Protocol of the Session on May 26, 2016

Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Rechtsausschusses

Der Wahlvorschlag liegt Ihnen schriftlich vor.

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Wahl.

Wer entsprechend dem Wahlvorschlag wählen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) wählt entsprechend.

(Einstimmig)

Ich unterbreche die Landtagssitzung des Landtags bis 14.30 Uhr und wünsche Ihnen eine gute Mittagspause!

(Unterbrechung der Sitzung 13.03 Uhr)

Vizepräsidentin Dogan eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Die 22. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Medien.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Einrichtung einer Beratungsstelle für mobile Beschäftigte in Arbeits- und tarifrechtlichen Fragestellungen Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 19. April 2016 (Drucksache 19/384) Dazu Änderungsantrag der Fraktion der CDU vom 24. Mai 2016 (Drucksache 19/456) und Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 24. Mai 2016 (Drucksache 19/465)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Siering.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir leben heute in einer globalisierten und vernetzten Welt. Die Mobilität hat damit für alle deutlich zugenommen. Wir alle schätzen die Freizügigkeit beim Reisen, auch beim Warenverkehr. Wir profitieren alle vielfältig von der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Allerdings ist die wirtschaftliche Lage in vielen EU-Ländern deutlich schlechter als bei uns in Deutschland. Viele Menschen, die bereit sind, für eine gewisse Zeit ihre Heimat zu verlassen und den Arbeitsplätzen zu folgen, kommen dann zu uns, kommen in andere Länder und haben oftmals gar keine andere Wahl. Das stellen wir seit einiger Zeit fest. Davon profitiert unsere Wirtschaft durchaus, gibt es doch viele Bereiche, in denen wir nicht ausreichend Beschäftigte finden. Damit werden Arbeitsplätze zu Arbeitsbedingungen, die vielleicht für hiesige Beschäftigte nicht immer angemessen sind, mit diesen zugewanderten Menschen besetzt.

Dieses Phänomen der Arbeitsmigration wird immer häufiger unter dem Begriff der mobilen Beschäftigung zusammengefasst. Die Beschäftigten arbeiten vorübergehend im Zielland und haben ihren Lebensmittelpunkt noch nicht in dieses Land verlegt. Dabei muss dieser Aufenthalt auch nicht immer kurzfristig sein. Insbesondere bei Kettenentsendungen arbeiten diese Beschäftigten manchmal über Jahre hinweg in diesen Ländern, unter anderem auch in Deutschland. Da dieser Aufenthalt nicht auf Dauer angelegt ist, werden in der Regel auch keine oder nur geringe Deutschkenntnisse erworben und schon gar kein Wissen über die Rechte als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder über die vorhandenen Unterstützungssysteme, die die Zielländer bieten.

Die mobile Beschäftigung betrifft überwiegend personalintensivere Bereiche wie die Bauindustrie, Gebäudereinigung, Landwirtschaft, Gastronomie, aber auch den Transport- und Logistikbereich oder die

Nahrungsmittelindustrie. Die Skandale in der Fleischwirtschaft sind den meisten in Erinnerung.

Aus der existenziellen Not dieser Menschen heraus sind diese bereit, auch unter Arbeitsbedingungen zu arbeiten, die für uns oft überhaupt nicht akzeptabel sind. In der Regel sprechen Sie, das habe ich schon gesagt, weder ausreichend Deutsch, noch kennen Sie sich aus mit den Rechten, geschweige denn mit den Möglichkeiten, aus, diese zur Umsetzung zu bringen. Da sie ihre Situation auch nur als vorübergehend betrachten, sind sie oft bereit, diese Bedingungen hinzunehmen. Das, meine Damen und Herren, sage ich ganz klar, darf nicht sein!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es kann nicht sein, dass das, was wir unter guter Arbeit verstehen, nur für die Beschäftigten hier, die aus unserem Land kommen, gilt. Es kann nicht sein, dass wir hier eine Zweiklassengesellschaft aufmachen, eine, für die die Arbeitnehmerrechte gelten, und eben eine zweite, für die sie nicht gelten. Deshalb ist es notwendig, dass wir auch im Land Bremen eine Beratungsstelle einrichten, die diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in arbeitsrechtlichen Fragen berät mit dem Ziel, diese Ratsuchenden bei der Durchsetzung ihrer Ziele zu unterstützen. Wichtig ist dabei, wenn es keinen Zugang auf das Betriebsgelände gibt, dass sie durch aufsuchende Beratung in den Stand versetzt werden, hier ihren Rechten zur Umsetzung zu verhelfen. Da man nicht an allen Standorten alle notwendigen Kenntnisse über die Branchen und Beschäftigungsformen vorhalten kann, halten wir es für notwendig, dass der Senat ein entsprechendes Konzept entwickelt, das dann zur Einrichtung einer solchen Beratungsstelle führt, wie es die CDU auch in ihrem Antrag gefordert hat. Dem Antrag der CDU werden wir durchaus zustimmen. Allerdings halten wir es für erforderlich, dass zunächst erst ein diesbezügliches Konzept aufgelegt wird. Wir sehen darin überhaupt keinen Widerspruch, gehen aber einen Schritt nach dem anderen. Die Forderung der LINKEN, bereits im September Bericht zu erstatten, werden wir ablehnen, weil wir glauben, dass das in der Kürze der Zeit nicht zu realisieren ist. Insgesamt freue ich mich aber, dass wir uns hier anscheinend fraktionsübergreifend über die Notwendigkeit so einer Beratungsstelle einig sind und auch gemeinsam an einem Strang ziehen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die aufgeworfene Fragestellung, die uns heu

te hier beschäftigt, ist aktueller, als es uns eigentlich lieb sein kann. Die professionelle Ausbeutung von Menschen in Bremerhaven hat noch einmal deutlich gemacht, wie akut dieses Problem tatsächlich ist. Worum geht es genau? Immer mehr Menschen aus Europa kommen zu uns, um hier einer Beschäftigung nachzugehen. Diese sogenannten Arbeitsmigranten oder auch mobilen Beschäftigten kommen zumeist aus Ost- oder Südosteuropa. Ihre Einsatzgebiete sind die Bauindustrie, die Gebäudereinigung, die Landwirtschaft, Gastronomie, Fleischverarbeitung und weitere saisonal bedingte Angebote. Dabei handelt es sich häufig um sogenannte Scheinselbstständige. Die besondere Problematik ihrer Herkunft und der Situation in ihren Heimatländern macht sie leider häufig auch erpressbar und macht sie gefügig, zu kostenlosen Überstunden bereit zu sein oder aber auch zu Hungerlöhnen zu arbeiten. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nutzen dies allzu oft leider auch aus.

Wir haben zwar Beratungsangebote auch für diese Gruppe, aber keine, die auf die arbeits- und tarifrechtlichen Fragen abzielen, die die Menschen da abholen, wo sie vor Ort arbeiten, weil sie zumeist mit unseren Beratungsstrukturen, wie wir sie hier für die klassischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben, nicht vertraut sind. Wir halten es daher für angezeigt, ein eher niedrigschwelliges Angebot anzubieten. Wir wollen, dass diese mobilen Beschäftigten zukünftig eine solche Beratung erhalten können. Uns ist bewusst, dass wir damit nicht alle ausbeuterischen Verhältnisse beenden können. Da aber, wo es eine solche Beratung für diese Zielgruppe gibt, zeigen diese Beratungen Erfolge.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Nun ist unser Antrag auch schon einen Tag älter. Die Probleme in unserem Bundesland sind noch einmal deutlicher hervorgetreten. Wir werden daher dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU, der eine Beschleunigung des Prozesses vorschlägt, unsere Zustimmung geben und hoffen insgesamt auf eine breite Zustimmung im Plenum, würden uns aber auch freuen, Herr Staatsrat Siering, wenn das angedachte Konzept, auf das die Kollegin Böschen eben eingegangen ist, in der Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen noch einmal ausführlich behandelt werden könnte. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bergmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit gehören zu den vier Grundrechten im europä

ischen Binnenmarkt. Alle EU-Bürger dürfen in jedem Mitgliedstaat unter den gleichen Voraussetzungen arbeiten wie dessen Staatsbürger. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit funktionieren in vielen Bereichen gut. Heute richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die sogenannten mobilen Beschäftigten, also auf Menschen, die kurzfristig aus dem Ausland nach Deutschland kommen, um zu arbeiten, aber ihren Lebensmittelpunkt nicht langfristig hierher verlegen. Viele von ihnen arbeiten unter gesetzlichen Arbeitsbedingungen, werden tariflich bezahlt und sind gut integriert. In einigen Branchen dagegen gibt es eine große Anzahl von Beschäftigten aus mittel- und osteuropäischen Ländern, die aufgrund von Sprachbarrieren und mangelnden Kenntnissen ihrer Rechte systematisch ausgenutzt werden, und das teilweise mit erheblicher krimineller Energie.

Das betrifft, das haben wir schon gehört, das Baugewerbe, die Gebäudereinigung, die Schlachtindustrie, die Pflegeberufe übrigens auch und das Hotel- und Gaststättengewerbe. Oft handelt es sich dabei um Subunternehmer. Da werden von Arbeitgebern Wochenarbeitszeiten willkürlich diktiert, Mindestlöhne und Arbeitsschutzvorgaben trickreich umgangen, Löhne gekürzt und unterschlagen, es wird kein Kündigungsschutz, keine Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub gewährt. Dies hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun. Da denke ich eher an ManchesterKapitalismus des 19. Jahrhunderts. Das darf bei uns in Bremen nicht sein.

(Beifall CDU)

Vor allem mobile Beschäftigte aus Ost- und Südeuropa, die sich nur für kürzere Zeiträume in Deutschland aufhalten, erleben diese de facto Rechtlosigkeit. Dabei ist es unerheblich, ob sie über eine Entsendung durch Firmen aus dem Heimatland, durch grenzüberschreitende Leiharbeit als Scheinselbstständige oder als Werkvertragsbeschäftigte von Subunternehmen arbeiten. Wir haben heute schon darüber gesprochen, dass wir auch in unserer Schwesterstadt Bremerhaven ganz aktuell solche Auswüchse vorfinden. Gegen den Geschäftsführer und weitere Mitarbeiter zweier Vereine, die in erheblichem Maß öffentliche Mittel erhalten haben, sowie gegen 140 bulgarische Zuwanderer wird im Moment wegen Sozialbetrugs ermittelt.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Das ist Sozialbetrug!)

Viele drängende Fragen gilt es also, in den nächsten Wochen und Monaten aufzuklären. Diese betreffen die Rolle und das Verhalten des Magistrats und des Jobcenters Bremerhaven, des Senats, der Ermittlungsbehörden sowie eines Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft, der zeitweise im Vorstand eines der beiden Vereine saß und von diesem Wahlkampfunterstützung erhalten hat.

Das ist jetzt aber heute nicht das Thema,

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Das stimmt!)

sondern der Koalitionsantrag zur Einrichtung einer Beratungsstelle für mobile Beschäftigte. Wir als CDUFraktion halten diese Beratungsangebote für dringend notwendig.

(Beifall CDU)

Viele Bundesländer und Kommunen unterstützen die Beratung mobiler Beschäftigter jetzt schon, was eben auch Prävention im Vorfeld gegen Missbrauch bedeutet. In Niedersachsen gibt es fünf solcher Beratungsstellen, auch Hamburg hat eine. Träger ist der Verein Arbeit und Leben, eine gemeinsame Einrichtung des DGB und des Deutschen Volkshochschulverbandes.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Auch in Bremen gut be- kannt!)

Der DGB betreibt darüber hinaus im Rahmen seines Projekts „Faire Mobilität“ weitere Beratungsstellen in Berlin, Dortmund, Kiel, München, Stuttgart und Frankfurt.

Die Einrichtungen beraten mehrsprachig und kostenlos in Fragen des Arbeits- und Tarifrechts, des Steuerrechts zur sozialen Absicherung, zu gewerkschaftlichen Angeboten und vielem mehr. Sie vermitteln Kontakte zu Ämtern, Behörden und anderen Organisationen und leisten Hilfestellung für Opfer des Menschenhandels zur Arbeitsausbeutung. Oft ist es gerade die mediale Berichterstattung solcher Beratungsstellen, die zur Folge hat, dass Firmen dann doch den betroffenen Arbeitern den ihnen zustehenden Lohn zahlen und für menschenwürdige Unterkunft und Versorgung aufkommen.

Das Land Bremen ist bis heute ein weißer Fleck auf der Landkarte dieses Beratungsnetzwerkes. Deswegen sehen wir als CDU hier ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. Allerdings ist uns der Koalitionsantrag etwas zu vage. Daher haben wir dazu einen Änderungsantrag eingebracht. Dazu möchte ich im zweiten Redebeitrag noch etwas sagen. – Vielen Dank!