Protocol of the Session on May 10, 2017

Herr Präsident! Ich würde gern noch ein paar Dinge ergänzen. Mich hat es wirklich bewegt, dass der Anteil der vollzeitbeschäftigten Leiharbeiter seit 2011 um 15 Prozent gesunken ist. Es wäre schon wichtig, hierzu noch einmal einen Überblick zu bekommen. Je mehr Arbeitnehmer in Teilzeit beschäftigt sind, desto größer ist im Endeffekt auch das Risiko, dass sie aufstocken müssen. Dazu gibt es leider überhaupt keine belastbaren Zahlen. Es wäre schön, wenn man das mit aufnehmen könnte.

Frau Dogan, Sie haben meine Zwischenfrage nicht zugelassen. Deswegen frage ich Sie jetzt nicht, sondern Sie sagten vorhin, dass der Kündigungsschutz umgangen wird, wenn man Leiharbeiter einstellt. Sie sagten auch, dass diese weniger Geld bekommen würden. Das stimmt nicht. Der Kündigungsschutz kann nicht umgangen werden, denn jemand, der bei einem Leiharbeitsunternehmen angestellt ist, ist ebenso ein sozialversicherungspflichtiger Angestellter wie andere. Er wird in Projekte, zum Beispiel zur BLG, entsendet. Wenn die BLG die Zusammenarbeit mit diesem Mitarbeiter beendet, dann fällt er nicht in ein Loch. Dann ist er nicht am nächsten Morgen arbeitslos, sondern das Risiko liegt bei dem Zeitarbeitsunternehmen, das dann gegebenenfalls keinen Einsatz für diesen Angestellten hat. De facto ist es keine Umgehung des Kündigungsschutzes. Nach wie vor gilt durch die Gesetzgebung Equal Pay. Es ist nicht richtig, dass die alle viel weniger Geld verdienen. Das stimmt nicht.

(Beifall FDP)

Bei den Zahlen zu den Zeitarbeitsunternehmen hat mich bewegt - das möchte ich gern noch einmal

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sagen -, dass in der freien Wirtschaft im Durchschnitt mit einem Anteil von etwas über zwei Prozent mit Leiharbeitern und Zeitarbeitern gearbeitet wird. Wenn wir uns Bremen ansehen, so ist das mit 4,6 Prozent weit mehr als doppelt so viel. Das lässt sich nicht einfach so wegdiskutieren, auch wenn nicht alle Unternehmen an der Umfrage teilgenommen haben. Trotz allem sehe ich die Umfrage von der Datenlage her als sehr belastbar an.

Ich möchte noch ein Wort zur BLG sagen. Ich verstehe den Einsatz von Leiharbeitern sehr gut. Ich begrüße ihn auch. Es ist alles gut. Es fehlt mir aber jegliches Verständnis, wenn mittlerweile mit 47 Prozent fast die Hälfte aller Mitarbeiter bei der BLG als Leiharbeiter beschäftigt ist. Herr Tsartilidis, Sie sagen, dass wir keinen Einfluss haben, weil die BLG als eigenständiges Unternehmen das so entscheiden kann. Sie wissen schon, wer im Aufsichtsrat sitzt. Das ist Ihr Wirtschaftssenator Günthner, das ist unsere Bürgermeisterin Frau Linnert, und das ist der Oberbürgermeister von Bremerhaven Melf Grantz. Ein Aufsichtsrat hat definitiv Einfluss, auch darauf, wie eine bestimmte HRPolitik gemacht wird, denn das ist die Kernaufgabe von Aufsichtsräten.

(Beifall FDP)

Zeitarbeit ist teuer. Sie ist für die Arbeiter unfair, weil sie in dem Konstrukt oft nicht anerkannt werden. Sie werden nicht als gleichwertige Teammitarbeiter wahrgenommen. Deswegen sollte man schon zusehen, dass sie übernommen werden. Da sollten Sie sich ein Beispiel an den kleinen und mittelständischen Unternehmen nehmen, die eine weitaus geringere Quote an Leiharbeitnehmern haben. Ich finde es toll, dass wir diese Datenlage jetzt vorliegen haben. Ich würde mir wünschen, dass wir sie noch auswerten und ausweiten. Ich hoffe, dass man in Zukunft einen Blick darauf hat, damit es keinen weiteren Anstieg gibt. - Danke!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bergmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte um die Leiharbeit spielen auch immer wieder Unterschiede in der Entlohnung im Vergleich zur Stammbelegschaft eine Rolle. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist einer der immer wieder betonten Gerechtigkeitsgrundsätze der SPD.

Für sie selbst scheint es schwierig zu sein, diesen Grundsatz umzusetzen. Schauen wir uns das einmal exemplarisch an der Leiharbeit an Schulen an.

Dort gibt es verbeamtete und angestellte Lehrkräfte im öffentlichen Dienst, und es gibt ausgeliehene Lehrkräfte, die nicht zum öffentlichen Dienst gehören. Alle werden unterschiedlich entlohnt. Das widerspricht doch im Grunde Ihrer eigenen Logik und Ihren moralischen Ansprüchen, liebe Kolleginnen und Kolleginnen der Regierungsfraktionen.

Das Projekt „Gute Arbeit an Schulen“, das Sie gestartet haben, ist in dieser Hinsicht höchstens ein Feigenblatt. Es bedeckt allerdings nur unzureichend, was es bedecken soll. Danach bestehen Überlegungen, die Beschäftigten der Schulvereine in den öffentlichen Dienst zu übernehmen.

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist schon passiert!)

So heißt es dazu vielsagend nichtssagend in der Antwort des Senats. Wo kein Geld da ist und die Schwerpunkte im Haushalt falsch gesetzt werden, können solche Wünsche eben auch nur schwer erfüllt werden.

Immerhin werden insgesamt 80 bislang bei Schulvereinen angestellte Sozialpädagogen für Ganztagsschulen in den öffentlichen Dienst wechseln. Im Vergleich zu 1 200 Leiharbeitsverträgen an Schulen ist das trotzdem ein bisschen wenig.

(Beifall CDU, LKR)

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist im bremischen Schuldienst eben keine Realität.

Für viele Unternehmen ist Zeitarbeit unverzichtbar, um betriebliche Flexibilität herzustellen und Auftragsspitzen zu bewältigen. Das ist einfach so. Das gilt offensichtlich nicht nur für die Privatwirtschaft und Beteiligungsbetriebe wie die BLG, sondern auch für die senatorischen Dienststellen, die städtischen Eigenbetriebe und die Anstalten des öffentlichen Rechts wie Immobilien Bremen.

Wir als CDU-Fraktion haben eine differenzierte Haltung zur Leiharbeit und stehen ihr grundsätzlich offen, aber auch nicht völlig kritiklos gegenüber. Unabhängig, wie man zu ihr steht, darf man nicht mit zweierlei Maß messen. Das, was man von der Privatwirtschaft fordert, muss man zunächst in seinem eigenen Regelungs- und Einflussbereich umsetzen, wenn man davon überzeugt ist. Die Antwort des Senats macht deutlich, dass das in Bremen nicht der Fall ist. Deswegen höre ich jetzt mit einem ganz bekannten Spruch auf: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Landtag 3201 43. Sitzung/10.05.17

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tsartilidis.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum einen gehört die Stadtteil-Schule an sich nicht zur freien Wirtschaft. Ich will darauf kurz eingehen. Wenn ein Referendar zusätzlich zur Ausbildung ein paar Stunden mehr machen möchte, um Geld zu verdienen, weil man als Referendar nicht ganz so viel Geld verdient, dann macht er das in Bremen über die Stadtteil-Schule. In Bremerhaven wird es über den Magistrat geregelt. Das heißt, die Stadtgemeinde Bremerhaven regelt das anders als die Stadtgemeinde Bremen. Die Stadtgemeinde Bremen kann sich einmal in der Stadtbürgerschaft Gedanken darüber machen, wie diese Personen tatsächlich ausdifferenziert sind. Wie viele Studierende sind das? Wie viele Referendarinnen und Referendare sind das, und wie viele Stunden machen sie im Einzelnen? Wie schaut das aus? - Tun Sie nicht so, als ob wir 1 000 Menschen in der Stadtgemeinde Bremen im Bereich Schule prekär beschäftigten. Das ist nämlich nicht richtig.

Zum anderen, Frau Steiner, müssen Sie sich schon einmal entscheiden. Finden Sie es jetzt total super, dass es Zeitarbeit gibt, und meinen, dass der Senat sie mehr einsetzen müsste, oder sind Sie der Meinung, dass sie ganz blöd ist?

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Zeitarbeit ist eine Chance! - Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Für viele Leiharbeiter aber nicht!)

Ja, ja, eine Chance!

Für den Hafenbereich haben wir selbst unseren politischen Einfluss als Abgeordnete geltend gemacht und diskutiert, dass wir keine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im GHB wollen. Wir möchten nicht, dass dieselbe Arbeit, die von dem GHB geleistet wird, von privaten Dienstleistern gemacht wird, und zwar auch deswegen, weil die Beschäftigten selbst das nicht möchten. Die BLG hat daraufhin reagiert. Die werden jetzt 500 Leute übernehmen oder haben das bereits getan. Es kommen noch einmal 200 Leute von privaten Dienstleistern hinzu, und ich glaube, in Zukunft werden es mehr sein. Das heißt, die BLG tut da etwas. Sie tut auch deshalb etwas, weil wir das Thema innerhalb der parlamentarischen Gremien diskutieren und mit den Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften und mit Personalräten oder Betriebsräten sprechen, die uns sagen, dass die Mitarbeiter weiterhin in der Form beschäftigt werden möchten. Das ist auch gut so. Deshalb ist Ihre Aussage, wir würden überbordend Zeitarbeit nutzen, inhaltlich

nicht richtig. Zum einen ist sie im Hafen vernünftig organisiert und gewollt, und zum anderen sind Sie sehr undifferenziert in Bezug auf die StadtteilSchule.

(Glocke)

Ich wollte Sie nicht abklingeln, Herr Abgeordneter, sondern fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kohlrausch beantworten möchten.

Bitte!

Ich wollte Sie fragen, ob Sie, wie wir das gemacht haben, auch einmal mit Vertretern des Betriebsrats der StadtteilSchule gesprochen haben. Wir haben da durchaus andere Informationen und auch Einzelbeispiele bekommen, die vollkommen dem widersprechen, was Sie da erzählen.

Dann lasse ich mich gern aufklären. Ich würde mich ja als Abgeordneter aus Bremerhaven nicht um kommunale Belange der Stadt Bremen kümmern, aber ich bin gern mit Herrn Güngör, unserem bildungspolitischen Sprecher, im Austausch. Erzählen Sie mir das gern, aber ich halte das für eine kommunale Angelegenheit, zu der ich mich als Bremerhavener nicht unbedingt ausgiebig äußern möchte.

(Beifall SPD - Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Aber dar- über reden Sie! - Zurufe)

Na ja, weil Sie hier auch die Unwahrheit erzählen - Entschuldigung, aber das muss man einmal sagen -, oder die Tatsachen zumindestens verkehrt interpretieren. - Danke schön!

(Beifall SPD - Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das tun Sie die ganze Zeit!)

Als Nächster hat das Wort Staatsrat Lühr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der bisherigen Debatte wurden Interpretationen über die vom Senat vorgelegten Zahlen je nach dem sozial- und beschäftigungspolitischen Grundmuster der politischen Ausrichtung abgegeben. Das will ich jetzt nicht im Einzelnen kommentieren. Mir liegt daran, Ihnen noch einmal kurz unsere beschäftigungspolitische Situation darzustellen, die wir in der Freien Hansestadt Bremen, und zwar in der Kernverwaltung und in den entsprechenden Ablegern dazu, vorfinden. Wir haben 500 verschiedene Berufe. Wir

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haben im Kernbereich 18 000 Beschäftigte. Die größten Anteile entfallen auf die Lehrer, die Polizei, die Feuerwehr, den Strafvollzug und dann eben auf die Verwaltung. Die Universität ist dann mit mehreren Tausend Beschäftigten im zweiten Zwiebelring anzutreffen. Dann geht es weiter hin bis zu den Gesellschaften.

Im Kernbereich der bremischen Verwaltung haben wir bis 2025 eine Fluktuation, die bei circa 40 Prozent liegt. Wenn man das auf die 18 000 Beschäftigten umrechnet, haben Sie schnell den Schluss gezogen, welche Herausforderungen für uns gegeben sind, um diese Probleme zu bewältigen. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren eine Stadtverwaltung von der Größenordnung in Achim neu aufgebaut. Wir haben fast 1 000 Leute für die Betreuung, Unterstützung und Integration von geflüchteten Menschen neu eingestellt.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Die in Achim sind er- folgreicher!)

Das ist der Ausgangspunkt. Herr Dr. vom Bruch, Sie haben ja damals gesagt, dass das nicht schnell genug geht. Wir haben die Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt und unbefristet beschäftigt. Wir haben damit eine gute Grundlage gelegt, um sie flexibel für künftige Aufgaben einzusetzen. Lassen Sie mich das eben kurz entwickeln, dann können wir darüber streiten.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ich habe nur gesagt, Achim ist erfolgreicher als wir!)

Ja, das können wir dann noch einmal im Vergleich sehen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz kurz die grundsätzliche Position des Senats zur Arbeitnehmerüberlassung skizzieren.

Arbeitnehmerüberlassung, Zeitarbeit und geringfügige Beschäftigung sind und sollen künftig die Ausnahme für die Beschäftigung im öffentlichen Sektor sein. Wenn entsprechende Maßnahmen erforderlich sind, um Arbeitsspitzen abzudecken, Aushilfen zu schaffen, dann nach klaren Bedingungen, also Bezahlung entsprechend der Wertigkeit und keine Lohndrückerei.