Protocol of the Session on May 10, 2017

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Mitglieder des Kurses 1410 der Bremer Krankenpflegeschule, Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jugendbegegnung der Europa-Union und Teilnehmer eines Integrationskurses der inlingua-Sprachschule Bremen.

Seien Sie alle herzlich willkommen in der Bürgerschaft!

(Beifall)

Wir setzen die Tagesordnung fort.

Bremen lebt die europäische Idee Antrag (Entschließung) der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, der FDP und der CDU vom 9. Mai 2017 (Drucksache 19/1067)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Staatsrätin Hiller.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf den Tribünen! Wir befinden uns heute, am 10. Mai, einen Tag nach dem Europatag, dem 9. Mai, immer noch mitten in den Europawochen - ich betone die Mehrzahl -, die in Bremen auch in diesem Jahr wieder stattfinden.

In diesem Jahr sind diese Europawochen in Bremen und Bremerhaven - das kann man, glaube ich, so sagen - hoch politisch. Auf dem Programm in Bremen stehen außerordentlich viele intensive, kontroverse politische Debatten und steht natürlich auch viel Kulturelles, das auch in den letzten Jahren oft sehr stark in den Europawochen vertreten war. Aber man hat das Gefühl, dass es in diesem Jahr wieder um etwas Wichtiges geht, nämlich um die Zukunft Europas. Die Bremer setzen sich mit ihr auseinander.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ich möchte als Erstes dem EuropaPunktBremen danken, weil er ein Knotenpunkt für die europapolitische Netzwerkarbeit in dieser Stadt ist, und ihm zum zehnten Geburtstag gratulieren. Vor zehn Jahren wurde er hier unten im Zentrum der politischen Stadt gegründet. Seither leistet er eine hervorragende Arbeit, um die europapolitische Kompetenz in Bremen zu bündeln und sichtbar zu machen. Vielen Dank dafür!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Unser Antrag, den wir heute diskutieren, kommt dem einen oder anderen vielleicht banal vor. Wir haben darin ein Bekenntnis zu Europa und zu der Idee der europäischen Einigung niedergeschrieben. Auch wenn wir einigermaßen beruhigt über die Wahlergebnisse in den Niederlanden und in Frankreich sind - sie hätten auch anders ausgehen können -, befinden wir uns immer noch in Zeiten, in denen wir das Bekenntnis zur Idee der europäischen Einigung nicht oft genug wiederholen können, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir müssen das so lange und intensiv wiederholen, bis die letzten Europagegner, die letzten Anhänger linkspopulistischer, rechtspopulistischer und nationalistischer Bewegungen in Europa verstanden haben, dass sie in der Minderheit und wir - diejenigen, die weiter für die europäische Einigung kämpfen und sie verteidigen werden - in der Mehrheit sind.

Genauso wichtig, wie es ist, sich für diese europäische Idee einzusetzen, ist es, den Korrekturbedarf und den Reformbedarf intensiv zu diskutieren. Das steht vollkommen außer Zweifel. Auch das haben immerhin vier Fraktionen in diesem Haus mit diesem Antrag mit unterzeichnet.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Nur, wenn wir alle unsere Reformwünsche und unsere Ideen aufgeschrieben hätten, dann wäre daraus wahrscheinlich eine Bachelorarbeit geworden.

Landtag 3221 43. Sitzung/10.05.17

Wir befinden uns in einem Diskussionsprozess, der lange andauern und der sich nicht darauf beschränken lassen wird, dass wir die fünf Szenarien von Herrn Juncker diskutieren.

Die jungen Teilnehmer der Jugendbegegnung, die hier rechts oben auf der Tribüne sitzen, haben uns gestern auf dem Marktplatz ziemlich viele Hausaufgaben aufgegeben. Dabei geht es unter anderem um die Bekämpfung der exorbitanten Jugendarbeitslosigkeit in vielen europäischen Staaten. Gestern ging es auch um die Einhaltung der Grundrechte in allen europäischen Staaten und darum, wie wir sie eigentlich überprüfen. Dazu haben wir fast auf den Tag genau vor einem Jahr eine lebendige Debatte geführt und beschlossen, dass wir uns alle gemeinsam dafür einsetzen, dass in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Grundrechte eingehalten werden.

Den Jugendlichen ging es gestern vor allem auch darum, dass wir ihnen das hinterlassen, was wir in den letzten Jahrzehnten mit einer Selbstverständlichkeit genießen konnten: Freizügigkeit, die Wahl, wo ich arbeiten und leben will. Es ging ihnen darum, dass wir das nicht leichtsinnig aufs Spiel setzen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

In den letzten beiden Tagen hat sich innerhalb der Jugendbegegnung gezeigt, dass es außerordentlich viel Europakompetenz bei jungen Menschen gibt. Sie wachsen, anders als es jedenfalls zu meiner Zeit noch war, mit einer europäischen Selbstverständlichkeit auf. Sie haben aber Angst, dass diese Selbstverständlichkeit in zehn Jahren nicht mehr vorhanden sein wird, und kommen zum Beispiel nach Bremen, um deutlich zu machen: Wir haben ein Interesse daran, Problemlösungen für die Zukunft der Europäischen Union zu entwickeln.

Ich bin sehr froh, dass wir in Bremen an den Hochschulen und an einzelnen Schulen, die gestern alle beteiligt waren, recht gut aufgestellt sind. Es mangelt nicht an Lösungsideen für die Probleme, die wir - das ist unbenommen - in der Europäischen Union haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts der Jugend, die hier oben sitzt, bin ich frohgemut, dass wir aus Bremen heraus gemeinsam mit der starken europapolitischen Zivilgesellschaft, die sich auch vor den Europawochen sehr deutlich schriftlich und mündlich für das Projekt der Europäischen Union eingesetzt und sich zu Wort gemeldet hat, Lösungen für all die Aufgaben - es sind nicht wenige - entwickeln werden, die uns die aktuelle Europapolitik stellt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Europa 2017 ist ein großes Erfolgsmodell der europäischen Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat es mit Europa in den Köpfen vieler verantwortungsbewusster Politiker begonnen. Ich denke an die Montanunion, an die Römischen Verträge. Nach dem Zweiten Weltkrieg war für alle klar, dass es in Europa eine gemeinsame Friedensordnung geben muss und dass es nur durch eine gemeinsame Wirtschaftsordnung weiterhin Frieden geben wird. Wir können froh sein, dass unsere Vorvorväter dieses Konstrukt geschaffen haben, das bis heute hält und das es für die Zukunft zu bewahren gilt.

(Beifall FDP)

Wir müssen in Erinnerung rufen, dass es nie zuvor so viel Wohlstand in den europäischen Staaten gegeben hat. Wir müssen konstatieren, dass es bisher noch nicht so viel Freiheit gegeben hat. Wir müssen feststellen, dass es so viel kulturellen Austausch und eine so lange Friedensperiode in Europa noch nie gegeben hat. Es gilt, alles dies weiterhin zu sichern, den Generationen, die nach uns kommen, diese Werte weiterzuvermitteln und ihnen klarzumachen, dass es sich lohnt, sie für die Zukunft zu bewahren.

(Beifall FDP, SPD)

Leider gab es im Jahr 2016 und auch davor in Europa Bewegungen, die auf Nationalismus und Populismus setzten. Es geht um den Brexit. Welches Ergebnis dabei herauskommt, werden wir sehen. Vielleicht gibt es noch eine Umkehr. Wir haben in den Niederlanden Geert Wilders, in Frankreich Frau Le Pen, in Ungarn Herrn Orban und in Polen die PiS-Partei. Alle stehen für Bewegungen, die gegen den europäischen Geist arbeiten. Durch die letzten Wahlen, durch eine aufgeklärte Wählerschaft ist es gelungen, diesen populistischen Anfängen zu wehren. Wir können alle stolz darauf sein, dass es auch durch die Unterstützung aus der Zivilgesellschaft gelungen ist, dass verantwortungsvolle, liberale Kräfte an die Spitze dieser Staaten gewählt wurden.

(Beifall FDP)

Für die Zukunft wird es darauf ankommen, sich nicht darauf auszuruhen. Wir müssen auf die anderen Staaten und ihre Probleme zugehen. Das ist ein Appell an die Regierungen. Wir sollten auch die zivilgesellschaftlichen Bewegungen, zum Beispiel

Landtag 3222 43. Sitzung/10.05.17

„Pulse of Europe“, weiter unterstützen. Ich habe mich einige Male an Aktionen beteiligt. Auch das, was in der Europawoche hier zum Ausdruck gekommen ist, dass sich so viele Einrichtungen und private Personen für Europa engagieren, macht Mut. Ich bin mir sicher, dass die gegen Europa gerichteten Bewegungen, wenn wir so weitermachen, auf Jahre zurückgedrängt werden.

(Beifall FDP)

Neben den großen politischen Appellen an die Regierungen brauchen wir mehr Bürgernähe. Europa muss für den Einzelnen erlebbar, muss ein Europa zum Anfassen sein. Wir brauchen auch noch mehr Rechte für das Europäische Parlament. Wir brauchen mehr Bildung, mehr Ausbildung und mehr Austausch in Europa, und wir brauchen auch die Möglichkeit der Existenzgründungen in allen Ländern Europas. Dann, so glaube ich, hat Europa in der Zukunft eine Chance.

Die Freie Demokratische Partei hat sich immer für Europa starkgemacht. Dies wird auch in der Zukunft so sein. Wir freuen uns über das, was in den letzten Monaten aus der Bevölkerung für Europa gewachsen ist, werden dies unterstützen und hoffen, dass die blaue Fahne mit den vielen gelben Sternen noch lange über allen in Europa weht. - Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grotheer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der damalige französische Außenminister Robert Schuman - verzeihen Sie mir, dass ich das jetzt wahrscheinlich nicht perfekt französisch ausgesprochen habe - sagte 1950 folgende denkwürdige Sätze:

„Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen...“

Das gilt heute fast mehr als damals. Heute diskutieren wir nicht darüber, wie Europa entsteht, sondern sehr intensiv darüber, wie es mit Europa weitergeht. 2017 ist das Jahr, in dem sich die Unterzeichnung der Römischen Verträge zum 60. Mal jährt. Sie sind der Grundstein der heutigen Europäischen Union und die Grundlage für Frieden und Freiheit in Europa, die wir deswegen alle seit Jahrzehnten genießen dürfen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Seit 60 Jahren arbeiten mittlerweile die europäischen Staaten an dieser Errungenschaft. Trotzdem gibt es in letzter Zeit vielerorts in Europa nationalistische und populistische Bestrebungen und Bewegungen, die sich gegen dieses europäische Projekt stellen und es teilweise sogar offen bekämpfen. In Zeiten des Brexit und starker Wahlergebnisse populistischer Parteien gilt es mehr denn je, die europäische Einigung zu verteidigen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Bremen geht mit gutem Beispiel voran und lebt die europäische Idee. An der Europawoche beziehungsweise den Europawochen - so viele Veranstaltungen sind es inzwischen geworden - nehmen in diesem Jahr über 50 Organisationen teil. Mehr als 400 Bürgerinnen, Bürger und Institutionen - ich weiß nicht, ob wir die 500er-Marke inzwischen geknackt haben -

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)