Robert Bücking
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Sie sich in der Antwort des Senats die Tabelle anschauen, die die Auspendler- und Einpendlerzahlen der verschiedenen Städte vergleicht, dann stellen Sie fest, Bremen liegt da ungefähr bei 42 oder 43 Prozent. Frankfurt und auch vergleichbare Städte liegen etwa bei knapp 70 oder 67 Prozent.
Was ist jetzt für uns davon interessant? Nicht der Hinweis von Herrn Imhoff, dass man sagt, na ja, wenn alle schlecht sind, dann versteckt man sich im Wald, sondern interessant ist, dass es Städte gibt, die eine sehr, sehr große Einpendlerzahl haben und trotzdem wachsen.
Landtag 4081 52. Sitzung/09.11.17
Frankfurt wächst ja bekanntlich, und die anderen da aufgeführten Städte, die weit vor uns sind, was die Pendlerbewegung angeht, wachsen auch. Wie erklärt sich das?
Das erklärt sich so: Diese Städte wachsen, weil sie eine Wirtschaftsstruktur und Baustruktur, eine soziale Infrastruktur und ein Kulturangebot haben, was sie so attraktiv macht, dass die Menschen in diese Stadt wollen. Gleichzeitig gibt es immer einen Anteil von Bürgern, die sagen: „Stadtleben ist nicht das, was ich will. Ich will ein Grundstück haben, wo ich um das Haus gehen kann, und ich möchte meinen Kindern die Zumutungen des Straßenverkehrs nicht aufbürden, und womöglich will ich auch nicht in einer Schule sein, wo so viele Leute aus fremden Ländern neben meinem Kind in der Bank sitzen.“ Das sind Motive, die Sie durch keine Politik der Welt außer Kraft setzen können! Das geht nicht! Was Sie aber machen können, ist, dass Sie gegen diese Bewegung anwachsen. Das ist möglich, und das passiert in Bremen zu wenig.
Das, finde ich, kann niemand bestreiten, denn faktisch ist es so, dass wir in Bezug auf die Personen, die die Universität abschließen, eine Arbeit aufnehmen und eine Familie gründen, Verluste an das Umland und auch an andere Städte, mit denen wir im Wettbewerb stehen, zu verzeichnen haben, und zwar eindeutig. Das ist ein Befund, den keine Regierung, keine verantwortliche Politik einfach so akzeptieren kann, das ist vollständig richtig. Wir sollten aber hauptsächlich zusammen darüber nachdenken, was die Mittel dagegen sind. All die Hinweise, die Sie eben auch vorgetragen haben - wie wichtig das für die Stabilität von Stadtteilen ist, wie wichtig das für den Erfolg von Schulen ist, wie wichtig das für die Selbstverständlichkeit von Zukunftshoffnungen in der Stadt ist, dass man diese Menschen in der Stadt halten muss -, sind komplett richtig.
In Bezug auf die Zahlen noch einen Satz: Die Arbeitnehmerkammer hat es nachgerechnet und festgestellt, dass das Durchschnittseinkommen der Einpendler um 500 Euro pro Monat höher ist als das derjenigen, die in der Stadt wohnen. Also, daran sieht man das. Der Kollege Herr Reinken wird es genauer erklären können, der Schwerpunkt der Einpendler arbeitet bei uns in der Industrie. Daraus können wir versuchen, ein paar Sachen zu lernen.
Mein Eindruck ist, die Städte, die ein starkes Wachstum im Inneren haben, haben eine stärkere Dienstleistungsökonomie, insbesondere im Bereich der wissensintensiven Dienstleis
tungen. Das kann man ziemlich genau zeigen, dass wir da in Bremen hinter den anderen zurückstehen. Offenkundig ziehen die Leute, die diesen Typus Arbeit machen und diesen Typus Ausbildung haben, das städtische Leben vor. Das ist nur ein Hinweis unter mehreren. Ich glaube auch, dass der Zustand unseres Bildungswesens dazu beiträgt und noch ein paar andere Dinge.
Bitte?
Keine Frage, selbstverständlich verantworten wir auch diesen Zustand mit! Wir bemühen uns, ihn zu verbessern.
Es ist aber so, dass sich jeder klarmachen muss, es gibt Städte, die schrumpfen im Saldo dramatisch. Das ist im Osten häufig der Fall gewesen, obwohl sie zahllose Wohnungen hatten, die dann zu Leerstand wurden. Es gibt Städte, die dramatisch wachsen, obwohl sie keine einzige Wohnung im Überfluss haben. Beide Phänomene gibt es, woran Sie erkennen können, dass noch ganz andere Dinge als der Wohnungsbau Einfluss darauf haben.
Jetzt aber noch einmal abschließend: Ich glaube, dass wir mit sehr viel mehr im Wettbewerb mit dem Umland stehen als nur mit dem Wohnungsbau.
Ja, selbstverständlich auch mit dem Wohnungsbau! Ich glaube, dass wir mit der Idee, dass wir genau das Gleiche anbieten wie das Umland, nicht gut beraten sind.
Ich glaube sehr wohl, dass wir auf dem Gelände der Rennbahn in der Nachbarschaft von Mercedes und den anderen großen Firmen in Hemelingen Angebote machen müssen, die wir im Dialog mit diesen Belegschaften entwickeln und die womöglich einen ganz anderen Typus Gebäude hervorbringen als das Einfamilienhaus mit Garten. Vielleicht ist das auch dabei, aber vielleicht ist es auch so, dass es unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Mercedes das Bewusstsein gibt, gar nicht für immer an diesem Ort zu bleiben, sondern wo
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möglich auch noch einmal den Arbeitsplatz zu wechseln, und dann ist es vielleicht von Vorteil, eine Geschosswohnung zu haben. Vielleicht ist es dann wichtiger, den guten Kindergarten zu haben, das gute ÖPNV-System zu haben, die gute Schule zu haben oder ein sportliches Angebot auf diesem Gelände.
Es geht also darum, mit einer komplexen Strategie für konkrete Zielgruppen zu antworten und dafür Städtebau zu machen. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir auf dem Gebiet noch ganz schön viel Luft nach oben haben.