Protocol of the Session on September 20, 2017

Frau Vogt ist mit einem Zwischenruf darauf eingegangen. Warum ist er denn erhöht worden? Meine Damen und Herren, es sind Tarifsteigerungen vorhanden gewesen. Das muss man dann auch einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Ich habe mich deshalb noch einmal gemeldet, weil ich mich wirklich darüber geärgert habe, dass Sie mir vorwerfen, dass ich den Bereich Kinderarmut bagatellisieren würde. Ich glaube, das habe ich nicht gemacht. Die Kinderarmut ist ein Riesenproblem, und das habe ich ausführlich dargelegt.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Durchschieben zum Bund ist das Einzige, was dabei heraus- gekommen ist!)

Ich habe gesagt, diese soziale Unwucht ist nicht nur in unserem Land vorhanden, sondern in der gesamten Bundesrepublik. Schauen Sie sich einfach einmal „Die Zeit“, den „Spiegel“ oder die „Frankfurter Allgemeine“ an, alle titeln, dass die Kinderarmut in Deutschland wachse. Dazu habe ich gesagt, dass es ein bremisches Problem - gerade auch in Bremerhaven, das wissen wir -, aber das es auch ein bundesweites Problem sei.

In Ostdeutschland ist jedes vierte Kind von der Kinderarmut betroffen. Deutschlandweit liegt die Kinderarmut bei 19 Prozent.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Was?)

Aus der „Frankfurter Allgemeinen“ können Sie entnehmen, dass 2,7 Millionen der unter 18Jährigen als armutsgefährdet gelten. Ich habe mir jetzt noch einmal den Bericht der Bertelsmann-Stiftung angeschaut - Herr Röwekamp, ich glaube, aus diesem Bericht haben auch Sie Ihre Zahlen entnommen -,

(Abg. Röwekamp [CDU]: Ja!)

Landtag

3778 49. Sitzung/20.09.17

und in dem Bericht steht, dass die Kinderarmut in Deutschland bundesweit mit regionalen Unterschieden wachse.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Genau!)

In neun von 16 Bundesländern leben im Vergleich zu 2011 mehr Kinder in Armut. Sie haben jetzt Bayern und Baden-Württemberg herangezogen. Auf diese beiden Länder trifft diese Aussage nicht zu,

(Abg. Röwekamp [CDU]: Doch! Dort hat sie auch zugenommen!)

aber Bremen gehört natürlich zu den Ländern, die einen Zuwachs haben, dies gilt auch für das CDU-regierte Saarland.

Es ist - und das ergibt sich aus dem Bericht der Bertelsmann-Stiftung - ein Großstadtproblem. In den Großstädten wächst die Kinderarmut prozentual am schnellsten. Zu den Großstädten gehören Bremerhaven, aber auch Essen, Berlin, Offenbach sowie Gelsenkirchen.

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Das macht es doch nicht besser!)

Diese Liste kann man noch endlos fortführen. Sie macht das Problem zwar nicht besser, aber ich verwahre mich davor, Herr Rupp, dass Herr Röwekamp mir vorwirft, ich würde die Situation bagatellisieren, weil ich darauf hingewiesen habe, dass die Kinderarmut auch ein bundesweites Problem sei und dass sich der Bund nicht aus der Verantwortung stehlen könne.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Anders als das Land?)

Ich habe, Herr Röwekamp, gesagt, wenn wir darüber nachdenken, wie wir gerade auch die Situation der Kinder verbessern können, dass wir als Grüne darauf eine Antwort finden. Die Antwort ist nämlich das Familienbudget, damit alle Kinder die gleichen Chancen haben und alle Kinder finanziell ordnungsgemäß ausgestattet sind.

Die Gründe, warum es zur Armut kommt, sind ja noch einmal genannt worden. Es handelt sich um Alleinerziehende, und ihre Zahl steigt. Frauen verdienen nach wie vor weniger als Männer. Der Begriff working pur ist nicht in Bremen erfunden worden, sondern er gilt bundesweit. Es mag sein, dass sich die Arbeitslosigkeit auf einem Rekordtief befindet, wenn man sich aber anschaut, welchen Lohn inzwischen viele Menschen erhalten, dann ist das

deutlich weniger, und davon können die Menschen nicht leben.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Herr Röwekamp, darauf muss doch bundesweit eine Antwort gefunden werden! Die Bürgerversicherung ist unsere Antwort darauf, und wenn es um Altersarmut geht, dann eine Garantierente. Herr Röwekamp, das habe ich gesagt!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Eine Bundesregierung, an der die CDU beteiligt ist, kann sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen, sondern sie muss Antworten auf diese Probleme finden, weil es nämlich bundesweite Problem sind, die auch Bremen betreffen. Wir können diese Probleme in Bremen nicht allein lösen,

(Abg. Röwekamp [CDU]: Ein bisschen viel- leicht! - Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Vielleicht könnten Sie es einmal als Problem anneh- men!)

deswegen erwarte ich schon von der CDU, Herr Röwekamp, dass auch Sie sich daran beteiligen, bundesweite Lösungen zu finden, damit den Menschen auch vor Ort geholfen werden kann. - Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Röwekamp, die Chuzpe, mit der Sie hier unterwegs sind, möchte ich einmal haben. Sich hier hinzustellen und zu sagen: Ich will das alles ganz anders, aber ich sage niemandem, wie ich das machen will, aber ihr könnt mich ja gern wählen, sozusagen diese Theorie vor Bürgerschaftswahlen als Schrottwichtel, finde ich derart exotisch, dass ich ganz ehrlich sagen muss, das schlägt dem Fass den Boden aus,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

zumal Sie an der Stelle ja ein Wiederholungstäter sind. Sie haben zwar noch nie angekündigt, dass Sie wieder mitregieren wollen, aber Sie haben zu den letzten sechs Haushalten wiederholt gesagt, der Haushalt, der vorgelegt worden ist, sei strukturell so mangelhaft, dass man sich damit überhaupt nicht auseinandersetzen könne.

3779 49. Sitzung/20.09.17

Herr Leidreiter, ich finde, man kann auch ohne großen Verwaltungsapparat Änderungsanträge zum Haushalt stellen.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Die Sie auch ohne großen Aufwand ablehnen können!)

Das sei einmal dahingestellt, aber wir haben eine Fraktion, die sehr ausführlich Änderungsanträge stellt! Zu den letzten Haushaltsberatungen hat es auch eine Fraktion gegeben, die sehr ausführlich Änderungsanträge gestellt hat, und wir haben eine Fraktion, die sich schlicht und ergreifend nicht der Mühe unterziehen will, und das ist die CDU. Mensch, Kollege Röwekamp, nur einmal eine Alternative anbieten, was man anders machen möchte, das würde uns alle in diesem Hause froh stimmen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Wir sind nicht dazu da, uns froh zu machen!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Das würden Sie auch ablehnen, ja! Sie würden alles ablehnen! Sie haben alle Anträge der LINKEN abgelehnt, alle Anträge der FDP abgelehnt!)

Es gibt aber wenigstens einmal eine Vorstellung davon, was sie wollen!

Ich möchte noch einmal auf einen Bereich zurückkommen, der mir wichtig ist - er ist auch von Ihnen angesprochen worden -, nämlich auf das Thema Armut. Wir diskutieren es hier relativ häufig. Diesem Thema liegt die Vorstellungswelt zu Grunde, dass es in Bremen irgendeine Möglichkeit gäbe, Sozialtransferbezieher, die deshalb Transferleistungen beziehen, weil sie arm sind, plötzlich derartig mit einem sozialen Transferbezug zu bereichern, dass sie keine Sozialleistungstransferbezieher mehr sind. Das halte ich für kompletten Unsinn. Die Antwort auf Armut kann nur

(Abg. Röwekamp [CDU]: Arbeit sein!)

die sein, dass wir versuchen, die Leute in Arbeit und noch einmal in Arbeit zu bringen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen - Zurufe CDU - Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Aber warum haben wir mehr als andere? Das glaube ich nicht!)

Das geht nur mit wirtschaftlicher Prosperität, sofern sie leistungsfähig sind.

Wir müssen dann zur Kenntnis nehmen, dass die gesellschaftliche Realität so ist, dass in Bremen und Bremerhaven Menschen leben,

die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht bestehen können. Für diese Menschen benötigen wir besondere Programme. Wer gerade in diesen Haushalt schaut, der stellt fest, dass mit dem Programm LAZLO genau diese Brücke gebaut wird.

Damit haben Sie zumindest die klare Antwort der Sozialdemokratie - und ich weiß, dass sie von den Grünen mitgetragen wird -: Menschen in Arbeit zu bringen, ist das beste Programm gegen Armut. Sie haben mich nach einer Antwort gefragt, das ist sie! - Danke!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)