Protocol of the Session on September 24, 2015

Wenn man jetzt sagt – das vielleicht in Richtung von Herrn Hilz –, dass wir viel zu wenig gespart hätten, oder fragt, was eigentlich los ist, und von neuen Schulden spricht, dann will ich Ihnen einmal sagen, dass die Sanierungsvereinbarung mit der schwarz-gelben Bundesregierung abgeschlossen worden ist. Die Kreditaufnahme Bremens hat in jedem Jahr meiner Regierungszeit, in der Zeit meiner Verantwortung als Finanzsenatorin, unter dem gelegen, was mit der schwarz-gelben Bundesregierung verabredet worden ist. Wie können Sie sich dann eigentlich hier hinstellen und so etwas sagen?

Dort ist anerkannt worden, dass Bremen einen Bedarf hat, Sozialleistungen und gesetzliche Leistungen zu bezahlen. Es ist weiterhin anerkannt worden, dass wir sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst abgebaut haben. Sie gehen aber über das hinaus, was die von Ihnen gestellte Bundesregierung mit uns verabredet hat. Viel Vergnügen wünsche ich Ihnen! Machen Sie doch einmal Vorschläge, wie Sie das umsetzen wollen! Ich bin darauf wirklich gespannt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe eine Zeit lang geglaubt, dass dieser schwierige, dornige Weg Bremens, den wir gehen müssen und von dem ich glaube, dass er nur gelingen kann, wenn mehr Menschen mitmachen und davon überzeugt sind, dass er richtig ist, uns einen gewissen Schutz in der Öffentlichkeit gewährleistet, weil er mit einer konservativen Bundesregierung verabredet wurde. Aber noch nicht einmal dazu sind Sie imstande!

Ich will noch etwas zu den sozialen Schulden sagen. Herr Rupp, ja, der Staat macht soziale Schulden. Der Staat macht Schulden, indem er die Sozialversicherungen mit Ansprüchen belastet, die erst später bezahlt werden müssen. Der Staat macht Schulden, wenn wir nicht genug Geld in die Bildung investieren. Wir könnten mehr Geld in die Bildung investieren, wobei es dabei nicht immer nur um die Schüler-Lehrer-Relation gehen muss, sondern es könnte

auch um die Frage gehen, wie gut die Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet sind und ob eine warmherzige und wertschätzende Haltung und ein entsprechendes Klima bestehen, aber wie dem auch sei, es ist oft – das räume ich ein – auch eine Geldfrage. Es ist auch völlig unbestreitbar, dass wir nicht genug investieren. All das ist Konsens! Das Argument aber, dass dies alles dazu herhalten soll, um weiter und neue Schulden zu machen, ist verbraucht. Es ist für Bremen verbraucht, weil wir 20 Milliarden Euro Schulden haben und uns die Zinsen erwürgen. Die Zinsen nehmen uns die Chance, Geld auszugeben, um das zu tun, was wir gemeinsam gern machen wollen.

Der Staat Deutschland hat eine Gesamtverschuldung von zwei Billionen Euro, ohne dass mit einberechnet ist, was unsere Art zu wirtschaften, sich zu ernähren, einzukaufen, zu heizen und so weiter an zusätzlichen nationalen und globalen Schulden anrichtet. Zwei Billionen Euro Schulden! Dann sagen Sie auch noch, mehr davon! Das ist für mich unverständlich.

Bei der FDP verstehe ich das. Sie sind daran interessiert, dass diejenigen Menschen oder Fonds, die über genug Geld verfügen, um es dem Staat zu leihen, das weitermachen können, denn das ist ein wichtiges Instrument der Umverteilung von Arm zu Reich. Was aber Linke damit zu tun haben, das werde ich nicht verstehen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Glocke)

Frau Bürgermeisterin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rupp?

Immer gern!

Bitte, Herr Kollege!

Frau Bürgermeisterin, würden Sie vielleicht doch einmal zur Kenntnis nehmen, dass ich, wenn ich mich richtig erinnere, in allen meinen Reden zu Fragen der Schuldenbremse und zum Haushalt für eine auskömmliche Einnahmesituation – sprich: andere Steuern auf Kapital, auf Erbschaften, Spitzensteuersatz, Vermögensteuersatz – geworben und immer gesagt habe, dass unter Umständen eine erhöhte Schuldenaufnahme nichts weiter als eine Notlösung ist, dass wir aber auf jeden Fall für eine auskömmliche Finanzierung auf der Einnahmeseite sorgen müssen?

Ja, das habe ich gehört!

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Gut!)

Darüber freue ich mich, weil Bremen auf Bundesebene versucht – zum Beispiel morgen im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer –, darauf zu achten, dass genug Geld in die Kasse kommt.

Aber jetzt unter uns, obwohl so viele zuhören: Sie selbst wissen ganz genau, dass alles – Vermögensteuer, Erbschaftsteuer –, was wir uns ausdenken können, um Geld zu beschaffen, nicht das wird decken können, was täglich und neu als Bedarf erzählt oder gefunden wird oder real vorhanden ist. Das wissen Sie ganz genau, und deshalb bleibt für Bremen heute und morgen – mit Nachtragshaushalt, in den nächsten Haushaltsjahren und mit dem Sanierungsweg – nichts anderes übrig, als den Mut zu der Erkenntnis zu haben, dass Sparsamkeit und Ressourcenverantwortung keine Zumutung, sondern eine Selbstverständlichkeit sind

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

und dass wir das in dieser Lage hinbekommen müssen.

Ich werbe dafür, in den vor uns liegenden Jahren möglichst viel gemeinsam zu schaffen. Es ist nicht so, dass überall alles ganz furchtbar ist und alles schlimm zusammengespart wird. Ich kann Ihnen versichern, dass ich in Berlin für unser Bundesland kämpfe, aber das tue ich auch, indem ich im Rücken habe, dass wir Verträge einhalten. Das Gerede, dass wir aus der Sanierungsvereinbarung aussteigen sollen, hören auch die Menschen in Berlin. Sollten wir dort wieder als Wackelkandidat angesehen werden, dann hätten wir uns alle einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall FDP)

Bürgermeister Dr. Sieling kämpft gerade in Berlin für einen ordentlichen Finanzausgleich, der uns eine Perspektive für die 20er-Jahre dieses Jahrhunderts geben soll. Ich glaube unerschütterlich daran, dass wir das hinbekommen können. – Danke!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte drei Anmerkungen machen.

Erste Anmerkung! Frau Bürgermeisterin, wir sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie gesagt haben, die Einhaltung der Schuldenbremse hat nichts mit den Flüchtlingen zu tun, und die Flüchtlinge dürfen nicht in den Verdacht geraten, dass sie die Einhaltung der Schuldenbremse gefährden.

(Beifall CDU, FDP)

In der Sommerpause konnte man einen anderen Eindruck von unserem Bürgermeister Dr. Sieling gewinnen. Er hat nämlich festgestellt, dass die Flüchtlings

welle sehr wohl die Einhaltung der Schuldenbremse gefährden kann. Ich bin sehr froh darüber, Frau Bürgermeisterin Linnert, dass Sie sich in dieser deutlichen Form von dieser unglücklichen Aussage von Herrn Bürgermeister Dr. Sieling distanziert haben.

(Beifall CDU, FDP)

Herr Eckhoff, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Schierenbeck?

Selbstverständlich, wir sind heute ja so nett zueinander!

Bitte, Frau Kollegin!

Wir haben gehört, dass die Kosten, die in diesem Jahr für die Aufnahme der Flüchtlinge anfallen, bei etwa 200 Millionen Euro und die Hilfen vom Bund bei etwa 10 Millionen Euro liegen. Empfinden Sie das als angemessen?

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das glaubt auch keiner!)

Das findet auch kein anderer hier im Hause, deshalb habe ich schon vorhin in meinem Redebeitrag gesagt, dass es selbstverständlich ist, mit dem Bund eine bessere Kostenteilung zu erreichen, und dass wir es voll unterstützen, dass auch die Kommunen mehr Geld bekommen sollen. Insofern sind wir bei dem, was auch gestern debattiert worden ist, vollständig einer Meinung.

Ich komme zu meiner zweiten Bemerkung! Man muss sich entscheiden, und das will ich am Beispiel der GEWOBA deutlich machen. Der Fraktionsvorsitzende hat es gestern in der Debatte angesprochen. Die GEWOBA ist Gott sei Dank ein erfolgreiches Unternehmen, und wir brauchen dringend neue Wohnungen. Nun stellt sich die Frage: Wofür setzt das Unternehmen eigentlich seine Jahresgewinne ein?

(Abg. Rupp [DIE LINKE ]: Gute Frage! Die Antwort können Sie in der letzten Legislaturperiode nachle- sen!)

Wird der Gewinn an die Landesregierung abgeführt, oder wird der Gewinn eingesetzt, um Wohnungen zu bauen? Nur eines geht, und deshalb muss man sich festlegen. Das sage ich, Frau Dr. Schierenbeck, weil Sie mich nach konkreten Punkten gefragt haben. In Ihrer Koalitionsvereinbarung findet man aber beides wieder: Geld soll fließen, und Wohnungen sollen trotzdem durch die GEWOBA gebaut werden.

Meine Damen und Herren, so etwas funktioniert nicht mehr. Formelkompromisse in Worten helfen nicht mehr weiter. Wir brauchen klare Fakten. Sie müssen sich entscheiden, was Sie wollen. Wir von der CDUFraktion – wir haben es schon gestern erwähnt – wollen zumindest das, was in die Rückstellungen, in die Gewinnrücklagen der GEWOBA eingestellt worden ist, nutzen, um ein entsprechendes Wohnungsbauprogramm zu starten.

(Beifall CDU – Zuruf Abg. Frau Dr. Schierenbeck [Bündnis 90/Die Grünen])

Frau Dr. Schierenbeck, hören Sie mir doch bitte zu! Ich sollte Ihnen Fakten nennen, und jetzt schreien Sie dazwischen, wenn ich die Fakten auf den Tisch lege.

Mit 17 Millionen Euro Gewinnrücklage bei einer notwendigen Eigenkapitalquote der GEWOBA von ungefähr 10 Prozent können Sie für fast 200 Millionen Euro neue Wohnungen bauen. Das wäre einmal etwas Konkretes, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Sie angehen sollten.

(Beifall CDU)

Drittens, weil es gerade so schön passt und mir von heute Morgen von dem wunderschönen Video Stream noch in Erinnerung ist! Im März wurde darüber gestritten, wie sich die Dividendenzahlung der Bremer Landesbank gestaltet. Herr Kastendiek hatte das Thema aufgegriffen, und Frau Bürgermeisterin Linnert fühlte sich in ihrer Replik erwischt und hat gesagt, wir sollten nicht Unternehmen schlechtreden. Frau Bürgermeisterin Linnert, der Vorwurf richtet sich überhaupt nicht gegen die Landesbank. Wenn es – auch aufgrund entsprechender europäischer Gesetze und Bankenvorgaben etwa durch die BaFin – notwendig ist, die Eigenkapitalquoten zu erhöhen und gewisse Beträge nicht auszuschütten, frage ich mich allerdings, warum Sie diese Beträge in Ihre Haushalte eingestellt haben, obwohl Sie doch ahnen konnten, dass dieses Geld vermutlich nicht fließen wird.

(Beifall CDU)

Zur Klarheit und Wahrheit eines Haushaltes gehört auch, dass man nicht auf der einen Seite etwas einplant, obwohl man auf der anderen Seite als Aufsichtsratsvorsitzende bereits weiß, liebe Frau Bürgermeisterin, dass das Geld vermutlich nicht kommen wird. Sie müssen sich schon einmal entscheiden, welche Rolle Sie spielen wollen, Frau Bürgermeisterin Linnert!

Vor diesem Hintergrund sind wir, wie ich glaube, heute erst am Beginn dieser Debatte. Der Nachtragshaushalt für dieses Jahr wird uns erreichen, die Haushaltsaufstellungen werden sicherlich munter und interessant werden. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung mit Ihnen.

Ich bin mir aber sicher – und das ist das Wichtige in einer solchen Debatte –, dass wir alle im Endeffekt das Richtige und das Beste für Bremen wollen, damit wir möglichst auch im nächsten Jahrzehnt unsere Selbstständigkeit erhalten können. Lassen Sie uns in diesem Sinne gut politisch streiten. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)