Protocol of the Session on April 5, 2017

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Aktuelle Stunde

Meine Damen und Herren, für die Aktuelle Stunde ist von dem Abgeordneten Röwekamp und Fraktion der CDU folgendes Thema beantragt worden:

„Rot-grüner Koalitionsausschuss: Stillstand und Streit statt Strategie für das Land Bremen“

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Sieling. Die Beratung ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, dass ich, Herr Präsident, nach der Morgenandacht heute Morgen ein bisschen verwirrt bin, weil die Losung, die wir von Frau Querfurt auf den Weg in den Parlamentstag mitbekommen haben, lautet: Eure Rede sei allzeit freundlich und mit Salz gewürzt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich diese Erwartung erfüllen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDUBürgerschaftsfraktion hat diese Aktuelle Stunde bean

tragt, um zu debattieren, ob die Prioritätensetzung in der rot-grünen Koalition, insbesondere das Ergebnis des rot-grünen Koalitionsgipfels vom vergangenen Freitag, mit der Lage im Land vereinbar ist. Ich habe lange überlegt, wie man das Ergebnis des Koalitionsausschusses zusammenfassen könnte. Ich bin bei einem Satz des römischen Dichters Horaz gelandet,

(Zurufe SPD, Bündnis 90/Die Grünen: Oh!)

der sagte: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.

(Beifall CDU, LKR)

Kommen wir zunächst zur Maus! Ja, der Koalitionsausschuss hat Beschlüsse gefasst. Nachdem der Koalitionsausschuss in die Verlängerung gegangen ist und immerhin fünf Stunden getagt hat, lauten die Ergebnisse: Erstens, es bleibt dabei, wie bereits mehrfach beschlossen und vereinbart, dass die rotgrüne Koalition die Frage der Verlängerung der Legislaturperiode entsprechend dem Vorschlag der CDU-Fraktion bei der Bundestagswahl den Bürgern zum Volksentscheid vorlegen möchte. Kein Mensch hat eigentlich vorher über diese Frage gestritten, um so überraschender ist jetzt der Beschluss, dass es jetzt so kommen soll, wie es eigentlich verabredet worden ist. Das ist nicht falsch, aber sicherlich kein Grund, um einen Koalitionsausschuss einzuberufen.

Der zweite Beschluss lautet, dass der wochenlange Streit um den Standort eines Mahnmals zum Gedenken an die Arisierung nicht dort gefunden worden ist, wo es die Grünen wollten, auch nicht dort, wo es die Sozialdemokraten wollten, sondern irgendwo dazwischen.

(Abg. Frau Sprehe [SPD]: So ist das Leben! – Abg. Tschöpe [SPD]: So ist das in einer Koalition!)

Fünf Stunden eine Beratung darüber zu führen, ob man 100 Meter weiter links oder weiter rechts oder vorn oder hinten ein Mahnmal errichtet, glaube ich, ist den Streit am Ende auch nicht wert, zumal offensichtlich die Meinung darüber, ob es dazu eine gemeinsame Position gegeben hat oder nicht, hinterher auseinandergeht. Die Landesvorstandssprecherin der Grünen hat sich sofort unmittelbar von diesem unter ihrer Mitwirkung beschlossenen Kompromiss wieder distanziert, und sie hat sich dafür ausgesprochen, das Mahnmal dorthin zu verlagern, wo es ursprünglich vorgesehen gewesen ist. Ich würde sagen, das ist eine Maus!

Der dritte Punkt ist – gestern spontan hier im Parlament sofort durchgewunken – die Nutzung eines Bunkers für das Zuckerwerk.

(Zurufe SPD: Sehr gut!)

Es ist auch ein Punkt, über den eigentlich niemand gestritten hat und der schon fest im Koalitionsvertrag verabredet worden war. Der überfällig gewesen ist, aber ehrlicherweise unser Land keinen einzigen Millimeter voranbringt.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, die Maus ist sicherlich am Ende dabei herausgekommen.

Ich frage mich nun: Hat eigentlich der Berg gekreist? Das ist ja die viel spannendere Frage. Haben sich eigentlich die beiden Bürgermeister zusammengesetzt, um die wirklich wichtigen Fragen in unserem Lande zu erörtern? Gibt es eigentlich nichts Wichtigeres als das Zuckerwerk, Standortdebatten und die Bekräftigung von bereits gefassten Beschlüssen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen, wenn ich für die CDU-Fraktion an dieser Stelle sage, der Koalitionsausschuss hat die wirklichen Probleme in unserem Lande überhaupt nicht behandelt. Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass die Koalition aus SPD und Grünen sich so weit von den Menschen in diesem Land entfernt hat, dass sie gar nicht mehr die Probleme, die die Menschen in unserem Land haben, spürt. Sie nimmt gar nicht mehr zur Kenntnis, welche Probleme eigentlich wirklich prioritär in unseren beiden Städten gelöst werden müssen.

(Beifall CDU, LKR)

Ich will Ihnen einige wenige Beispiele nennen. Erstens: Aus den Finanzverhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern wissen wir seit Januar, dass es eine Neuordnung geben wird, die dazu führen wird, dass Bremen ab 2020 weitere erhebliche finanzielle Spielräume gewinnen wird. Der Bürgermeister hat in einer Veranstaltung der Handelskammer angekündigt, bis zum 31. März – und ich betone das – diesen Jahres dazu eigene Vorschläge vorzulegen. Ich weiß nicht, Herr Bürgermeister, wem Sie diese Vorschläge vorgelegt haben, aber das Licht der Öffentlichkeit hat bisher kein einziger Ihrer Vorschläge erreicht.

Es gibt aber zum Beispiel Vorschläge von Ihrem Koalitionspartner. Er hat schon im Januar beschlossen, was er mit dem Geld machen will. Ich will einmal sinngemäß aus der Mitgliederversammlung der Grünen zitieren, dort heißt es unter anderem: Wir wollen daraus ein Konzept für eine klimafreundliche Wärmeversorgung von öffentlichen Gebäuden finanzieren. Toll! Wir wollen daraus eine deutliche Aufstockung der Mittel für den Umbau der Straßenräume finanzieren, um Platz für eine klimafreundliche Mobilität zu schaffen.

Sie hat weiterhin beschlossen, dass sie eine schrittweise Angleichung der Ausstattung im Bereich Bildung vornehmen wollen, vorrangig soll zunächst eine bessere Bezahlung der heute in Bremen in A 12 eingruppierten Grundschullehrer sein.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die GRÜNEN]: Sie sollten die ganze Liste vorlesen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das das Sanierungskonzept der rot-grünen Landesregierung für unser Land ist, sehr geehrter Herr Bürgermeister Sieling, dann ölen Sie schon einmal Ihren Finger, denn dann können Sie als Letzter hier das Licht ausschalten.

(Beifall CDU, LKR)

Es mag ja sein, dass die rot-grüne Koalition die detaillierten Vorschläge der CDU-Fraktion ablehnt. Ja, das kann man machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber eine Regierung ist doch nicht dazu da zu sagen, was sie nicht will. Eine Regierung ist dazu da, den Menschen zu erklären, wohin ihr Plan für Bremen führt. Wie wollen Sie eigentlich unser Land bis zum Ablauf des Sanierungszeitraumes 2035 aufstellen? Wo liegen ihre Prioritäten? Wo wollen Sie investieren? Wie wollen Sie den Menschen Lebensräume in Bremen und Bremerhaven bieten und unserem Land eine Zukunft? Das sind die Fragen, die eigentlich die politische Elite in diesem Land beantworten müsste, und das sind die Fragen, mit denen Sie sich im Koalitionsausschuss am vergangenen Freitag hätten beschäftigen können.

(Beifall CDU, LKR)

Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen. Meine Heimatstadt Bremerhaven erlebt zurzeit einen dramatischen Umbruch auf dem Arbeitsmarkt. In Bremerhaven gehen Hunderte Arbeitsplätze verloren: bei der Lloyd Werft und im Bereich der Windenergie. Überall kriselt es, überall sind Menschen von Arbeitslosigkeit und von Kurzarbeit betroffen. Wo ist eigentlich die Strategie des Senats, wie er Bremerhaven eine Perspektive für einen wirtschaftlichen Aufschwung und die Schaffung von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung geben will?

Welchen Plan hat der Senat eigentlich für den Umgang mit diesem krisengeschüttelten Bremerhaven? Wollen die Bürgermeisterin und der Bürgermeister Bremerhaven auch in Zukunft mit diesen Problemen alleinlassen, oder ist der Senat bereit, sich schwerpunktmäßig für diese Menschen in Bremerhaven einzusetzen und es nicht nur beim Briefe schreiben und bei Sonntagsreden belassen. Die Bremerhavener brauchen dringend eine Antwort darauf, wie Sie mit dieser Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise in der Stadt umgehen wollen. Auch darüber hätte der Koalitionsausschuss am vergangenen Freitag beraten und vielleicht Beschlüsse fassen können, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall CDU, LKR)

Ich will ein drittes Beispiel nennen, das auch mit dem Streit in der Koalition zu tun hat. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frau Dr. Schaefer, hat zunächst zaghaft, aber dann mit einem durchgesickerten Positionspapier eine veränderte Haltung zur Reichweite, Tragweite und notwendigen Änderungsbedarfen zum sehr weit gehenden Personalvertretungsgesetz in Bremen reklamiert. Dieser Vorschlag ist von der SPD sofort schroff zurückgewiesen worden. Aber, meine Damen und Herren, es lohnt sich doch, darüber zu reden.

Herr Bürgermeister Dr. Sieling, wenn Sie dann öffentlich sagen, Ihnen sei kein Beispiel bekannt, bei dem die Regelungen des Personalvertretungsgesetzes eine behördlich notwendige Maßnahme verhindert hätten, Herr Bürgermeister, dann sage ich, dann bekommen Sie in dieser Stadt offensichtlich überhaupt nichts mit.

(Beifall CDU)

Es ist am Ende nicht nur der mobile Bürgerservice, der an den komplizierten Regelungen des Personalvertretungsgesetzes gescheitert ist. Ich empfehle Ihnen, einmal mit Ihrem Innensenator in einen intensiven Dialog einzutreten. Ich bin mir sicher und weiß, dass er aus dem Stand mindestens fünf Beispiele nennen kann, bei denen notwendige, aus seiner Sicht auch erfolgreiche Maßnahmen des Senats und der Behörde daran gescheitert sind, dass sich die Personalvertretung am Ende grundlos verweigert hat. Das ist ein Problem in dieser Stadt, und deswegen wäre es angezeigt gewesen, dass sich die Koalition zu dieser Problematik austauscht.

Ich bin gespannt, sehr geehrte Frau Dr. Schaefer, ob Sie morgen bei der Einsetzung der Enquetekommission beweisen, dass Sie als Tiger gestartet sind, aber nicht nur als Bettvorleger der Sozialdemokraten landen werden.

(Heiterkeit und Beifall CDU)

Wenn das Ihr Anspruch ist, Frau Dr. Schaefer, dann ist es ja in Ordnung, denn es ist dort ja kuschelig.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Woher wissen Sie das?)

Ich glaube aber, dass das unser Land nicht voranbringt.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die GRÜNEN]: So wie Sie damals!)

Aber ich habe den Mund nicht so voll genommen, Frau Dr. Schaefer, das ist Ihr Problem!

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die GRÜNEN]: Ah ja!)

Wenn man den Mund voll nimmt, dann muss man auch Taten folgen lassen.

(Beifall CDU)

Ich will ein viertes und letztes Beispiel dafür nennen, aus welchen Gründen ich denke, dass der Koalitionsausschuss die falschen Schwerpunkte gesetzt hat. Wir haben Anfang dieser Woche erfahren können, dass es zum Beginn des neuen Kindergartenjahres nicht gelingen wird, den Rechtsanspruch auf die Gewährung eines Kindergartenplatzes in Bremen durchzusetzen. Wir wissen, dass seit fast einem Jahr circa 80 Lehrerstellen in Bremen und Bremerhaven unbesetzt sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die dadurch verursachten Folgen in der unzulässigen und ehrlicherweise unzureichenden Betreuung unserer Kinder, beim Unterrichtsausfall und bei der Notversorgung der Kinder haben eine Dramatik erreicht, dass das wichtiger ist, als sich über das Zuckerwerk, über das Mahnmal und über sonstigen Pipifax, Herr Bürgermeister, zu unterhalten. In diesem Land sind die Probleme greifbar, und sie warten darauf, gelöst zu werden. Die Menschen warten darauf, von Ihnen eine Antwort zu bekommen.

Ich weiß am Ende nicht, aus welchen Gründen es die Baugenehmigungen für die Errichtung dieser zusätzlichen Einrichtungen nicht gegeben hat. Ob es daran liegt, dass der Bausenator nicht in der Lage ist, Baugenehmigungen zu erteilen, oder ob die Finanzsenatorin mit Immobilien Bremen nicht in der Lage gewesen ist, rechtzeitig vernünftige Planungen vorzulegen? Es bleibt aber dabei: Im Ergebnis ist es eine Katastrophe, dass der Staat an dieser Stelle seine Handlungsfähigkeit gegenüber der künftigen Generation nicht zu zeigen bereit ist.