Protocol of the Session on December 14, 2016

auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU beim Wort nehmen; und ich bin gespannt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Der dritte Punkt wurde ebenfalls schon angesprochen: Jedes Kind gehört in die Schule. Jedes Kind verdient die bestmögliche Ausbildung und Bildung. Das gilt für alle, für Jungen, für Mädchen, unabhängig von Herkunft, Nationalität und natürlich davon, ob sie verheiratet sind oder nicht. Das müssen wir gewährleisten, und das werden wir gewährleisten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU)

Einen Satz zum Schluss der Debatte noch einmal ganz deutlich, damit keine Missverständnisse entstehen: Sexuelle Kontakte zu unter 14-Jährigen sind Kindesmissbrauch und stehen ohne Ausnahme und zu Recht ebenso wie erzwungener Sex unter Strafe, unabhängig davon, welche Nationalität die Kinder haben und in welchen Familien sie leben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP)

Wir müssen dafür sorgen, dass Mädchen und Frauen ermutigt und ertüchtigt werden, sich zu wehren, Anzeige zu erstatten, sich Hilfe zu holen, sich aus Beziehungen zu lösen. So müssen sie beraten werden, und noch einmal: Sich Hilfe zu holen darf auf keinen Fall dazu führen, dass die Betroffenen Angst davor haben, ihre Rechte, ihre Existenz oder ihren Aufenthaltsstatus zu verlieren. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! So wie auch hier heute wird bereits seit einigen Monaten sehr emotional über das Thema Kinderehen diskutiert. Leider wird nicht immer, wenn man in die Diskussion einsteigt, gleich gesagt, über was man eigentlich spricht, ob man über 12- oder überå 17-Jährige spricht. Denn Kind ist man ja nur bis zum vollendeten 14. Lebensjahr; ab dann spricht man von Jugendlichen. In der vorliegenden Großen Anfrage der FDP wird leider nicht differenziert, und alle im In- oder Ausland geschlossenen Ehen, in denen ein Partner noch unter 18 Jahre alt ist, werden hier unter dem Begriff Kinderehe zusammengefasst. Auch der Senat unterscheidet in seiner Antwort auf die Große Anfrage nicht. Minderjährigenehen sind aber per se nicht das Gleiche wie Kinderehen, die für die CDU-Fraktion und, ich glaube, auch alle anderen hier ein absolutes Tabu sind. Für 16- und 17-jährige Minderjährige gibt es in Deutschland schon Regeln nach Paragraf 1303 BGB;

das hat mein Kollege schon gesagt, und auch andere haben es schon genannt. Unter strengen Vorgaben dürfen 16- und 17-Jährige nämlich heiraten, wenn der andere Partner bereits volljährig ist. Obwohl auch diese Regelung grundsätzlich zur Diskussion steht, muss sie heute auf bereits im Ausland geschlossene Ehen Anwendung finden können, wenn der jüngere Partner bereits 16 Jahre oder älter ist und wenn die Ehe auf gegenseitiger Zuneigung basiert. Das ist ein Kriterium, das man auf jeden Fall immer im Blick haben sollte.

Das heißt auch, dass Ehen nicht pauschal, aber nach sehr genauer Einzelfallbetrachtung, wie es in Paragraf 1303 festgelegt ist, in Deutschland anerkannt werden können. Es müssen allerdings viele Fragen geklärt werden: Was sagt das betroffene Mädchen? Welchen Eindruck macht sie? Wurde die Heirat erzwungen? Wie alt ist der Ehemann? Was ist mit der Familie des Mädchens? und so weiter. Nur so kann man auch zu guten Einzelfallentscheidungen kommen.

Aber wir müssen ja Antworten auf die Frage nach im Ausland geschlossenen Ehen von unter 16-Jährigen finden. Diese müssen nach bislang geltendem Recht in Deutschland anerkannt werden. Aber wollen wir tatsächlich, dass eine 14-Jährige, wie vor Kurzem in Aschaffenburg, bei ihrem im Ausland angetrauten Ehemann bleibt, oder wollen wir das nicht? – Die Bremer CDU-Fraktion will das auf jeden Fall nicht. Wir wollen keine Duldung von Kinderehen. Solchen Urteilen wie in Aschaffenburg muss die gesetzliche Grundlage entzogen werden.

(Beifall CDU, LKR)

14- oder auch 15-jährige Mädchen gehören, wenn es keine Familienangehörigen gibt, bei denen sie geschützt aufwachsen können, immer in eine gute Unterbringung für minderjährige unbegleitete Ausländer. Ich hoffe, dass uns zu dieser Thematik vom Bundesjustizminister bald ein guter Gesetzentwurf präsentiert wird.

Die FDP greift nun in ihrer Großen Anfrage unter dem Titel „Kinderehen“ auch das Problem der rein religiösen oder, wie sie auch sagt, sozialen Trauungen auf. Diese sind aber eigentlich unabhängig von Kinderehen in einem wesentlich größeren Rahmen zu betrachten, denn solche Trauungen können von Paaren jeden Alters vollzogen werden. Da nach Auflösung einer solchen Ehe meist die Frauen mittellos und ohne rechtliche Ansprüche zurückbleiben, wird bereits auch darüber nachgedacht, das vor einigen Jahren bedeutungslos gewordene Voraustrauungsverbot wieder einzuführen. Welch ein Privileg, in einem Land wie Deutschland leben zu können, in dem Ehen immer nur zwischen zwei freiwillig Ja sagenden Partnern geschlossen werden dürfen und wo niemandem durch eine Eheschließung das Recht auf schulische oder berufliche Bildung genommen werden kann!

Zum Schluss möchte ich kurz auf die vielen verheirateten Frauen hinweisen, die hier angekommen und vielleicht knapp über 18 Jahre alt sind. Ihre Ehen werden, wenn die Papiere stimmen, ohne viel Federlesen einfach anerkannt, weil sie bereits volljährig sind. Vielfach haben aber auch diese Frauen nicht freiwillig Ja gesagt. Wir müssen deshalb auch ihren Schutz durch ausreichende Unterstützungsangebote gewährleisten, und ohnehin sollten uns stets der Schutz und das Wohl der Betroffenen antreiben. Es geht hier immer um Menschen und nicht um Dinge – aber manchmal scheint mir das in den hitzig geführten Diskussionen zu sehr aus dem Blick zu geraten.

(Beifall CDU, LKR)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Erst einmal möchte ich mich vor allem bei Ihnen, Herr Dr. Yazici, bedanken, dass Sie das heute hier sehr differenziert dargestellt haben, nicht nur rechtlich, sondern sehr differenziert im Gegensatz zu dem, was wir letzte Woche aus Ihrem Parteitag gehört haben. Deshalb wollte ich das hier noch einmal kurz ansprechen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Ich möchte mich wirklich bei der CDU bedanken. Nicht nur bei dem Thema, sondern als es um die Staatsangehörigkeit ging, haben Sie sich ja auch anders positioniert, und ich finde, das muss man auch einmal lobend erwähnen. Man kann nicht nur kritisieren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ich bin vorhin nicht auf Sie, Frau Steiner, eingegangen, weil Sie kurz zum Foto weg waren. Ich fand es gut, dass wir über dieses Thema hier und heute debattieren, dass Sie die Anfrage gestellt haben, denn ich finde, darüber muss man diskutieren. Vor 20, 30 Jahren, als es Migration von Gastarbeitern gab, wurde über solche Themen in Deutschland gar nicht gesprochen, und sehr viele junge Frauen waren auf sich allein gestellt. Aber ich fand es nicht gut – erlauben Sie mir das bitte auch zu sagen –, dass die Bilder, die auch beim Parteitag entstanden sind, in den Diskussionen in den sozialen Medien, in verschiedenen Diskussionen mit Bürgerinnen und Bürgern – –, dass das nur ein muslimisches Problem ist.

Ich habe, als Sie nicht da waren, deutlich gemacht, dass es auch diese Tradition leider in hinduistischen, christlichen, in jeder Kultur, in vielen Ländern, in Entwicklungsländern aufgrund der Armut gibt. Es war mir wichtig, das noch einmal deutlich zu machen,

nicht nur, um den Standpunkt der Muslime zu vertreten. Auch dort gibt es sehr viele Kinderehen, und da muss man auch ganz deutlich, egal, in welcher Fraktion man ist, das Signal hier in Deutschland setzen: Wir wollen keine Kinderehen; wir wollen keine Zwangsehen! – Ich finde es richtig, dass man das sagt, aber nicht nur in eine bestimmte Richtung. Da muss man aufpassen bei den Debatten.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Denn solche Debatten führen in so einer Situation, die ich aus meiner Sicht in Deutschland im Augenblick als sehr gefährlich finde, dazu: Aha, das sind die, die nicht integrierbar sind! Aha, wir als Mehrheitsgesellschaft wussten es doch immer! – Das finde ich sehr schade, denn aus Ihrer Antwort geht doch hervor, was hier alles getan worden ist, zum Beispiel in Bremen. Auf „Heiraten, wen ich will“ wurde Bezug genommen. Dafür geht mein Dank an Sie, weil ich gelesen habe, dass noch einmal 3 000 Exemplare für die Schulen nachgedruckt worden sind, da es ein sehr, sehr großes Interesse dafür aus den Schulen gab.

Sie sehen, meine Damen und Herren: Hier im Land Bremen passiert schon sehr, sehr viel. Meine Kollegin, die sich da auch auskennt, hat mir eben gesagt – darauf sind Sie eingegangen –: Auch heute wird beim Amt für soziale Dienste im Vier-Augen-Prinzip über solche Themen diskutiert, und man ist viel sensibilisierter als vor 20, 30 Jahren. Ich weiß es, weil es damals, als ich noch jung war, dieses Thema Zwangsverheiratung und so weiter gab, und dieses Thema war nicht in der politischen Diskussion. Ich finde es gut, dass wir so weit sind.

Aber was nicht passieren darf – damit möchte ich kurz auf die Rede von Herrn Schäfer eingehen: Sie haben versucht, den Eindruck zu vermitteln, dass die anderen demokratischen Parteien das Thema relativieren. ich sage ganz deutlich: Wir relativieren das Thema überhaupt nicht! Alle Redner, die hier gestanden haben, haben ganz deutlich gesagt, dass Ehen von unter 14-Jährigen von allen nicht akzeptiert werden, auch nicht nach unserer Rechtslage. Das muss klargestellt werden,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, FDP)

weil solche Bilder bestimmte Sachen bedienen, und dabei muss man ganz vorsichtig sein, Herr Schäfer. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie differenzierter, wie die anderen Kollegen das getan haben, auf diese Probleme eingegangen wären.

Ein letzter Punkt, den ich in die Debatte einbringen möchte und der mir besonders wichtig ist: Viele haben den Eindruck, jetzt wird über gesetzliche Regelungen und Änderungen in Deutschland geredet, und der Eindruck entsteht: Wenn wir diese Gesetze ändern, wird es in Deutschland keine Minderjährigenehen

geben. – Das ist nicht der Fall, weil es natürlich auch Möglichkeiten gibt, dass Menschen religiös getraut werden. Ich fand es gut, dass so viele Menschen – das ist meiner letzter Satz – auf die Große Anfrage im Bundestag selbst die Auskunft über diese Ehen gegeben haben – keiner hat sie dazu gezwungen –, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Eindruck erwecken,

(Glocke)

mit gesetzlichen Regelungen könne man dieses Thema irgendwie beseitigen. Dort müssen wir einfach nur sensibel sein.

Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Grönert zulassen?

Sehr gern, Frau Grönert!

Sie haben eben gesagt – darin stimme ich Ihnen auch zu –, dass hier niemand ist, der unter 14-Jährige in einer Ehe sehen möchte. Können Sie mir sagen, wie Sie das für unter 16-Jährige sehen?

Ja, das kann ich Ihnen auch sagen! Sie sind auch darauf eingegangen, wie andere Kollegen, dass nach jetziger Rechtslage bei 16 bis 18 Jahren ein Ausnahmetatbestand nach Paragraf 1303 BGB, Absatz 2, vorliegt. Ich denke, dass es sehr wichtig ist – darauf ist auch meine Kollegin Frau Aulepp eingegangen –, dass das Deutsche Institut für Menschenrechte – schauen Sie sich bitte die Stellungnahme an – weltweit dafür kämpft, dass das Ehemündigkeitsalter bei über 18 Jahren liegt. Dafür kämpfen Sie. Aber Sie haben in ihrer Stellungnahme auch ganz deutlich gesagt, Frau Grönert, dass nach der UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 3, jeder Einzelfall zwischen 14 und 16 – darauf ist auch Herr Dr. Yazici eingegangen – betrachtet werden muss. Denn dieses Bild, dass alle zwischen 14 und 16 unter Zwang verheiratet worden sind, stimmt nicht. Man muss schauen: Sind da Kinder entstanden? und so weiter.

(Zuruf LKR: Pfui!)

Mir geht es nicht um irgendwelche Erb- oder Unterhaltsansprüche. Aber man muss – das ist man diesen Jugendlichen schuldig – jeden Einzelfall genau anschauen, und ich bin gespannt, was diese Arbeitsgruppe auf Bundesebene entwickeln wird, um diese jungen Menschen zu schützen. Es gibt sehr viele gute Stellungnahmen, die dazu eingebracht werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Haben Sie noch eine weitere Zwischenfrage, Frau Grönert?

Haben Sie tatsächlich Herrn Dr. Yazici so verstanden, dass er das gesagt hat? Ich habe ihn anders verstanden: Ich habe verstanden, dass er das nur für die Ehen ab 16 gesagt hat.

(Abg. Frau Neumeyer (CDU): Ich auch!)

Dann können Sie sich da ja einmal bilateral austauschen! Herr Dr. Yazici hat deutlich die rechtliche Situation richtig wiedergegeben, dass es zwischen 16 und 18 Jahren nach der jetzigen Rechtslage geht, wenn das Familiengericht zustimmt. Aber er hat dann auch weiter ausgeführt, dass man diese Fälle, den Umgang, mit dem, was wir jetzt vorgefunden haben, einzelfallgerecht beurteilen muss. Das können Sie ja mit ihm besprechen; nichts anderes hat er hier gesagt. Das kann man, glaube ich, auch aus dem Protokoll entnehmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit! Ich fand die Debatte gut. Ich wünsche mir bei ähnlich emotionalen Debatten, dass wir fachlich-sachlich und nicht populistisch diskutieren. Das ist mir ganz wichtig.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Das war ja fast ein schöner Schlusssatz! Aber wir haben noch eine weitere Wortmeldung: Frau Steiner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Frau Dogan, ich würde es gern noch einmal aufnehmen. Eben wurde ich informiert – danke, dass Sie das eben noch einmal zu mir gesagt haben! Es war wirklich auch nur beispielhaft. Danke, dass Sie das hier klarstellen! Uns ist natürlich auch bewusst, dass das in allen Religionen und Kulturkreisen vorkommt, und das erkennen wir natürlich auch an und wissen wir auch.

Ich muss Ihnen ganz kurz sagen: Ich habe mich etwas gewundert, da Sie eben Ehemöglichkeiten zwischen 14 und 16 nannten. Denn ich finde, im Alter von 14 oder 16 Jahren ist man in der Pubertät, und wenn ich mir vorstelle, dass da schon Ehen geschlossen werden – auch mit dem Hintergrund, dass eventuell Kinder da sind; ich meine, wenn es danach geht, bekommen manche Menschen beziehungsweise Kinder schon Kinder mit 12 –, dann, finde ich, ist es keine Rechtfertigung, in diesem Alter schon Ehen zuzulassen.