denn das Bundes- und das Landesmindestlohngesetz stehen nicht in einem Alternativverhältnis zueinander. Der Bundesmindestlohn gilt grundsätzlich für alle Arbeiterinnen und Arbeiter. Soweit das Bundesmindestlohngesetz Ausnahmen von seinem Anwendungsbereich oder Übergangsregelungen vorsieht, nach denen der gesetzliche Mindestlohn nicht oder nur zu einem verminderten Entgeltsatz zu zahlen ist, greift dann das Landesmindestlohngesetz, meine Damen und Herren.
Der bundesgesetzlich festgelegte Mindestlohn gilt jedenfalls nicht für Jugendliche bis 18 Jahre ohne abgeschlossene Berufsausbildung und für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung, darauf ist auch Frau Steiner eben eingegangen. Insbesondere für die zweite Gruppe hat sich inzwischen herausgestellt, dass diese Ausnahmeregelung keinerlei positive Auswirkungen für diese Menschen hat. Eine Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen zu Dumpinglöhnen hat bisher in den seltensten Fällen zu einer dauerhaften sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung geführt.
Meine Damen und Herren, die Aufhebung des Landesmindestlohngesetzes würde nach dem derzeitigen Stand eine Verschlechterung für die Gruppe der Langzeitarbeitslosen und der Menschen unter 18 Jahren bedeuten. Dieses Ziel verfolgen wir als Koalition auf Landesebene nicht, und das wollen wir auch nicht.
Ich verhehle nicht, dass es bei uns in der Fraktion auch eine Person gab, die Ihrer Argumentation, das war auch wichtig, dass ich das hier sage - -.
Robert, jetzt hast du hier alles verraten! Die Mehrheit steht aber dahinter, und das ist auch wichtig.
Jetzt möchte ich zum Schluss auch einmal auf den Antrag der LINKEN eingehen! Die Höhe des bremischen Mindestlohns in diesem Jahr entsprechend der Regelung des allgemeinen Mindestlohngesetzes anzupassen, lehnen wir auch ab.
Wir sind zwar derselben Ansicht, nämlich dass der bremische Mindestlohn nicht hinter dem Bundesmindestlohn zurückbleiben kann. Wir haben uns allerdings in der rot-grünen Koalition auch darauf verständigt, dass wir nicht auf Dauer eine unterschiedliche Höhe von Mindestlöhnen auf Bundes- und Landesebene haben und das nicht hinnehmen wollen. Deshalb haben wir jetzt einen Antrag eingebracht, um das zu ändern, das ist für uns zurzeit die fairste Regelung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land Bremen.
Ich sage einmal ganz zum Schluss: Sie behaupten immer, dass das so ein großer bürokratischer Aufwand ist. Wir erkennen auch nicht, dass durch dieses Landesmindestlohngesetz tatsächlich so ein großer bürokratischer Aufwand entsteht. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und sage noch einmal: mit uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht! - Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegen drei Anträge vor. Der eine vonseiten der FDP besagt, wir brauchen den Landesmindestlohn nicht mehr. Die Koalition sagt, wir brauchen unseren Mindestlohn nicht mehr zu erhöhen, das macht schon der Bund. Wir sagen, wir möchten das Gesetz so, wie es ist, anwenden und den Landesmindestlohn an die Höhe anpassen, die er eigentlich jetzt hätte haben müssen. Diese drei Anträge stehen im Raum.
Ich will einmal kurz begründen, warum wir unseren Antrag gestellt haben: Das Landesmindestlohngesetz erlaubt uns festzulegen, wie viel Lohn wir in diesem Hause als Mindestlohn für gerechtfertigt halten. Das erlaubt uns das Landesmindestlohngesetz. Wir können sagen, okay, wir sind jetzt bei 8,80 Euro, das ist unterhalb des Bundesmindestlohns, aber wir sind einmal im Jahre 2012 bei 8,50 Euro gestartet.
Jetzt habe ich mir erlaubt, einmal einen durchschnittlichen Preissteigerungsindex für die letzten fünf Jahre anzulegen, und ich komme dann auf 9,30 Euro. Man kann also heute für 9,30 Euro so viel kaufen wie im Jahr 2012 für 8,50 Euro. Faktisch heißt das, wenn wir jetzt 8,84 Euro haben, dann ist der Mindestlohn gesunken. Das kann man nachvollziehen, ein bisschen Betriebswirtschaft, kalte Kürzung.
Nein, das hat mit Statistik überhaupt nichts zu tun, das hat mit Kaufkraft zu tun! Sie können heute eben für 8,50 Euro deutlich weniger kaufen als vor fünf Jahren, das ist einfach so, das ist der Verbraucherpreisindex. Das ist für uns der erste Grund, warum wir der Meinung sind, dass wir das Landesmindestlohngesetz anwenden, indem wir tatsächlich zumindest, so wie es auch formuliert ist, den Mindestlohn jedes Jahr um den Preissteigerungsindex erhöhen.
Das ist das Mindeste, was wir für Leute tun können, und das ist das Mindeste, was man tun kann, wenn man den Mindestlohn ernst nimmt.
Jetzt haben wir einen zweiten Gesichtspunkt neben diesem Anpassungsmechanismus, nämlich dass wir in der Lage sind zu kontrollieren, ob denn der Mindestlohn auch gezahlt wird. Ich habe selbst Unternehmen, und ich habe natürlich einen enormen, großen, wahnsinnigen bürokratischen Aufwand: Ich muss Stundenzettel schreiben. Das muss ich sowieso, weil ich ja erfassen muss, wie viel meine Leute eigentlich arbeiten. Ich halte es für eine böswillige Unterstellung und eine völlig übertriebene Äußerung, das Führen von Stundenzetteln und den Nachweis für das, was man den Leuten sozusagen an Lohn zahlt, als einen wahnsinnigen bürokratischen Aufwand zu bezeichnen. Das, Frau Lencke Steiner, ist Unsinn!
Ein Zweites kommt hinzu, es gibt ja die Sonderkommission Mindestlohn. Sie ist tätig geworden und hat kontrolliert, sehr weise kontrolliert, sie hat zum Beispiel ganz bestimmte Vergaben mit Vergabesummen, bei denen sich Kontrollen einfach aufgrund ihrer Größenordnung gar nicht rentierten, überwiegend beiseitegelassen, obwohl auch da Stichproben gemacht worden sind. Sie hat sich auf die Fälle konzentriert, in denen sich die Vergabesumme in einer Größenordnung bewegt hat, dass man gegebenenfalls auch hinschauen und Sanktionen aussprechen musste. Sie hat 113 Kontrollen durchgeführt und Vertragsverletzungen von 20 Prozent registriert, es gab darüber letztens einen interessanten Bericht in der Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen.
Jetzt zu sagen, das Durchsetzen von Recht sei in unserem Land ein bürokratischer Aufwand! Das hieße auch, dass wir aufhören, Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zu kontrollieren, ob sie die Höchstgeschwindigkeit einhalten, und dann zu sagen, diese Kontrollen seien ein bürokratischer Aufwand!
Das ist kein bürokratischer Aufwand, das ist eine Notwendigkeit! Wenn wir diese notwendigen Kontrollen nicht mehr durchführen, dann gibt es überhaupt kein Bedrohungsszenario mehr, dann werden wieder fröhlich Dumpinglöhne vergeben, und kein Mensch kontrolliert es. Diese Möglichkeit schafft uns das Landesmindestlohngesetz.
Weil wir eine Anpassungsklausel haben, weil wir ohne Weiteres einen höheren Mindestlohn beschließen könnten als im Bund, wenn wir ihn für gerechtfertigt hielten - ich weiß, dass hier im Raum viele eigentlich neun oder zehn Euro für gerechtfertigt halten -, und weil wir Kontrollen haben, ist es jetzt so, wie es ist, nach wie vor gut. Wir beantragen, es umzusetzen, und wir werden den Antrag, es abzuschaffen, sowieso ablehnen, aber wir finden auch den Antrag der Koalition, der besagt, wir bräuchten das nicht mehr eigenständig anzupassen, rückschrittlich. Es wird der Sache nicht gerecht, und es nützt den Arbeitnehmerinnen und den Arbeitnehmern in Bremen nichts. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass man von seiner Arbeit leben können muss, ist, glaube ich, ein Gemeinplatz, es ist eine Grundvoraussetzung. Das ist ein Menschenrecht, und das ist eine Selbstverständlichkeit.
Ich kann durchaus nachvollziehen, dass man sagt, man möchte neun Euro Mindestlohn oder zehn Euro Mindestlohn haben,
aber hilft uns das weiter? Ich stelle mir vor, ich bekäme jetzt zehn Euro Mindestlohn, und ich arbeitete in Vollzeit.
Ich stelle mir vor, ich bekäme zehn Euro Mindestlohn, wäre vollzeitbeschäftigt, und ich stelle mir vor, ich wäre Single. Ich weiß, ich bin das nicht, ich nehme das einmal als Gedankenspiel. Das wären bei einer Vollzeitstelle im Monat 1 700 Euro brutto, das wären dann netto nach Abzug von Sozialabgaben und Steuern 1 200 Euro.
Dann stelle ich mir vor, mit 1 200 Euro möchte ich in Bremen ein selbstbestimmtes Leben führen. Ich möchte mir eine Wohnung suchen. Wissen Sie eigentlich, was mit den Wohnungspreisen in den letzten drei, vier Jahren in Bremen passiert ist? Ich weiß das, weil ich Mitarbeiter habe, die von außerhalb kommen. Sie pendeln teilweise von Hannover, weil sie sich gar nicht leisten können, sich hier in Bremen eine Wohnung zu suchen. Mit 1 200 Euro netto ist ihnen überhaupt nicht geholfen, und das ist unter der Voraussetzung, dass wir den Mindestlohn auf zehn Euro erhöhen würden.
Gleichzeitig bedeutet es aber, dass diese 1 200 Euro netto, die ich verdienen würde, meinen Arbeitgeber über 2 000 Euro kosten würden, weil er zuzüglich zu den 1 700 Euro, die er brutto bezahlt, noch die Arbeitgebersozialversicherungsbeiträge zahlt. Das heißt, ich habe zwei Probleme. Erstens, der Mindestlohn ist so bemessen, dass ich als Arbeitnehmer trotzdem nicht davon leben kann, und zweitens ist er so teuer, dass mein Arbeitgeber mir eventuell keinen Job mehr gibt oder dass meine Dienstleistung als Friseur oder was auch immer zu teuer wird.
Ich glaube, unser Problem ist ein ganz anderes, es ist nicht, ob der Mindestlohn neun Euro, zehn Euro oder elf Euro beträgt. Es hat damit zu tun, dass unser Abgabensystem nicht mehr zeitgerecht ist. Wir haben ein Steuersystem, das eine Progression hat, und wir haben ein Sozialversicherungssystem, das sie nicht hat, im Gegenteil, es hat eine Beitragsbemessungsgrenze!
Ich möchte einmal zwei Zahlen in den Raum stellen. Ich möchte Sie nicht langweilen, aber die Gesamtsumme von Einkommenssteuer und Lohnsteuer in der Bundesrepublik beträgt insgesamt ungefähr 350 Milliarden Euro im Jahr. Vergleichen Sie diese 350 Milliarden Euro einmal mit der Gesamtsumme von 550 Milliarden Euro Sozialabgaben! Das heißt, der größte Teil der Gelder, über die wir hier reden, die einen Arbeitnehmer betreffen, sind Sozialabgaben. Nur der geringste Teil sind überhaupt Steuern. Diese Sozialabgaben unterliegen keiner Progression, und sie treffen gerade diejenigen, die in diesem Mindestlohnbereich arbeiten. Wenn
wir diesen Menschen helfen wollen, und zwar nicht in der Frage, ob sie jetzt 9,50 Euro oder 9,70 Euro bekommen, wenn wir ihnen wirklich helfen wollen, dann müssen wir darangehen, unser Sozialversicherungssystem zu reformieren. Das kann aufkommensneutral geschehen. Ein Ansatz wäre natürlich zu sagen, man erhöht die Beitragsbemessungsgrenzen und führt dafür einen Progressionsverlauf für die unteren Einkommen ein. Ich weiß aber, wo es da Widerstände geben wird.