Protocol of the Session on November 9, 2017

(Beifall DIE LINKE)

Das geht von der öffentlichen Parkgestaltung bis hin zu dem, wie letztendlich solch eine Wohnung geschnitten ist, einmal abgesehen davon, dass ich da noch gar nicht beim Mietpreis bin. Ehrlich gesagt, da sind wir hier ein totales Entwicklungsland, das kann sich Bremen nicht leisten, und darüber sollten wir einmal nachdenken!

Landtag 4079 52. Sitzung/09.11.17

Die Pendlerzahlen könnten weiß Gott anders aussehen, das ist richtig, aber Sie dürfen auch nicht vergessen, dass inzwischen auch sehr viele Menschen aus Bremen herauspendeln. Dann müssen wir das einmal ein Stück gegeneinanderhalten, und wenn ich das zusammennehme, sehe ich die Probleme wirklich an anderen Punkten. - Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt zum zweiten Thema dieser Debatte kommen, und zwar zu den 135 000 Einpendlern, die in Niedersachsen wohnen, hier in Bremen arbeiten und in Niedersachsen eben auch ihre Steuern bezahlen.

Die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage, muss ich sagen, war für mich persönlich enttäuschend bis, würde ich fast sagen, ein Knaller. Ein Knalleffekt war es schon, ja. Ich kann Ihnen auch ein paar Beispiele dafür geben, denn auf unsere Frage, wie der Senat die steigende Quote der Pendler erklärt, die nun mittlerweile schon bei 42 Prozent liegt, lautet die Antwort, das sei ganz normal und gebe es woanders noch schlimmer.

(Abg. Frau Neumeyer [CDU]: Sagt Frau Bern- hard ja auch!)

Auf die Frage, wer denn ins niedersächsische Umland abwandert und ob es vor allem gut qualifizierte Arbeitnehmer sind, lautet die Antwort des Senats: Das wissen wir nicht! Auf die Frage, wie Wohnraum für Familien mit dem Wunsch nach einem Eigenheim bereitgestellt werden kann, lautet die Antwort: Erstens wissen wir nicht, ob es diesen Wunsch gibt, und zweitens ist das Angebot in diesem Bereich sehr hoch!

Schaue ich mir nur diese Fragen und diese Antworten an, dann frage ich, ob der Senat zurzeit eigentlich in einer anderen Stadt lebt als ich. Unterhalten Sie sich eigentlich mit den Menschen? Ich weiß es nicht. Ich tue es jedenfalls, und mir wird dabei angst und bange, wenn ich sehe, in welch einer Realitätsferne Sie Ihre Arbeit verrichten!

Ich treffe immer wieder auf ganz junge Familien, auf Ehepaare oder auf andere, die gern umsiedeln oder eben einen Neuanfang machen wollen und dabei in ihrem gewohnten Umfeld bleiben möchten. Sie möchten gern auch ein Eigenheim mit einem Stückchen Gar

ten oder so etwas haben. Sie können losgehen, in der Stadt finden sie kaum etwas. Kaum etwas! Wenn Sie schauen, es gibt rund um Bremen fünf, sechs, sieben, acht Angebote, da findet man schon etwas. Also, das ist ja ein Grundproblem.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/ Die Grü- nen] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Ich stelle auch immer wieder fest, am Ende dieser Suche ziehen die Menschen dann leider nach Niedersachsen.

Herr Kollege Imhoff, gestatten Sie eine Frage der Abgeordneten Frau Dr. Schaefer?

Von der Kollegin Frau Dr. Schaefer doch immer!

Bitte, Frau Dr. Schaefer!

Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank, Herr Imhoff, dass Sie die Frage zulassen! Weil es vorhin auch in anderen Beiträgen der Vorredner immer wieder anklang, dass gerade junge Familien nach Niedersachsen ziehen würden, da es nichts in Bremen gebe, auch gerade in Bremen-Nord, wie ja zwei Redner gesagt haben: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Wohngebiete wie Aumunder Wiesen 1, Schönebecker Straße, Zollstraße in den letzten zwei Jahren schon längst fertiggestellt worden sind und Wohngebiete wie Tauwerkgelände oder Friedehorst zurzeit gebaut werden, dass dort also sehr viel Wohnraum schon entstanden ist oder derzeit entsteht, gerade auch im Grenzgebiet zu Niedersachsen?

Sehr gern nehme ich das zur Kenntnis, aber Sie müssen natürlich auch wissen, wenn ich im Umland zehn verschiedene Angebote habe und in Bremen zwei, dann ist die Wahrscheinlichkeit, nach Niedersachsen zu gehen, erst einmal höher. Zweitens, hören Sie sich meine Ausführungen zu Ende an! Ich werde auch noch andere Gründe anfügen, warum sich die Leute dann für Niedersachsen entscheiden. Ich bitte um etwas Geduld!

(Beifall CDU)

Auf die Frage nach der Begründung gibt es, wenn ich mit den Familien rede, jedenfalls meist zwei Antworten. Ganz oben auf der Liste steht, dass es die Knappheit ist, wie ich eben schon gesagt habe, und dass man keine Objekte finden kann. In der Antwort des Senats

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auf die Große Anfrage steht, davon könne keine Rede sein.

Die anderen Gründe, die ich höre, betreffen auch unsere Bildungsmisere. Gut Qualifizierte wollen ihre Kinder nicht auf Bremer Schulen schicken und sind dafür bereit, auch jeden Tag mehrere Kilometer aus dem niedersächsischen Umland zum Arbeitsplatz nach Bremen zu pendeln. Ich kann Ihnen sagen, die Studie der Arbeitnehmerkammer bestätigt das, es sind nämlich vor allem gut qualifizierte und gut gebildete Arbeitnehmerfamilien. Dieser Verlust ist für Bremen in doppelter Hinsicht tragisch.

(Beifall CDU)

Erstens gehen uns dabei, wie eben schon gesagt, nicht nur die Steuereinnahmen verloren, nein, wir stellen für die im Umland wohnenden Menschen ja auch die Infrastruktur. Frau Bernhard, Sie sagten eben, wenn wir diese Einpendler jetzt alle in Bremen wohnen lassen würden, dann müssten wir für sie eine Infrastruktur bezahlen. Nein, die bezahlen wir auch für sie, wenn sie außerhalb von Bremen wohnen!

(Beifall CDU)

Sie kommen zu den Veranstaltungen, sie benutzen unsere Gesundheitsinfrastruktur, sie benutzen unsere Straßeninfrastruktur, sie nehmen Veranstaltungen wahr, Kunst, alles Mögliche! Sie bezahlen es aber in Niedersachsen, und das ist eben das Problem.

Die Zersiedelung dieser Stadt, die durch die mangelhafte Baupolitik des Senats leider vorangetrieben wird, bringt auch immer mehr Verkehr auf die Straße. Das ist auch ein umweltpolitischer Aspekt, das muss man so sagen. Wir reden hier über Umweltzonen in der Stadt und beklagen uns über immer mehr Verkehr, aber die Zersiedelung in den Außenbereichen fördert ja gerade mehr Emissionen der Autos. Die Grünen sagen ja auch immer, nein, wir dürfen nicht auf der grünen Wiese bauen, aber wenn Sie Menschen hier überhaupt nicht bauen lassen, dann bauen sie eben außerhalb von Bremen auf der grünen Wiese. Wo ist das denn besser? Kein Stück!

(Beifall CDU)

Auf die Frage, wie Sie das beheben wollen, antworten Sie „Nehmen Sie doch die öffentliche Bahn, oder steigen Sie um auf das Fahrrad!“. Das steht da nicht wortwörtlich so, aber das steht so darin. Da sage ich mir natürlich, ja, aber die rot-grüne Koalition mit dem grünen Bausenator hat in den letzten Jahren nichts in

Sachen Infrastruktur und Straßenbahn erreicht, im Gegenteil! Auf das Fahrrad umzusteigen, da wünsche ich Ihnen viel Spaß! Vom Viertel hierher ins Parlament ist es nicht weit, aber jeden Tag von Schwanewede ins Parlament, da überlegen Sie sich, ob Sie kommen.

(Beifall CDU - Abg. Pohlmann [SPD]: Premi- umroute! - Glocke)

Jetzt bin ich schon am Ende meiner Redezeit. Ich möchte vielleicht noch einmal zusammenfassen, dass wir, Herr Pohlmann, trotzdem eine nicht mehr wachsende Stadt sind. Das ist das Problem. Anfang der Zweitausenderjahre haben wir von der Großen Koalition richtig viel Baufläche zur Verfügung gestellt, die Zahlen schossen nach oben, wir waren eine wachsende Stadt. Jetzt ist das Problem, seit RotGrün nur noch mit der Innenverdichtung arbeitet, gehen die Zahlen immer weiter herunter, und Sie halten diese Minuszahlen gerade noch durch die Flüchtlingszahlen auf, und das ist das Problem.

(Glocke)

Die Stadtteile kippen, wenn die Deutschen wegziehen und es nur Zuzug von Flüchtlingen gibt.

(Beifall CDU, BIW)

Das wollen wir nicht! Wir wollen eine Durchmischung, wir brauchen diese Durchmischung, und wir brauchen eine vernünftige Wohnungsbau- und Bildungspolitik, ein Gesamtkonzept vom Senat. Der neue Staatsrat hat die Chance, hier neu anzufangen und das auch zu bejahen. - Danke!

(Beifall CDU)

Also nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bücking.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Sie sich in der Antwort des Senats die Tabelle anschauen, die die Auspendler- und Einpendlerzahlen der verschiedenen Städte vergleicht, dann stellen Sie fest, Bremen liegt da ungefähr bei 42 oder 43 Prozent. Frankfurt und auch vergleichbare Städte liegen etwa bei knapp 70 oder 67 Prozent.

Was ist jetzt für uns davon interessant? Nicht der Hinweis von Herrn Imhoff, dass man sagt, na ja, wenn alle schlecht sind, dann versteckt man sich im Wald, sondern interessant ist, dass es Städte gibt, die eine sehr, sehr große Einpendlerzahl haben und trotzdem wachsen.

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Frankfurt wächst ja bekanntlich, und die anderen da aufgeführten Städte, die weit vor uns sind, was die Pendlerbewegung angeht, wachsen auch. Wie erklärt sich das?

Das erklärt sich so: Diese Städte wachsen, weil sie eine Wirtschaftsstruktur und Baustruktur, eine soziale Infrastruktur und ein Kulturangebot haben, was sie so attraktiv macht, dass die Menschen in diese Stadt wollen. Gleichzeitig gibt es immer einen Anteil von Bürgern, die sagen: „Stadtleben ist nicht das, was ich will. Ich will ein Grundstück haben, wo ich um das Haus gehen kann, und ich möchte meinen Kindern die Zumutungen des Straßenverkehrs nicht aufbürden, und womöglich will ich auch nicht in einer Schule sein, wo so viele Leute aus fremden Ländern neben meinem Kind in der Bank sitzen.“ Das sind Motive, die Sie durch keine Politik der Welt außer Kraft setzen können! Das geht nicht! Was Sie aber machen können, ist, dass Sie gegen diese Bewegung anwachsen. Das ist möglich, und das passiert in Bremen zu wenig.

(Abg. Frau Neumeyer [CDU]: Sage ich doch!)

Das, finde ich, kann niemand bestreiten, denn faktisch ist es so, dass wir in Bezug auf die Personen, die die Universität abschließen, eine Arbeit aufnehmen und eine Familie gründen, Verluste an das Umland und auch an andere Städte, mit denen wir im Wettbewerb stehen, zu verzeichnen haben, und zwar eindeutig. Das ist ein Befund, den keine Regierung, keine verantwortliche Politik einfach so akzeptieren kann, das ist vollständig richtig. Wir sollten aber hauptsächlich zusammen darüber nachdenken, was die Mittel dagegen sind. All die Hinweise, die Sie eben auch vorgetragen haben - wie wichtig das für die Stabilität von Stadtteilen ist, wie wichtig das für den Erfolg von Schulen ist, wie wichtig das für die Selbstverständlichkeit von Zukunftshoffnungen in der Stadt ist, dass man diese Menschen in der Stadt halten muss -, sind komplett richtig.

In Bezug auf die Zahlen noch einen Satz: Die Arbeitnehmerkammer hat es nachgerechnet und festgestellt, dass das Durchschnittseinkommen der Einpendler um 500 Euro pro Monat höher ist als das derjenigen, die in der Stadt wohnen. Also, daran sieht man das. Der Kollege Herr Reinken wird es genauer erklären können, der Schwerpunkt der Einpendler arbeitet bei uns in der Industrie. Daraus können wir versuchen, ein paar Sachen zu lernen.

Mein Eindruck ist, die Städte, die ein starkes Wachstum im Inneren haben, haben eine stärkere Dienstleistungsökonomie, insbesondere im Bereich der wissensintensiven Dienstleis

tungen. Das kann man ziemlich genau zeigen, dass wir da in Bremen hinter den anderen zurückstehen. Offenkundig ziehen die Leute, die diesen Typus Arbeit machen und diesen Typus Ausbildung haben, das städtische Leben vor. Das ist nur ein Hinweis unter mehreren. Ich glaube auch, dass der Zustand unseres Bildungswesens dazu beiträgt und noch ein paar andere Dinge.