Vektor für die Übertragung von Krankheiten sein kann.