DIE LINKE hat deshalb eine Große Anfrage unter dem Titel „Heile Welt Ausbildungsmarkt? – Endlich Transparenz bei den Ausbildungszahlen durchsetzen!“ gestellt, denn wir möchten gern erfahren, wie viele junge Menschen in Bremen eine Ausbildung machen wollen.
Wer die bisherige Diskussion nicht kennt, der müsste ja denken, einfache Frage, einfache Antwort. Das Ganze wird aber extrem kompliziert gemacht. Die Ausbildungsstatistiken sprechen von offiziellen Bewerberinnen, und das sind nicht alle Jugendlichen, die gern eine Ausbildungsplatz hätten, sondern nur
die, bei denen die Arbeitsagentur den Stempel vergibt, ja, du darfst eine Ausbildung machen, ja, du bist ausbildungsreif. Alle, die aufgrund teils sehr fragwürdigen Kriterien als nicht ausbildungsreif abqualifiziert werden, zählen nicht als Bewerber, sie sind in dieser Statistik einfach nicht enthalten.
Ein weiterer sehr irritierender Begriff ist die Zahl der sogenannten versorgten Bewerber. Wer glaubt, dass sich unter den versorgten Bewerbern diejenigen verbergen, die einen Ausbildungsplatz erhalten haben, der liegt falsch. Das bedeutet nur, dass die Jugendlichen entweder einen Ausbildungsplatz oder eine Maßnahme im Übergangssystem erhalten haben oder nun einen höheren Abschluss machen.
Es wird auch hier wieder nicht klar, wer ausbildungsinteressiert ist, aber keinen Ausbildungsplatz findet. Es ist nicht ersichtlich, wer sich im Übergangssystem befindet, um sich noch weiter zu qualifizieren, weil alle Bewerbungen auf einen Ausbildungsplatz erfolglos waren? Auch hier ist noch nicht klar, wer geht als Plan B weiter zur Schule, um das Abitur zu machen, weil Plan A, einen Ausbildungsplatz in Bremen zu finden, nicht geklappt hat? Kurzum, wir wissen nicht, wie viele Jugendliche eine Ausbildung machen wollen und an dem unzureichenden Angebot scheitern.
Auf Initiative der Linksfraktion haben SPD, Grüne und DIE LINKE vor zehn Monaten gemeinsam einen Antrag beschlossen, der Licht ins Dunkel bringen sollte. Er sollte sichtbar machen, wie groß die Ausbildungsplatzlücke tatsächlich ist. Die Freude über diesen gemeinsamen Antrag hielt aber nicht lange an, denn im November waren immer noch die Zahlenzauberer der Agentur für Arbeit am Werk und präsentierten eine Statistik, die exakt so aufgebaut war, wie die Jahre davor, intransparent und irreführend.
Es heißt dort, am Ende des Berufsberatungsgeschäftsjahres seien insgesamt 174 Bewerber in Bremen und 33 Bewerber in Bremerhaven unversorgt gewesen. Die Wirklichkeit lässt sich aus dieser Pressemitteilung leider nicht ablesen. Wir halten also fest: Die zentralen Fragen, wie viele Jugendliche tatsächlich einen Ausbildungsplatz suchen, wie viele Plätze von den Unternehmen bereitgestellt werden müssen, um ein attraktives und auswahlfähiges Angebot zu präsentieren, werden nicht beantwortet.
Es gibt dazu zwar Schätzungen von unserer Fraktion, es gibt Schätzungen von Radio Bremen, und es gibt auch Schätzungen von einer Schülergruppe, die sich seit langer Zeit mit den Zahlen auseinandersetzt und immer wieder auf die eklatanten Mängel in der offiziellen Statistik hinweist, aber so ganz genau wissen wir es eben nicht. Darum haben wir diese Anfrage an den Senat gestellt, um zumindest über diesen Umweg nun an die tatsächlichen Zahlen heranzukommen.
Aber auch über diesen Weg war nichts zu machen, denn der Senat kennt die richtigen Zahlen nicht, und wir finden, das kann nicht sein!
Wie will man denn, wenn man die Zahlen nicht kennt, Verbesserungen auf dem Ausbildungsmarkt schaffen? Ganz zu schweigen von der Ausbildungsgarantie, an die außer Arbeitssenator Günthner wohl kein Mensch mehr glaubt, zumindest kein Jugendlicher, der oder die eine Lehrstelle vergeblich suchen.
Ich finde es wirklich erschreckend, dass wir zehn Monate nach dem Beschluss in der Bürgerschaft hier stehen und kein bisschen schlauer sind. Das ist ein ernsthaftes Problem,
einerseits für die Jugendlichen, wenn sie diese Zahlen lesen, denken sie, dass sie zu einer kleinen Gruppe von Pechvögeln gehören, die keinen Ausbildungsplatz ergattert haben, dass es wohl an ihnen persönlich läge und dass sie wohl nicht gut genug seien. Das nagt nicht nur ganz schön am Selbstbewusstsein der jungen Leute, sondern es ist schlicht und einfach falsch, denn die Gruppe derjenigen, die in den sauren Apfel beißen und keinen Ausbildungsplatz finden, ist zu groß, viel zu groß.
Vor allem ist das aber ein Problem für die Politik, denn die Regierung hat keine Ahnung, wie groß die Ausbildungsplatzlücke wirklich ist. Wir finden diesen Zustand unhaltbar!
Da meine Redezeit für den ersten Redebeitrag erschöpft ist, werde ich in einem zweiten Redebeitrag meine Rede fortführen und darlegen, welche Forderungen ich an den Senat habe. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Wir haben uns gemeinsam mit der SPD das Ziel gesetzt, alle jungen Menschen unter 25 Jahren bis zu ihrem erfolgreichen Berufs- oder Studienabschluss zu begleiten. Dazu haben wir die Jugendberufsagentur gegründet, eine Ausbildungsgarantie ausgesprochen, und mit der Bremer Vereinbarung für Ausbildung und Fachkräftesicherung haben sich die relevanten Akteure verpflichtet, jungen Menschen auf den Weg in Ausbildung und Beruf zu helfen. Das ist aus unserer Sicht richtig und gut so.
Gleichwohl, meine Damen und Herren, werden noch nicht alle Menschen erfasst, das hat die Kollegin Frau Strunge aus meiner Sicht richtig dargestellt, die ohne Ausbildung sind. Um die Lage auf dem Ausbildungsmarkt tatsächlich transparenter zu gestalten, haben wir bereits im Mai 2016 gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE und mit der SPD hier einen Antrag eingebracht, um bei den regionalen Zahlen zum regionalen Arbeitsmarkt mehr Transparenz herzustellen. Wenn Instrumente des Staates greifen sollen, sind verlässliche Zahlen notwendig. Meine Damen und Herren, das vorhandene Material liefert realistisch betrachtet teilweise keine Basis für eine Zukunftsplanung.
Frau Strunge ist darauf eingegangen, dass die Schüler des Schulprojektes der Gesamtschule Bremen-Ost auf die missliche Datenlage hingewiesen haben, dass die früher als nicht ausbildungsreif klassifizierten Jugendlichen gar nicht in den Statistiken auftauchen. Sie haben dann auch noch überprüft, ob der Beschluss, der seinerzeit hier einstimmig gefasst worden ist, umgesetzt wurde. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass er nicht umgesetzt worden ist. Das ist auch zutreffend.
Aus der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der LINKEN, geht aber auch hervor, dass die Partner der Bremer Vereinbarung für Ausbildung und Fachkräftesicherung, zu denen auch die Agentur für Arbeit Bremen und Bremerhaven zählen, sich einig sind, dass die bundesweiten Erhebungen, aber auch die von der Bundesagentur für Arbeit erstellten regionalen Statistiken nicht ausreichen, um den Ausbildungsmarkt im Land Bremen umfassend darzustellen. Damit will ich nur deutlich machen, dass es nicht nur ein Bremer Problem, sondern ein bundesweites Problem ist.
Deshalb soll jährlich eine gemeinsame Statistik zum Ausbildungsmarkt, die die Angebots- und Nachfrageseite des Ausbildungsmarkts detailreich beleuchtet – das geht aus der Antwort hervor – ausführlich mit den Partnern der Bremer Vereinbarung diskutiert und dann auch der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Aufgrund unseres Antrags vom Mai 2016 ist beabsichtigt, eine Datenbank aufzubauen, auch das geht aus der Antwort auf die Große Anfrage hervor, die den Verbleib der jungen Menschen aus den Schulabgangsklassen in Bremen und Bremerhaven aufzeichnet, damit geklärt wird, wo ein junger Mensch sich gerade befindet. Somit soll für Transparenz auf dem Ausbildungsmarkt gesorgt werden. Das sind gute, wichtige Schritte und Überlegungen, an deren Umsetzung wir arbeiten sollten. Das sind wir, glaube
Es ist auch gut, das geht auch aus der Antwort auf die Große Anfrage hervor, dass der Senator mit der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg Kontakt aufgenommen hat, um zu klären, ob unser Verfahren bundesweit erstmalig als Modellprojekt getestet werden kann. Der Sachstand geht aus der Antwort des Senats leider nicht hervor.
Aus welchen Gründen Bewerber und Bewerberinnen nicht aufgeführt werden, die sich an die Agentur für Arbeit, an die Jobcentern oder an die Jugendberufsagentur wenden, nicht in die Statistik aufgenommen und als nicht ausbildungsreif eingestuft werden, wurde lediglich damit beantwortet, dass diese Differenzierung der Daten von der Bundesanstalt und von den Jobcentern nicht vorgenommen wird. Das ist auch tatsächlich so. Aus unserer Sicht darf das aber nicht mehr so bleiben, meine Damen und Herren, denn nur dann, wenn alle Zahlen tatsächlich transparent dargestellt werden, erst dann können wir den jungen Menschen richtig gute Chancen in unserem Land eröffnen.
Es ist eine neue Erfassung der Daten notwendig, die die unterschiedlichen Anliegen der jungen Menschen berücksichtigt. Im Augenblick wird bei der Bundesanstalt für Arbeit zum Beispiel nicht erhoben, wie viele Jugendliche sich bei der Bundesanstalt als Ausbildungsplatzinteressierte melden, darauf sind Sie auch eingegangen, und wie viele von ihnen dann als nicht ausbildungsreif mit der Folge beurteilt werden, dass sie dann nicht mehr als Jugendliche betrachtet werden, die keine Ausbildungsstelle erhalten haben.
Bremen braucht aber, wie die anderen Bundesländer auch, aussagekräftige Zahlen zu diesen Umständen, damit die Jugendlichen und jungen Erwachsenen angemessen und passgenau beraten werden können und sie sich einen guten Start in das Berufsleben erarbeiten können. Deshalb haben wir bereits – aus der Antwort des Senats geht hervor, dass der Senat keine Bundesratsinitiative ergreifen will, weil es sich um ein bundesweites Problem handelt – in unserer Fraktion einen Antrag beschlossen, der dieses Thema mit einer Bundesratsinitiative bundesweit aufgreifen soll. Den Antrag haben wir unserem Koalitionspartner vorgelegt, und ich gehe davon aus, dass er diesem Antrag zustimmen wird.
Ich würde mich freuen, wenn der Antrag das Plenum erreicht und wenn wir ihn mit einer großer Mehrheit unterstützen würden, denn die beschriebene Situation finden wir nicht nur in unserem Bundesland, sondern auch in anderen Bundesländern vor, und das darf aus meiner Sicht nicht so bleiben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nein, der Bremer Ausbildungsmarkt ist sicher keine heile Welt. Wenn nur 37 Prozent der Ausbildungsplatzbewerber und -bewerberinnen einen dualen Ausbildungsplatz finden, dann betrachten wir das als CDU-Fraktion mit Sorge.
In der vorliegenden Großen Anfrage und den Antworten des Senats wird deutlich, dass es eine große Verwirrung gibt, welche Zahlen denn nun überhaupt vorliegen, und was sie bedeuten. Die Antworten sind lückenhaft, und die Informationen, die die verschiedenen Quellen herausgeben, erscheinen widersprüchlich. Es stellt sich also die Frage, braucht es ein neues Zahlenwerk?
Ausbildungsplatzsuchende müssen mit einem passenden Zahlenwerk erkannt und erfasst werden, sonst kommen wir hier nicht weiter. Es gibt in der sogenannten Bremer Vereinbarung drei überblicksweise Seiten, die die wesentlichen Aussagen der Ausbildungsstatistik einmal zusammenfassen. Das Problem ist, Kammern, Agenturen, Schulen, Behörden benutzen unterschiedliches Vokabular und unterschiedliche Definitionen. Gemäß ihrer jeweilig unterschiedlichen Zuständigkeit erheben sie zweckorientiert die Daten und wählen natürlich auch unterschiedliche Kategorien und Darstellungsformen, und das schon innerhalb eines einzigen Hauses, ist ja klar. Die Statistikerin oder der Statistiker, muss also die Begriffe, zum Beispiel den des unversorgten Kandidaten, erst einmal aufschlüsseln. Ich habe jetzt Zeit genug, um mit den Akteuren des Alltags Kontakt aufzunehmen und weiß mittlerweile, dass sie das können.
Also, diese Statistiker, diese Insider, bekommen detaillierte Informationen durch diese Zusammenstellung geliefert, aber diese Informationen sind nach außen nicht transparent. Das wiederum, haben wir schon gehört, haben eine eifrige politisch aktive Schülergruppe und ihr Lehrer – den Lehrer sehe ich dort oben auf der Besuchertribüne sitzen – wieder und wieder mit Charme und Hartnäckigkeit in die Öffentlichkeit getragen. Bei denen und vielen anderen entsteht nachvollziehbar der Eindruck von Intransparenz, Widersprüchlichkeit, ja, beinahe Unehrlichkeit seitens der Arbeitsagentur und Jobcenter, wenn es um die Darstellung der Situation auf dem Ausbildungsmarkt geht.
Vielleicht braucht es kein neues Zahlenwerk, aber in jedem Fall neue einheitliche Definitionen, was zum Beispiel dieser Begriff unversorgt bedeutet. Hier erwarten wir, dass der Senat handelt und auf eine Vereinheitlichung der Darstellungen hinwirkt und Informationslücken ergänzt. Transparenz und Nach
vollziehbarkeit durch Öffentlichkeit und Parlament sind kein freundliches Add-on, sondern eigentlich demokratische Selbstverständlichkeit. Den Auftrag hat der Senat seitens des Parlaments bereits im Mai letzten Jahres explizit erhalten. Also fragen wir schon, wo bleibt die Umsetzung?
Übrigens kommen zunehmend auch Flüchtlinge im Ausbildungsmarkt an und müssen ihren Weg in die berufliche Integration finden. Die Argumente, und das sage ich jetzt ganz bewusst in Anführungszeichen, die wir in der letzten Bürgerschaft seitens des Sozialressorts gehört haben, warum trotz bestehender Finanzierung vorhandener Plätze und vorliegender Bewilligungen anerkannte Flüchtlinge keine vom Bund bezahlten Arbeitsangelegenheiten innerhalb ihrer Einrichtung oder außerhalb ihrer Einrichtung erhalten, finde nicht nur ich unglaublich.
Es schütteln auch bewährte Bremer Sozialhilfeträger den Kopf über die irrgartenmäßige Verwaltungsstruktur hier in der Behörde. Wir fordern vom Senat zur schnelleren Integration von Flüchtlingen in den Ausbildungsmarkt, dass er alles, aber auch alles, was in seiner Macht steht, dafür tut, dass das Kennenlernen von Sprache, von Kultur und von Arbeitswelt gefördert wird und die Zielgruppe übrigens auch von der gähnenden Langeweile in den Einrichtungen befreit wird. Dazu gehört auch, die vorhandenen Ein-EuroJobs für Flüchtlinge im vollen Umfang auszuschöpfen.
Ich werde nachher noch etwas – Thema Ausbildungsmarkt – zur Aktivierung von Unternehmen sagen. Ich habe noch meine zweite Runde. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!