Protocol of the Session on August 24, 2017

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Bremischen Beamtengesetzes, Drucksache 19/1020, in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in zweiter Lesung.

(Einstimmig)

Entwicklungsstand der Europäischen Studienreform Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 18. Mai 2017 (Drucksache 19/1073)

Dazu

Mitteilung des Senats vom 4. Juli 2017 (Drucksache 19/1141)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 19/1141, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD nicht mündlich wiederholen möchten, sodass sofort in eine Aussprache eingetreten werden kann.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in diesem Jahr nicht nur 30 Jahre ERASMUS feiern dürfen, sondern wir werden am Ende dieser Legislaturperiode auch auf 20 Jahre Bologna-Prozess zurückschauen können.

Anlässlich dieser 20 Jahre haben die Hochschulrektoren- und die Kultusministerkonferenz eine Handlungsempfehlung an die Länder gegeben, weil sie nämlich den Eindruck haben, dass an der einen oder anderen Stelle noch Handlungsspielräume und Nachbesserungsbedarfe zu finden sind. Wir haben deswegen den Senat gefragt, wie er die Situation in Bremen einschätzt.

Als die Staats- und Regierungschefs 1999 in Bologna das Ziel eines europäischen Hochschulraums ausgerufen haben, haben sich, glaube ich, noch nicht so richtig viele vorstellen können, worauf das eigentlich hinauslaufen soll.

Wir haben heute gerade in Bremen eine sehr gute Vorstellung davon, wie effektiv, wie erfolgreich und wie zukunftsorientiert ein europäischer Hochschulraum funktionieren kann. Inzwischen besteht dieser Hochschulraum aus 48 Staaten. Das ist wirklich etwas, das man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Die Hochschullandschaften von 48 Staaten arbeiten sehr, sehr eng im Lehrbetrieb und im Forschungsbetrieb zusammen und haben, um das erreichen zu können, auch noch in allen Nationalstaaten ihre Strukturen, ihre Hochschulstrukturen so harmonisiert, dass eine enge Zusammenarbeit auch möglich sein kann.

Die Bremer Hochschulen haben sich in diesem Prozess sehr, sehr frühzeitig sehr engagiert umgestellt. Sie haben sich an die Logik der Bachelor- und Masterprogramme angepasst. Gleiches gilt für die Logiken der Anerkennungspraxen: Welche Leistungen anderer Hochschulen erkennen wir an? Was erwarten wir von unseren

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Studierenden, und was müssen sie wieder mit zurückbringen? In der Praxis der Kooperationsbeziehungen - die Universität hat, glaube ich, über 600 Kooperationen mit anderen Hochschulen - ist mit jeder einzelnen Hochschule ein Vertrag geschlossen worden.

Nicht zuletzt haben sich die Hochschulen im Rahmen des Bologna-Prozesses auch so aufgestellt, dass die Absolventen mit ihrem Abschluss an einer Universität wirklich einen Zugang für den Arbeitsmarkt erwerben, aber nicht, dass für sie eine Situation, wie es sie Anfang der Neunzigerjahre gegeben hat, entsteht: Wenn du Gesellschaftswissenschaften studiert hast, dann wirst du Taxifahrer. Selbst bei Gesellschafts- und Geisteswissenschaften gibt es diesen Fall heute nur noch sehr, sehr selten. Das waren jetzt die guten Nachrichten.

Die Bremer Hochschulen sind sehr gut aufgestellt, und sie sind sehr gut vernetzt. Gestern ist in der Debatte zur Jacobs Universität zu Recht das Alleinstellungsmerkmal der Internationalität und der internationalen Einbindung der Universität sehr hervorgehoben worden. Die Bremer Hochschulen sind in dem Prozess der Internationalisierung durch den Bologna-Prozess inzwischen auf einem guten Weg, internationalen Ansprüchen, wie wir sie formulieren würden, gerecht zu werden.

Nun sehen wir trotzdem Verbesserungs- und Nachholbedarfe, vor allem im Hinblick auf Mobilität. Man muss wirklich sagen, dass sowohl die Mobilität der Studierenden im Hinblick auf Auslandssemester als auch die der Lehrenden bei den Austauschen erhöht werden müsste. Die Mobilität müsste bundesweit erhöht werden. Es gehen grundsätzlich mehr Frauen als Männer in das Ausland. Das ist sehr interessant, und das liegt an der Affinität zu Sprachstudiengängen. Es bietet sich natürlich ein Auslandsaufenthalt in dem Land an, in dem die entsprechende Sprache gesprochen wird.

Bei den Lehrenden ist es im Grunde noch dramatischer. Mir leuchtet es nicht wirklich ein, warum nur so wenig Lehrende und noch weniger Verwaltungsmitarbeiter der Hochschulen die Möglichkeit einer Staff Mobility im Rahmen von ERASMUS nutzen, wenn sie an einer Hochschule arbeiten, an der internationale Forschung stattfindet. Die Zahlen gehen wirklich fast gegen Null, ich finde, da kann mehr passieren.

Bei den Übergängen von Bachelorstudiengängen zu den Masterstudiengängen ist der Senat eigentlich in quantitativer Hinsicht ganz zufrieden. Ich finde, wenn man sich die Studiengänge gerade an der Universität ein bisschen genauer anschaut, dann hat man inhaltlich oft Probleme,

Übergänge und passgenaue Studiengänge zu finden.

Wenn wir uns stadtentwicklungspolitisch mit Bremen beschäftigen, dann wundere ich mich ein bisschen über den nachfolgenden Satz in der Antwort des Senats: „Wir freuen uns, wenn Studierende in andere Städte gehen, um den Master zu machen.“ Ja, das ist für unseren Studienverlauf eigentlich gut, aber für Bremen würde ich mich schon freuen, wenn die Studenten in Bremen bleiben würden, wenn wir die jungen Leute in Bremen halten könnten.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich glaube, wir können bei den Masterstudiengängen noch ein bisschen mehr Kreativität entwickeln und eine höhere Passgenauigkeit herstellen.

Grundsätzlich sind, glaube ich, hinsichtlich der Studierfähigkeit, wie wir sie uns im Rahmen des Bologna-Prozesses vorstellen, zwei große Hürden zu überwinden. Zum einen ist es mit dem Blick auf das Ausland die geforderte hohe Flexibilität - das kann man kritisieren -, und zum anderen sind die Studiengänge zu eng und zu straff organisiert. Im Bachelorstudiengang ist in der Regelstudienzeit von sechs Semestern unheimlich viel Stoff zu bewältigen. Deshalb überlege ich mir natürlich als Studentin, ob es sinnvoll ist, ein Semester im Ausland zu studieren oder das Studium möglichst schnell abzuschließen. Ich finde, wir könnten den Studenten eine längere Studienzeit einräumen - das ist im Übrigen auch eine Empfehlung der Hochschulrektoren- und der Kultusministerkonferenz -, sodass sie tatsächlich einen Auslandsaufenthalt realisieren können. Der Auslandsaufenthalt ist nicht nur für die Vita gut, sondern er wertet auch den Abschluss auf. Es ist schon klar, dass dazu aber auch die entsprechende Finanzierung gehört.

Es fällt hier ganz stark auf, dass diejenigen, die nicht von zu Hause aus finanziell abgesichert, sondern zum Beispiel auf BAföG angewiesen sind, nicht einfach einmal die Regelstudienzeit um ein Semester verlängern können, um im Ausland zu studieren. Das ist schlicht unmöglich, denn für das siebte Semester wird kein BAföG gezahlt. Es ist hier eine Regelung auf der Bundesebene zu treffen, die allen Studierenden einen Auslandsaufenthalt ermöglicht, und zwar auch dann, wenn sie ihn nicht selbstständig finanzieren können.

Grundsätzlich sind wir aber, glaube ich, mit den Bremer Hochschulen in dem großen hervorragenden Hochschulraum, der wirklich einzigartig ist, sehr, sehr gut aufgestellt, und wir können an den kleineren Stellschrauben gemeinsam mit den

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Hochschulen noch ganz gut arbeiten. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Entwicklungsstand der europäischen Studienreform“, so titelt die Große Anfrage der Regierungsfraktionen, die wir heute noch kurz vor Schluss hier debattieren.

Es ist schon gesagt worden, fast 20 Jahre noch der Bologna-Reform ist ein Blick auf den Umsetzungsstand an den bremischen Hochschulen durchaus legitim und berechtigt, zumal der gesamte Bologna-Prozess während des ganzen Zeitraums über 20 Jahre ja auch immer sehr kontrovers diskutiert wurde. Erst gestern Abend musste ich im Rahmen einer privaten Diskussion mit einem emeritierten Architekturprofessor der Hochschule Bremen wieder einmal das Für und Wider diskutieren. Die ältere Generation neigt ja meist durchweg dazu, der Sache kritisch gegenüberzustehen. Häufig beschwört sie den Untergang des Abendlandes und der guten deutschen universitären Ausbildung.

Auch aktuell gibt es sehr viele kritische Stimmen, wie zum Beispiel vom Präsidenten der Hamburger Universität, Herrn Professor Dr. Dieter Lenzen, der die Bologna-Reform - das habe ich gefunden - als „Unfall mit Fahrerflucht“ bezeichnet.

(Heiterkeit)

Lenzen ging mit seiner Kritik sogar so weit zu erklären, dass er sich unter diesen Umständen heute sicher nicht mehr für ein Studium in Deutschland entscheiden würde.

1999 in Bologna, also vor 18 Jahren, hatten damals 29 Staaten - Sie haben es schon gesagt, Frau Müller - das Projekt, die Idee und die Vision der Schaffung eines europäischen Hochschulraums. Mittlerweile sind es immerhin 48 Staaten, und ich glaube, wir sind uns hier auch schnell von links bis rechts weitestgehend einig, dass die großen Leitlinien der Reform richtig waren und auch heute nach wie vor richtig sind. Ein europaweiter Hochschulraum mit vergleichbaren Studienverläufen, mit Bachelor und Master, vereinheitlichten Abschlüssen, damit soll Vergleichbarkeit, Mobilität, Wettbewerbsfähigkeit und neudeutsch auch Employability, Arbeitsfähigkeit der Absolventen, erhöht werden.

Als Befürworterin der Reform freue ich mich über die Antwort des Senats, auch wenn die Aussage, dass der Bologna-Prozess vollständig umgesetzt

sei, natürlich nicht hundertprozentig stimmen kann. Vieles wurde getan, auf den Weg gebracht, sei es bei der Entrümpelung der Lehrveranstaltungen, sei es bei Anrechnung und Anerkennung anderswo erbrachter Leistungen oder auch bei der Flexibilisierung der Studiengänge. Das alles geht aus der Antwort des Senats, die Ihnen vorliegt, hervor. Andere Maßnahmen, wie insbesondere die Attraktivitätssteigerung des Bachelorabschlusses auf dem Arbeitsmarkt, sind meiner Meinung nach in ihrer Wirkung noch verhaltener. Da gibt es noch Nachholbedarf, auch wenn es in bestimmten fachspezifischen Bereichen schon Wirkung zeigt. Unter dem Strich glaube ich also, dass wir auf einem guten Weg sind.

Kommen wir aber auch noch einmal auf die internationale, sprich europäische Ebene! Europa steckt ja nicht erst seit gestern in der Krise, und Europa hat auch nur dann eine Chance, wenn man den Menschen, dem einfachen Bürger das Projekt Europa erklären kann und ihm die Vorteile, aber auch die Notwendigkeit vor Augen führt. Wir haben ja am Beispiel des Brexit gerade gesehen, dass das nicht klappt. Die alten Menschen in Großbritannien sind hingegangen, haben mit Nein gestimmt, und die jungen Menschen haben häufig nicht abgestimmt. Das zeigt noch einmal, welcher Aufholbedarf da ist. Auch eine Reihe von Punkten in der Antwort des Senats widmet sich der Internationalität und dem ERASMUS-Programm bei den Studierenden und den Hochschulmitarbeitern. Eine Fülle von Tabellen ist da aufgelistet, wie viele, wohin, wann, man sieht relativ schnell, dass da deutlich Luft nach oben ist und die Zahlen teilweise stagnieren. Nur, dazu, dass sich das ändert, kann die Politik einfach keinen Beitrag leisten. Irgendwie müssen sich die Menschen natürlich auch selbst einmal bewegen und schieben.

Es gibt natürlich noch andere offene Fragen, die auch aus dem politischen Bereich kommen und politische Implikationen haben. Wir als CDUFraktion sehen zum Beispiel die Tendenz der zunehmenden Akademisierung, die sie ja mit der Frage nach stark spezialisierten Studiengängen indirekt auch aufgreifen, äußerst kritisch und halten es für einen absoluten Irrweg, das hervorragende duale Bildungssystem Deutschlands immer wieder weiter zu marginalisieren. Auch dazu, ob das System der Akkreditierung in seiner gegenwärtigen Form das Gelbe vom Ei ist, hört man an den Hochschulen durchaus Kritik. Ich bin aber sehr froh, dass die Universität Bremen seit Kurzem systemakkreditiert ist und sich damit hoffentlich auch ein Großteil des bürokratischen Unterbaus abbauen lassen kann. Es gibt insoweit noch genug zu tun, und ich bin fest überzeugt, dass der Weg sich lohnen wird.

Landtag 3711 48. Sitzung/24.08.17

Ich möchte noch mit einem Blick auf den aktuellen Studierendensurvey schließen. Die Studie, die alle drei Jahre im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit einer repräsentativenUmfrage durchgeführt wird, kommt eindeutig zu dem Schluss, dass die Studentinnen und Studenten mit ihrem Studium und der Studienstruktur insgesamt mit steigender Tendenz zufrieden bis sehr zufrieden sind. Ich denke, daran sollten wir anknüpfen, damit Bologna auch in Bremen weiter zum Erfolg wird.

(Beifall CDU)