Die Anmerkung, vielleicht spielt Werder ja auch einmal wieder in der Champions League, habe ich insbesondere als zynische Bemerkung empfunden. Vor diesem Hintergrund empfinde ich sie wirklich als zynisch.
Es ist ja vielleicht ein rhetorischer Schachzug gewesen, aber ich finde, sie ist für dieses Thema dann irgendwie doch unangemessen, wenn man sich eigentlich vor die Beamten stellen und sich eigentlich für diesen Rechtsstaat einsetzen will. Ich finde, dieser Schlenker ist dann nicht ganz so passend.
Aus der Opferperspektive möchte ich Folgendes sagen: Mir ist es schon aufgefallen, dass das Thema meinem Kollegen Timke offenbar sehr nahe geht. Es ist ein Thema, das auch mir persönlich sehr nahe geht, gerade im Hinblick auf die Sexualstraftaten. Ich halte es auch nicht für besonders trefflich, wenn sich Opfer mit Menschen konfrontiert sehen müssen, die Taten offenbar begangen haben - es gilt zwar die Unschuldsvermutung, bis es zu einer rechtskräftigen Verurteilung gekommen ist - und die trotzdem einfach aus der Haft gelassen werden. Ich kritisiere in diesem Zusammenhang, dass die Situation hier so dargestellt wird, als ob Täter ein
fach pauschal einmal eben aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil dort entweder kein Platz ist oder keiner Lust hat, oder keiner Zeit hat.
Richtigerweise wurde auch darauf hingewiesen, dass Richter und Staatsanwälte nicht ausschließlich die Verfahrensbeteiligten sind, sondern auch die Verteidiger und die Nebenklagevertreter. Es ist teilweise ein Wahnsinnsaufwand zu betreiben, denn es gibt auch noch andere Beteiligte, nämlich Sachverständige, und unter Umständen ist auch die Jugendgerichtshilfe zu beteiligen. Es müssen teilweise 20 Personen oder noch mehr koordiniert werden, um die notwendigen Termine zu vereinbaren. Das ist nicht besonders einfach. Es wird sich in jeder erdenklichen Hinsicht Mühe gegeben, dem Beschleunigungsgebot nachzukommen.
Die Entlassung ist in diesem Fall nicht darauf zurückzuführen, dass die Sechsmonatsfrist verstrichen war, ohne dass es zu einer Anklage oder zu einer Hauptverhandlung gekommen ist. Es ging um die Haftbeschwerde, die letzten Endes positiv beschieden wurde. Das ist auch richtig so gewesen, denn niemand muss bei Unverhältnismäßigkeit länger in Haft bleiben als erforderlich. Ich muss dann auch diese Seite der Verfahrensbeteiligten, nämlich die Angeklagtenseite, betrachten. Ich würde es an diesem Punkt erst einmal dabei belassen.
Es wurde die Forderung erhoben, zusätzlich sechs Richterstellen vorzusehen. Frau Dogan sagte zu Recht, dass seit dem Jahr 2014 zehn zusätzliche Richterstellen eingerichtet worden sind. Beim Landgericht in Bremerhaven sind ab dem 1. September dieses Jahres noch einmal drei Richterstellen geschaffen worden. Wann immer ich jetzt auch Termine vereinbare, wird mir natürlich auch mitgeteilt, dass diese Richterin in diesem Verfahren und dass der andere Richter in einem anderen Verfahren gebunden ist. Es ist wirklich schwierig, aber es hängt eben auch mit der Tatsache zusammen, dass hier nicht gerade lax mit solchen Straftaten umgegangen wird, denn es werden ja viele Untersuchungshaftbefehle vollstreckt. Es ist also nicht so, dass alle Täter weiter frei draußen herumlaufen. Man muss diesen Menschen, die in Haft gesetzt werden, aber auch zugestehen, dass sie ihre Haft überprüfen lassen.
Jetzt komme ich an einen Punkt, an dem ich mich wiederholen würde. Für diesen Moment belasse ich es also dabei. Ich melde mich gern gleich noch einmal zu Wort, wenn Weiteres vorgetragen worden ist. - Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren heute die Haftentlassung von fünf Angeschuldigten aus der Untersuchungshaft, garniert mit der Rücktrittsforderung, wie wir es jetzt von Herrn Timke gehört haben, an den Justizsenator. Ich möchte zunächst zu dieser Debatte anmerken, dass ich glaube, dass wir das Thema am falschen Platz beraten.
Man muss doch einmal Folgendes feststellen: Vor genau neun Tagen fand die Sitzung des Rechtsausschusses statt. In dieser Sitzung wurde die Problematik, die heute hier von den verschiedenen Rednern auch verschieden beleuchtet worden ist, ausführlich diskutiert. Jetzt, neun Tage später - es ist keine neue Situation entstanden, es hat sich nichts geändert -, führen wir eine Aktuelle Stunde, die eigentlich aktuell sein sollte, durch. Ich weiß nicht, was an dieser Thematik irgendwie aktuell ist, es hat sich an dem Sachverhalt überhaupt nichts geändert.
Ich finde es einfach nicht richtig - um das deutlich zu sagen -, hier mit einer Aktuellen Stunde eine Stimmung zu erzeugen, als sei jetzt sozusagen das Abendland gefährdet
und als ob die Verbrecherhorden durch diese Stadt vagabundierten, weil sie alle aus der Haft entlassen worden seien. Das ist, finde ich, eine Stimmungsmache, die dem Thema - um das auch noch einmal deutlich zu sagen - einfach nicht gerecht wird.
Wir haben als LINKE im Rechtsausschuss, aber auch bei Haushaltsberatungen, zwar nicht bei den letzten, aber bei den vorherigen, immer deutlich gesagt, dass wir als LINKE - wenn manche das auch nicht glauben wollen - hinter dem Rechtsstaat stehen. Ein Rechtsstaat muss funktionieren. Wir sind für einen funktionierenden Rechtsstaat.
Deshalb haben wir schon immer für eine Stellenverstärkung bei der Richterschaft, aber auch bei den anderen Diensten in der Justiz geworben. Wir haben das im Haushaltsaufstellungsverfahren gemacht. Wir haben gestern der Forderung der CDU nach weiteren sechs Richterstellen zugestimmt, wenn Sie das vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen würden. Wir haben genauso auch in der letzten Beratung im Rechtsausschuss deutlich gesagt, dass wir offensichtlich noch mehr neue Stellen brauchen, damit die Justiz entsprechend funktionieren kann.
Ich will aber auch einmal sagen, denn das geht hier einfach immer so schnell unter, dass das Einschreiten des Oberlandesgerichts doch in einem großen Maße gezeigt hat, wie gut der Rechtsstaat bei uns funktioniert. Das Oberlandesgericht hat zu Recht gesagt, dass auch Beschuldigte Rechte haben. Die Untersuchungshaft ist sozusagen kein Abschreckungsinstrument. Wenn ein Gericht feststellt, dass Beschuldigte nicht länger als sechs Monate in Untersuchungshaft inhaftiert sein dürfen und dass der Prozess innerhalb dieser sechs Monate tatsächlich auf den Weg gebracht werden muss, dann ist das ein Schutz für die Beschuldigten. Ich finde, das ist in unserem Rechtsstaat ein hohes Gut. Dass das Gericht entschieden hat, dass die Beschuldigten freigelassen werden müssen, ist ein Zeichen dafür, dass der Rechtsstaat funktioniert.
Es ist ohne Zweifel so, dass wir immer gesagt haben, ja, sie brauchen sicherlich mehr Stellen. Dass diese Entlassungen stattgefunden haben, ist natürlich auch ärgerlich, und es ist auch eine Panne für die Justiz. Aber trotzdem ist es so, dass man sagen kann, dass der Rechtsstaat hier ganz klar zugunsten der Beschuldigten reagiert hat. Ich finde, das ist richtig so, und das ist auch gut so.
Was bleibt am Ende noch übrig? Am Ende bleibt eigentlich übrig, dass wir uns in einer Situation befinden, die sich nicht von der Situation unterscheidet, die wir vor neun Tagen im Rechtsausschuss gehabt haben.
Welche Debatte führen wir hier eigentlich? Ich sage einmal, man kann der CDU zum Beispiel nicht vorwerfen, sie habe zum Haushalt sechs zusätzliche Stellen gefordert, ja, anerkennenswerterweise. Sie sind gestern abgelehnt worden. Dann müssen
Bürger in Wut! Ich weiß nicht, welche Aktivitäten Sie entfaltet haben. Haben Sie in den Haushaltsberatungen zusätzliche Stellen gefordert? Nein, das haben Sie nicht getan. Was wollen Sie?
Sie wollen irgendwie nur Stimmung machen, und ich finde, dazu ist das Thema viel zu ernst und viel zu wichtig. - Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden über Justizpolitik in Bremen im Allgemeinen, wir reden aber insbesondere über aktuelle Untersuchungshaftentlassungen. Dieser neuerliche Fall ist aufgeploppt und hat deshalb noch einmal nicht nur die Aufmerksamkeit des Parlamentes, sondern sicherlich auch der Öffentlichkeit erlangt, weil wir das Thema vor einem Jahr schon einmal diskutiert haben.
Vor einem Jahr war es so, dass innerhalb der Sechsmonatsfrist eine Hauptverhandlung im Rahmen von Untersuchungshaft nicht anberaumt worden ist. Die Frist wurde schon nicht eingehalten, und damit mussten die Untersuchungshäftlinge entlassen werden. Es ist eigentlich ein No-Go, eine Frist für Untersuchungshäftlinge zu versäumen. Das darf nicht passieren.
Wir haben diesen Vorgang auch seinerzeit im Rechtsausschuss thematisiert, und seinerzeit ist auch der Justizsenator Günthner in den Rechtsausschuss gekommen. Er hat Verantwortung übernehmen und sich mit dem Thema beschäftigen wollen. Ich vermisse eigentlich, dass er sich heute gerade aufgrund der Zusagen, die er den Mitgliedern des Rechtsausschusses gegeben hat, hier auch noch einmal stellt und die Dinge noch einmal aus seiner Sicht erläutert. Das ist wieder nicht der Fall, und insoweit sehe ich hier ein bisschen ein Wegdrücken aus der Verantwortlichkeit.
Uns wurde zugesagt, dass mehr Richterstellen zur Verfügung gestellt werden sollen und dass der Problematik der Überlastung der Justiz Einheit geboten werden muss. Es war eben nicht deutlich: Es geht nicht um Organisationsfragen des Landgerichts, es geht nicht um Organisationsfragen der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern es geht um die personelle Ausstattung der Gerichte, und die ist nicht erfolgt.
Wir beschäftigen uns nicht erst seit einem Jahr mit diesem Thema, insbesondere der vielen Haftverfahren, sondern wir beschäftigen uns schon seit Jahren mit diesem Thema. Die Justizpolitik muss dann handeln, einfach mehr Flexibilität zeigen und die Sache in den Griff bekommen.
Weil dieser Fall vor einem Jahr als justizpolitische Blamage gewertet worden ist und auch die Kollegin von den Grünen, Frau Dogan, dies genauso sieht, darf dies kein zweites Mal passieren. Die Gelbe Karte von vor einem Jahr hätte reichen müssen!
Deswegen, Frau Kollegin, wird dies hier noch einmal im Parlament zu erörtern sein, und auch dem Kollegen von der LINKEN muss ich das sagen. Dennoch keinen Populismus, dennoch bitte keinen Populismus, die Juristerei ist ein bisschen sorgfältiger zu behandeln.
Es ist auch nicht so, dass nicht anderweitig Personen aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Wir brauchen einen dringenden Tatverdacht. Wir brauchen einen Haftgrund, hier war es die Wiederholungsgefahr. Wir brauchen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das muss alles beachtet werden, und das kann sich auch im Zuge einer Untersuchungshaft durchaus ändern und zu anderen Entscheidungen zwischenzeitlich führen. Das ist alles in Ordnung.
In unserem Fall hat anschließend die Staatsanwaltschaft, die Vorfälle waren Anfang Juli, zügig reagiert, die Anklageschriften lagen bereits im August beim Landgericht vor, seit August hätte das Verfahren eröffnet werden können. Die Eröffnung ist für Anfang Januar 2018 terminiert worden. Dieser
Termin liegt innerhalb der Sechsmonatsfrist, insofern hat sich das Gericht zunächst richtig verhalten.
Wir konzedieren auch, dass es bei vielen Angeklagten Schwierigkeiten geben kann, die Akten zu versenden, die Akten zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen und Termine mit Verteidigern in den Verfahren zu koordinieren. Das ist alles in Ordnung. Ich verspreche mir von dem elektronischen Verkehr mit der Justiz, dass wir vielleicht in der Zukunft eine Verbesserung bekommen, sodass nicht immer die Papiere in den Akten versendet werden müssen, sondern vielleicht auch elektronisch Akteneinsicht gewährt werden kann, sodass wir dort Verfahrensabschnitte abkürzen.