Protocol of the Session on June 15, 2017

sich verlängern, auf die Sie sich bezogen haben, Herr Yazici und Herr Zenner, und gesagt, dass wir erwarten, dass sie so schnell wie möglich verhandelt werden, damit es zu einer Verurteilung kommt, gerade bei Sexualdelikten, bei Vergewaltigungen. Wir wissen alle - und das haben wir mehrmals debattiert -, es sind doch die wenigsten, die das anzeigen. Deshalb bitte ich alle darum, dass wir das wirklich im Rechtsausschuss ausführlich debattieren. Dann ist es, denke ich, die Aufgabe der Koalition, das auch noch einmal in die Haushaltberatungen einzubringen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, und danke, dass Sie mir eine Minute geschenkt haben, Herr Präsident!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren!

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Herr Präsident!)

Herr Präsident, Entschuldigung! Ich war schon nahe daran!

(Heiterkeit)

Zur Sache! Ich bin seit zehn Jahren im Rechtsausschuss und habe dort eigentlich schon lange Erfahrungen sammeln können. Die Erfahrung war in der Tat, dass es im Laufe der Zeit an vielen Stellen immer mehr und mehr an Personal gefehlt hat. Wir haben deshalb, um das auch einmal zu sagen - die CDU fordert heute sechs Stellen -, bei den letzten Haushaltsberatungen zwölf Stellen gefordert. Das nur einmal so zur Erinnerung, und nicht, weil wir jetzt im Vorgriff doppelt so viele Stellen fordern wollten wie Sie, sondern wir haben uns mit dem Richterbund unterhalten, der uns sehr dezidiert dargelegt hat, warum zwölf Stellen jetzt eigentlich angemessen wären! Diese haben wir gefordert, und sie sind natürlich abgelehnt worden.

Lassen Sie mich heute zu dem CDU-Antrag kommen! Ich finde, von den Erfahrungen, die dem zugrunde liegen, jetzt zu sagen, wir wollen unbedingt sechs Stellen mehr haben, das ist ein richtiger Schritt. Deshalb wird DIE LINKE diesem Antrag der CDU auch zustimmen.

(Beifall DIE LINKE, CDU)

Ich muss allerdings auch sagen, es wurde so gesagt, wenn ich jetzt einmal herunterkochen will, ich finde, der Duktus des Vortrags zu dem Antrag, der hier eingebracht wurde, ist ziemlich perfide, denn ich will darauf hinweisen, dass wir über den Fall - wenn hier über Vergewaltiger

und so weiter und so fort geredet wird, die frei herumlaufen - in nicht öffentlicher Sitzung des Rechtsausschusses gesprochen haben. Ich sage einmal, auch Straftäter haben das Recht, dass über ihre Angelegenheiten anonym und unter Beachtung ihrer Persönlichkeitsrechte gesprochen wird, und deshalb haben wir das in nicht öffentlicher Sitzung getan. Wenn Sie jetzt anfangen, Ihren Antrag in diesem Parlament hier mit Daten aus der nicht öffentlichen Sitzung zu beraten, dann finde ich das perfide.

(Abg. Yazici [CDU]: Aber das ist doch öffent- lich!)

Ich finde das perfide, denn man kann nicht darauf antworten, ohne die Persönlichkeitsrechte zu verletzen, und ich finde, das geht nicht! Auch Straftäter haben Persönlichkeitsrechte, und deshalb ist es perfide, wie Sie es hier gemacht haben.

(Beifall DIE LINKE)

Noch einmal zurück zu den zehn Jahren im Rechtsausschuss! Ich habe in der Tat erlebt, dass vor allem gerade die Richterschaft im Laufe der Zeit immer offensivere Hilferufe abgesetzt und gesagt hat, dass sie so nicht mehr klarkommt. Die Richterinnen und Richter fürchteten am Anfang um die Qualität ihrer Arbeit, und die Entwicklung konnte ich auch so miterleben. Mittlerweile geht es eigentlich nicht mehr um die Qualität ihrer Arbeit, sondern in der Tat darum, dass es einfach Fälle gegeben hat, in denen wegen des zu geringen Personals Menschen aus der U-Haft entlassen werden mussten. Ich habe miterlebt, wie Verfahren unnötig lange gedauert haben - meine Vorredner haben das ja teilweise auch schon ausgeführt -, wie Prozesse verschleppt worden sind und es überlange Bearbeitungszeiten gegeben hat. Ich glaube, das ist Fakt.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass Herr Stauch, der damalige Staatsrat, immer versucht hat, mit seinen bundesweiten Statistiken darauf hinzuweisen, dass die Bremer Justiz - das wurde ja in den Beiträgen vorher auch immer gesagt - so besonders gut arbeitet und so besonders schwer und hart und so weiter. Das stimmt auf der einen Seite sicherlich alles, aber man muss ja auch einmal deutlich sagen, dass niemand vorher statistisch einschätzen kann, wie sich gerade auch eine Strafsache vor Gericht entwickelt. Das ist eine Schwierigkeit, und alle Statistiken, die wir haben und die auch Herr Stauch immer bemüht hat, sind nicht qualitative, sondern immer nur quantitative Statistiken. Es wird nie berücksichtigt, dass ein Fall, von dem man gedacht hat, er wäre ein Standardfall, es tatsächlich auf einmal nicht

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mehr ist, das ist nicht immer zu berechnen. Deshalb können diese Statistiken, die da vorgelegt wurden, die die Dauer, die Intensität und den Aufwand der einzelnen Fälle überhaupt nicht berücksichtigen, nicht generell herangezogen werden, um zu sagen, jetzt ist es genug, jetzt ist es gut, jetzt haben wir genügend Personal. Das geht meiner Meinung nach so nicht, da muss man aufpassen.

(Glocke)

Wenn die Redezeit jetzt zu Ende ist, dann komme ich für den Rest ein zweites Mal wieder.

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Yazici.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll! Also, mir fällt da zuerst einmal nur ein, wenn man das Argument nicht angreifen kann, dann greift man die Person an!

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Auch ich schätze Sie, Frau Aulepp, nach wie vor, aber Sie haben vor Kurzem noch eine Robe getragen, und dass Sie in dieser kurzen Zeit so die Haftung zu Ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen verloren haben, das ist schon bemerkenswert!

(Beifall CDU, FDP, BIW - Zurufe SPD)

Anders kann ich mir Ihren Vortrag nicht erklären, liebe Frau Aulepp!

Zu Ihnen, Frau Dogan: Sie haben offenbar meinen Vortrag nicht ganz - -. Irgendwie waren Sie vielleicht weg oder so. Schauen Sie noch einmal im Protokoll nach! Ich habe natürlich nicht gesagt, dass dieser Mann trotz dringenden Tatverdachts noch etwas gemacht hat, das lesen Sie bitte nach! Ich habe natürlich auch nicht verschwiegen, dass die Eingangszahlen über Jahre hinweg so sind, wie sie sind, das habe ich auch nicht verschwiegen.

Wenn Sie aber von Verstärkungen sprechen - Sie haben von sechs Verstärkungen im letzten Jahr gesprochen -, dann müssen wir uns auch genau anschauen, welche Verstärkungen das sind. 50 Stellen sollen es sein. Das sind Haushaltsstellen. Für uns als Haushaltsgesetzgeber ist das natürlich wichtig, aber was kommt tatsächlich beim Gericht an? Das sind im letzten Jahr 42,5 Stellen gewesen, 18 Zivilrichter, 25 Strafrichter, und diese wurden 2016 auch kräftig

von der Zivilkammer in die Strafkammer umgeschichtet. Das können Sie sehr gut in dem Bericht zur Lage der Justiz nachlesen, den wir dankenswerterweise nun endlich bekommen haben. Dort in der Anlage - wir werden es morgen ausführlich besprechen - sehen Sie die absoluten Zahlen bei der Zivilkammer in den Jahren 2015 und 2016, die nahezu identisch sind.

Wenn Sie weiter vorn schauen, dann sehen Sie, dass es bei den Erledigungen pro Richter allerdings einen enormen Ausschlag gibt, und das zeigt, dass dort die Kolleginnen und Kollegen über die gesamten Quartale umgeschichtet worden sind. Das kann man natürlich so machen, und das ist auch richtig, weil die Strafjustiz im Fokus der Öffentlichkeit steht, aber wenn Sie auf der einen Seite bei den Haftsachen ein Feuer löschen wollen, dann entfachen Sie auf der anderen Seite ein weiteres Feuer. Das sehen wir bei den unerledigten Verfahren bei der Zivilkammer: Die Zahlen sind auch nach oben geschossen, denn Umschichtungen sind keine Personalverstärkung, meine Damen und Herren! Wenn Sie die Feuer wirklich löschen wollen, dann müssen Sie Personal verstärken!

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Jeder Wechsel in der Kammer führt zwangsläufig zu mehr Arbeit, und die Bestände wachsen. Wir haben eine enorme Personalfluktuation. Wir haben viele Proberichter, die ständig Stellen wechseln. Wir haben - und das haben wir abgefragt - eine enorme Anzahl an Halbtagsstellen, am Landgericht ein Drittel, am Amtsgericht ebenfalls ein Drittel. Wir haben viele Frauen, die in Elternzeit gehen, und wir haben Abordnungen. Alles das ist Gift für Kontinuität, und das muss bei einer glaubwürdigen Personalplanung auch mit berücksichtigt werden, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Ich weiß jetzt nicht genau, was Sie damit meinen, ich hätte hier aus irgendwelchen geheimen Akten zitiert oder so etwas, dieser Fall aus Bremerhaven ist doch öffentlich! Ich habe hier aus keiner nicht öffentlichen Sitzung zitiert. Bitte klären Sie mich auf, was ich hier falsch gemacht haben könnte, Herr Erlanson!

Mit Verlaub - und das muss ich hier auch in dieser Deutlichkeit sagen -: Sie tun fast so, als würde es sich bei der Richterschaft um eine dubiose Gruppe handeln, die Ihnen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Richterstellen aus der Tasche ziehen wolle, obwohl sie sie gar nicht braucht! Was glauben Sie denn? Wovor haben Sie denn Angst? Dass Sie einen Richter einstellen und er dann im Gericht Däumchen

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dreht? Die werden Jahre brauchen, um die Altbestände abzuarbeiten! Machen Sie das doch einfach!

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Herr Zenner, zu den Servicestellen und Referendarstellen, Punkt zwei und drei: Bei den Servicestellen wurde lange Zeit eine Entwicklung verschlafen, keine Frage. Im letzten Jahr wurde das erkannt, aber Ausbildung braucht nun einmal Zeit, und die Servicestellen sind ein Nadelöhr. Wenn da eine Akte nicht kommt, zu spät oder falsch kommt, dann kostet das auf jeden Fall Zeit, und das hält den gesamten Betrieb auf! Wenn der Senat hier schreibt, die Ausstattung im Servicebereich liege im Bereich der durchschnittlichen Ausstattung im Bundesvergleich, dann muss ich sagen, dass wohl unerwähnt bleibt, dass das Landgericht schon lange dazu übergegangen ist, Referendare dazu abzuordnen, in den Verhandlungen Protokolle zu schreiben, weil die Servicestellen nicht mehr hinterherkommen, meine Damen und Herren! Das gehört auch zur Realität, und das hat Auswirkungen auf die Arbeit der Richter, wenn sie nämlich montags zur Arbeit kommen und sich die Akten selbst ziehen müssen, anstatt dass ihnen zugearbeitet wird.

Was die Referendarstellen betrifft, darüber müssen wir reden, dort sind die Bewerberzahlen von 100 auf zehn heruntergegangen! Da bewerben sich fast ausschließlich Frauen. Sie sind hervorragend qualifiziert, keine Frage, aber Frauen gehen auch eher in Elternzeit,

(Glocke)

und wenn sie zurückkommen, haben sie Halbtagsstellen, wie wir es auch im Landgericht mit einem Drittel der Stellen sehen. Deswegen müssen wir auch den Pool derjenigen Kandidaten weiter verstärken, die für uns in Betracht kommen, indem wir wieder auf drei Jahrgänge steigern, denn wenn man Bremen zum Beispiel mit Bayern vergleicht,

(Glocke)

dann rekrutiert Bayern etwa 44 Prozent aus dem eigenen Nachwuchs, in Bremen liegen wir bei 15 Prozent, und das ist nicht nur eine aktuelle Frage, sondern auch eine Frage, die in die Zukunft gerichtet ist im Kampf um die besten Juristen des Landes. Ich kann nicht auf alles eingehen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, so, wie wir es in der meisten Zeit diskutiert haben, ist im Rechtsausschuss und auch eigentlich hier im Parlament eigentlich allen hinlänglich klar, dass wir zu wenig Personal im Justizwesen haben. Es lässt sich nicht abstreiten. Solche Vorgänge, dass Menschen aus der U-Haft entlassen werden müssen, weil man nicht genügend Personal hat, sind einfach vorgekommen. Das hat niemand erfunden, es ist keine Falschbehauptung. Wir müssen also feststellen, dass Bremen über die Jahre - und das ist dann eigentlich das Interessante - bei Gerichten und Staatsanwälten in der Tat Personal abgebaut hat. Ich habe mich gefragt: Woher kommt das denn?

Dann habe ich einmal nachgeschaut, und der „Weser-Kurier“ hatte auch die Idee und ebenfalls einmal nachgeforscht, und das Interessante, was dabei herauskommt, ist: Wir hatten ja einmal einen Henning Scherf. Henning Scherf war nicht nur Bürgermeister, sondern er war auch Justizsenator. In seiner Amtszeit als Justizsenator, so schreibt der „Weser-Kurier“, kam es vor fast genau 16 Jahren zu einem Eklat, weil Herr Scherf in der „Zeit“ einen Artikel geschrieben hat, in dem er gesagt hat, die Richter in Bremen träten als Bremser auf. Er forderte damals, dass auch die Justiz lernen müsse, wirtschaftlich zu denken. Für ihn war die Frage, wie viel unserer knappen Ressourcen wir für Gerichte verwenden und wie viel Arbeitsleistung wir dafür bekommen. Sein Ziel, so hat er es ausgegeben: Er wollte die wichtige Staatsfunktion Rechtsgewährung kostengünstiger erbringen. Das war, um es einmal so zu sagen, der große Anfang, mit dem Henning Scherf begonnen hat, und danach war es immer wieder so, hin und wieder ist das Justizwesen von der PEP-Quote begnadigt worden, aber an anderen Stellen hat es wieder stattgefunden.

Das heißt, der Prozess, dass Personal in der Bremer Justiz abgebaut wird, währt eigentlich schon lange. In den letzten Jahren ist es in der Tat zu diesen wirklich großen Spitzen gekommen, die nicht jeder unbedingt oder niemand so richtig voraussehen konnte, aber sie sind gekommen, und man ist dabei unter Druck geraten. Seitdem versucht man immer, das so ein bisschen besser zu machen, aber das Problem nicht wirklich zu lösen.

Deshalb habe ich mich ja auch noch einmal gemeldet, ich denke, es ist auch ein typisches Beispiel. Wir sind hier an einer Stelle, an der eigentlich alle, glaube ich, in diesem Hause der Meinung sind, dass das Justizwesen für eine