Protocol of the Session on August 23, 2017

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Deswegen muss unserer Ansicht nach auf Bundesebene viel mehr passieren. Ich denke, dass wir auch Sie mit den vielen Zahlen, die genannt worden sind, davon überzeugen konnten, dass man Ihrem Antrag nicht zustimmen kann. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es zeugt von herzerfrischender Offenheit, was der Kollege Tsartilidis hier vorgetragen hat: Solange der Betrieb Geld verdient, ist es uns eigentlich egal, wie die Arbeitsplätze aussehen.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Das hat er nicht ge- sagt!)

Ja, aber das heißt es im Endeffekt.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Nein, das heißt es nicht!)

Ich frage mich ernsthaft, wozu wir eine stätische Beteiligung haben, wenn wir unsere Einflussmöglichkeit nicht wahrnehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie können doch nicht auf der einen Seite sagen, auf Bundesebene setzten Sie sich natürlich dagegen ein, während Sie auf der anderen Seite betonen, wie wichtig es sei, dass der Betrieb vor Ort, an dem wir die Mehrheit haben, Geld verdiene.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Sie finden es nicht wichtig, dass der Betrieb Geld verdient? - Abg. Tsartilidis [SPD]: Das ist doch kein Gegensatz, Frau Bernhard!)

Meine Kollegin Bergmann hat vollkommen recht, wenn Sie Ihr Verhalten als Doppelmoral bezeichnet. Man kann es nicht nachvollziehen.

Herr Tsartilidis sprach von abstrakten Zugriffsmöglichkeiten. Die Zugriffsmöglichkeiten sind wirklich wahnsinnig „abstrakt“! Die Sinnhaftigkeit der Mehrheitsbeteiligung wird nicht besonders deutlich, wenn man letztlich nur Geld abschöpft. Das war übrigens nicht immer und nicht in jedem Jahr der Fall, auch das möchte ich betonen.

Die Schwankungen sind doch eine Chimäre. Das ist doch Quatsch! Es gibt hier keine großen Schwankungen. Das war aber die ursprüngliche Idee des Gesetzes. Die Leiharbeit ist daraus entstanden. Im Grunde genommen haben wir damit eine ganz falsche Entwicklung angestoßen, die nichts anderes geschaffen hat als die Institutionalisierung prekärer Arbeitsverhältnisse in Deutschland. Das ist das Ergebnis der Einführung von Leiharbeit.

Bemerkenswert finde ich übrigens, wie stark in der Antwort des Senats darauf abgehoben wird, dass man den Gesamthafenbetrieb, GHB, nicht einfach mit einem Leiharbeitsunternehmen gleichsetzen könne. Das wurde hier auch in einigen Redebeiträge unterstrichen. Es handelt sich um eine historisch gewachsene Struktur. Die Beschäftigten sind damit zu Recht besser abgesichert als früher. Das ist völlig richtig. Wir haben immer betont, dass dem so ist. Das hat die BLG und den Senat aber in keiner Weise davon abgehalten, dem GHB im Logistikbereich mehr oder weniger den Todesstoß zu versetzen. Hier ist sehr klar geworden, dass der GHB nur noch im Bereich der unmittelbaren Hafenarbeit tätig sein solle. Das ist letztendlich beschlossen worden, weil es zu teuer ist.

Einige Vorredner haben gesagt, die Antwort des Senats zeige, dass die Zahl der Leiharbeitskräfte bei der BLG jedenfalls seit 2012 sinke. Zumindest im Bereich Contract wurde jedoch die bessere Variante - der Einsatz von GHBMitarbeitern - mehr und mehr ersetzt. Es kommen nämlich zunehmend Mitarbeiter von privaten Leiharbeitsfirmen - von „richtig privaten“,

Stadtbürgerschaft 3599 47. Sitzung/23.08.17

wenn ich sie einmal so nennen darf - zum Einsatz. Das muss man gegeneinander abgrenzen. Darüber haben wir uns hier schon ausführlich gestritten. Diese Verlagerung der Arbeitsplätze ist doch überhaupt kein Fortschritt. Ende 2016 waren schon 925 Leiharbeitnehmer im Geschäftsbereich Contract tätig. Das bedeutet eine Verschärfung im Sinne von noch mehr prekärer Beschäftigung. Diese Entwicklung ist doch nicht abzustreiten!

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte daran erinnern, dass es sich gerade im Bereich Contract um nicht wenige Frauenarbeitsplätze gehandelt hat. Private Leiharbeit statt Festanstellung bedeutet kein planbares Leben. Das haben Sie gesagt. Das ist eine Grundlage, die man nicht akzeptieren kann.

Die nächste Frage ist, wie sich die jüngste durch und durch halbherzige Änderung des Gesetzes, die meine Kollegin schon angesprochen hat, auf die Leiharbeit auswirkt. Leiharbeitskräfte haben nach neun Monaten Anspruch auf gleiche Bezahlung. Als Höchstüberlassungsdauer sind die berühmten 18 Monate festgelegt worden. Dann tritt natürlich der Drehtüreffekt ein. Ich frage mich, wieso auf der Bundesebene solche Gesetze verabschiedet werden, wenn es hier vonseiten der SPD grundsätzlich heißt, sie gehe dagegen vor beziehungsweise steige dagegen in den Ring. Das lässt sich für meine Begriffe nicht in Übereinstimmung bringen.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Schluss möchte ich auf die Entwicklung der Geschäftszahlen eingehen. Daran wird eine für Bremen und Bremerhaven höchst problematische Tendenz erkennbar. In den vergangenen Jahren hat sich die Tätigkeit der BLG immer stärker in Regionen außerhalb Bremens verlagert. Wenn man sich die Entwicklung des Umsatzes und der Umsatzrendite ansieht, dann stellt man fest, dass sich im Bereich Contract der Anteil des in anderen Bundesländern generierten Umsatzes ab 2015 sprunghaft erhöht hat, das heißt, es hat eine Verlagerung stattgefunden. Am Standort Bremen und Bremerhaven arbeitet die BLG in den Bereichen Automobile und Contract mit Verlust!

Die BLG hat in den vergangenen Jahren immer wieder auf Expansion gesetzt. Dieses Wachstum findet allerdings nicht in Bremen statt. Dabei geht es nicht nur um Hamburg, sondern auch um Duisburg und um BMW in Leipzig. Von dem jüngsten Streik haben wir lesen können. Es werden ja keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Das ist nicht der Fall, sondern die Ar

beitsplätze werden anderen Unternehmen in einem knallharten Wettbewerb quasi abgejagt. Wenn ich mich richtig erinnere, war vorher Kühne + Nagel für BMW in Leipzig tätig. Das Tchibo-Hochregallager in Bremen wurde von der DHL bestückt.

(Glocke)

Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass die BLG durchaus auch bundesweit und nicht nur hier in Bremen ein Treiber von Leiharbeit ist. Sie können also nicht hier vor Ort sozusagen ein Auge zudrücken, aber gleichzeitig behaupten, bundesweit kümmerten Sie sich um das Problem. Letztlich sind wir mit dem Problem hier wie bundesweit konfrontiert. Wenn Sie als Verantwortliche sagen, Sie hätten, obwohl es sich um eine Gesellschaft mit städtischer Mehrheitsbeteiligung handelt, nur eine abstrakte Zugriffsmöglichkeit, dann können wir das auf keinen Fall akzeptieren. Insofern muss ich auch sagen, es käme einem Ablasshandel gleich, wenn Sie nur Geld herausziehen wollten. - Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten unsere Große Anfrage damals nicht gestellt, weil wir das Instrument der Leiharbeit dämonisieren wollten. Vielmehr wollten wir die von uns schon erahnte Doppelmoral und Bigotterie der Landesregierung und damit der SPD und der Grünen aufdecken.

(Beifall FDP)

Frau Bergmann hat total recht, wenn sie sagt, dass für die Bremer Eigenbetriebe nichts anderes gelten dürfe als für die freie Wirtschaft. Es wäre konsequent, wenn man entweder etwas unterstützt oder wenn man sich dagegen ausspricht. Beides in einen Topf zu werfen, das funktioniert nicht.

Im Konzern Bremen, wenn wir es so nennen wollen, sind besonders viele Menschen in Leiharbeit beschäftigt. Dies gilt auch im Bildungsbereich einschließlich der Schulen. Insofern ist das Agieren von Rot-Grün für uns absolut scheinheilig.

Für mich ist klar, Leiharbeit ist kein Teufelszeug, sondern Leiharbeit eröffnet oft Chancen. Leiharbeit ermöglicht es Unternehmen, Auftragsspitzen abzufangen. Leiharbeit kann für

Stadtbürgerschaft 3600 47. Sitzung/23.08.17

Arbeitslose ein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung sein und, und, und. Damit erhalten vor allem Geringqualifizierte die Möglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Allein in Bremen hat gut die Hälfte aller Leiharbeiter keinen Berufsschulabschluss.

Ich freue mich, dass sich Frau Dogan so differenziert mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Es ist absolut richtig, was Sie gesagt haben.

Jetzt möchte ich etwas zu dem angeblichen Drehtüreffekt sagen. Sicherlich gibt es ein paar schwarze Schafe, aber an sich kann ich den Drehtüreffekt nicht beobachten. Wenn Sie ehrlich sind, müssen auch Sie zugeben, dass er keinen Sinn hätte, wenn sich der Arbeitgeber so verhielte. Für diesen ist nämlich der Leiharbeitnehmer im Verhältnis zu einem normalen Angestellten eine ganze Ecke teurer. Zudem dauert es eine gewisse Zeit, bis der Leiharbeitnehmer eingearbeitet ist. Welchen Sinn hätte es, einen guten Mitarbeiter zu entlassen und dann wieder bei null anzufangen? Das wäre von der Einarbeitung und den Nebenkosten her so teuer, dass es betriebswirtschaftlich überhaupt keinen Sinn macht.

Die Fraktion DIE LINKE hat noch einmal explizit das Thema BLG aufgemacht. Ich habe schon damals in unserer Großen Anfrage diese Personalpolitik kritisiert. Bei der BLG ist es allerdings etwas komplizierter. Es gibt den heute bereits mehrmals erwähnten GHB, der aufgrund des GHB-Gesetzes als einziges Unternehmen Leiharbeitspersonal für den Hafenbereich stellen darf. Das heißt, in den Geschäftsbereichen Automobile und Container spielt private Leiharbeit keine Rolle.

Ich will nicht so tun, als sei die Arbeit beim GHB keine Leiharbeit, nur weil diese Arbeit aufgrund eines speziellen Gesetzes erfolgt. Es ist aus unserer Sicht aber keine kritikwürdige Leiharbeit, da der Sinn des GHB eben auch darin besteht, unstetige Hafenarbeit zu verstetigen.

Die von den LINKEN in ihrem Antrag angegebenen Quoten sind durchaus reißerisch. Sie basieren auf einer starken Überdehnung der Fakten. Das ist schon ein bisschen zu viel des Guten. Fakt ist, im Bundesland Bremen setzt die BLG im Bereich Automobile kaum private Leiharbeitnehmer ein. Das betrifft nur den Bereich Contract. In diesem Bereich spielen Lohnkosten aufgrund des intensiven Wettbewerbs eine große Rolle. Ich wünsche mir, dass die BLG möglichst viele Mitarbeiter fest anstellt, insbesondere deshalb, weil die Zahlen für die genutzte private Leiharbeit dort schon ziemlich hoch sind. An der Übernahme vieler ehemaliger

Mitarbeiter der geschlossenen D/C-Sparte des GHB durch die BLG sehen wir, dass diese ihrer Verantwortung durchaus gerecht wird. Das Geschäft der BLG ist stark projektbezogen. Auch das ist eben schon angesprochen worden. Daher ist der Bedarf an Mitarbeitern oft sehr volatil.

Dennoch bleibe ich bei meiner grundsätzlichen Kritik, dass ein gesundes Unternehmen keine so hohe Anzahl an Leiharbeitern aufweisen darf. In kleinen und mittleren Unternehmen liegt deren Anteil nur bei durchschnittlich zwei Prozent. Große Konzerne sollten sich da häufiger ein Beispiel an der mittelständischen Wirtschaft nehmen.

Im Gegensatz zu den LINKEN weiß ich, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Im Gegenteil, an VW und der Bremer Landesbank sehen wir, dass Probleme leider oft dort entstehen, wo die Politik stark beteiligt ist. Wir werden uns daher definitiv nicht dafür einsetzen, dass die Politik im Aufsichtsrat auf die Unternehmenspolitik der BLG Einfluss nimmt. Das würde in unseren Augen im Zweifel alles nur schlimmer machen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. - Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tsartilidis.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Bernhard, ich bin nach vorn gegangen, um etwas richtigzustellen. Wir sehen es nicht so, dass wir die BLG allein deshalb haben, um Geld herausziehen. Im Gegenteil! Wir haben seitens der SPD im Ausschuss für Angelegenheiten der Häfen, in der Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen sowie in Gesprächen mit dem Arbeitsdirektor dafür gekämpft, dass die Kolleginnen und Kollegen, die kurz vor dem Rauswurf standen, von der BLG übernommen werden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben ganz klar definiert, dass es nach unserer Auffassung Aufgaben gibt. Das ist für mich eine Form der Geltendmachung von Einfluss. Wir haben die Diskussion um die Beschäftigungsverhältnisse der Menschen öffentlich geführt. Wir haben die BLG - auch den Arbeitsdirektor - gebeten, uns im Ausschuss öffentlich darzulegen, was geplant ist. Wir haben den Beschäftigten Gehör gegeben, das heißt, sie konnten ihre Position vorstellen. Es war gerade nicht so, dass in irgendwelchen Hinterzimmern irgendetwas gedealt worden wäre. Wir haben vielmehr unseren Einfluss geltend gemacht. Wir haben Öffentlichkeit hergestellt. Der

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