Protocol of the Session on April 5, 2017

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/951 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen!

(Dafür CDU, FDP, LKR, Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, Abg. Öztürk [SPD, fraktionslos])

Stimmenthaltungen?

Damit stelle ich fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Personalkosten der Schulen müssen Landeskosten sein Antrag der Fraktion der CDU vom 7. März 2017 (Drucksache 19/965) Wir verbinden hiermit: System Schule“ bei einem Kosten- oder Leistungsträger zusammenführen Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 4. April 2017 (Drucksache 19/1014)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schnittker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vom Taser zur Bildung! Wenn man die Aussage hört: „Wir wissen nicht mehr weiter“, kann man erahnen, dass es sich um eine brenzlige Situation handeln muss. Wenn man dann aber auch noch weiß, dass diese Aussage unter anderem von den Lehrerinnen und Lehrern in Bremen und Bremerhaven stammt, sollte spätestens dann jedem klar sein, dass hier etwas gewaltig schiefläuft.

(Beifall CDU)

Die Kommunen sind mit der Schulreform an ihren Grenzen angelangt. Nicht eine Woche vergeht, in der uns nicht die teilweise dramatischen Zustände unserer Schulen aufgezeigt werden. Ich erinnere an

den Brandbrief aus dem Bremer Westen, der bereits in eine zweite Runde geht.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich beschämt es sehr, dass wir im Land Bremen nicht in der Lage sind, unsere Schulen vernünftig und sachgerecht auszustatten und täglich aufs Neue die so engagierten Lehrkräfte und Mitarbeiter an den Schulen im Regen stehen lassen. Das gleiche gilt für die Kommunen, hier insbesondere für Bremerhaven.

Die ungleich schwierigere soziale Situation wie die höhere Arbeitslosenquote, das erheblich geringere Primäreinkommen, die Jugendarbeitslosigkeit, die SGB-II-Quote und so weiter stellen Bremerhaven vor hohe Aufgaben, die die Stadt ohne Hilfe nicht mehr leisten kann. Auch in der letzten Sitzung der Bildungsdeputation wurde beim Thema „Lehrermangel“ ganz deutlich, wie dramatisch sich die Situation in der Seestadt in diesem Jahr zuletzt zugespitzt hat. Das haben wir heute Morgen noch einmal gehört.

Bereits in der Vergangenheit wurde verbindlich geregelt, dass das Land 100 Prozent der Personalkosten inklusive der Versorgungsbezüge für das unterrichtende Personal trägt. Allerdings wissen wir doch alle, dass Schule heutzutage nicht nur aus Lehrern, Schülern, vielleicht noch einem Handwerker und einer Verwaltungskraft besteht. Auch das hat Frau Bodegan heute Morgen schon erläutert. Durch die Einführung der inklusiven Beschulung, die Oberschulkonzepte und die Ganztagsbetreuung haben sich die Anforderungen massiv verändert. Das funktioniert nur mit einem nicht unerheblichen Teil an sogenanntem nichtunterrichtenden Personal, ohne das diese Schulstruktur gar nicht möglich wäre.

Hier liegt aber eben auch der Hase im Pfeffer, meine Damen und Herren. Diese Kosten trägt jede Kommune zu 100 Prozent. Damit ist ganz besonders Bremerhaven zunehmend überfordert. Die Stadt kann den finanziellen Anforderungen dieser Schulreform allein nicht mehr gerecht werden.

(Beifall CDU)

In der vorletzten Woche hat der Schulausschuss in Bremerhaven in einer Sondersitzung weitere dringend benötigte Mittel für den Schulbetrieb freigegeben.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Die vorher gestrichen worden waren!)

Die Große Koalition hat somit also die letzten Reserven zusammengekratzt, um einen Teil der Mehrbedarfe zu befriedigen. Nun ist die Stadt aber am Ende der Fahnenstange angekommen, meine Damen und Herren. Die Finanzierung des nichtunterrichtenden Personals ist mit Beginn des neuen Schuljahres nicht mehr möglich. So dramatisch sieht es aus. Darüber hinaus fehlen für das laufende Jahr im Schulbereich

zusätzlich noch mindestens 900 000 Euro an investiven Mitteln, die aus dem Haushalt nicht mehr herauszuholen sind. Für den nächsten Doppelhaushalt sieht es noch düsterer aus. Insbesondere die Bremerhavener Abgeordneten in diesem Raum wissen genau, wovon ich spreche, und können dem zustimmen.

Über die Ursachen kann man lange diskutieren. Fakt ist jedoch, dass wir diese drängenden Probleme nicht auf dem Rücken unserer Kinder und Jugendlichen austragen dürfen. Gute Bildung stellt aus meiner Sicht den wichtigsten Integrationsbaustein einer Gesellschaft dar, der in Zeiten wie diesen viel deutlicher in den Vordergrund rückt, als wir uns 2009/2010 hätten vorstellen können. Eine erfolgreiche Bildungskarriere ist zudem die beste Armutsprävention. Auch das ist für eine Kommune wie Bremerhaven ein wichtiger Faktor.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ich denke, es gibt daher keinen Dissens darüber, dass ein funktionierendes Schulwesen in beiden Kommunen unseres Bundeslandes vordringliches Ziel der Politik in diesem Hause sein muss. Nicht zuletzt hat der Beschluss zur Reform unseres Schulsystems seine Gültigkeit sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven. Daher müssen beide Stadtgemeinden in die gleiche Lage versetzt werden, diese im Sinne aller Beschäftigten sowie der Schülerinnen und Schüler umzusetzen. Mit der Übernahme der Kosten für das nichtunterrichtende Personal entlasten wir nicht nur die Kommunen zu einem nicht unerheblichen Teil, sondern wir setzen auch ein deutliches Signal im Sinne von: „Wir haben euch verstanden!“ in Richtung Schule und der Menschen, die dort so engagiert arbeiten. Daher hoffen wir natürlich auch um Zustimmung zu unserem Antrag.

Nun hat uns heute Morgen ein eigener Antrag der Koalition erreicht. Wir sehen uns darin in unserer Initiative bestärkt und freuen uns, dass die Koalition das Thema endlich erkannt hat. Auch wenn dieser Antrag wie erwartet sehr unkonkret gehalten ist, werden wir Ihrem Antrag zustimmen – das kann ich schon einmal sagen –, da es uns eben um die Sache geht und Ihr Antrag in die richtige Richtung geht. Allerdings mache ich noch einmal sehr deutlich, dass Bremerhaven jetzt Hilfe benötigt. Sonst ist der Schulbetrieb im neuen Schuljahr nicht gewährleistet. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Bevor ich der Kollegin Böschen das Wort erteile, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne eine Gruppe des Landfrauenvereins Wildeshausen-Dötlingen in Begleitung.

Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Schnittker, der Schulbetrieb in Bremerhaven ist natürlich gewährleistet. Dieses Horrorszenario, welches Sie hier aufgemacht haben, entbehrt jeder Grundlage.

(Beifall SPD)

Selbst wenn es so wäre, müssten Sie als CDU dafür einen großen Teil der Verantwortung übernehmen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass Sie daran beteiligt waren, die Investitionsmittel im Schulbereich zu kürzen und dafür andere Ausgaben auszuweisen. Auch das ist natürlich eine Sache der Prioritätensetzung. Davon möchte ich an dieser Stelle aber gar nicht reden, weil ich glaube, in der Sache gibt es durchaus viele Gemeinsamkeiten.

Wir sind uns darüber einig, dass Schule heute deutlich mehr ist als Unterricht. Selbstverständlich! Das ist nicht nur die Schulreform mit ihrer Inklusion, die wir hier in Bremen vorbildhaft für die ganze Bundesrepublik umsetzen. Das sind auch die Ganztagsschulen und die Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen, die natürlich eine andere Unterstützung und Förderung benötigen, als es im Regelunterricht der Fall ist.

Für diese deutlich ausgeweiteten Aufgabenbereiche benötigt es eben nicht ausschließlich Unterricht, sondern selbstverständlich benötigt man dafür ganz viele andere Personalkategorien. Wir reden über Erzieher, über Sozialpädagogen, aber auch über Lehrmeister oder Mensapersonal. All das muss finanziert werden. Wir sind uns alle in diesem Haus darüber einig, dass wir es mit einer Mischfinanzierung zu tun haben. Das Land übernimmt die Kosten für das unterrichtende Personal. Die Kommunen sind für das nichtunterrichtende Personal zuständig. Der Bund hält sich heraus. Durch das Kooperationsverbot gibt es außer über Projektförderung eben kaum noch Möglichkeiten, dieser eigentlich gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, von der wir alle überzeugt sind, dass sie wichtig ist, zu entsprechen.

(Beifall SPD)

Das ist eine Gemengelage, in der natürlich insbesondere finanzschwache Kommunen ein riesiges Problem haben. Dazu gehören nun einmal Bremen und Bremerhaven. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir an dieser Stelle darüber reden, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, diese Personalkosten des nichtunterrichtenden Personals vom Land übernehmen zu lassen. Aus unserer Sicht gibt es diese Möglichkeit.

Frau Schnittker, nun sind Sie aber mitnichten die Erste, die auf diese Idee gekommen ist. Wer lesen

kann, wird sehen, im Koalitionsvertrag steht bereits ein Hinweis darauf, dass Bremerhaven das Angebot gemacht wird, die Kosten für das nichtunterrichtende Personal übernehmen zu lassen, allerdings mit dem Angebot, dann die Lehrkräfte ebenso wie die Polizeibeamten als Landesbeamte zu führen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, über dieses Angebot hat es in Bremerhaven keine Freude gegeben. Ganz im Gegenteil! Es hat ziemlich viel Empörung gegeben. Es ist mittlerweile klar, dass das für Bremerhaven keine Option ist. Es hat darüber hinaus Vereinbarungen zum Facility-Management und zur Abrechnung der Lehrkräfte über Performa Nord gegeben. Das ist im Fluss. Wir sind in dem Thema selbst aber nicht weitergekommen.

(Abg. Frau Schnittker [CDU]: Ich denke, Ihr habt einen Koalitionsvertrag?)

Von daher gibt es unseren Antrag, sich damit auseinanderzusetzen, inwieweit wir hier einen gemeinsamen Kosten- oder Leistungsträger definieren. Das ist durchaus ein großer Unterschied; denn so charmant Ihr Antrag vielleicht im ersten Moment daherkommt, Frau Schnittker, geht er nicht darauf ein, was die Konsequenzen dessen sein werden. Es gibt durchaus unterschiedliche Möglichkeiten. Das haben wir ja gesehen. Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass das Land alleiniger Kostenträger ist oder aber, dass es alleiniger Leistungsträger ist. Das ist wahrlich mit großen Unterschieden verbunden. So etwas einmal eben hier auf den Weg zu bringen, ist vielleicht gut gemeint, aber nicht gut gemacht.

(Beifall SPD)

Von daher glaube ich, dass es deutlich zielführender ist, wenn wir mit unserem Antrag den Senat auffordern, im Rahmen des innerbremischen Finanzausgleichs Verhandlungen zu führen, um hier einen Lösungsvorschlag zu entwickeln. Er wird selbstverständlich in der Abstimmung und auch mit der Zustimmung Bremerhavens dazu führen, dass wir ein erfolgreiches System, eine erfolgreiche Verwaltung sowohl in Bremerhaven als auch in Bremen organisiert bekommen, und zwar unter den Bedingungen der Finanzierung durch das Land. Das wird nur gelingen, wenn das eine Aufgabe von Senat und Magistrat ist und nicht ausschließlich in die Obliegenheit der Fachressorts gestellt wird. Nur wenn wir hier zu einer Win-win-Situation kommen, wird es gelingen, das auch umzusetzen.

Voraussetzung dabei ist natürlich, dass wir die Standards, über die wir reden, zuerst einmal klären. So wie wir eine Zuweisungsrichtlinie beim unterrichtenden Personal haben, wird man genauso für das nichtunterrichtende Personal sehen müssen, welche Voraussetzung wir ansetzen und welche Erwartungen wir haben.

(Glocke)

Wie soll sozialpädagogische Assistenz oder erzieherische Unterstützung überhaupt ausgestaltet sein? Das sind die Punkte, die in diesem Prozess geklärt und die aus meiner Sicht einheitlich definiert werden müssen. Ich hoffe, wir sind damit auf einem guten Weg, eine vernünftige Einigung zu erzielen.

(Beifall SPD)

Ihr Vorschlag, das Ganze rückwirkend auf 2017 zu übertragen, entbehrt jeglichen Realitätssinns. Das geht sowieso nicht. Alles in allem glaube ich aber, dass Ihr Antrag nicht weit genug geht und die dahinter liegenden Probleme überhaupt nicht berücksichtigt. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)