Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hinners, Sie berufen sich ja immer auf Recht und Gesetz. Dabei verkennen Sie natürlich – darüber haben wir
Die Frage ist ja auch, ob Recht und Gesetz immer berechtigt und legitimiert sind. Wenn es nach der Bundesregierung und nach Ihrer Partei geht, dann kann man ja auch nach Afghanistan abschieben, selbst noch nach den jüngsten Berichten, dass die Zahl der zivilen Opfer auf einem Höchststand ist, seit der Krieg dort ausgebrochen ist. Wie man sozusagen rechtlich zu der Auffassung kommen kann, dass man dorthin abschieben kann, ist mir schleierhaft.
(Abg. Röwekamp [CDU]: Aber das entscheiden Ge- richte, auch auf der Basis der Erkenntnis über den Zustand in den Ländern!)
Das ist aber Ihr geltendes Recht und Gesetz; auf Basis der geltenden Gesetze natürlich, die die Bundesregierung erlässt! Das haben wir gesehen.
Ihr Kollege Dr. Thomas vom Bruch war bei der Anhörung im Europaausschuss dabei. Auch das ist geltendes Recht und Gesetz. Bei der Anhörung zu den angeblich sicheren Herkunftsstaaten wurde noch einmal berichtet, dass die Situation bei Weitem nicht sicher ist. Das wurde auch von Augenzeugen berichtet. Dennoch ist es geltendes Recht und Gesetz, dorthin abzuschieben. Das macht leider die Ausländerbehörde Bremerhaven exzessiver als die Ausländerbehörde Bremen, die ihre Ermessensspielräume zumindest weitergehend nutzt, um Aufenthaltserlaubnisse oder Duldungen zu erteilen.
Ich komme noch einmal auf die Anfrage zurück. Ich habe schon meine grundsätzliche Kritik daran ausgedrückt, ich möchte aber noch ganz konkret auf den Fragenkatalog eingehen. Was Sie hier gemacht haben, ist tatsächlich ein ziemlich buntes Potpourri. Sie werfen Geduldete, Abschiebungen im Allgemeinen, BTM-Handel und Straftäter ohne deutsche Staatsangehörigkeit – das sind circa 80 000 Personen im Land Bremen ohne deutsche Staatsangehörigkeit – einfach in einen Topf, und heraus kommt sozusagen Ihr Ergebnis: Es wird nicht genug abgeschoben! Es gibt überhaupt keine Vergleichsgrößen in diesen Fragen und auch nicht in den Antworten. Hier werden also tatsächlich Äpfel mit Birnen verglichen. Ich finde das absolut unseriös.
Ein erneutes Mal bringen Sie die Bremerinnen und Bremer ohne deutschen Pass, die im Durchschnitt übrigens, falls Sie die Statistiken kennen, seit 20 Jahren hier leben, rhetorisch in die rechtliche Unsicherheit. Wenn es nur die FDP wäre, dann hätte ich mir nicht so große Sorgen gemacht, dann hätte ich diese Anfrage einfach in der Schublade „billiger AfD-Stimmenklau“ versenkt.
Das Problem ist aber, dass der Innensenator zusammen mit dem Justizsenator im Januar gewissermaßen auf den Zug aufgesprungen ist. Sie haben eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Justiz und Inneres, ihr Papier über die wehrhafte Demokratie und die sozialdemokratischen Antworten darauf, verfasst. Darin steht, dass die Ausweisung jetzt direkt in Verbindung zwischen Ausländerbehörde und Justizhaftanstalt geprüft werden soll: bei Freiheitsstrafen wegen Delikten gegen das Eigentum, also Diebstahl oder Raub, bei Freiheitsstrafen oder Jugendstrafen wegen BTMHandel und bei Freiheits- und Jugendstrafen von über einem Jahr. Kurzum, es handelt sich hier um Jugendliche, die auf den falschen Weg geraten sein können, um Erwachsene und Straftaten, die in der Straftatenskala eher unten anzusiedeln sind.
Sie sollen potenziell direkt aus der Haft oder direkt danach abgeschoben werden. Das heißt, sie haben nicht automatisch ein Recht auf Resozialisierung, was ja eigentlich im Strafrecht vorgesehen ist, und auch nicht auf offenen Vollzug. Für sie wird der Knast sozusagen eine Vorstation, eine Art Abschiebebahnhof. Ich finde, das ist rechtspolitisch tatsächlich ein Rückschritt. Wir wollen weder ein Sonderstrafrecht noch einen Aufenthalt auf Probe je nach Wohlverhalten.
Herr Mäurer, ich kann mir schon vorstellen, dass Sie sagen werden, es findet eine Abwägung zwischen Ausweisungs- und Bleibeinteresse statt. Ich habe aber vor einigen Jahren als Aktivistin erlebt, wie ein Familienvater nach einer geringen Straftat abgeschoben wurde, obwohl seine Familie nicht abgeschoben werden konnte. Seine Frau und seine Kinder sind hiergeblieben. Das heißt, das Recht auf Familie wurde in diesem Fall ignoriert, und das war klar rechtswidrig. Es sollte aber ein Exempel statuiert werden, denn es war eine Person aus der sogenannten Mhallami-Gruppe. Das Gleiche passiert jetzt mit den 35 Marokkanern, wie Sie angekündigt haben, obwohl Bremen der Meinung ist, dass Marokko kein sicheres Herkunftsland ist. An diesen soll jetzt ein Exempel statuiert werden.
Sie wollen der Öffentlichkeit die Politik der harten Hand verkaufen, obwohl wir ja vor Kurzem Berichte in den Medien gelesen haben, die tatsächlich von Erfolgen nach der Personalaufstockung in der JVA,
im Jugendvollzug berichten. Es gibt Erfolgsberichte aus der sozialen Arbeit, die besagen: Wenn man mit der mobilen Betreuung tatsächlich personell vor Ort ist, dann kann man diese Jugendlichen erreichen, kann man sie auf einen richtigen Weg bringen.
Mit der Ausweisung hängt aber das Damoklesschwert der Abschiebung über den Jugendlichen. Damit verdirbt man die Erfolgsmöglichkeiten der sozialen Arbeit. Das ist ein Aufwand, auf den die Jugendlichen ein Recht haben, den die Stadt Bremen auch erbringt und investiert. Damit führt man diesen Aufwand ein Stück weit ad absurdum. Ich halte das nicht für nachhaltig, sondern für eine Politik, die quasi für das Schaufenster gemacht wird, und ich hoffe, dass Sie sich noch eines Besseren besinnen. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es vergeht keine Bürgerschaftssitzung, ohne dass wir uns mit dem Thema Abschiebung befassen. Ich erinnere an den Herbst 2015, als die Bundeskanzlerin die Grenzen aufgemacht und damit auch einen Beitrag dazu geleistet hat, dass diese Probleme entstehen. Damals habe ich auf dieser Seite nicht die Spur einer Kritik erfahren. Vielmehr war die Begeisterung groß, die Stimmung war großartig. Seitdem die Stimmung in den Keller geht und irgendwie auch das Ende der Ära Merkel heranrückt, wird das Thema gewechselt.
Über der Anfrage der FDP-Fraktion steht: Werden Straftäter konsequent abgeschoben? Dazu habe ich eine Meinung.
Debattiert haben Sie etwas völlig anderes. Da ging es darum: Wie gehen wir mit abgelehnten Asylbewerbern um? Wie ist das Verhältnis von freiwilliger Rückreise und Abschiebung? Das sind alles Fragen, die überhaupt nicht in diesen Kontext hineinpassen. Wir haben da eine ganz klare Trennung und eine klare Position. Die Anfrage der FDP-Fraktion hat allein die Fragestellung: Wie gehen wir mit Straftätern um? In dieser Frage hat der Senat eine sehr dezidierte Meinung.
Man muss aber vielleicht auch einmal zur Kenntnis nehmen, welche Probleme wir haben. Wir haben 2016 den massiven Anstieg im Bereich der jugendlichen
Kriminellen aus den nordafrikanischen Staaten erlebt. Wir haben die Anzahl häufig dargelegt. Wir haben Ermittlungsgruppen gebildet. Es war uns völlig klar, dass wir nach europäischem Recht keine Möglichkeit haben, auch nur einen Einzigen dieser Jugendlichen auszuweisen, wenn er noch minderjährig ist. Es gibt eine europäische Norm, die besagt: Wer nicht 18 Jahre alt ist, den kann man nicht abschieben. Das führt natürlich automatisch dazu, dass bei uns die Zahl der Duldungsfälle steigt.
Dann ist die Frage: Was macht man, wenn diese Jugendlichen volljährig sind? Die meisten sind teilweise in der Strafhaft oder in der Untersuchungshaft gewesen. Wir haben versucht, Kontakt mit den Botschaften aufzunehmen. Wir haben die Personen vorgestellt. Die Resonanz war gleich null. Wir haben im Jahr 2016 überhaupt keine Rückmeldung von der marokkanischen Botschaft bekommen. Wir haben dann durch Vermittlung des Bundesinnenministers 20 Personen benannt. Erfreulicherweise haben wir Anfang dieses Jahres erstmals für zehn Personen einen Rücklauf bekommen. Wir haben dann am 1. Februar einen einzigen, bei dem die Voraussetzungen gegeben waren, abgeschoben. Die Unterlagen dafür haben wir einen Tag vor dem Flug bekommen.
Diese Abschiebungen sind nicht einfach zu organisieren. Marokko besteht darauf, dass keine CharterFlüge organisiert werden. Das heißt, wir buchen Tickets, erster Klasse sehr wahrscheinlich, bei der Lufthansa. Wir brauchen zusätzlich drei Beamte der Bundespolizei. Das bedeutet einen Heidenaufwand. Die Beamten waren drei Tage unterwegs, um einen einzigen Marokkaner in seine Heimat nach Casablanca zurückzubringen. Wir werden dies weiter machen, auch wenn es schwierig ist. Man muss aber zur Kenntnis nehmen, dass wir massive Probleme haben, diese Dinge überhaupt zu organisieren.
Amri ist doch ein Beispielfall dafür gewesen, was alles passiert. Das hätte uns genauso auf die Füße fallen können, weil wir auch das Problem haben, dass wir nach dem geltenden Recht niemanden in Abschiebehaft nehmen können, wenn uns klar ist, dass wir ihn nicht innerhalb der nächsten drei Monate faktisch abschieben können. Diese Norm war bisher immer die Hürde, über die wir nicht gekommen sind. Sie haben mitbekommen, die Bundesregierung hat sich inzwischen darauf verständigt, dass diese Regelung zukünftig fallen wird. Die Gesetze sind auf dem Weg. Ich halte das für richtig, und der Senat wird im Bundesrat seine Zustimmung dazu geben. Das sind einfach Hürden, über die wir heute nicht ohne Weiteres kommen.
Die Situation wird sich in den nächsten Monaten deutlich verändern. Wir werden einen deutlich größeren Anstieg der Abschiebungen haben, weil wir endlich in die Lage versetzt werden, darauf zu reagieren. Das ist überhaupt kein Thema. Es ist hier niemand im Senat, der sagt: „Nein, Straftäter sollen hier bleiben. Wir finden das irgendwie ganz toll.“
Nein, im Gegenteil! Es geht ja nicht darum, dass wir nun jemanden, weil er bei einem Ladendiebstahl erwischt wurde, abschieben. Das ist ja auch Blasphemie. Nein, es geht darum, dass wir Täter, die in der Regel inhaftiert worden sind, dann auch aus der Haft heraus abschieben. Deswegen haben wir eine klare Vereinbarung mit der Justiz getroffen, wie wir das regeln.
Wir beginnen nicht mit der Einleitung des Verfahrens, wenn die Haft nahezu verbüßt ist, sondern wir machen das gleich zu Beginn. Das heißt, wer inhaftiert wird, weiß gleich vom ersten Tag an, dass wir daran arbeiten, dass am Ende des Prozesses seine Rückführung in sein Heimatland organisiert wird. Wir werden das mit einer zentralen Arbeitsgruppe begleiten, bestehend aus Migrationsamt und Polizei, die all diese Täter in einer Liste zusammenfassen wird. Wir werden dann auch monatlich berichten können, was daraus geworden ist.
Sie sehen also, es ist keine Frage, dass wir hier etwas politisch nicht wollen, sondern wir haben massive Probleme bei der Umsetzung. Ich denke, dass wir mit Unterstützung der Bundesregierung in der Lage sein werden, diese Dinge in diesem Jahr besser anzugehen als in der Vergangenheit. – Vielen Dank!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 19/890, auf die Große Anfrage der Fraktion der FDP Kenntnis.
Kündigung des Rundfunkstaatsvertrages Antrag des Abgeordneten Tassis (AfD) vom 28. November 2016 (Drucksache 19/850)
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss nach der Meinung der AfD-Fraktion in den Landtagen auf den Prüfstand. Daher haben die neun Fraktionen und der eine Einzelabgeordnete in Bremen zeitgleich Ende des letzten Jahres die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge eingereicht.