Protocol of the Session on September 24, 2015

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Solche selbstorganisierten Freiluftpartys sind gut für die jungen Menschen und gut für die urbane Kultur. Freiräume für Jugendliche fördern deren Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und ihre Persönlichkeitsentwicklung.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Sie fördern außerdem ein lebendiges urbanes kulturelles Leben, das unsere Stadt vielfältig bereichert.

Spontane, nicht kommerzielle Technopartys unter freiem Himmel mit bis zu mehreren Hundert Teilnehmern sind seit einigen Jahren aus dem subkulturellen Leben Bremens nicht mehr wegzudenken. Die meisten Partykollektive gehen dabei mit den öffentlichen Flächen, auf denen die Partys stattfinden, in einem, wie ich finde, ganz außerordentlich bemerkenswerten Maße verantwortungsvoll um.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Oftmals sind die Flächen am Morgen nach der Party sauberer und aufgeräumter als vor der Party. In aller Regel legen die Feiernden großen Wert darauf, die Anwohner nicht durch allzu laute Musik zu stören, denn sie wollen ja selbst von Lärmbeschwerden und Polizei ungestört feiern.

In den letzten Jahren haben in unserer Stadt unzählige Freiluftpartys stattgefunden, von denen die Behörden überhaupt nichts mitbekommen haben, weil nämlich die genutzten Flächen picobello hinterlassen wurden und es keinerlei Lärmbeschwerden gab. Allein das beweist doch: Auch im kleinräumigen Bremen sind Freiluftpartys möglich, ohne dass sich jemand gestört fühlt.

Mit der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der LINKEN bin ich in vielen Punkten nicht glücklich. In der Antwort auf die Frage vier werden Beispiele für Vermüllung genannt, die ersichtlich nicht auf die subkulturellen Freiluftpartys zurückzuführen sind, über die wir heute reden, sondern auf Grillpartys und Saufgelage.

Auf die Frage zehn wird behauptet, in den Landschaftsschutzgebieten sei laute Musik generell verboten. Das stimmt so pauschal einfach nicht, denn das trifft nur auf einige wenige Landschaftsschutzgebiete in Bremen zu, in denen schutzwürdige Tierarten beheimatet sind.

Auch dass es einen aus lärmschutzrechtlichen Gründen einzuhaltenden Mindestabstand von 500 Metern gebe, ist so nicht richtig. Der Senat verbaut sich hier selbst mögliche Lösungen, indem er fälschlicherweise von viel zu engen rechtlichen Rahmenbedingungen ausgeht.

Interessant ist die Darstellung des Senats zur Vorgehensweise der Polizei. Das hat die Kollegin Strunge schon erwähnt. Jene sei stets darum bemüht, zunächst einen Fortgang der jeweiligen Veranstaltung unter bestimmten Auflagen – zum Beispiel Reduzierung des Lärms – zu gewährleisten. Erst wenn alle diese Maßnahmen keinen Erfolg zeigen und keine anderen, milderen Maßnahmen ersichtlich sind, werde die Veranstaltung als Ultima Ratio aufgelöst. – Schön wäre es! Die Erfahrungen der Partykollektive sind andere. Ich kann den Kollektiven nur raten: Druckt euch diese Seite der Antwort des Senats aus, und haltet sie der Polizei unter die Nase,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

wenn diese wieder einmal eine Party auflösen will, obwohl gar keine Beschwerden und auch keine anderen zwingenden Gründe vorliegen!

Ich finde aber auch, dass wir den Schwarzen Peter nicht einfach der Polizei zuschieben sollten. Wir können nicht Gesetze schreiben, die nicht genehmigte Partys grundsätzlich verbieten, und uns dann über mangelndes Fingerspitzengefühl beschweren, weil

die Polizei die Frechheit besitzt, unsere Gesetze umzusetzen.

Wir als Gesetzgeber sind schuld daran, dass es ein bürokratisches Zuständigkeitswirrwarr für Sondernutzungsgenehmigungen von Freiluftpartys gibt. Für Freiluftpartys an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen ist laut unserem Landesstraßengesetz das Stadtamt zuständig. Für Badestellen an Flüssen und Seen ist in der Regel das Sportamt zuständig, weil es sich um Sportanlagen handelt, wie wir sie im Sportförderungsgesetz definiert haben. Für öffentliche Grünflächen, die gärtnerisch gestaltet sind, muss man sich unserer Meinung nach an den Umweltbetrieb Bremen wenden. Das ergibt sich aus dem Bremischen Gesetz über Naturschutz- und Landschaftspflege. Auf öffentlichen Grünflächen, die nicht gärtnerisch gestaltet sind, kann man interessanterweise auch ohne Sondernutzungserlaubnis Partys veranstalten. Das hilft den Veranstaltern allerdings meist wenig, weil auch die Polizei bei so viel Durcheinander längst den Überblick verloren hat

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

und sie die Veranstalter in so einem Fall einmal an das Stadtamt oder einmal an den Umweltbetrieb Bremen verweist.

Hinzu kommt, dass viele scheinbar öffentliche Flächen in Wirklichkeit Eigentum von Brepark, Immobilien Bremen oder der Wirtschaftsförderung Bremen sind, die auf diesen Flächen Hausrecht haben.

Wer will es den Partykollektiven da verdenken, wenn sie auf der Suche nach einem zuständigen Ansprechpartner irgendwann entnervt aufgeben?

Als Gesetzgeber ist es unsere Aufgabe, hier endlich klare, unbürokratische Regelungen mit einheitlicher Zuständigkeit zu schaffen. Es ist unsere Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Interessen aller Beteiligten zu einem möglichst schonenden Ausgleich bringen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Dabei sollten wir aber nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Zum Beispiel kann es nicht darum gehen, einige wenige Flächen zu identifizieren und als Partyareas auszuweisen. Selbst wenn es dieses Mal besser geeignete Flächen werden würden, würde das dazu führen, dass die dort stattfindenden Partys nicht mehr nur von den eingeladenen Gästen frequentiert werden, sondern auch von Laufpublikum, das sonst in den Diskotheken und Clubs der Stadt verkehrt. Das liegt weder im Interesse der Partykollektive, die eine familiäre Atmosphäre auf ihren Partys erhalten wollen, noch im Interesse der Diskotheken- und Clubbesitzer, die natürlich keine zahlenden Gäste verlieren wollen; auch deren Interessen sollten wir bedenken.

Wir Grüne sind fest entschlossen, rechtzeitig zum kommenden Sommer auch unter Beteiligung der Beiräte eine funktionierende Lösung zu finden. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als ich die Antwort des Senats auf die Große Anfrage gelesen habe, hatte ich nicht den Eindruck, dass so viel Zoff dahintersteckt, wie mir hier heute in der Parlamentsdebatte dargeboten wird.

Offenbar sind die Flächen, die bisher ausgewiesen worden sind, nicht hinreichend genutzt worden. Sie haben also keine Akzeptanz gefunden. Man kann sich Gedanken darüber machen, ob es andere Flächen sein müssten, die vielleicht mehr Akzeptanz finden.

Auch ist mir deutlich geworden, dass es um einen Ausgleich zwischen der Belästigung der Anwohner – das hat nichts mit 500 Metern zu tun; Belästigung liegt dann vor, wenn man die Immission bemerkt –, dem Naturschutz und der Gefahr der Vermüllung geht. Das sind die drei Knackpunkte, die beachtet werden müssen.

Das Genehmigungsverfahren gibt es noch. Jetzt damit aufzuhören, halte ich für voreilig. Wir als Freie Demokraten, als Liberale begrüßen natürlich auch im Rahmen einer Stadtkultur Spontaneität, dass etwas selber organisiert wird, die Möglichkeit, zu feiern, und das Bestreben, nach Möglichkeit den Bürgerinnen und Bürgern und den Jugendlichen nicht unnötige bürokratische Hemmnisse in den Weg zu legen.

(Beifall FDP)

Deswegen finde ich den Vorschlag richtig – hier ist sehr differenziert von den einzelnen Rednern zu den verschiedensten Aspekten vorgetragen worden –, dass wir uns das Thema in der Innendeputation noch einmal etwas genauer vornehmen. Das Winterhalbjahr liegt vor uns. Es ist Zeit genug, bis zum Frühjahr eine angemessene Lösung zu finden. Wenn sich darlegen und verifizieren lässt, dass man ohne ein bürokratisches Genehmigungsverfahren, eventuell mit geringeren Auflagen oder mit der Möglichkeit, die Personen, die federführend diese Partys organisieren, in die persönliche Haftung zu nehmen, hinkäme, dann könnte ich mir vorstellen, dass ein Ausgleich zwischen der Belästigung der Allgemeinheit und einzelner Bürger, dem Naturschutz und der Gefahr der Vermüllung geschaffen wird. Wenn dies gelingt, sollten wir mehr Freiräume geben. Ich bin auf diese Debatte gespannt. Wir als Liberale werden uns daran intensiv beteiligen. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Strunge.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Ausführungen der Abgeordneten der CDU und der FDP haben mir noch einmal klar gemacht, dass ein Bild von Freiluftpartys vorherrscht, das einfach nicht der Realität entspricht.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Wie es auch schon die Kollegen von SPD und den Grünen gesagt haben: Am nächsten Tag sieht die Fläche oft sauberer aus als vorher. Das Problem, das wir hier ansprechen, ist vor allem der Punkt, dass Partys aufgelöst werden, obwohl keine Lärmbeschwerden vorliegen.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich war mit dabei und weiß, wovon ich spreche. Ich weiß auch, dass die Polizei da nicht mit sich reden lässt. Ich finde den Punkt von Herrn Zicht richtig, dass man die Polizei nicht allein im Regen stehen lassen darf, sondern deutlich machen muss, wie die Regelungen sind. Mich interessiert aber auch, ob es eine Veränderung im Ressort gab, denn wie Herr Senkal gesagt hat, vor ein paar Jahren gab es eine komplett andere Praxis. Vor ein paar Jahren konnten Partys stattfinden. Wenn es eine Lärmbeschwerde gab oder die Polizei das mitbekommen hat, ist sie dorthin gefahren, hat kurz mit den Leuten geschnackt und gesagt: Ist ja alles cool hier, macht das morgen wieder sauber, und dann ist die Welt wieder in Ordnung. Jetzt ist es so, dass fast alle Partys – und deswegen glaube ich leider auch nicht, dass das, was in der Antwort vom Senat steht, so zutrifft – aufgelöst werden, es also gar keine Möglichkeiten mehr gibt, egal wie weit entfernt man ist, egal wie leise die Musik ist, egal, wie viele Mülltüten man aufgestellt hat –, dieser Form von Kultur nachzukommen. Genau aus diesem Grund möchte ich das Bild über das,worüber wir hier eigentlich sprechen, geraderücken und die Besonderheiten von Freiluftpartys darlegen.

Erstens: Sie sind spontan. Deswegen passen sie nicht in ein Korsett eines aufwendigen Genehmigungsverfahrens.

Zweitens: Sie leben davon, selbst entscheiden zu können, wer von diesen Partys erfährt. Deshalb passen sie auch nicht in das Konzept von ausgewählten Flächen, was ausprobiert worden ist, denn wenn alle Welt weiß, wo die Partys stattfinden, wird es nicht lange dauern, bis es im nächsten „Lonely Planet“ steht, und dann haben die Veranstalter überhaupt keinen Einfluss mehr darauf, wer mit ihnen gemeinsam feiert und wie viele es werden.

(Präsident Weber übernimmt wieder den Vorsitz.)

Gerade der ausgewählte Kreis von Leuten macht die Partys zu dem, was sie sind, denn hier gibt es einen Grundkonsens des gegenseitigen Respekts. Viele Partykollektive schreiben sich explizit auf die Fahnen, dass sie keinen Bock auf Rassismus, Sexismus und Homophobie haben. Hier kann Frau auch tanzen, ohne angetatscht zu werden.

(Abg. Senkal [SPD]: Mann auch!)

Das ist eine Selbstverständlichkeit, die in kommerziellen Clubs jedoch oft zur Ausnahme wird.

Drittens: Diese Partys sind unkommerziell. Es geht nicht darum, Geld zu machen. Deshalb werden diese 300 Euro Kaution und Verwaltungsgebühr zu einem Problem. Es geht darum, sich einen eigenen Freiraum des Wohlfühlens zu schaffen. Man kann das Ganze auch als das begreifen, was es wirklich ist, als ehrenamtliches Engagement. Da engagieren sich junge Leute und stellen für andere etwas auf die Beine, einfach deshalb, weil sie Lust dazu haben. Genau diese Leute sind es, die vor einigen Wochen maßgeblich das Refugees – Welcome – Fest in Pusdorf mitorganisiert haben.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde, es gibt kaum ein besseres Beispiel, das zeigt, wie viel Potenzial dahintersteckt, wenn Leute unentgeltlich etwas auf die Beine stellen. Dieses Engagement sollten wir nicht kriminalisieren und verurteilen, sondern schützen.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

In der Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE betont der Senat mehrmals, dass Freiluftpartys grundsätzlich wünschenswert seien und dass man einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen ermöglichen wolle. Herr Senkal hat auch noch einmal hervorgehoben, dass man hier Lösungen finden möchte.