Protocol of the Session on August 24, 2017

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die CDU gestellt hatte, durchaus hilfreicher und weitreichender.

(Beifall DIE LINKE, CDU - Abg. Röwekamp [CDU]: Wir haben euch auch lieb! - Abg. Senkal [SPD]: Da läuft etwas! - Zuruf Abg. Fecker [Bünd- nis 90/Die Grünen])

Es geht in der Anfrage im Wesentlichen - ich werde das auch gleich begründen, Herr Kollege Fecker! - um Straftaten von Mitgliedern bestimmter Familienclans, um den verbotenen Rockerklub Mongols MC und verschiedene Fragen zur JVA, also zur Justizvollzugsanstalt. Die Aussagekraft der vorliegenden Antworten ist meiner Meinung nach gering.

Ich frage mich zum Beispiel, was uns eine Auflistung aller Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in Bremen bringt, also auch zum Besitz und Erwerb von Cannabis. Das sind riesige Dateien, aber wie wir wissen, hat das überhaupt nichts mit Clankriminalität oder Rockerkriminalität zu tun. Ein Zusammenhang lässt sich aus dem Zahlenwerk auch überhaupt nicht belegen. Wenn man sich einmal andere Anfragen ansieht, zum Beispiel die, die wir dazu gestellt haben, dann sieht man durchaus, dass diese Fragen, zumindest auch im Hinblick auf Besitz und Erwerb, ganz andere Leute in Bremen betreffen.

Dasselbe gilt übrigens auch für die gestellten Fragen, wie viele verbotene Handys in der Justizvollzugsanstalt gefunden oder wie oft in der Justizvollzugsanstalt Drogen sichergestellt wurden. Nun wissen wir nicht nur aus dem entsprechenden Ausschuss, sondern auch aus diversen Medienberichten, dass Handys und Drogen in der Justizvollzugsanstalt relativ häufig sichergestellt werden und dies mitnichten nur etwas mit Familienclans zu tun hat. Ich frage mich generell, warum man dann so eine unbestimmte Frage in so eine Anfrage schreibt, es bleibt nämlich auch völlig unklar, weil an keiner Stelle erklärt wird, inwiefern bestimmte Personengruppen für diese sichergestellten Gegenstände verantwortlich sein sollen.

An einer anderen Stelle erklärt der Senat, und zwar auf eine Frage zum internationalen Trickbetrug, dass Mitglieder einer bestimmten Familie zwar mutmaßlich beteiligt waren, das stand allerdings auch so in der Zeitung und hilft uns für die Debatte heute überhaupt nicht weiter, weil nämlich neben den Mitgliedern einer bestimmten Familie mutmaßlich auch andere Personen mutmaßlich beteiligt waren, die mit den Großfamilien überhaupt nichts zu tun haben. Wenn man sich das Ganze anschauen und Fragen stellen will, wie wir in Sachen Trickbetrug weiterkommen, wäre diese Anfrage dazu nicht geeignet, sondern

eben eher eine dezidierte Diskussion in den entsprechenden Gremien.

Richtig ist allerdings, es gibt problematische Strukturen in Bremen, hier gab es auch vonseiten der Behörden über Jahrzehnte unterschiedliche Anstrengungen, aber keine besonderen Anstrengungen im Sinne von präventiven Ansätzen. Dazu fragt die FDP zum Beispiel nicht. Das hat die CDU in der Vergangenheit zum Beispiel besser gemacht, sie hat durchaus einmal nach Kettenduldungen im Aufenthaltsrecht gefragt und auch einmal die Frage aufgeworfen, ob der Personenkreis regulär arbeiten darf. Zu diesen Aspekten enthält die Anfrage leider gar nichts, aber wenn man Kriminalität tatsächlich bekämpfen will, muss man sich auch diese Bereiche ansehen. Das finde ich sehr schade, insofern möchte ich es auch bei meinem Redebeitrag belassen. Diese Anfrage war nicht zielführend, und diese Diskussion bringt uns auch nicht weiter. - Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der FDP schlägt einen ziemlich großen Bogen - um das jetzt zurückhaltend zu formulieren - von Familienclans über die Probleme im Bereich Trickbetrug bis hin zu allgemeinen Fragen zur Situation in der Justizvollzugsanstalt. In meinem Redebeitrag werde ich mich auf den Bereich der Familienclans konzentrieren.

Es ist vollkommen richtig und überhaupt nicht von der Hand zu weisen, dass es auch in dieser Stadt kriminelle Familienclans gibt, die Bestandteil der organisierten Kriminalität sind. Das ist hinlänglich bekannt, und die Entwicklung in diesem Bereich kann auch weiterhin nicht zufriedenstellen. Diese Personen betätigen sich in der Türsteherszene, im Drogenhandel und in vielen weiteren Bereichen, in denen wir organisierte Kriminalität finden.

Die Polizei Bremen hat darauf, wie wir finden, gut reagiert, indem sie nämlich nicht die verschiedenen Deliktfelder, wie beispielsweise Drogenkriminalität und Betrugsfälle, getrennt voneinander bearbeitet, sondern versucht, die vernetzende Aufgabe dieser gesamten Strukturen herauszuarbeiten. Sie hat deshalb die Informationssammelstelle ethnische Clans gegründet. Im Jahr 2011 haben CDU, SPD und Grüne in einem gemeinsamen Antrag - und das will ich an dieser Stelle hervorheben - noch einmal deutlich die Polizei in ihrer Arbeit bestärkt, dass dieses Vorgehen richtig

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gewesen ist, wie insgesamt der Austausch der Sicherheitsbehörden an der Stelle richtig ist.

Ein Aspekt, der mir in der Debatte immer zu kurz kommt, ist natürlich die Frage nach den vorhandenen länderübergreifenden Konstellationen. Es ist nämlich nicht nur Bremen, das sich mit dieser Problematik beschäftigt, sondern sie beschäftigt auch andere große Städte, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen oder auch Berlin.

Das Führen der Verfahrensstatistiken hat mich ein wenig gewundert. Vielleicht können Sie gleich, Herr Staatsrat Schulz, dazu noch kurz Stellung nehmen, weil man beim Lesen der Antwort des Senats ein wenig den Eindruck gewinnen konnte, dass die dezidierte Auswertung, die es durchaus bei der Polizei gibt, im Justizbereich so nicht fortgeführt wird. Das kann ja Gründe haben. Sofern es möglich ist, das zu erläutern, wäre es, glaube ich, sehr hilfreich, ansonsten müsste man sich mit der Frage vielleicht noch einmal im Rechtsausschuss weitergehend beschäftigen.

Es ist die Frage der Verurteilungsquoten angesprochen worden. Das ist eine Sache, die man immer gut und gern erst einmal hineinwerfen kann, aber auch dort schaut man am Ende natürlich immer auf den Einzelfall. Wenn es zu keiner Verurteilung kommt oder wenn nicht in der erwarteten Höhe geurteilt wird, dann gibt es dafür mindestens zwei Möglichkeiten. Die eine ist, dass die Ermittlungsergebnisse aus Sicht der Justiz nicht ausreichen.

Diese Diskussion führen wir immer im Doppelspiel, und zwar zum einen in der Innendeputation, dort trägt die Polizei vor, und zum anderen im Rechtsausschuss, dort ist die Justiz Vortragende. Es stellen sich immer die Fragen: Was hat die Polizei richtig ermittelt, und was reicht der Justiz nicht? Wenn das dann aber richtig ist, dann ist es die Frage der Unabhängigkeit der Justiz und der Gerichte in diesem Land. Wenn es aber Veränderungen in der Strafzumessung geben soll, dann ist es die Aufgabe des Bundesgesetzgebers, im Strafgesetzbuch entsprechend zu agieren.

Aus grüner Sicht gibt es drei Essentials, die jetzt abzuarbeiten sind. Das eine ist, die Situation bei der ISTEC zu verbessern. Wir müssen nicht darum herumreden, dass auch dort die Personalsituation zugeschlagen hat. Ich glaube, dass wir mit den Aufstockungen bei der Polizei auch die personelle Situation bei der ISTEC verbessern müssen.

Das Zweite ist die Zusammenarbeit der Ressorts. Eine entsprechende Frage, Frau Steiner, hätte ich wiederum in Ihrer Großen Anfrage als spannend empfunden.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Sie können doch alle Fragen stellen! Es ist doch nicht verboten, weitere Fragen zu stellen!)

Vielleicht setzen wir uns einfach alle einmal zusammen und überlegen uns eine gemeinsame Große Anfrage! Die Zusammenarbeit der Ressorts beschränkt sich nicht nur auf die Ressorts Inneres und Justiz, sondern es sind auch andere Ressort tangiert, beispielhaft sind das Finanzenressort, Stichwort Steuerpflicht, oder das Sozialressort und das Bildungsressort, Stichwort Schulpflicht, zu nennen. Im Jahr 2011 haben wir bei unseren Überlegungen festgestellt, dass ein deutlicher Verbesserungsbedarf vorhanden gewesen ist. Ich finde, es wäre tatsächlich noch einmal einen Gedanken wert, jetzt zu prüfen, ob es überhaupt zu Verbesserungen in der Zusammenarbeit gekommen ist. Das heißt nicht, dass Sie jetzt gleich die nächste Große Anfrage schreiben müssen, aber vielleicht können wir das Thema im Rahmen einer Sitzung der Innendeputation, Herr Vorsitzender, noch einmal aufgreifen.

Abschließend der Aspekt - das hat Frau Vogt eben schon gesagt, der fehlt auch - der Prävention! Wenn ich in eine hauptsächlich kriminelle Familie hineingeboren werde, stellt sich die Frage, ob ich selbst auch kriminell werden muss oder ob es Möglichkeiten gibt, aus diesem Teufelskreis auszubrechen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben häufig diskutiert, welche Möglichkeiten wir haben, um diejenigen in ihren Familien zu unterstützen, die eben nicht, wie vielleicht der große Bruder, eine kriminelle Karriere beschreiten wollen, sondern die Schulpflicht ernst nehmen und auch ein Bild davon haben, was sie später einmal werden wollen. Wie schaffen wir es, ihnen zu helfen? Dieser Aspekt, meine Damen und Herren, ist, glaube ich, vor allem deswegen zielführend, weil wir damit den Clanstrukturen ein bisschen den Nachwuchs nehmen. Wir wünschen uns hier gezielte Förderungen und gezielte Maßnahmen. Es ist damals diskutiert worden, inwieweit der Staat die Möglichkeit hat, wenn keine akute Kindesgefährdung vorliegt, zum Beispiel Jugendliche aus einer Familie zu nehmen. Das ist sehr schwierig, und es muss dafür klare Regelungen geben. Das sind Sachen, die, glaube ich, uns bei der Frage - -.

(Glocke)

Jetzt haben Sie mich um meinen Schlusssatz gebracht, Herr Präsident, und vor allem aus dem Gedankengang, das war ganz böse, das nehme ich Ihnen persönlich übel!

(Heiterkeit)

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Das war nicht meine Absicht. - Bitte, Herr Fecker!

Es stellt sich die spannende Frage, wie wir es schaffen, gerade Kinder und Jugendliche aus diesen kriminellen Strukturen herauszuholen, um ihnen die Chance zu geben, wertvoller Bestandteil dieser Gesellschaft werden zu können. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Schulz.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus der Antwort des Magistrats - -.

(Abg. Strohmann [CDU]: Das ist schon lange her!)

Freudscher Versprecher, das ist schon lange her. Es ist aber prägend, daran kann ich nichts daran ändern!

(Zuruf Abg. Röwekamp [CDU])

Herr Röwekamp, ich bin schwerhörig geworden. Was haben Sie eben gesagt?

(Abg. Röwekamp [CDU]: So lange Sie uns nicht als Stadtverordnete bezeichnen, geht es!)

Ja, okay! Ich würde sagen, der Titel eines Stadtverordneten ist kein Schimpfwort.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Noch einmal! Aus der Mitteilung des Senats schließen zu wollen, dass der Senat leichtfertig mit den hier beschriebenen Themen umgeht, kann ich nicht nachvollziehen. Die Antworten des Senats können immer nur so gut wie die gestellten Fragen sein. Wenn die Fragen so gestellt werden, dass wir aus den Statistiken leider keine Antworten geben können, dann ist das eben so. Wir können auch im Gegensatz zu Ihnen keine - das steht jedem hier frei - Vermutungen äußern, das steht dem Senat nicht zu. Der Senat muss manchmal relativ trocken antworten, so fällt die Antwort dann aus, und das können Sie allerdings wiederum bewerten.

Sie haben von Begrifflichkeiten gesprochen, die im Rahmen der Polizeitätigkeit, der Staatsanwaltschaft und der Justiz nicht existieren. Das Wort Bandenkriminalität ist als Definition nicht vorhanden. Gleiches gilt für das Wort Schutzgelderpressung. Das sind Worte, die bestimmte Phänomene

beschreiben. Für die öffentliche politische Diskussion sind sie griffig, aber sie sind für uns leider nicht verwertbar.

Wenn Sie sich die Mühe machen und die Statistiken anschauen, die abgefragt worden sind, dann sehen Sie, dass bei dem Drogenhandel, sagen wir einmal, von 2013 bis 2016 eine abnehmende Tendenz vorhanden ist, und zwar von 3 835 auf 3 192 Fälle. Das sagt gar nichts darüber aus, dass es vielleicht viel mehr gibt, aber wir können gar nicht darauf antworten. Wir können nur Fallzahlen nennen, die entweder in der Polizeistatistik erfasst werden oder in denen es zu einer justizförmlichen Aburteilung oder Erledigung gekommen ist.

Nehmen Sie einmal den Bereich Waffenhandel! Sie werden sehen, dass es dort einen Anstieg von 358 auf 430 gegeben hat. Das ist vielleicht zunächst erst einmal besorgniserregend, aber man muss sich genau anschauen, um welche Fälle es sich handelt. Gerade bei dem Thema Waffen kann man feststellen, dass es offensichtlich ein sehr männliches Deliktfeld ist. Im Jahr 2015 hat es nämlich nach dem Waffengesetz nur eine weibliche Abgeurteilte und 84 männliche Abgeurteilte gegeben. Gut, das ist die Statistik, und jetzt kann jeder daraus einen Schluss ziehen: Männer haben Vorliebe für Waffen, Frauen nicht so sehr. Wir könnten auch noch einmal fragen, um welche Waffen es sich gehandelt hat. Das könnte man auch sehen. Das wären spannende rechtstatsächliche Dinge, die wir dort erörtern könnten.

Das Thema Statistik ist eines, das immer wieder auftaucht, wenn man mit den Antworten nicht zufrieden ist. Es gibt natürlich eine Polizeistatistik, und jeder weiß, was eine Polizeistatistik ist. Sie ist überhaupt nicht aussagekräftig darüber, zu wie vielen rechtskräftigen Verurteilungen es am Ende gekommen. Es ist erst einmal die polizeiliche Erfassung, die für sich bewertet werden muss. Sie sagt aber noch nichts über eine Kriminalitätsbelastung aus. Darüber kann man erst etwas sagen, wenn man am Ende wirklich zu einem rechtsstaatlich abgeschlossenen Verfahren gekommen ist.

Dass die Polizei zum Beispiel bei dem Thema der Trickbetrugsdelikte keine spezielle Zuständigkeit besitzt und das ebenfalls für die Staatsanwaltschaft gilt, ja, das ist eine Frage der Organisation. Das sagt aber noch nichts darüber aus, dass das, was als Trickbetrug bezeichnet wird, am Ende nicht auch wirklich abgeurteilt wird und dass die Verurteilung bezogen auf den einzelnen Täter eine Wirkung hat oder dass sie eine generalpräventive Wirkung entfalten kann. Das taucht hier in anderen Dingen auch wieder auf.

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