Protocol of the Session on July 22, 2015

bahnen, niedrigere Taktfrequenzen und weniger Straßenbahnverbindungen, und Strecken werden eingestellt. Diese Antwort hätte man geben können. Wir als Rot-Grün haben uns anders entschieden – und ich glaube, dass sich auch die anderen ernst zu nehmenden Fraktionen in diesem Haus anders entschieden hätten –, wir haben nämlich gesagt, wenn diese Straßenbahnen kaputt und nicht mehr in der Lage sind, Menschen zu transportieren, dann müssen sie ersetzt werden.

(Beifall SPD)

Wenn sie ersetzt werden müssen, dann muss man recht genau hinschauen: 77 Straßenbahnen zu je ungefähr drei Millionen Euro plus sonstige Kosten bedeuten eine Investition in Höhe von 240 bis 250 Millionen Euro, zusammen mit Infrastrukturmaßnahmen ergibt sich eine Summe von vielleicht 300 Millionen Euro. Das macht man nicht einmal eben so aus der Tasche. Wir haben darüber sehr ernsthaft diskutiert und sind letztlich dazu gekommen zu sagen, eine gute Lösung wäre es, 67 Straßenbahnen neu zu kaufen und 10 Straßenbahnen durch die BSAG selbst von Grund auf neu aufbauen zu lassen.

Um diese Lösung hat die Koalition relativ lange Zeit gerungen. Dazu höre ich übrigens von der Opposition nichts, ich interpretiere das als Zustimmung zu unserer Lösung.

(Beifall SPD)

Ich will auf einen dritten Aspekt aufmerksam machen, der gelöst werden muss, völlig egal, welche politischen Zielsetzungen die einzelnen Fraktionen in diesem Hause verfolgen, er betrifft die GeNo. Die GeNo hat in dieser Legislaturperiode ein Problem in dreistelliger Millionenhöhe. Die Alternative dazu gibt es übrigens nicht. Wer davon träumt, dass man sie privatisieren könnte – eine theoretische Idee! –, der wird feststellen, dass wir sie auf dem Krankenhausmarkt in eine private Trägerschaft geben können, wenn wir die Verluste ausgleichen und die Investitionen vornehmen, bevor wir es an einen privaten Investor geben. Da sage ich als Sozialdemokrat aber deutlich, dann will ich das Ganze lieber in kommunaler Trägerschaft erhalten!

(Beifall SPD)

Jetzt zur Aufgabe, die da vor uns liegt! Wir haben 30 Millionen Euro Buchwertgarantie, die wir müssen zahlen, sobald es mit dem Hulsbergviertel beginnt. Wir haben Pensionslasten der GeNo, die ab 2019 geklärt sein müssen. Die GeNo ist mit den Abschreibungen des TEN – 300 Millionen Euro über 30 Jahre, also müssen jedes Mal 10 Millionen Euro in die Bilanz – bilanziell belastet. Die GeNo hat bisher eine Defizitstruktur bei den Investitionsmitteln, die nicht von der

GeNo selbst ausgeglichen werden kann, sondern die wir ausgleichen müssen.

Schließlich werden wir uns darüber unterhalten müssen, wie wir mit Gebäudeteilen im Krankenhaus Bremen-Ost umgehen. Dieses Thema ist manchen vielleicht unangenehm, und es hat in der Öffentlichkeit schon hohe Wellen geschlagen. Diese Koalition hat sich verpflichtet zu sagen, wir wollen, dass eine ganz bestimmte Variante geprüft wird. Diese Variante wird sein, dass es an dem Standort in Bremen-Ost weiterhin ein kommunales Krankenhaus und eine Grundversorgung geben wird, aber vor allen Dingen eine Konzentration auf die Bereiche Psychiatrie, Geriatrie und neurologische Frührehabilitation.

Diese Dinge muss jede Regierung in Bremen lösen. Ich denke, das Angebot, das Rot-Grün gemacht hat, ist das beste, das man diesem Verbund machen kann, wenn man ernsthaft will, dass der Verbund erhalten bleibt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt kommen wir zu dem, was man Posterioritäten, Prioritäten oder politische Setzungen nennen könnte! Frau Vogt, ich habe verstanden: Unser Verhalten ist ein Paradebeispiel für Austeritätspolitik und bringt Massenverelendung.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber die höchste Ar- beitslosenquote haben wir doch!)

Wenn ich Frau Steiner folge, wird die Massenverelendung mit der Verelendung der Unternehmer kombiniert, und danach hätten es Sozialdemokraten und Grüne geschafft, es sozusagen den Armen und den Unternehmern wegzunehmen und dann quasi als Hütchenspieler wegzuzaubern.

Ich nehme diese Kritik an, die Sie an uns geäußert haben.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Es steht fest! Wir ha- ben die höchste Arbeitslosenquote! Schlechter geht es nicht!)

Ich denke aber, Sie alle müssten einmal sehen, dass wir uns in einem Spielraum bewegen, er nennt sich Konsolidierungsvereinbarung. Wir haben gemeinsam einen Vertrag mit der Bundesregierung abgeschlossen, der besagt, dass wir die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben unseres Haushalts jedes Jahr um ein Zehntel der ursprünglichen Schuld schließen, sie liegt bei ungefähr 120 Millionen Euro. Wenn wir das nicht machen, bekommen wir keine 300 Millionen Euro. Frau Vogt, wenn ich einmal eben ein Programm aus dem Boden stampfe, das mir hoch sympathisch ist und das pro Jahr 50 Millionen Euro kostet, dann muss ich bis zum Ende der Legislaturperiode 200 Millionen Euro aufwenden, und damit ist ganz sicher,

dass ich bis zum Ende der Legislaturperiode auch dreimal 300 Millionen Euro vom Bund nicht bekomme. Deshalb kann man es leider nicht so umsetzen, wie Sie es vorschlagen.

(Beifall SPD)

Lassen Sie mich jetzt zu den Prioritäten kommen, die wir gesetzt haben! Wir legen einen klaren Fokus auf die Stärkung der wirtschaftlichen Infrastruktur. Es gibt eine klare Verpflichtung dieser Koalition zur Außenweservertiefung, zum Ringschluss der A 281 und zum Bau des OTB. Das muss man nicht gut finden, ich weiß ja, dass die Meinungen zum OTB hier gespalten sind, ich halte das aber für richtig. Ich denke, dass der Erfolg dieses Gemeinwesens im Wesentlichen davon abhängen wird, ob es uns gelingt, hier sozialversicherungspflichte Arbeitsplätze zu schaffen, und das funktioniert nur, wenn wir Wirtschaftsinfrastruktur vorhalten.

(Beifall SPD)

Dann möchte ich noch einmal etwas zu drei weiteren Schwerpunkten sagen, die wir gesetzt haben! Wir haben für die Polizei eine neue Zielzahl von 2 540 gesetzt, und dazu könnte man jetzt fragen, wie man auf diese Zahl kommt, sie ist ja absolut willkürlich. 2 540 war die Istzielzahl von Polizisten im Jahr 2005, als die Polizeireform ins Werk gesetzt worden ist. Das ist objektiv abgeleitet, und das, was wir im Jahr 2005 hatten, wollen wir fortschreiben bis zum Jahr 2020. Herr Hinners, Sie können mit dem Kopf schütteln, die Zahlen kann ich Ihnen zeigen!

(Abg. Hinners [CDU]: Ich auch!)

Es ist relativ einfach: Wir streben an, wieder denselben Polizeibestand zu haben, den wir im Jahr 2005 hatten. Ich glaube, das ist eine klare Aussage dieser Koalition dazu, wie sie den Bereich innere Sicherheit bewertet: Wir wollen eine starke Polizei, die die Bürger schützt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Vogt, lassen Sie mich noch einmal etwas zur Feuerwehr sagen! Wenn Sie behaupten, dass dort nichts gemacht würde oder die Bremer Feuerwehr nicht genügend Personal hätte, dann sage ich Ihnen, wir haben zum allerersten Mal in der bremischen Geschichte eine Zielzahl für die technische Rettung der Feuerwehr von 490 Kräften gebildet. Mit diesen 490 Kräften wird es zum einen gelingen, die Überstunden abzubauen und zum anderen das Brandschutzkonzept des Senators für Inneres umzusetzen. Es wird aber bleiben – und das räume ich ein – bei acht Leuten in zehn Minuten und nicht bei zehn Leuten in acht Minuten. Wir halten das für verantwortbar,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Ich nicht!)

aber ich halte es vor allen Dingen für einen extremen Fortschritt gegenüber der Situation, mit der wir in der letzten Zeit gelebt haben. Auch da nehmen wir die Bürger ernst, und da sorgen wir für Sicherheit bei den Bürgern.

(Beifall SPD)

Lassen Sie mich dann noch einmal etwas zu der leidigen Geschichte sagen, 200 Lehrer an die Tafel zu bekommen! Ja, das ist so, die Koalition hat sich in der letzten Legislaturperiode im Klein-Klein verstrickt und im Bildungsbereich nicht die richtige Prioritäten gesetzt; ich ganz persönlich auch nicht, weil ich in den entscheidenden Koalitionsverhandlungen als Fraktionsvorsitzender auch immer dabei gewesen bin, der Kollege Güldner nicht, die Senatoren der SPD nicht, die Senatoren der Grünen nicht. Wir haben nicht die rechtzeitig die Konsequenzen daraus gezogen, dass wir mehr Lehrkräfte brauchen, und in dieser Koalitionsvereinbarung haben wir diesen Fehler korrigiert, es werden mehr Lehrer eingestellt. Sie können der Antwort des Senats entnehmen, dass 120 Lehrerstellen sofort ausgeschrieben werden, danach werden 40 ausgeschrieben, danach noch einmal 40, und bei der Refinanzierung muss das Ressort wie immer in Bremen auch etwas bringen, aber es werden effektiv 200 Lehrer mehr an die Tafel kommen.

(Beifall SPD)

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen, um in dem Bild zu bleiben, das ich am Anfang gewählt habe: Ich glaube, es war Anthony Eden, der ehemalige konservative Premierminister Großbritanniens, der gesagt hat: „Jeder erwartet vom Staat Sparsamkeit im Allgemeinen und Freigiebigkeit im Besonderen.“ Vielleicht sollte man in der politischen Auseinandersetzung ein wenig klüger sein oder sagen, es geht um die dahinter stehenden politischen Konzepte, die finanziert werden, und um jetzt den ganz großen Bogen zu schlagen: Das, was wir hier vorgelegt haben, ist mit Sicherheit nicht Bruegel oder Bosch, das ist eher Hopper, auf jeden Fall ist es etwas Schönes. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind das erste Bundesland – es wurde vorhin schon darauf hingewiesen –, in dem eine rot-grüne Regierung zum dritten Mal in Folge antritt, und uns Grünen ist sehr bewusst, welch hohe Bedeutung, aber vor allen Din

gen auch welch hohe Verantwortung uns damit zuteil wird.

In meiner Rede zur Wahl des Senats in der letzten Woche habe ich bereits auf Folgendes hingewiesen, und das mache ich auch jetzt noch einmal: Eines der Ziele, das uns alle hier in der Bremischen Bürgerschaft einen sollte, ist es, das verloren gegangene Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Eine Wahlbeteiligung von nur knapp 50 Prozent muss uns alle wachrütteln, dass wir etwas unternehmen müssen, um die Demokratie nicht zu gefährden. Allerdings muss ich sagen – und das ist mir auch wichtig, weil in den heutigen Debatten der Eindruck erweckt wurde, als ob wir in Bremen ein Einzelfall sind und es nur der schlechten Politik der letzten acht Jahre geschuldet sei, dass die Wahlbeteiligung zurückgeht –, nein, meine Damen und Herren, Bremen befindet sich damit leider in einem Bundestrend. Wir sehen es bei den Wahlen in vielen Ländern, das ist nicht schön, und wir dürfen uns darauf auch nicht ausruhen und dabei zurücklehnen, aber es hat nicht primär immer nur etwas mit der Politik hier vor Ort zu tun. Die Menschen gehen nämlich nur wählen, wenn sie sich etwas davon versprechen, nämlich dass entweder ihre Probleme gelöst oder ihre Sorgen und Nöte zumindest ernst genommen werden und Gehör finden.

Frau Vogt, diese Regierung hier ist nicht politikmüde – vielleicht sind Sie das und extrapolieren das auf uns! –,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Mit Sicherheit nicht!)

aber ich nehme das ganz deutlich so nicht wahr. Menschen sind aber politikverdrossen, wenn man ihnen immer wieder das Blaue vom Himmel verspricht und das dann nicht einhält,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

und zu einer verantwortungsvollen Politik gehört, Frau Vogt, dass man ihnen manchmal einfach auch unbequeme Wahrheiten sagen muss.

Wenn man nach einer Wahl nach vorn blickt, dann definieren wir eine Reihe von Zielen, auf die sich die Regierungskoalition verständigt hat. Die Opposition hält diese naturgemäß für falsch oder unzureichend, alles andere hätte uns heute auch gewundert.

Herr Bürgermeister Sieling ist in seiner Regierungserklärung schon sehr detailliert auf viele Inhalte eingegangen. Unser aller Ziel muss es sein, in den kommenden vier Jahren alles dafür zu tun, damit die Selbstständigkeit des Bundeslandes Bremen erhalten bleibt. Das wird kein leichter Weg, das ist kein Selbstläufer, aber die Selbstständigkeit Bremens ist

es mehr als wert, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Unser Ziel muss sein, Bremen fit für die Zukunft zu machen, und dass Bremen für alle Menschen ein Zuhause bedeutet, egal ob arm oder reich, egal welcher Herkunft oder ob mit oder ohne oder mit welcher Religionszugehörigkeit auch immer, egal welcher Hautfarbe oder geschlechtlichen Ausprägung. Leben ist Vielfalt, und Bremen, meine Damen und Herren, ist auch Vielfalt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)