Protocol of the Session on November 8, 2017

1. Mitteilung des Senats über den vom Senat beschlossenen Beitritt zur Bundesratsinitiative „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Liegenschaftspolitik des Bundes - Gesetzesantrag des Landes Berlin“Mitteilung des Senats vom 19. September 2017(Drucksache 19/1255)

2. Mitteilung des Senats über den vom Senat beschlossenen Beitritt zur Bundesratsinitiative „Entschließung des Bundesrates: Bundeseinheitliche Regelung zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen - Antrag des Landes Niedersachsen“ Mitteilung des Senats vom 19. September 2017 (Drucksache 19/1256)

Wird das Wort zu den interfraktionellen Absprachen gewünscht?

Wer mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden.

(Einstimmig)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Wirkung zum 1. November 2017 einen neuen Fraktionsvorstand gewählt hat. Frau Dr. Maike Schaefer wurde als Fraktionsvorsitzende bestätigt. Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden sind Björn Fecker und Dr. Henrike Müller.

Abweichend von der Fraktionsgeschäftsordnung soll der neue Fraktionsvorstand bis zum Ablauf der 19. Legislaturperiode im Amt bleiben.

Die Fraktion DIE LINKE hat auch ihren Fraktionsvorstand neu gewählt. In ihrem Amt wurden Frau Kristina Vogt als Fraktionsvorsitzende und Klaus-Rainer Rupp als stellvertretender Fraktionsvorsitzender bestätigt, Frau Claudia Bernhard ist als stellvertretende Fraktionsvorsitzende neu hinzugekommen.

Des Weiteren möchte ich davon Kenntnis geben, dass mir der Landeswahlleiter mitgeteilt hat, dass für den am 31. Oktober 2017 durch Verzicht aus der Bürgerschaft ausgeschiedenen Abgeordneten Uwe Schmidt Herr Frank Schildt ab 1. November 2017 in die Bürgerschaft (Landtag) und Herr Nima Pirooznia ab dem 3. November 2017 für die am 25. Oktober 2017 durch Verzicht ausgeschiedene Abgeordnete Dr. Kirsten Kappert-Gonther in die Bürgerschaft eingetreten sind.

Ich möchte Sie, Herr Schildt und Herr Pirooznia, ganz herzlich beglückwünschen, Sie im Hause begrüßen und Ihnen für Ihre Arbeit hier im Parlament alles Gute wünschen.

(Beifall)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass heute um 13 Uhr auf dem Marktplatz die Veranstaltung der Aktion „cities for life - Städte gegen die Todesstrafe“ stattfindet. Abgeordnete, Vertreterinnen und Vertreter des Senats, der Parteien und von Amnesty International wollen gemeinsam die Todesstrafe ächten. Ihre Teilnahme an dieser Veranstaltung wird gewünscht.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Landtag 3932 51. Sitzung/8.11.17

Aktuelle Stunde

Meine Damen und Herren, für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Dr. vom Bruch, Röwekamp und Fraktion der CDU folgendes Thema beantragt worden:

Regierung ohne Erklärung - Bürgermeister schwänzt die Bildungsdebatte

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordneten Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich die Debatte versöhnlich beginnen, und ich kündige an, sie wird voraussichtlich auch versöhnlich enden.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Oh! - Abg. Tschöpe [SPD]: Und dazwischen?)

Dazwischen wird es Streit geben, Herr Kollege Tschöpe, wie es sich im politischen Wettbewerb und in der Demokratie gehört!

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Na, zum Glück!)

Ich glaube, wir sind uns alle in diesem Hause einig, dass die Bildung in den Köpfen unserer Kinder die wichtigste Ressource ist, die wir in unserer Gesellschaft haben. Der Stand der Bildung und das vermittelte Wissen entscheiden dabei nicht nur über die persönliche Zukunft des einzelnen Kindes, sondern sie sind auch ganz entscheidend für die Entwicklung und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Gut gebildete, gut ausgebildete Kinder finden den Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie sind seltener Täter oder Opfer von Kriminalität. Sie hängen seltener radikalen Ideen an.

Sie sind stärker sozial engagiert als Kinder, denen wir diese wichtige Bildung nicht mitgeben können.

Wie ist es um die Bildung unserer Kinder bestellt? Diese Frage beraten wir in diesem Parlament immer wieder, in den letzten Jahren oft auch konsensual, aber Anlass ist immer wieder, dass die Erfolge in der Bildungspolitik unseres Landes ausbleiben oder - positiv gewendet - noch immer auf sich warten lassen. Deswegen ist es an dieser Stelle natürlich auch noch einmal wichtig, Verantwortung zu adressieren. Bei aller Gemeinsamkeit zu Schulstrukturen und

auch in letzter Zeit über qualitative Veränderungen der Schule dürfen wir eines nicht vergessen: Die Bildungspolitik wird in diesem Bundesland seit 70 Jahren von Sozialdemokraten verantwortet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das bedeutet auch, mehr als 15 Jahre nach dem Schuldeingeständnis von Henning Scherf, nicht alles richtig gemacht zu haben. Auch die Ergebnisse heute, die Gegenstand dieser Debatte sind, sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen sozialdemokratischen Bildungspolitik.

(Beifall CDU, FDP, BIW - Abg. Güngör [SPD]: Und Sie sind seit drei Runden in der Opposi- tion!)

Wie ist der Zustand? Ich weiß, Sie haben immer wieder einmal mit unterschiedlichen Partnern koaliert, aber die Ausrede, dass immer nur die anderen schuld seien, sehr geehrte Damen und Herren von den Sozialdemokraten, lasse ich nicht mehr gelten. Es gibt eine Partei, die von Anfang an dabei gewesen ist, und sie hat ununterbrochen den Bildungssenator gestellt. Ich finde, um etwas besser zu machen, muss man erst einmal Verantwortung übernehmen.

(Abg. Güngör [SPD]: Richtig!)

Die Übernahme der Verantwortung vermisse ich bei Ihnen auch in der aktuellen Debatte.

(Beifall CDU, BIW)

Wofür muss Verantwortung übernommen werden? Wir haben in den letzten Tagen und Wochen wieder erschreckende Meldungen über den Zustand unseres Bildungssystems erhalten. Es gibt die Meldung, dass an Bremerhavener Schulen teilweise täglich und ganztägig Unterricht ersatzlos ausfällt und dass nur noch eine Betreuung sichergestellt werden kann. Wir haben die Meldung, dass seit Januar jeden Monat durchschnittlich 10 000 Unterrichtsstunden ausfallen. Die neuesten Zahlen aus dem Monat September sind noch nicht veröffentlicht, aber die ersten acht Monate belegen zumindest, dass der Unterrichtsausfall unverändert ein großes Problem der Bildungspolitik in unserem Lande ist.

Wir haben die Situation, dass in Bremen 50 und in Bremerhaven 35 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer, obwohl die Mittel zur Verfügung stehen, nicht besetzt werden können. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen spätestens seit der Veröffentlichung der IQBBildungsstudien von Mitte Oktober 2016, dass ausgerechnet an den Grundschulen, also bei den Kindern, bei denen all das, was wir in den

Landtag 3933 51. Sitzung/8.11.17

letzten Jahren miteinander beraten und verabredet haben, schon längst angekommen sein sollte, die Viertklässler, zehnjährige Kinder, nicht nur nicht im Wettbewerb mit anderen Ländern aufgeholt haben, sondern dass sie noch in dramatischer Weise weiter abgefallen sind.

Dass die CDU-Fraktion nicht jede Vergleichsstudie im Bildungsbereich zum Anlass aktueller Debatten macht, das ist bekannt, aber dass ausgerechnet diese Studie Anlass dazu gibt, vieles von dem, was in der Vergangenheit gewesen ist, noch einmal infrage zu stellen und den Weg, welche Lösungen wir miteinander gemeinsam oder in unterschiedlicher politischer Auffassung in den nächsten Tagen und Wochen zur Verbesserung unserer Bildungsqualität gehen wollen, noch einmal zum Gegenstand einer parlamentarischen Debatte zu machen, das war der CDU-Fraktion ein Herzensanliegen.

(Beifall CDU, BIW)

Wir hätten uns gewünscht, dass Bürgermeister Carsten Sieling genauso wie sein Vorvorgänger Henning Scherf die Verantwortung für den jetzigen Zustand an den Schulen in Bremen und Bremerhaven übernommen hätte, und wir hätten uns auch gewünscht, Herr Bürgermeister Sieling, dass Sie sich zu der Frage, wie wir mit diesem Problem umgehen, das aus meiner Sicht zurzeit das wichtigste Problem in unserem Land ist, in dieser Bürgerschaft mit einer Regierungserklärung erklären. Ich hätte es für eine Selbstständigkeit gehalten, dass Sie das tun.

(Beifall CDU, BIW)

Wir haben Sie daher zur Abgabe einer Regierungserklärung aufgefordert, und Sie haben das abgelehnt. Die Aufforderung hat ihren Grund im Übrigen auch in der ersten Reaktion unserer Bildungssenatorin, die unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Studie im Wesentlichen, wie ich finde, untaugliche Erklärungsversuche gegeben hat.

Führen wir uns noch einmal Folgendes vor Augen: Im Vergleich zum Jahr 2011 haben die Viertklässler in allen untersuchten Disziplinen der IQB-Studie weiter an Boden verloren. Ja, es stimmt, auch bundesweit ist ein leichter Rückgang der Ergebnisse zu verzeichnen,

(Abg. Güngör [SPD]: Ein deutlicher!)

aber nirgendwo ist er so dramatisch wie ausgerechnet in Bremen. Umso erschreckender ist es, wenn man sich die Ergebnisse im Einzelnen

ansieht. Es ist eigentlich das untersucht worden, was wir in der Bildungspolitik als Grundvoraussetzung für den Zugang zu weiterer Bildung und zu weiteren Zukunftschancen sehen, nämlich die Qualifikation im Lesen, im Verstehen, im Schreiben und im Rechnen. Das, was eigentlich, zumindest nach meiner Philosophie und die der CDU-Fraktion, jedes Kind spätestens in der vierten Klasse beherrschen muss, wenn es weiter an staatlichen Bildungs- und Lernangeboten teilhaben will.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, derjenige, der nach der vierten Klasse nicht lesen, nicht schreiben und nicht ausreichend rechnen kann, der wird es im weiteren Schulverlauf sehr wahrscheinlich nicht mehr schaffen, den Anschluss an die anderen Kinder zu finden, und der wird von dieser Gesellschaft nicht ausgegrenzt, aber fast als chancenlos abgestempelt. Wir als CDU-Fraktion wollen das auf Dauer eben nicht zulassen.

(Beifall CDU, BIW)

Es ist viel darüber veröffentlicht worden, welche Mindestanforderungen die Bremer Schülerinnen und Schüler erfüllen, aber mich erschreckt vielmehr, dass es Standards gibt, die zwischen den Ländern vereinbart worden sind und die Eingang in diese Studie gefunden haben, nämlich die Frage: Welchen Regelstandard muss eigentlich ein Viertklässler beherrschen? Wir stellen fest, dass beim Lesen und beim Verstehen 50 Prozent, also jedes zweite Kind, in der vierten Klasse den Regelstandard nicht erfüllt. Bundesweit sind es ein Drittel, aber in Bremen ist es jedes zweite Kind!