Protocol of the Session on January 25, 2017

Denn seit 2014/2015 wird das Elementarprogramm „Sprachliche Bildung und Sprachförderung“ bedarfs orientiert und einrichtungsbezogen mit zusätzlichen Ressourcen umgesetzt. Wir haben daher 2013 ein Sprachförderkonzept für die gesamte Schullaufbahn verabschiedet, eine Struktur von Sprachberaterin nen und Sprachberatern aufgebaut und sogenannte Sprachförderbänder in Schulen mit besonders großer

Heterogenität eingerichtet. Das heißt, es gibt für die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen ein Sprachbildungskonzept, das den Bildungsweg von Schülerinnen und Schülern bis zum Abitur bzw. bis zum Übergang in den Beruf umfasst, und in den letzten Jahren startete noch ein Modellprojekt zur Durchgängigkeit der Sprachbildung von der Kita in die Grundschule an fünf Standorten.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Genau das meine ich!)

Frau Vogt, deshalb sagte ich vorhin: Geduld! – Die Ergebnisse dieses Modellprojekts sollen in den Rah menplan Bildung für 0- bis 10-jährige Kinder einflie ßen, und damit soll in diesem Jahr ein integriertes Gesamtkonzept für die durchgängige Sprachförderung vorgelegt werden.

(Glocke)

Herr Kollege Güngör, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Ich habe es versprochen, ja!

Bitte, Frau Vogt!

Nur eine Frage, weil Sie eben auf die WiN-Gebiete und die Förderung der gebundenen Ganztagsschulen in WiN-Gebieten hingewiesen und gesagt haben, wir hätten nur zwei, die keine Ganztagsschulen sind, die anderen seien offen und wollen vielleicht nicht.

Und gebunden, beides!

Ich möchte nur fragen: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass wir damit noch einmal eine interfraktionell geeinte Forderung des Armutsausschusses in diesem Antrag aufgegriffen haben, weil das tatsächlich das war, was wir damals – CDU, Linke, Grüne, SPD – gemeinsam gefordert haben, es bis 2025 durchzusetzen? Nichts anderes haben wir versucht, in diesem Antrag zu bekräftigen.

Frage!

(Zurufe Abg. Frau Sprehe [SPD], Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen])

Nein, es ist eben nicht überflüssig, weil wir noch nicht auf diesem Stand sind!

Bitte die Frage!

(Abg. Güngör [SPD]: Ich freue mich, wenn Sie die Frage stellen!)

Die Frage ist, ob Herr Güngör zur Kenntnis nimmt, dass wir lediglich auf gegriffen haben, was wir damals interfraktionell ge eint gefordert haben, weil das noch nicht umgesetzt worden ist.

Mir bleibt jetzt nichts anderes übrig, als Ja zu sagen. Ich kann es ja gar nicht ver weigern, das zur Kenntnis zu nehmen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Gut!)

Aber, liebe Frau Vogt, Sie wissen auch, dass wir hier gerade als SPD-Fraktion für einen flächendeckenden Ausbau von Ganztagsangeboten im Grundschulbe reich stehen, und daran arbeiten wir kontinuierlich weiter. Daran führt doch überhaupt kein Weg vorbei.

(Beifall SPD – Abg. Frau Böschen [SPD]: Sogar in Bremerhaven!)

Dass gerade eine bereits genannte Schule, die noch kein Ganztagsangebot vorhält, selbst gar nicht Ganz tagsschule werden möchte, liegt erst einmal nicht in unserer Hand. Aber wir werden gemeinsam daran arbeiten, dass auch diese Schule ein Ganztagsan gebot vorhält.

Meine Damen und Herren, ich würde gern noch den Punkt 4 in Ihrem Antrag ansprechen, weil Sie darin die Ressourcenverteilung ansprechen. Sie wissen ja: Inzwischen ist die lang erwünschte Zuweisungsricht linie in Kraft, und damit werden Ressourcen nach Schülerzahl, aber eben auch in Abhängigkeit von der jeweiligen Sozialstruktur verteilt. Schulen in Lagen mit besonderen Herausforderungen erhalten Mittel für zusätzliche Förderstunden. Über das Thema Dop pelbesetzung werden wir noch diskutieren müssen.

(Glocke)

Das halten wir für bestimmte Schulen auch für rich tig, über Art und Umfang müssen wir zur nächsten Haushaltsaufstellung auch diskutieren. Gleichwohl liegt es aber auf der Hand, dass der Bildungserfolg von stabilen sozialen Lagen unterstützt wird. Diese sicherzustellen ist nicht nur die primäre Aufgabe von Unterrichtsstunden, sondern zum Beispiel auch von Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern. Deshalb haben wir zunächst über das Bundes- und Teilhabepaket Schulsozialarbeiter in den Schulen eingestellt, die Mittel dafür verstetigt und die An zahl im Rahmen des Integrationskonzeptes noch einmal deutlich erhöht. Das bedeutet, dass auch jetzt gegenwärtig nochmals 20 zusätzliche Schulsozialar beiter integrationsbezogen an die Schulen verteilt werden. Das war keine Selbstverständlichkeit, aber eine Notwendigkeit.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Ihr fünfter Punkt – den sechsten lass ich weg – spricht die Ausbil dung von Lehrkräften an, liebe Fraktion DIE LINKE. Auch hier ist ihre Forderung überholt. Schulbildung findet selbstverständlich im gesellschaftlichen Kontext statt. In der ersten Phase sind natürlich Heterogeni tätsmodule Bestandteil der Ausbildung und in der zweiten Phase der Lehrerbildung natürlich auch.

Binnendifferenziertes Unterrichten wird hier ebenso geübt wie der Umgang mit unterschiedlichen sozialen, religiösen und ethnischen Voraussetzungen. Von daher werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich gern Mitglieder der Schwimm sportabteilung des SV Hemelingen auf der Besucher tribüne begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Hallo, Herr Sobottka! Herr So bottka ist ein ehemaliger Sozialzentrumsleiter, der, glaube ich, die Armutsdebatte aufmerksam verfolgt. Vielen Dank für die interessante und erkenntnisreiche Debatte, die unheimlich viele Facetten hatte! Des halb ist es jetzt für mich auch etwas schwierig, einen Faden zu legen. Aber vielleicht noch einmal zurück zur Ausgangslage: Das Parlament hatte seinerzeit festgestellt, dass das Thema „Armut und Armuts bekämpfung“ nicht allein Sache des Sozialressorts sein kann, und daraufhin einen Fachausschuss ein gesetzt. Der damalige Bürgermeister Jens Böhrnsen hat gesagt, dass auch er die Notwendigkeit sieht, in einem großen Expertenkreis zusammenzukommen, und das Thema „Soziale Spaltung der Stadt“ und die Frage, wie wir gemeinsam mit allen Kräften, Initiativen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen gemein same Strategien angehen können, hat er auf die politische Tagesordnung gesetzt. Wir hatten zuvor eine erste Bremer Armutskonferenz, initiiert von den Bremer Wohlfahrtsverbänden, die von unserem Haus, vom Sozialressort, unterstützt wurde. Damals haben Exkursionen in die verschiedenen Stadtteile stattgefunden, und diese Ergebnisse sind dann in die folgende Debatte eingeflossen. Man muss sagen, dass das, was heute auf dem Tisch liegt – –

Ich verstehe ja immer die Ungeduld, Herr Janßen, ich bin auch immer ungeduldig, und gleichzeitig muss man im Bereich Soziales immer die Konstitution einer Marathonläuferinnen haben. Wir brauchen unheimlich langen Atem, um beim Thema „Armutsprävention

und Armutsbekämpfung“ handeln zu können. Darauf werde ich im Folgenden nochmals eingehen.

Die Senatsstrategie, die dem 1. und 2. Armuts- und Reichtumsbericht zugrunde liegt, ist folgende: die Verbesserung von Teilhabechancen der von Armut betroffenen bzw. bedrohten, in Bremen lebenden Menschen. Es ist ein Erfolg, dass sehr viele Ressorts jetzt Fachstrategien ausgewiesen haben. Diese hatten sie vorher noch nicht. Deshalb ist das auch ein Erfolg der Arbeit dieses parlamentarischen Ausschusses. Dort sehen wir ganz deutliche Fortschritte, wenn wir die Antworten auf die vielen Fragen zusammentragen. Wir fragen in den Ressorts an: „Was habt ihr euch überlegt? Was sind eure Strategien?“, und es kommen jetzt inhaltliche Bausteine zurück, beispielsweise um fangreiche Ideen aus dem Bereich Arbeit. Jetzt ist die Gesundheitssenatorin gerade draußen, aber es sind gerade auch die kleinen Maßnahmen, zum Beispiel, in der Schule wieder mit der Zahnuntersuchung zu starten oder kostenlose Verhütungsmittel zu vertei len. Das alles wird nachher in einer Gesamtstrategie gebündelt, um Teilhabechancen zu verbessern und Menschen zu unterstützen, die alimentiert werden.

Schauen wir uns die Gruppen an, die wir in Bremen haben: Wir haben eine besonders große Gruppe der Langzeitarbeitslosen. Es ist notwendig, dass wir eine Strategie entwickeln, wie wir Langzeitarbeitslose in Arbeit bringen. Wir haben ein erstes Programm der kommunalen Beschäftigung mit 500 Arbeitsplätzen gestartet. Dabei werden wir uns im 3. Armuts- und Reichtumsbericht anschauen, wie viele Plätze besetzt werden konnten. Frau Grönert hatte gefragt, wann die Evaluation stattfindet. Diese beauftragen wir jetzt. Sie wird in 2017 durchgeführt und in den 3. Armuts- und Reichtumsbericht einfließen. Wir sind dabei mitten im Prozess.

Wir haben die große Gruppe der Alleinerziehenden, und ich habe hier am Rednerpult schon gesagt: Die 4 Euro an Hartz-IV-Erhöhung für Kinder holt keine Familie aus der Armut heraus. Kinder dürfen kein Armutsrisiko in Deutschland sein.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das finde ich richtig!)

Das wird das Bundesland Bremen allein nicht än dern können, aber es ist gut, dass wir die Debatte hier führen, weil wir eine bundesweite Debatte über eine andere Steuerverteilung brauchen, und ich sage noch einmal: Wir müssen in Deutschland über die Vermögensteuer diskutieren, und wir brauchen eine Kindergrundsicherung. Wir kommen mit 1 500 familienpolitischen Leistungen nicht voran und holen Familien damit nicht aus der Armut heraus. Wir brau chen eine familienpolitische Leistung, die Mütter und Alleinerziehende – Mütter sind ja die größte Gruppe – dabei unterstützt, nicht in Hartz IV zu landen und auf Transferleistungen angewiesen zu sein. Das ist

aus meiner Sicht eine ganz wichtige politische Frage, die wir noch zu lösen haben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Thema Bildung ist jetzt unendlich viel ange sprochen worden, auch zu dem vorliegenden Antrag. Ich bin der Überzeugung, dass es ganz wichtig und entscheidend ist, dass wir so eine gute Kinderbetreu ung haben, wie sie die Skandinavier haben, sodass es kein Problem ist, als Mutter eine Berufstätigkeit auszuüben, und dass wir auch ein umfassendes System haben müssen, das bedarfsgerecht ist und nicht sagt: „Komm du um 9 Uhr, und es geht nur bis 16 Uhr!“, sondern es muss wesentlich flexibler sein.

Wir haben in Bremen in den letzten Jahren riesige Ausbauschritte gemacht, und wir haben im Augenblick ein großes Problem, für alle Kinder Plätze anzubieten. Das kann man nicht vom Tisch wischen, das ist auch diagnostiziert. Der Senat lässt die Fachsenatorin mit dieser Herausforderung auch nicht allein, sondern wir arbeiten gemeinschaftlich daran, in einem kur zen Zeitraum Plätze zu schaffen. Das ist eine große Aufgabe, es ist wichtig, das sehen wir auch so, und es wird ein großer Posten auch bei den nächsten Haushaltsberatungen sein – genauso wie der weitere Ausbau an Ganztagsschulplätzen und die Schaffung von weiteren Grundschulplätzen.

Das sind die Bausteine, die Sie hier auch benannt ha ben. Bildung ist wichtig, der Punkt Arbeit ist wichtig, um aus Armutslebenslagen herauszukommen, und aus meiner Sicht ist auch das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ einer der Punkte, der in die Armutsprä vention einbezogen werden muss, damit Menschen ihr Leben gestalten können. Dabei gibt es aus meiner Sicht auch einen Appell an die Wohnungswirtschaft. Der Bausenator hat seine Hausaufgaben gemacht. Lange wurde gesagt, es würden nicht genug Bauge nehmigungen in Bremen erteilt. Das Bauressort hat im Akkord Baugenehmigungen erteilt, nun liegt es aber auch an der Bauwirtschaft, diese Baugenehmigungen in Beton zu gießen oder Holzhäuser zu bauen – das ist mir schnurz –,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

aber wir brauchen bezahlbaren Wohnraum in Bremen für die Menschen, die nicht viel Geld in der Tasche haben, und das in einem ganz erheblichen Ausmaß.

In dieser Woche war ich auf einer Podiumsdiskussion der Initiative Offene Gesellschaft, die hier in Bremen eine Diskussion zum Thema „Offene Gesellschaft“ geführt hat: „Welches Land wollen wir sein? Armut in Bremen“. Ulrich Lilie, der Präsident der Diakonie in Deutschland, war in Bremen zu Gast und hat in seinem Impuls festgestellt, dass für ihn zu beobach ten sei, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland immer weiter auseinanderklaffen. Ich sage, dass wir

das ja nicht nur in Deutschland feststellen, sondern wir stellen auch fest, dass in Bremen die Lebensver hältnisse immer weiter auseinanderklaffen. Deshalb ist, denke ich, genau das, was der Ausschuss festge stellt hat, dass wir nicht nach dem Gießkannensystem Gelder verteilen, sondern Schwerpunkte setzen und Benachteiligungen ganz gezielt zu beheben versu chen – eben mit Indexierung -, unheimlich wichtig, und das muss auch weiterhin ein politischer Schritt aus dieses Hauses sein.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Noch einmal, Herr Janßen: Ich verstehe, dass Sie sich so etwas wünschen wie einen Knopf, auf den man drückt und sagt: Damit ist die Armut beendet. – Diesen Knopf haben wir aber nicht. Die älteren Menschen, die im Augenblick Monat für Monat in unser Haus, das Amt für Soziale Dienste, kommen, die haben Erwerbsbiografien, die zum Teil so löcherig wie ein Schweizer Käse sind, und zwar nicht durch ihr Selbstverschulden. Es gibt viele ältere Menschen, die dieses Land nach dem Krieg wieder mitaufgebaut haben. Wir haben Frauen, denen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren erzählt wurde: Es ist schöner, zu Hause zu sein, und lasst euch die Rentenbeiträge ausbezahlen! – Das haben viele Frauen damals auch getan. Es gibt Menschen, die von der Ölkrise in den Siebzigerjahren betroffen waren. Es gibt viele Men schen, die von der Stahlkrise betroffen waren und die eben nicht diese idealtypische Rentenerwerbsbiografie haben – über 40 Jahre als Alleinverdiener - und eine gute Rente nach Hause bringen.