Protocol of the Session on April 5, 2017

(Beifall CDU, LKR)

Das ist nett, wäre aber nicht nötig gewesen!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Das war provoziert!)

Nein, es war toll! Das hat mich ein bisschen gefreut!

Wir teilen nicht die vorgebrachte Kritik als solche. Wir halten den Taser, das Distanz-Elektroimpulsgerät, für eine grundsätzlich wichtige, hilfreiche und auch sinnvolle Waffe und für ein sinnvolles Einsatzmittel, das wir bei der Polizei in den letzten Jahren nicht nur in Bremen, sondern in anderen Bundesländern erfolgreich genutzt haben. Insofern geht es hier im Übrigen nicht um die Einführung des Tasers, sondern es geht streng genommen um die Ausweitung des Einsatzgebietes. Die Spezialeinheiten benutzen den Taser seit geraumer Zeit. Das tut genau die Hälfte der Bundesländer, nämlich acht. Sie tun das überwiegend bei den Spezialeinheiten, bei den SEKs und bei den MEKs.

Man muss sich der Frage nähern, ob wir mit dieser Beschränkung noch richtig aufgestellt sind oder ob es Sinn macht, den Einsatz auszuweiten. Richtig ist, dass es bei uns noch das eine oder andere Fragezeichen dazu gibt. Das hat Kollege Fecker gerade angedeutet. Deshalb sind wir durchaus an dem interessiert, was sich in dem Probelauf in Bremerhaven ergeben wird. Deshalb sind wir sehr daran interessiert, was sich in dem Probelauf in Berlin ergeben wird. Der Taser gehört als Einsatzmittel im Einsatzdienst in Deutschland nicht zu den Regelausstattungen, sondern kommt quasi überhaupt nicht vor.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ach?)

Das ist mit Sicherheit jedenfalls im Hinblick auf die Gefährlichkeit dieser Waffe nicht wegen der vielen negativen Erfahrungen so. Es gab vielleicht mehr Einsätze. Wir konnten aber round about 100 Einsätze

auswerten. Es ist nach unserer Auswertung in Deutschland in keinem einzigen Fall zu einer schwerwiegenden Verletzung des Betroffenen gekommen. Das heißt, wir haben im deutschen Einsatzraum keinerlei Erkenntnisse darüber, dass es zu schwerwiegenden Verletzungen gekommen ist.

(Zuruf CDU: Ach?)

Es ist allerdings auch eine Erkenntnis, dass wir eine Vielzahl fehlgeschlagener Einsätze haben. Darauf hat der Kollege Fecker zu Recht gerade hingewiesen. Das hat etwas damit zu tun, dass es beim Einsatz des Tasers mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Fehlschüssen kommen kann. Wenn bestimmte Kleidung getragen wird, wirkt das Gerät nicht. Deshalb ist beim Einsatz der Spezialeinsatzkräfte in der Regel die Aufstellung so, dass neben einem Beamten mit dem Taser zumeist noch ein zweiter Beamter die Waffe anwenden kann. Für den Fall, dass beide fehlschießen, steht ein dritter oder vierter Sicherungsschütze mit einer scharfen Waffe zur Verfügung.

Man muss sich die Situation so vorstellen: Da kommt jemand mit einem Messer auf einen Polizeibeamten zu. Dann halte ich die Überlegung, den Angreifer mittels eines Tasers angriffsunfähig zu machen, statt ihn gleich zu erschießen, für durchaus sinnvoll und im Interesse desjenigen, der mit dem Messer unterwegs ist. Im Interesse des Polizeibeamten muss ich mich aber mit der Frage auseinandersetzen, was ich mache, wenn das nicht klappt. Was passiert, wenn ich ihn am Reißverschluss erwische? Was ist, wenn er sich aus irgendeinem Grund gerade in der Drehbewegung befindet? Er wird durch den Schuss wahrscheinlich nicht besonders deeskaliert, sondern registriert in der Situation vielleicht gar nicht, womit auf ihn geschossen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass er seinen Angriff dann intensiviert, ist relativ hoch. Wenn der Polizist dann seine Munition verschossen hat, ist es blöd.

Deshalb benötigen wir eine Einsatzaufstellung, in der sich der Beamte nicht entscheiden muss für: Ich setze jetzt den Taser ein, wenn es klappt, ist es gut für uns beide, wenn es nicht klappt, habe ich ein Problem! Er muss in einer Einsatzkonstellation sagen können: Ich nutze den Taser, und für den Fall, dass etwas schiefgeht, haben wir eine andere Lösung für das Problem, das dann auf mich zukommt!

Deshalb sind wir sehr daran interessiert, wie der Taser im Einsatzdienst angenommen wird, mit welchen Konzepten sich die Ortspolizeibehörde Bremerhaven und mit welchem Konzept sich die Polizei Berlin dem annimmt. Wir haben uns als Innenressort schon in Bremerhaven gemeldet und gesagt, wir sind gern bei der Auswertung dieses Versuchs dabei, weil das auch für uns interessant ist. Darauf kann man am Ende die Antwort auf die Frage aufbauen: Ist der Taser als Einsatzmittel für andere Einsatzszenarien geeignet? Wie gesagt, die Vorstellung, die Streifenwagenbesatzung

hat in Zukunft auch einen Taser dabei, überzeugt mich im Moment noch nicht.

Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass es jenseits der Spezialeinheiten andere Einsatzgeschehnisse gibt. Polizisten sind auch nicht immer nur zu zweit unterwegs. Manchmal treten sie im Einsatzgeschehen in größeren Gruppen auf. Ich kann mir durchaus Einsatzkonstellationen vorstellen, in denen die Polizei mit einer solchen Waffe über das heutige Maß hinaus ausgestattet werden kann.

Jetzt möchte ich gern noch auf die beiden Punkte eingehen, die mir als Frage zugeworfen worden sind. Allerdings fällt mir jetzt nur noch einer ein. Frau Vogt hatte nach der Evaluation gefragt.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Die Evaluation des Erlasses!)

Die Evaluation ist sozusagen begonnen worden. Sie wurde bisher noch nicht vorgelegt, weil schlicht und ergreifend die Zahl der Einsätze in Bremen so gering war, dass eine besonders qualifizierte und aussagekräftige Evaluation nicht möglich ist. Ich kann die Evaluation hier kurz vornehmen.

Seit 2006 hat es insgesamt 13 erfolgreiche und zwei nicht erfolgreiche Einsatzanlässe gegeben. In acht Fällen haben wir versuchte Suizide mit dem Taser-Einsatz unterbunden. Das ist übrigens etwas, für das der Taser ursprünglich nicht vorgesehen war. Der Einsatz hat sich inzwischen aber sehr erfolgreich entwickelt, um Leute, an die man anders nicht herankommt, von einem geplanten Suizid abzuhalten. Das ist sozusagen ein sehr überproportionales Einsatzgeschehen. Ich glaube, es ist im Ergebnis unstrittig, dass man da etwas Sinnvolles macht. Hinzu kommt, dass gerade in solchen suizidalen Situationen häufig Spezialeinsatzkräfte hinzugezogen werden, sodass der Einsatz dann möglich ist. Auch das sind Extremsituationen, die man in der Regel nicht dem ersteintreffenden Streifenwagen allein überlassen, sondern sagen würde, da müssen wir uns anders aufstellen.

(Abg. Hinners [CDU]: Aber erst später!)

Das ist sozusagen der Hintergrund. Wir haben gesagt, die Datenlage, die wir im Moment haben, ist noch so dünn, dass wir die weiteren geplanten Versuche in anderen Ländern abwarten.

Jetzt weiß ich es wieder. Das Zweite war keine Frage, sondern ein Aspekt, auf den ich noch eingehen sollte. Im CDU-Antrag wird darauf hingewiesen, dass die rechtlichen Unsicherheiten abzustellen sind. Rechtliche Unsicherheiten kann ich im Moment nicht erkennen. Der Einsatz des Tasers ist in Bremen im Polizeigesetz zugelassen. Es gibt eine entsprechende Erlasslage. Es gibt auch Verfahrensvorschriften, wie damit umzugehen ist.

Richtig ist, in dem Augenblick, in dem wir das Einsatzgebiet verändern würden, müssten wir natürlich auch die zugrunde liegenden Vorschriften ändern. Die Erlasslage sieht im Moment nur den Einsatz bei MEK und SEK vor. Wenn ich sage, ich möchte noch weitere Einheiten damit ausrüsten, dann müsste ich das entsprechend anpassen. Eine rechtliche Unsicherheit im engeren Sinne kann ich zumindest für Bremen im Moment nicht erkennen. Wir haben im Gesetz eine klare Regelung. Das ist nicht in allen Ländern so eindeutig.

Zusammenfassend kann ich sagen: Wir haben keine grundsätzlichen Bedenken. Wir haben aber eine Reihe von Fragen. Wir hoffen, dass sich diese Fragen über das, was sich andere Länder und Bremerhaven jetzt vorgenommen haben, ein Stück weit beantworten lassen.

Ich möchte noch einen Satz zu Berlin sagen, bevor man sich in den Dimensionen täuscht. Berlin hat 25 000 Mitarbeiter bei der Polizei, glaube ich. Berlin beabsichtigt, im Probelauf etwa zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit diesen Tasern im Probedienst auszustatten. „Im Einsatzdienst“ hört sich so an, als würden in Berlin demnächst 10 000 Polizeibeamte mit einem Taser durch die Stadt laufen. Ganz so ist es nicht. Es findet zwar im Einsatzdienst statt, aber nur bei einer sehr, sehr kleinen und ausgewählten Gruppe. – Danke schön!

Herr Staatsrat Ehmke, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Frau Vogt beantworten?

Ich bin zwar schon wieder fertig, aber trotzdem!

Bitte, Frau Vogt!

Sie konnten eben bewundernswerterweise aus dem Stehgreif eine Evaluation vorlegen. Hier ist so oft behauptet worden, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte in Bremen ständig steigt. Das stimmt ja nicht. Können Sie mir erklären, warum wir 2015 diesen Ausreißer nach oben hatten und jetzt die Anzahl der Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte von 418 auf 329 im Jahr 2016 gesunken ist?

Die Evaluation kann ich jetzt nicht aus dem Stehgreif machen. Das ist gerade bei PKSZahlen sowieso immer komplex. Dann müssten wir uns die Tatzeitstatistik daneben legen und schauen, ob das ein statistischer Effekt durch die Übertragung von einem Jahr auf das andere ist, ob also sozusagen ein paar Akten aus dem einen Jahr in das andere Jahr eingegangen sind und daher die Statistik verzerren. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten. Dazu möchte ich mich jetzt aber nicht zu einer Interpretation hinreißen lassen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Es hätte ja sein können! Das ist völlig in Ordnung!)

Gestatten Sie, dass der Kollege Zenner eine Zwischenfrage stellt? – Bitte, Herr Kollege Zenner!

(Abg. Zenner [FDP]: Ich möchte keine Zwischenfra- ge stellen. Ich weiß jetzt nicht, ob es angebracht ist oder ob ich warte, bis Herr Staatsrat Ehmke seine Rede beendet hat. Das hat er gerade gemacht. – Bitte, Herr Zenner! Abg. Zenner (FDP): Das hat er gemacht, gut, dann darf ich es ja sagen! Ich hatte ja erwähnt, es macht Sinn, in der Deputation darüber zu reden. Das möchte ich noch einmal wiederholen. Ich beantrage also, diesen Antrag an die Deputation für Inneres zu überweisen. Das ist nicht so ganz deutlich geworden, glaube ich.

Doch, in meiner Regieanweisung steht das: Überweisung!

(Abg. Zenner [FDP]: Wunderbar, dann sind wir uns einig!)

Ich begreife das einfach einmal als Frage. Mir ist das in der Tat nicht so deutlich gewesen. Wenn der Präsident es wusste, ist das auch wichtiger. Ich bin fertig und trete ab. – Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist beantragt worden, diesen Antrag zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Inneres zu überweisen.

Wer dieser Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/951 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür FDP, LKR, Abg. Tassis [AfD])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, Abg. Öztürk [SPD, fraktionslos])

Stimmenthaltungen?

(Abg. Timke [BIW])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt die Überweisung des Antrags an die staatliche Deputation für Inneres ab.

Ich lasse jetzt über den Antrag in der Sache abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/951 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen!