Protocol of the Session on July 22, 2015

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch vieles mehr mehr, was ich sagen könnte, auch zu Bremerhaven, da gibt es ganz klare Sparansagen. Wir fragen uns natürlich schon, was das bedeutet. Man sieht für Bremerhaven allerdings nicht, was sich im Bereich Arbeitsmarktpolitik verändern soll, denn wir wissen, dass Bremerhaven nun einmal ein Niedriglohnsektor ist. Vor allem Frauen sind davon betroffen, gute Arbeit gibt es nur in den Häfen. Die Frage der Leiharbeit ist auch noch nicht wirklich gelöst. Sie ist nach wie vor so schwammig gelöst, dass sich dabei auch in Zukunft nicht viel ändern wird.

Aber ich will eigentlich zu den wesentlichen Dingen kommen! Es gibt nämlich keinen einzigen Satz, der dem vergleichbar wäre, der gleich am Anfang der Koalitionsvereinbarung zur Haushaltssanierung fällt, ich zitiere: „Die neue rot-grüne Koalition ist sich einig: Kein Weg führt daran vorbei, den mit dem Bund vereinbarten Konsolidierungspfad bis 2019 konsequent einzuhalten.“

(Abg. Tschöpe [SPD]: Das ist richtig!)

Solche Sätze findet man nicht zur Armut, nicht zum sozialen Zusammenhalt, aber auch nicht zum Arbeitsmarkt.

Solch einen Satz findet man auch nicht zu einem anderen großen Problem, das mit der Bürgerschaftswahl überdeutlich geworden ist, nämlich zur Abwendung der Menschen von der Politik und ihren Akteuren und Institutionen. Diese Abwendung hat sich am 10. Mai in einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung niedergeschlagen. Wenn man sich Ihre Vereinbarung anschaut, Frau Schaefer, dann findet man dazu ein paar Floskeln.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist nicht meine persönliche Vereinbarung! Es ist immer noch eine Koalitionsvereinbarung!)

In Ihrer ganzen Koalitionsvereinbarung setzen Sie einfach das fort, was Menschen dazu bringt, sich von der Landespolitik abzuwenden. Das ist nämlich in der Tat eine Politik des „Weiter so“ und eine Politik ohne Visionen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist viel von der Politikverdrossenheit der Menschen die Rede, aber aus dem Regierungsprogramm der dritten rot-grünen Koalition wird eigentlich etwas ganz anderes deutlich, nämlich dass diese Regierungskoalition selber politikmüde geworden ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Durch den gesamten Vertrag – über 139 Seiten des Koalitionsvertrags – zieht sich die Haltung durch: Das macht uns eigentlich auch nicht so richtig Spaß.

Wenn man sich diese 139 Seiten durchliest – ich habe sie mir durchgelesen –, dann hat man das Gefühl, wenn diese Koalition eine Fernbedienung hätte, mit der sie schnell auf 2020 drücken könnte, dann täte sie das liebend gern. Diese Haltung kritisiere ich sowohl an der Senatsbildung der vergangenen Woche als auch an Ihrer Regierungsvereinbarung. Auf uns kommen verlorene Jahre zu, liebe Kolleginnen und Kollegen, Jahre, von denen zu befürchten ist, dass in ihnen die soziale Spaltung, die Armut und die Bildungsungerechtigkeit weiter zunehmen werden und in denen auch Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung nicht abnehmen, sondern ebenfalls zunehmen werden. Vor uns liegen Jahre, in denen uns Politik eigentlich sagen will: Wir können gar nichts tun.

Die ganze Koalitionsvereinbarung steht ein wenig unter dem Motto: „Besser, wir nehmen uns wenig vor“. Das kennen wir aus den vergangenen vier Jahren. Das ist in der Tat ein „Weiter so“ und kein Neuanfang und kein Aufbruch und so wird man, ehrlich gesagt, niemanden von Politik überzeugen können.

(Beifall DIE LINKE)

So wird man auch niemanden zurückgewinnen, der sich vom Wählen verabschiedet hat, denn die Menschen in Bremen und Bremerhaven bekommen zunehmend das Gefühl, dass es sowieso egal ist, wer regiert, ob es nun Rot-Grün oder Rot-Schwarz oder vielleicht gleich der Stabilitätsrat ist.

Kurz und gut: So wenig Aufbruch wie in diesem Regierungsprogramm gab es noch nie, so wenig Aufbruch habe ich in diesem Bundesland noch nie erlebt, und es wird Bremen und Bremerhaven nicht weiterhelfen. Ich hätte mir nach dem schlechten Wahlergebnis und nach der verheerend geringen Wahlbeteiligung von dieser Koalition und von dieser Regierungserklärung etwas anderes gewünscht, denn etwas anderes erwartet habe ich leider nicht. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Koalitionsvertrag verspricht zumindest auf den ersten Blick wirklich Großes: „Bremen 2030 – Land mit Zukunft“. Für uns als Freie Demokraten ist Bremen wirklich ein unglaublich schönes Land mit wahnsinnig viel Potenzial, das es aber eben noch zu heben und besser auszuschöpfen gilt.

(Beifall FDP)

Der versprochene Neuanfang, lieber Herr Bürgermeister, ließ uns hoffen, dass wir nicht mehr nur auf die Traditionen stolz sind, sondern vielmehr noch visionäre Konzepte entwickeln, damit sich Bremen positiv entwickeln kann.

Leider ist der Koalitionsvertrag aber alles andere als visionär. er liest sich vielmehr ein bisschen wie eine Zustandsbeschreibung ohne jeglichen Veränderungswillen.

(Beifall FDP)

Warum auch? Seit 70 Jahren haben Sie als Sozialdemokraten die Chance, hier in Bremen etwas zu verändern und Bremen ein bisschen besser zu machen. Stattdessen ist die Bilanz aber ernüchternd: höchste Kinderarmut, höchste Arbeitslosenzahlen und höchste Pro-Kopf-Verschuldung. Meine Damen und Herren, erkannt haben es einige von Ihnen, umgesetzt leider niemand, denn wir unterstützen auch die Aussage: So kann es wirklich nicht weitergehen!

(Beifall FDP)

Schauen wir doch in die Inhalte dieses Koalitionsvertrags! Im Bildungsbereich finden sich unserer An

sicht nach wirklich sehr gute Ansätze, zum Beispiel wird immer wieder Wert auf die Sprachförderung und vor allem auch auf die frühkindliche Bildung gelegt. Beide Punkte sind auch für uns enorm wichtig und essenziell, um endlich die Abstiegsplätze der PISAListe zu verlassen, aufzusteigen und ein bisschen in den oberen Reihen mitzuspielen.

Aber leider reicht das noch nicht aus. Wir denken, dass Wirtschaft und politische Bildung als festes Fach in den Lehrplan der Schulen gehören und nicht nur als Bestandteil eines Side-Kommentars im Rahmen von schulischer Bildung insgesamt.

(Beifall FDP)

Sie haben eben erfreulicherweise, so finde ich, sehr geehrter Herr Bürgermeister, mehrfach das Handwerk angesprochen. Ich habe es, ehrlich gesagt, im Koalitionsvertrag nicht wirklich wiedergefunden.

(Abg. Saxe [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann haben Sie ihn schlecht gelesen!)

Im Rahmen von Bildung und schulischer Bildung findet sich das Handwerk gar nicht wieder. Deshalb schlagen wir eine Kooperation mit Einrichtungen wie zum Beispiel dem erwähnten FabLab vor, damit den Schülern endlich auch modernes Handwerken nahegebracht wird.

(Beifall FDP)

Was den Unterrichtsausfall betrifft, würden wir als Sofortmaßnahme vorschlagen, dass zumindest bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die versprochenen Lehrstellen geschaffen sind, qualifizierte sachkundige Bürger mit eingebunden werden und sich auch pensionierte Lehrer, die Spaß am Ehrenamt haben, beim Vertretungsunterricht einbinden lassen, damit wir dem Unterrichtsausfall endlich und schnell Herr werden können.

(Beifall FDP – Vizepräsidentin Dogan übernimmt den Vorsitz.)

Die Bürger wollen sich engagieren, und wir sollten ihnen auch die Chance dazu geben.

Wir Freien Demokraten befürworten die Eigenverantwortung von Lehrern. Es sollte aber auch darauf geachtet werden, dass diese Eigenverantwortung überhaupt umgesetzt werden kann und dass die Lehrer zum Beispiel auch Eltern in die Mitwirkung bei Projekten einbinden und zur Mitwirkung motivieren können.

(Beifall FDP)

Ziel der Bildungspolitik muss es aber sein, dass unsere Kinder ausbildungsfähig sind und der Berufs

erfolg endlich nicht mehr vom Haushalt der Eltern abhängig ist.

(Beifall FDP)

Ehrlich gesagt hätten wir uns auch noch ein Wort zur Begabtenförderung gewünscht, denn der War for Talents ist allgegenwärtig. Natürlich ist es unsere Verantwortung, schwachen Kindern eine Chance zu bieten und sie bestmöglich auszubilden, aber es ist auch unsere Verantwortung, gerade starke Kinder zu fördern.

(Beifall FDP)

Sehr geehrte Frau Dr. Bogedan, wir sind auf die Umsetzung sehr gespannt. Wir werden Sie gern mit weiteren Ansätzen und Ideen dahin gehend unterstützen, sehen aber auch die positiven Ansätze.

Beim Lesen des Bereichs Wirtschaft und Arbeit stellt sich leider totale Ernüchterung ein: Von „Bremen 2030 – Land mit Zukunft“ überhaupt keine Spur mehr! Anstatt endlich die Weichen für Wachstum, Innovation und Arbeitsplätze zu stellen, werden hier absolut falsche Prioritäten gesetzt, es ergießt sich eine komplette Regulierungsflut. Das oberste Ziel in diesem Kapitel ist es, gerade einmal den Status quo zu erhalten, aber von Expansion und von Vision überhaupt keine Spur! Für die Wirtschaft bedeutet Stagnation Rückschritt.

(Beifall FDP)

Es gibt ein Kapitel, das hoffen lässt, es heißt „Kleine mittelständische Unternehmen: das Rückgrat unserer Wirtschaft“. Das weckt ja bei uns freudige Erwartungen. Wenn wir uns aber einmal den Inhalt anschauen, dann wird es nicht nur ernüchternd, sondern sogar erschreckend: Dem Rückgrat, wie Sie es selbst nennen, widmen Sie ganze vier Zeilen und ein Wort. Die Idee darin geht an den kleinen und mittelständischen Unternehmen wirklich vollkommen vorbei, denn Sie beschreiben, dass die größte Sorge und das größte Bedürfnis von ihnen ist, den Zugang zu Förderkrediten und die Arbeitskräftequalifizierung zu vereinfachen. Das ist mit Sicherheit nicht das, was die KMU als Allererstes brauchen, sondern was sie wirklich brauchen, sind ausbildungsfähige Jugendliche. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen wollen ausbilden, sie machen es freiwillig, und dazu müssen Sie niemanden im Rahmen einer Ausbildungsgarantie zwingen.

Das Problem ist aber – und das ist der Alltag, und das erlebe selbst ich in meinem Betrieb auch immer wieder, wenn wir Bewerbungsgespräche führen –, dass die Schüler überhaupt nicht mehr das Grundwissen beherrschen, sie können zum Teil nicht einmal ausrechnen, wie viel zehn Prozent von 80 sind. Das müs

sen wir angehen, um es möglichst schnell zu schaffen, dass die Kinder überhaupt ausbildungsfähig sind.

Des Weiteren brauchen kleine und mittelständische Unternehmen Fachkräfte und schnelle und Genehmigungsverfahren, damit sie endlich expandieren und neue Arbeitsplätze schaffen können, denn sie machen es gern, und vor allem brauchen wir auch neue Flächen. Das sind die Themen, die kleine und mittelständische Unternehmen hier wirklich bewegen.

(Beifall FDP)