Protocol of the Session on September 20, 2017

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben den Ansatz einer fraktionsübergreifende Initiative zum Thema Start-ups gern aufgegriffen. Dafür auch von unserer Seite einen herzlichen Dank an den Kollegen Kottisch.

Diese Initiative greift die Diskussionen der letzten Jahre mit auf. Wenn in der Wirtschaftsdeputation diese Fragestellungen im wiederkehrenden Rhythmus vonseiten des Ressorts oder der Koalition aufgegriffen wurden, wurde nämlich immer gefragt: Was habt ihr denn? Es ist doch alles in Ordnung! Wo ist das große Problem an dieser Stelle?

Ich glaube, fraktionsübergreifend besteht die Erkenntnis, dass mehr getan werden muss und dass wir erheblich mehr Gas geben müssen, um Bremen für Start-ups und Gründer attraktiver zu machen, ohne die Ansätze und die Initiativen, die es schon gibt, negieren oder schlechtreden zu wollen. Das wird ja immer sofort reflexartig gesagt, wenn man den Finger erhebt. Es muss einfach mehr gemacht werden. Wenn man sich die Indikatoren anschaut, gibt es schon gewisse Zusammenhänge, die darauf hinweisen, dass nicht alles optimal ist.

Die erste Aussage lautet also, dass wir uns als CDU-Fraktion mit dem Ansatz in unserer grundsätzlichen Haltung, dass in diesem Bereich mehr gemacht werden muss, mehr als bestätigt sehen.

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist der weitergehende Antrag zum Thema Innovationspolitik, den Frau Steiner eben schon angesprochen hat. Leider hat der Kollege Kottisch noch nicht sagen können, wie sich die Koalition zu dem Antrag einlassen wird. Da er von uns gekommen ist, vermute ich, dass er reflexartig abgelehnt werden wird. Aber ich glaube, das wäre zu kurz gedacht. Wenn man sich die Studie des Hamburger WeltWirtschaftsInstituts aus dem Jahr 2015 anschaut, die auf Initiative der Handelskammer entwickelt worden und mit „Impulse für die Innovationspolitik im Land Bremen“ überschrieben ist, gibt es hier einen sehr starken Handlungsbedarf. Hier schließt sich auch der Kreis, auf der einen Seite die Gründerszene zu verstärken

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und auf der anderen Seite den programmatischen und inhaltlichen Background dieses Politikfeldes deutlich zu machen und weiter zu fördern.

Vor diesem Hintergrund hat mich das Interview des Staatsrats, welches wir heute im „WeserKurier“ lesen konnten, ein bisschen überrascht. In den letzten zwei Jahren war er offensichtlich auf einer verkehrten Veranstaltung. Wenn man das ein ironisch formulieren wollte, könnte man sagen, dass politische Trittbettfahrerei praktiziert wurde. Aber das werde ich in diesem Zusammenhang natürlich nicht tun.

Nach den „Impulsen für die Innovationspolitik im Land Bremen“ - ich möchte das jetzt nicht im Einzelnen vorlesen, weil ich sonst eine verlängerte Redezeit bräuchte - müssen die offensichtlichen Schwächen des bremischen Innovationssystems erkannt werden, müssen Einseitigkeiten überwunden werden und muss systemisch gedacht werden, müssen Innovationsdialoge eingerichtet und Kooperationen gefördert werden, muss ein umfassendes Konzept entwickelt werden. Auch müssen Stärken in neuen Bereichen hervorgebracht werden. Das ist einer der wesentlichen Punkte. Die Themenfelder, die als Cluster, als Innovationsfelder, identifiziert worden sind, sind vor 10 bis 15 Jahren identifiziert worden. Da fehlt die Erneuerung, da fehlt das Update.

Der öffentlich-private Innovationsfonds geht in Richtung der Frage, die Herr Kollege Kottisch in dem Antrag der Fraktionen aufgeworfen hat. Auch die Themen der Scharnierbranchen und der Weiterentwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft sind in dem gemeinsamen Antrag aufgeführt.

Das zeigt, dass wir weiterdenken müssen und dass es erhebliche Handlungsbedarfe gibt. Deswegen hoffe ich - die Hoffnung stirbt zuletzt, das habe ich schon das eine oder andere Mal kennenlernen dürfen und müssen -, dass dem zugestimmt wird. Aber ich vermute, dass sich die Koalition an dieser Stelle wieder zurückhalten wird nach dem Motto: So schlimm ist das alles gar nicht! Das machen wir alles schon! Das sind ja die normalen Stichworte, Herr Bücking. Ist Ihr Redebeitrag, den Sie gleich halten werden, so?

(Abg. Bücking [Bündnis 90/Die Grünen]: Ge- nau!)

Das ist klar. Ich bin aber optimistisch, dass Sie beim Thema Start-ups irgendwann so einsichtig sind wie beim Thema Innovation, dass wir uns spätestens in zwei Jahren hier wiedersehen und Sie uns mit einem Antrag beglücken

werden, den wir dann natürlich mit großer Freude und Hoffnung wieder gemeinsam unterschreiben werden. Wenn dies das Ergebnis eines solchen Ansatzes ist, dann gern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit verlieren wir aber leider Zeit. Das ist das Ärgerliche dabei. - Herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bücking.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich ist alles prima, was wir machen. Wir sehen keinen Anlass, den Vorstoß von Herrn Kastendiek aufzugreifen. In der Tat glaube ich aber, dass es eine kluge Idee ist, diese beiden Themen, Innovation und Förderung der Startups, in einem Atemzug zu diskutieren. Die Themen hängen sehr eng zusammen. Das wird jeder bestätigen können, der sich genauer damit beschäftigt.

Wir schreiben in dem Antrag, der auf die Koalition zurückgeht, dass die Start-ups wissensbasierte Geschäftsideen verfolgen. Diese wissensbasierten Geschäftsideen sind oft sozusagen an der Kante der bisher entwickelten Vorgänge und wirklich etwas Neues, ein Schritt in Richtung Zukunft mit neuer technologischer Basis, einer neuen Geschäftsidee und einem neuen Anwendungsfall von technischem und wirtschaftlichem Wissen. Das hängt in der Tat ganz eng mit der Innovationsfähigkeit der Stadt zusammen. Dies ist offenkundig.

Aber der Reihenfolge nach! Ich glaube, wir sind in Bezug auf das Gründungsgeschehen in der Stadt eher noch schwach. Wir sind nicht auf dem Niveau, das man sich für eine Stadt wie Bremen wünschen muss, insbesondere deswegen, weil die Aufgaben so groß sind. Wenn man sich die Bremer Wirtschaftsstruktur anschaut, sind wir in einer Situation, in der wir eine exquisite Wissenschaftslandschaft haben, in die enorm viel öffentliches Geld fließt und die sich in letzter Zeit ausgezeichnet weiterentwickelt hat. Das geschah im Übrigen durchaus auf der Grundlage von Impulsen, die die Große Koalition gegeben hat, die aber, wie man weiß, seit Langem nicht mehr regiert, sodass wir einen großen Teil der Verdienste uns zuschreiben. Trotzdem ist das eine gemeinsame Anstrengung der Bremer Politik über einen langen Zeitraum gewesen, und es ist eine sehr wertvolle Anstrengung gewesen.

Diese große staatliche Leistung hat in der Wirtschaft der Stadt eine noch zu geringe Wir

Landtag

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kung. Wenn Sie genau hinschauen, müssen Sie das bestätigen. Rund um unseren Spitzentechnologiebereich im Wesentlichen in der Raum- und Luftfahrt ist es in hohem Maße der Fall, dass Forschungs- und Entwicklungsleistungen erbracht werden, mit allen Konsequenzen Ingenieure eingestellt und Innovationen erzeugt werden. Aber schon bei der Hochtechnologie – das ist das, was man dem Fahrzeug- und Maschinenbau zuordnet - ist das keineswegs der Fall. Das erklärt die Zahlen.

Wenn Sie genauer in die beiden Gutachten hineinschauen, die unserer Debatte unter anderem zugrunde liegen, werden Sie das bestätigt finden. Bisher erzeugt die wissenschaftliche Exzellenz der Universitäten eine noch zu geringe Wirkung in der Erneuerung der wirtschaftlichen Basis der Stadt. Das müssen wir dringend genau anschauen und ändern.

An der Kante dieser großen Wissenschaftsinstitutionen geht es so zu, dass die Absolventen der Hochschulen, der Technischen Hochschulen, der MINT-Fächer, im großen Stil in der Bremer Industrie unterkommen. Das ist die erste, auf die Ausbildung der Fachkräfte bezogene Wirkung dieses Wissenschaftsbereichs. Das Zweite sind die Ausgründungen. Das Dritte sind die selbstständigen Gründungen der Absolventen. Auf diesem Gebiet sind wir vergleichsweise immer noch schwach.

Mit dem Antrag, der die Entwicklung der Startups fördern soll, versuchen wir, im kleinen Maßstab das zu organisieren, was wir jetzt dazu beitragen können, zum Beispiel eine Adresse, an der man alles findet - das STARTHaus -, die Konzentration von Mitteln und die Beratung, die den Gründern zur Verfügung gestellt werden, und die Vernetzung mit den Wissenschaftsinstitutionen und der hiesigen Wirtschaft. Das scheint mir insgesamt eine kluge Idee zu sein. Ich hoffe sehr, dass das klappt.

Ich finde aber, ein weiterer Gedanke muss unbedingt ausgesprochen werden. Es gibt nicht einfach nur einen Mangel den Strukturen, die wir immer neu nachjustieren müssen, sondern es geht auch um die Fragen, ob sich genug Unternehmerinnen und Unternehmer in dieser Stadt finden, ob sich neue Unternehmen bilden, ob es für junge Leute attraktiv ist, sich zu entscheiden, als Selbstständige oder als Selbstständiger etwas zu riskieren. Ich glaube, das ist ein Teil des Problems. Wir haben zu wenige von diesem Typus Mensch in dieser Stadt. Wir sollten uns fragen, ob wir mit der Art und Weise, wie wir diese Stadt politisch repräsentieren - damit meine ich Opposition und Regierungskoalition -, immer alles tun,

was notwendig ist, um das hervorzubringen. Deswegen finde ich es gut, dass es gelungen ist, einen Start-up-Antrag aller Fraktionen dieses Hauses einzubringen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Er lädt uns ein, ein bisschen strammer darüber nachzudenken, was wir dazu beitragen können. Ich finde den schrillen Ton von Frau Steiner nicht immer gut, aber dass sie sich sozusagen als selbstbewusste Unternehmerin in die Debatte einbringt, finde ich absolut sinnvoll. Es wäre mir lieb, wenn es noch ein paar mehr täten.

Darüber hinaus möchte ich sagen, dass Innovation, also die Erneuerung der technischen, wissenschaftlichen und kulturellen Basis der Wirtschaft, einen Prozess darstellt, der in der Richtung umkämpft ist. Wir haben gerade die Debatte über Diesel, Elektromobilität und die Frage, wie wir unsere Mobilität organisieren, geführt. Daran konnte man das gut sehen. Innovation ist zunächst einmal eine enorme Suchbewegung der Gesellschaft als Ganzes, aber natürlich nicht interessensfrei.

(Glocke)

Da sind mächtige Unternehmen und LobbyOrganisationen unterwegs, die dem eine bestimmte Richtung geben.

(Glocke)

Es ist durchaus notwendig, dass man verantwortet, welche Richtung die Sache nehmen soll.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Gerade weil es so schwer ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir eine Zukunft finden, die das Leben auf diesem Planeten organisiert, auf dem mehr als sieben Milliarden Menschen satt werden müssen,

(Abg. Frau Neumeyer [CDU]: Klingeling!)

ist es notwendig, dass wir die Atmosphäre so halten, dass wir am Schluss noch atmen können und uns nicht in einen Backofen sperren. Deshalb ist Innovation der Schlüssel für die Zukunft der Menschheit. Die Grenzenlosigkeit des menschlichen Erfindergeistes ist eine Basis dafür, dass es einen Ausweg gibt. Dieser muss aber eine Richtung haben.

Lassen Sie uns in diesem Sinne viel an der richtigen Stelle gründen. - Vielen Dank!

Landtag

3813 49. Sitzung/20.09.17

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einen Antrag, der die Gründerszene in Bremen beleben will, der von allen Fraktionen getragen wird, und einen Antrag von der CDU und der FDP, der die Innovationsfähigkeit in der bremischen Wirtschaft und in Forschung und Entwicklung verbessern will.

Wir haben uns dem gemeinsamen Antrag angeschlossen, weil wir natürlich sehen, dass es in diesem Bereich der Gründerinnen und Gründer derzeit nicht besonders gut aussieht. Interessanterweise fängt es damit an, dass wir gar nicht genau wissen, warum die Entwicklung hier eigentlich zurückgegangen ist.

Wir wissen, dass es in Zeiten, in denen die wirtschaftliche Lage und damit die Lage am Arbeitsmarkt nicht so gut waren, ganz viele Notgründungen gab, mit denen Leute versucht haben, in irgendeiner Weise ein kleineres Unternehmen aufzumachen, um sich über Wasser zu halten. Wir wissen auch, dass die Rate derjenigen, die gescheitert sind, relativ hoch war. Wir wissen das aber nicht genau und kennen auch nicht den Vergleichszeitraum und die Vergleichsbasis. Von daher ist mit am wichtigsten, dass wir das Monitoring, die Beobachtungen der Entwicklungen und Trends in dieser Szene, verbessern, sodass wir auch beurteilen können, ob es besser oder schlechter wird, und das nicht nur vermuten können.

Dass es richtig ist, beide Themen gleichzeitig zu diskutieren, stimmt meines Erachtens nur zum Teil. Es gibt sicherlich eine Schnittmenge zwischen Existenzgründung und Innovation, insbesondere dann, wenn Existenzgründerinnen und Existenzgründer innovative Firmen gründen. Aber es gibt natürlich auch Innovationen, Forschungen und Entwicklungen in Betrieben, die schon existieren. Das steht auch in dem Antrag. Deswegen ist es nicht das Gleiche.