Eines ist klar: Weder als Finanzsenatorin noch als Aufsichtsratsvorsitzende handeln Sie im Interesse der Bremer und Bremerhavener. Wir haben Ihnen in den vergangenen zwei Wochen die Möglichkeit gegeben, selbstbestimmt vom Amt zurückzutreten.
Damit hatten Sie auch die Chance, aus eigener Kraft Schaden von sich selbst, von Ihrer Regierung und vom Land abzuwenden. Diese Chance haben Sie aber leider verstreichen lassen. Sie kleben am Stuhl und zeigen keinerlei Einsicht für Ihre eigenen Fehler, denn schuld sind Ihrer Ansicht nach immer nur die anderen oder eben niemand.
Eines kann ich Ihnen sagen: Wir lassen nicht zu, dass Sie sich aus der Verantwortung stehlen und versuchen, in der Öffentlichkeit Ihre eigenen Fehler zu verschleiern. Noch letzte Woche haben Sie die Opposition und ganz besonders mich bezichtigt, nicht die Wahrheit zu sagen. Sie haben behauptet, Bremen habe keinen blauen Brief, der heute schon so oft zitiert wurde, aus Berlin bekommen. Sie haben vor Beginn der Haushaltsverhandlung behauptet, der Stabilitätsrat würde sich nicht dazu äußern, was der Bund und die anderen Länder davon halten, dass Sie die Neuverschuldungsobergrenze um mehr als das Doppelte überschreiten wollen. Frau Linnert, alle Ihre Behauptungen entsprechen leider nicht der Realität. Der Beschluss des Stabilitätsrats ist eindeutig. Er wurde heute schon oft genug zitiert, sodass ich das in diesem Zusammenhang nicht noch einmal tun muss.
Frau Linnert, dieser blaue Brief ist der letzte Warnschuss aus Berlin. Es ist eine glasklare Ansage, dass Ihr Katastrophenhaushalt für das Jahr 2016 nicht einfach so hingenommen wird. Da können Sie noch so sehr mit Ihrem rechtlichen Gutachten kommen. Weder der Bund noch die Länder sind länger dazu bereit, sich von Ihnen auf der Nase herumtanzen zu lassen.
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1852
Als Finanzsenatorin sind Sie für uns nicht länger tragbar. Wir sind hier in Bremen nun einmal darauf angewiesen, dass wir sowohl mit dem Bund als auch mit den Ländern gut und vertrauensvoll verhandeln können. Wenn Sie dort genauso auftreten, wie Sie das hier in den letzten Wochen getan haben, sieht es für Bremen und Bremerhaven ganz schön finster aus.
So gibt es auch weitere Beispiele für Ihre, ich nenne es einmal Realitätsverweigerung. Sie haben in der letzten Woche behauptet, dass die Bremer Landesbank kein Haushaltsrisiko sei. Bremen hat zwischen 1994 und 2001 stille Einlagen im Wert von 480 Millionen Euro geleistet. Weder aus den Zinsen, die es darauf gab, noch aus den Dividendenzahlungen, die es nach der Umwandlung in Stammkapital gab, hat sich diese Investition für Bremen amortisiert. Heute wissen wir nicht einmal, ob die mögliche Verkaufssumme, die wir für die Anteile an der Bremer Landesbank bekommen, wenn wir sie an die NORD/LB verkaufen, überhaupt ausreicht, um die bremischen Beteiligungen an der BLG und der GEWOBA zu sichern. Das Risiko sind Sie 2012, als die stillen Einlagen gewandelt wurden, bewusst eingegangen, und zwar in einer tiefen Bankenkrise, in der keiner bereit gewesen wäre, dieses hohe Risiko einzugehen. Damit wurde die Bank mit dem Geld der Steuerzahler, mit unserem Geld, gerettet, denn auch damals brauchte die Bank dringend frisches Kapital.
Was Sie bei Privatbanken immer mit Gemecker und bösen Worten verurteilt haben, ging bei der Staatsbank geräuschlos, nämlich die Rettung mit Steuerzahlergeld. Ihrer Position als Aufsichtsratsvorsitzende sind Sie nicht vertrauensvoll nachgekommen. Selbst nachdem Bremen seit 2012 41 Prozent an der Landesbank hält, haben Sie Ihre Position nicht genutzt und endlich einmal aufgeräumt. Frau Linnert, Sie sprechen immer davon, dass Sie für Bremen den größtmöglichen Einfluss auf die Landesbank bewahren wollen. Wozu wollen Sie das aber, wenn Sie diesen ganz offenkundig nicht nutzen?
Schauen wir uns einmal den Vorstand an: Mit den Herren Nullmeyer und Engelken sitzen gleich zwei Personen im Vorstand, die aus dem Bereich Schiffsfinanzierung der Bremer Landesbank kommen. Herr Engelken war vor dem Ausbruch der Schifffahrtskrise Generalbevollmächtigter für Schifffahrt und Werften und war damit aktiv daran beteiligt, dass die Bremer Landesbank unglaubliche 25 Prozent ihrer gesamten Kreditvergabe im Schiffsektor vorgenommen hat, so viel wie kaum eine andere Bank.
Herr Nullmeyer war übrigens seit 2007 Direktor und Leiter des Geschäftsfeldes Schiffsfinanzierung. Da
mit ist Herr Nullmeyer dafür verantwortlich, dass das Portfolio seit 2008 nicht massiv abgebaut und bereinigt wurde, sondern sogar noch Geschäfte im Volumen von 3 Milliarden Euro in diesem Krisenmarkt erfolgt sind. Ganz ehrlich: Wer sägt sich auch schon selbst den Ast ab, auf dem er selbst sitzt? Frau Linnert, das ist Ihr Vorstand.
Sie sind Aufsichtsratsvorsitzende, und es sind Ihre Vorstandsmitglieder, denen Sie erst neulich noch Ihr vollstes Vertrauen ausgesprochen haben, nämlich den Leuten, die die Schieflage der Bank mit verursacht haben. Als Aufsichtsratsvorsitzende ist es Ihr Job, den Vorstand zu überwachen. Was machen Sie? Sie holen sich die Verantwortlichen in den Vorstand und machen damit den Bock zum Gärtner. So viel zum Thema Diversity, Risikostreuung!
Sie haben für uns damit als Aufsichtsratsvorsitzende versagt. Sie sind Ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden und sollten dafür die politische Verantwortung tragen. Dass es mit diesem verfilztem Vorschlag nicht klappen kann, haben wir doch alle gesehen. Am 2. Juni kam eine Ad-hoc-Mitteilung der Bank, dass die Bremer Landesbank aufgrund der Wertberichtigung im Schiffsportfolio eine Kapitalspritze benötigt. Ich bin immer noch fassungslos darüber, wie lange die Verantwortlichen, zu denen auch Sie, Frau Finanzsenatorin, gehören, die Augen vor der Realität verschlossen haben.
Bereits im Oktober 2014 mussten die Verantwortlichen bei der HSH Nordbank beim europäischen Bankenstresstest zittern. Der Grund dafür waren – das wird Sie wenig überraschen – die unkalkulierbaren Risiken eines übergroßen Schiffsportfolios. Im Dezember 2015 hat auch der Vorstandsvorsitzende der NORD/LB für 2016, 2017 und 2018 der Bank substanzielle Wertberichtigungen des Schiffsportfolios angekündigt. Das waren mehr als eindeutige Vorzeichen auch für die Bremer Landesbank und für ihr Schiffskreditportfolio.
Was haben die Verantwortlichen in Bremen getan? Sie haben gar nichts getan! Es gab nämlich sehr deutliche Anzeichen dafür, dass die Risiken, die die beiden anderen Landesbanken in ihren Schiffsportfolios gefunden haben, auch bei der Bremer Landesbank zu finden sind. Sie als Aufsichtsratsvorsitzende haben nichts getan. Sie haben nicht die Notbremse gezogen.
Sie vertrauten einem Vorstand, dessen Mitglieder zum großen Teil selbst dafür verantwortlich sind, dass diese Klumpenrisiken gebildet wurden. Sie haben weder die Gefahr, die mit dem Klumpenrisiko verbunden ist, erkannt, noch haben Sie erkannt, dass der Vorstand der Landesbank nicht dazu in der Lage sein kann oder
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bereit ist, überhaupt Probleme zu lösen. Damit haben Sie Ihre Pflicht als Aufsichtsratsvorsitzende verletzt. Dann auch noch Ihrem Verhandlungspartner, dem niedersächsischen Finanzminister, Erpressung vorzuwerfen, setzt für uns dem Ganzen die Krone auf.
Für uns sind Sie damit einen ganzen Schritt zu weit gegangen und sind damit kein seriöser Verhandlungspartner mehr. Ihr Rücktritt allein wird allerdings nicht ausreichen, um die Affäre rund um die Bremer Landesbank lückenlos aufzuklären. Das haben wir von Anfang an gesagt und vertreten.
Wir müssen ganz klar herausarbeiten, wie es bei den Schiffskrediten zu solch einem Klumpenrisiko kommen konnte. Wir müssen endlich aufarbeiten, wann welche Gremien, welche Risikobewertungen vorgenommen haben. Wir sollten klären, welche Informationen es hierzu zwischen Vorstand, Aufsichtsrat, BaFin und europäischer Bankenaufsicht gab. Wir müssen klären, ob die Bank in guten Zeiten nicht viel zu viel Geld ausgeschüttet hat. Das alles sind Dinge, die weit in die Vergangenheit zurückreichen und unserer Meinung nach eben nicht allein im Controlling-Ausschuss aufgearbeitet werden können.
Daher möchte ich noch einmal dafür werben, dass wir in dieser Sache einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Wir brauchen nicht nur den Rücktritt von Frau Linnert, sondern wir brauchen vor allem Aufklärung. Darauf wollen wir uns fokussieren.
Bremen kann es sich schlichtweg nicht leisten, ein derartiges Missmanagement hinzunehmen oder einfach das Personal zu wechseln. Wir sollten endlich an die Wurzeln des Problems herangehen. Jetzt geht es hier aber erst einmal darum, dass wir als Parlament ein Zeichen setzen. Wir haben es heute in der Hand, ein Zeichen zu setzen und dieses auch an den Bund und an die Länder zu senden, dass es uns ernst mit der Eigenständigkeit unseres schönen Bundeslandes ist.
Es ist übrigens auch ein Zeichen in die Bevölkerung hinein, dass wir auch Politiker zur Verantwortung ziehen. Wir haben es heute in der Hand, ein Zeichen an die anderen Träger der Landesbank und insbesondere an die NORD/LB zu senden, ein Zeichen, dass wir mit kühlem Kopf und im besten Interesse aller an einer zügigen und soliden Lösung für die Bremer Landesbank und einer Lösung, die Arbeitsplätze und bremische Beteiligung sichert, interessiert sind.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen, liebe Besucher! Wir haben heute einen schweren Tag, sowohl in Europa, als auch in Bremen. Wir wissen, dass jeder Neuanfang auch Chancen bietet. Deshalb sind wir auf die heutige Abstimmung hier im Hause gespannt.
Die CDU-Fraktion und der Kollege Jan Timke haben das schärfste Schwert der Landesverfassung, die Vertrauensfrage nach Artikel 110, gezogen. Es wird Ihnen, Frau Linnert, Bürgermeisterin und Finanzsenatorin, angedient, politische Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es im Wesentlichen um die Vorgänge im Aufsichtsrat der Bremer Landesbank, hier um die Aufsicht, die Informationspolitik, die Verhandlungsstrategie und die Öffentlichkeitsarbeit durch ihre Person. Auf Details möchte ich hier nicht eingehen, diese hat der Kollege Röwekamp schon hinreichend erläutert.
Was Sie uns schuldig geblieben sind, ist das Ass im Ärmel, das Sie hatten. Das Ass war, dass Sie im Haushalts- und Finanzausschuss gesagt haben, dass eine Mutter ihre Tochter immer mit Kapital nach Paragraf 10 KWG ausstatten muss. Diesen Punkt haben Sie mir, auch auf Nachfrage im Haushalts- und Finanzausschuss, nicht beantwortet. Ich habe es im Kreditwesengesetz nachgelesen, ihn aber nicht finden können. Sie sind mir die Antwort schuldig geblieben. Ich weiß nicht, ob das stimmt.
Der zweite Punkt ist, wie wir alle wissen, die Aufstellung des Doppelhaushalts 2016/2017, bei dem Sie die Flüchtlingskosten in einen Extrahaushalt ausgelagert haben. In diesem Zusammenhang haben Sie, Frau Senatorin Linnert, nicht gut ausgesehen. Es geht um Vorwürfe, die erstens nicht rechtlich offensichtlich sind und zweitens nicht nur von der Finanzsenatorin zu verantworten sind. Aus diesem Grund hätte ALFA gern zu der Aufklärung der Fakten im ersten Schritt einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Die Besetzung der Aufsichtsräte mit Senatoren hält ALFA für einen Systemfehler, da immer ein latenter Interessenkonflikt vorhanden ist. Die gesetzliche Schweigepflicht des Aufsichtsratsmitgliedes verhindert zudem einen ausreichenden Informationsfluss. Hier muss dringend nachgebessert werden.
Nun wurde von unseren Kolleginnen und Kollegen der CDU und Herrn Timke dieser Misstrauensantrag gestellt. Wir von ALFA finden das zu kurzfristig gedacht. Der gesamte Bremer Senat hat bisher in dieser Legislaturperiode nicht mit Erfolgen geglänzt. Im Gegenteil: Dieser Senat und auch jene der vergangenen Legislaturperioden haben den desolaten Zu
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stand des Bundeslandes Bremen zu verantworten. 22 Milliarden Euro Schulden sind kein Produkt von einem Jahr Misswirtschaft, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger fehlgeleiteter Politik.
Da nun die Vertrauensfrage gestellt ist und weder Frau Bürgermeisterin Linnert noch andere Senatoren der Grünen unser Vertrauen besitzen, werden wir diesem Misstrauensantrag zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses, liebe Gäste! An diesem ganz besonders schönen Tag für Europa, wie ich finde,