Protocol of the Session on September 21, 2017

Aus unserer Sicht liefert der gemeinsame Antrag der Koalitionsfraktion eine gute Antwort auf die aktuellen Sicherheitsherausforderungen, dieses sehen wir beim Antrag der CDU nicht und werden ihn daher ablehnen. Ich will jetzt nicht den gesamten Deputationsbericht noch einmal vorlesen, aber vielleicht auf einige Aspekte eingehen, die auch teilweise in der Diskussion schon darangekommen sind. Die Frage der Schleierfahndung! Da hatte ich so ein bisschen das Gefühl, Herr Hinners, wenn ich ganz offen bin, man geht an seine große Schublade, zieht alles heraus, was da möglich ist, landet beim Buchstaben S und zieht die Schleierfahndung heraus, ohne sich einmal wirklich darüber Gedanken gemacht zu haben, ob das eine wirksame Maßnahme für dieses Bundesland ist. Das ist es eben nicht.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Es ist Ihnen auch in den Beratungen in der Deputation nicht gelungen, das noch einmal deutlich zu machen, meine Damen und Herren! So, und bevor Sie dann gleich wieder irgendetwas behaupten, es gibt jetzt schon Instrumente, also Stichworte Schleierfahndung, grenzüberschreitender Verkehr, damit hat die Bundespolizei als Verantwortliche für den Bereich des Flughafens und für den Bereich des Bahnhofs entsprechende Eingriffskompetenzen. Meine Damen und Herren, ergänzt mit den besonderen Kontrollorten, über die man sicherlich diskutieren kann, wo da die Eingriffstiefe liegt, haben wir eigentlich in dieser Stadt überhaupt gar keine Notwendigkeit, eine Schleierfahndung einzuführen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ich will, weil Sie das Thema Abschiebung ja immer so gern hier hervorheben, vielleicht einmal auch deutlich machen, dass eben in dem Bereich auch klar wird, dass vielleicht auch die CDU ein bisschen schauen müsste, welche Verantwortung sie eigentlich für das hat, was in diesem Land passiert. Immerhin stellt die Union seit jetzt knapp zwölf Jahren am Ende der Legislaturperiode den Innenminister, meine Damen und Herren! Sie haben massiv Personal bei der Bundespolizei abgebaut, das fällt Ihnen jetzt genauso auf die Füße, und auch da würde ich mir eine etwas selbstkritischere Haltung der CDU insgesamt zu ihrer Verantwortung für die Sicherheit in unserem Land wünschen, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Aber, weil die Abschiebung eben solch ein interessantes Thema ist, wenn Sie unseren Antragsentwurf nehmen, da gehen wir nämlich genau auch auf die Problemlagen ein, da sagen wir, im sechsten Beschlusspunkt, dass wir den Senat auffordern, eine rechtliche Verantwortung eines Kompetenzzentrums des Bundes zu schaffen, das in besonders schwierigen Rückführungsfällen die Koordination mit ausländischen Behörden, insbesondere zur Beschaffung von Passersatzpapieren übernehmen kann, denn das war ja eins der Probleme. Es ist ja wunderbar, dass Sie sich hier in einem Land darauf einigen, jemanden aus diesem Land abzuschieben, aber Sie brauchen auch immer ein Land, das diese Person aufnimmt. Das kann nicht in der Verantwortung eines jeden Bundeslandes sein, das muss der Bund regeln. Das hat er am Ende getan, aber deutlich zu spät, und dass Sie uns das jetzt zum Vorwurf machen, finde ich, ehrlich gesagt, auch schwierig, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD - Glocke)

Sind meine zehn Minuten jetzt schon vorbei?

Fünf! Sie dürfen aber noch die drei Sätze sagen!

Danke, lassen Sie mich einen letzten Gedanken noch ausführen, meine Damen und Herren! Die Frage des Gewahrsams ist hier schon angesprochen worden, der ist möglich nach Paragraf 15 Absatz 1.2 des Bremischen Polizeigesetzes. Des Weiteren die Fußfessel an sich, einmal ganz ehrlich, ich bin der Auffassung, dass wir für diejenigen Gefährder, von denen eine Gefahr für Leib und Leben in dieser Gesellschaft ausgeht, eine vernünftige Observation durch die Sicherheitsbehörden brauchen, da hilft uns keine Fußfessel. Da brauchen wir Menschen,

Landtag 3873 50. Sitzung/21.09.17

die im Notfall eingreifen können. Das bekommen wir nur, indem wir die Sicherheitsbehörden stärken. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin nicht ganz zu Ende gekommen, ich war bei der Ziffer eins des CDUAntrags, Videoüberwachung, stehen geblieben.

Grundsätzlich kann man das machen. Gute technische Voraussetzung und Personal, das die Videoaufnahmen sofort auswerten kann, damit Schlussfolgerungen umgesetzt werden können, sind notwendig. In irgendeinem Bericht habe ich gelesen, dass es ein Projekt gibt. Mich würde interessieren - vielleicht sagt der Senator noch etwas dazu -, ob das Projekt bereits ausgewertet ist, denn vielleicht kann man aus dem Projektergebnis weitere Schlüsse ziehen.

Zweiter Antragspunkt: Unterbringungsgewahrsam und Verlängerung der Abschiebehaft! Der Unterbringungsgewahrsam ist schon im Polizeirecht verankert, es ist also keine Einfügung notwendig. Es kommt immer letztlich darauf an, diese Vorschrift anzuwenden und den Unterbringungsgewahrsam zu beantragen. Man muss dann prüfen, ob der Antrag substanziell genug ist, damit ein Richter bereit ist, einen Unterbringungsgewahrsam anzuordnen. Die Verlängerung der Abschiebehaft ist bereits erfolgt, insofern ist das, was man im Januar 2017 beabsichtigt hat, überholt. In diesem Punkt werden wir Ihnen also nicht mehr folgen können.

Die föderale Struktur! Wir sehen hier allerdings noch erheblichen Handlungsbedarf. Es kommt sicherlich darauf an, die Zusammenarbeit und die Kommunikation zu verbessern, aber vielleicht auch Änderungen in der Organisationsstruktur zwischen den Ländern, im Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern sowie im Verhältnis zu Europa vorzunehmen. Den Antrag würden wir weiterhin gern aufrechterhalten.

Es muss sicherheitspolitisch nachgearbeitet werden, auch wenn ich mir das vorstelle, was wir aus dem Untersuchungsausschuss seinerzeit für dieses Thema mitgenommen haben. Ich bin mit der Beantwortung, mit der bisherigen Praxis und mit dem, was möglich ist, noch nicht zufrieden, auch wenn mir bekannt ist, dass viele andere Länder ihre eigene Nabelschau machen und dass es schwierig sein wird, Kompetenzen von anderen zu bekommen oder Kompetenzen abzugeben. Das zeigt sich ja auch daran, dass wir es im Verfassungsschutzbereich schon seit

mehreren Jahren für vernünftig halten, die Verfassungsschutzämter Niedersachsens und Bremens zusammenzulegen. Das wäre natürlich ein erster Schritt, vielleicht die Strukturen zu ändern und zu optimieren. Wir sehen hier noch Handlungsbedarf für die Zukunft und würden den Antrag der CDU unterstützen.

Der vierte Antragspunkt, die erkennungsdienstliche Behandlung und Fingerabdrücke, hat sich eigentlich auch überholt. Wir hatten dazu vor zwei, drei Wochen eine Debatte, und es ist vieles auf den Weg gebracht worden, sodass wir hier keinen Handlungsbedarf sehen.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Schade! Wir lesen dann im Protokoll einmal nach, wie Sie ge- stimmt haben!)

Nächster Punkt, die Residenzpflicht! Es ist richtig, dass mehr darauf geachtet werden muss, dass Gefährderpersonen nicht unbeobachtet und ohne weitere Auflagen durch das Bundesgebiet reisen können. Der Fall Amri hat uns das besonders deutlich veranschaulicht. Nur, wir brauchen für diesen Bereich keine neuen Gesetze, sondern wir müssen die Gesetze richtig anwenden, Auflagen machen und die Kommunikation unter den Behörden, die damit zu tun haben, verbessern, aber nicht, dass der eine sich auf den anderen verlässt und dann solche Auswüchse wie im Fall Amri entstehen können. Also: Gesetze besser anwenden, keine neuen schaffen!

Es ist dann natürlich wichtig, nicht nur für die polizeiliche Arbeit, sondern auch in der Prävention einen Schwerpunkt zu setzen. Insofern ist zu begrüßen, wenn es zur Implementierung des Kompetenzzentrums kommt, in dem man viele gesellschaftliche Einrichtungen koordiniert, um auf Gefährderpersonen einwirken zu können beziehungsweise diese auf den richtigen Weg zurückzubringen.

Die Ziffer eins müssen wir leider ablehnen, auch wenn wir die Fußfessel und die Videoüberwachung von der Tendenz her begrüßen. Die Schleierfahndung lehnen wir ab. Hätten Sie die Ziffer zwei in a, b und c untergliedert, dann hätten wir a und c zustimmen können. Der Ziffer drei stimmen wir zu. Wir bitten daher um getrennte Abstimmung. - Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will auf

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meine Vorredner, soweit es erforderlich ist, eingehen, auf die Rednerin natürlich auch, klar, aber erst am Ende.

Herr Senkal, ich finde, wir sind gar nicht weit auseinander.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Altersmäßig schon! - Hei- terkeit)

SPD und CDU könnten den Antrag mit Ausnahme der Schleierfahndung eigentlich beschließen. Die Schleierfahndung wird hier, glaube ich, völlig falsch bewertet. Wenn wir uns hier darüber unterhalten, ob Kontrollzettel nach einer polizeilichen Personenkontrolle abgegeben werden sollen, dann weiß man, wie irrational die Grünen denken und hinter der Schleierfahndung irgendetwas ganz Wildes vermuten.

(Beifall CDU - Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie haben bestimmt ganz lange über- legt, bis Sie diesen Satz hinbekommen haben!)

Sie vermuten, dass jede einzelne Polizeibeamtin oder jeder einzelne Polizeibeamte das Ziel hätte, jede Person auf der Straße zu kontrollieren. Also jeder, der bei der Polizei auch nur ansatzweise einmal Dienst gemacht oder sich mit dem Polizeidienst beschäftigt hat, sollte eigentlich wissen, dass das nie und nimmer die Intention sein kann, sondern dass an der Stelle Verdachtsmomente die alles entscheidende Rolle spielen und nicht irgendwelche Willkür. Ich kann diese Diskussion daher überhaupt nicht nachvollziehen.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Und jetzt zur Schleierfahndung!)

Herr Fecker, Sie haben zum wiederholten Mal den Hinweis gegeben, dass die Bevölkerung Sicherheit erwarte und dass die Freiheit aber nicht eingeschränkt werden dürfe. Ich habe in der Vergangenheit daraufhin immer gefragt: Wie ist die Situation zu bewerten, wenn die Sicherheit eingeschränkt wird? Dann ist doch die Freiheit eingeschränkt, das ist doch klar! Wenn ich von Menschen höre, ich gehe nachts nicht mehr auf die Straße, weil ich Angst habe, dann ist deren Freiheit eingeschränkt. Wenn sie sagen, ich gehe nicht mehr durch bestimmte Viertel, dann sind ihre Sicherheit und ihre Freiheit eingeschränkt! Das eine ist doch von dem anderen nicht zu trennen.

(Beifall CDU - Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber das löst man nicht über die Fußfessel!)

Die Freiheit ist dann doch schon eingeschränkt, also müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir damit umgehen. Wir können doch

nicht einfach sagen, die Sicherheit ist nur zu gewährleisten, wenn die Freiheit nicht eingeschränkt wird oder umgekehrt.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich lese Ihnen das gleich noch einmal langsamer vor, damit Sie es verstehen!)

Ich habe es in der Vergangenheit schon häufiger von Ihnen gehört, ich kenne ja Ihre Intention. Prävention ist wichtig, das ist klar, und Sie laufen damit bei uns offene Türen ein! Wir predigen das hier nun schon seit zehn Jahren, und trotzdem kommen wir an der Stelle nicht weiter. Gerade bei dieser Klientel stellt sich doch die Frage, ob Präventionsmaßnahmen überhaupt noch sinnvoll sind. Wir können vielleicht in Zukunft andere Gefährder verhindern, aber bei denjenigen, die wir als Gefährder identifiziert haben, sehe ich Prävention eher als problematisch an.

Die TKÜ haben Sie vorgeschlagen. Sie haben allerdings nicht zwischen dem Polizeigesetz und der Strafprozessordnung differenziert. Nach der Strafprozessordnung ist sie bereits möglich, soll eine entsprechende Vorschrift auch in das Polizeigesetz eingefügt werden? Von dieser Seite betrachtet haben wir eigentlich weniger Nachholbedarf.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir sind hier ein Landesgesetzgeber, schöner Versuch!)

Im Gegensatz zu den LINKEN sind Sie wenigstens davon überzeugt, dass eine Videoüberwachung sinnvoll sein kann. Zur Schleierfahndung sagen Sie auch, dass sie nicht sinnvoll sei.

Jetzt kommt wieder das alte Thema: Die Observation von Gefährdern sei das Wichtigste. Richtig, klar, hundertprozentig! Kriminalistisch betrachtet sind 30 Polizeibeamte notwendig, um eine Observation vernünftig durchführen zu können, 30 pro Observation! Wenn in Bremen 20 Gefährder leben, dann wären das - da müssen wir nicht lange rechnen - 600 Beamte. Woher soll der Senator für Inneres wohl 600 Beamte neben der normalen Kriminalitätsbekämpfung - auch dort finden Observationen statt - nehmen? Es ist völlig unmöglich, dafür 600 Beamte abzustellen.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Es geht um die relevanten Gefährder!)

Deswegen, Herr Fecker, die Differenzierung. Diejenigen, von denen man glaubt, sie seien weniger gefährlich, werden mit einer Fußfessel ausgestattet. Wenn sie dann nach Syrien reisen, dann ist das nicht in Ordnung, aber dann wissen wir wenigstens, wo sie geblieben sind.

Landtag 3875 50. Sitzung/21.09.17

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Meinen Sie, er nimmt sie mit nach Syrien? - Zuruf Abg. Fecker [Bünd- nis 90/Die Grünen])