Ich möchte das noch einmal auf eine andere Ebene bringen, weil ich schon glaube, Herr Senator, dass noch Diskussionsbedarf besteht. Ich verstehe Ihre Sicht, aber sie ist sehr theoretisch und nicht praxisbezogen. Deswegen würde ich das noch einmal auf anderer Ebene mit Ihnen durchdiskutieren.
Ich habe eine Verständnisfrage. Ist es richtig, dass jedes Fahrgeschäft, das auf Bremer Volksfesten aufgestellt wird, vom TÜV abgenommen und geprüft wird, egal, ob es einen Bestandsschutz hat?
Soweit ich informiert bin – ich muss mich intern aber noch einmal schlau machen –, werden die Fahrgeschäfte in dem Moment, in dem sie aufgebaut werden, vom TÜV überprüft. Das ist das eine. Das betrifft dann auch die Bauordnung und die Statiker. Die kommen auch und schauen, ob das standfest aufgestellt ist und dergleichen. Wie bestimmte mechanische Beanspruchungen, Materialermüdung und diese Dinge in welchen Intervallen geprüft werden, sind meines Wissens nicht Dinge, die bei jedem Aufstellen auf einem Volksfest geprüft werden. Das ist noch einmal ein anderer Prüfungsgegenstand.
Herr Senator, ist es folglich zumindest normal, gut oder davon auszugehen, dass dieses Fahrgeschäft auch sicher ist, wenn der TÜV bei einem Fahrgeschäft gewesen ist und es freigegeben hat, egal, wie alt es ist?
Das ist das, was wir uns wünschen würden. Bei den beiden Fahrgeschäften, bei denen wir die Unfälle hatten, haben der TÜV und auch die Bauordnung die Aufstellung nicht beanstandet. Trotzdem ist es zu den Unfällen gekommen.
Es ist keine Frage, sondern eine Anmerkung! Es kann natürlich immer einmal passieren. Das wünschen wir uns auch nicht. Grundsätzlich können wir aber davon ausgehen, dass es egal ist, ob ein Fahrgeschäft 15 Jahre der 20 Jahre alt ist, wenn ein TÜV ein Fahrgeschäft freigibt. Die Freigabe ist für uns als Nutzer dieses Fahrgeschäft eine Norm, von der wir ausgehen können, dass nichts zu beanstanden ist und von einer Sicherheit auszugehen ist.
Diese Sicherheit versuchen wir herzustellen. Es gibt ein gewisses Restrisiko wie bei vielen Dingen im Leben. Genau dieses will man aber so gering wie möglich halten, indem man die Prüfung und die Auslegung dieser Geräte jeweils nach dem Stand der aktuellen Erkenntnisse vornimmt.
Verdrängung und Verelendung der ausgebeuteten Zuwanderer in Bremerhaven stoppen Verdunkelung und Verfahrenshindernisse verhindern Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 25. Mai 2016 Neufassung der Drucksache 19/427 Vom 10. Mai 2016 (Drucksache 19/503) Dazu Änderungsantrag der Fraktion der FDP vom 25. Mai 2016 (Drucksache 19/543)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einigen Wochen haben wir bereits erstmals die Situation in Bremerhaven in Bezug auf die organisierte Ausbeutung in einem Umfang von etwa 1 300 Menschen diskutiert, die aus dem bulgarischen und griechischen Grenzgebiet um Varna stammen. Ich erinnere mich noch daran, dass es hier einhellige Beteuerungen gab, sich um schnelle Aufklärung zu bemühen. Ich erinnere mich auch daran, dass wir hier einen weitgehenden Konsens hatten, dass es eine Gruppe der Ausgebeuteten und eine Gruppe der Ausbeuter gibt und dass die Gruppe der Ausgebeuteten derzeit die Gruppe ist, die die Leidtragenden sind.
Mit dem vorliegenden Antrag möchten wir jetzt erste Schritte aufzeigen, mit denen konkrete Abhilfen für die Situation der Ausgebeuteten entwickelt und außerdem die Verdunkelung weiterer Ermittlungen verhindert werden können. Im Moment ist es so, dass ganz eindeutig die Zugewanderten die Leidtragenden sind. Es gibt Berichte von Unterernährung, es gibt Berichte von Obdachlosigkeit und von Verelendung, von menschenunwürdigen Wohnformen. So etwas darf es in einem Sozialstaat nicht geben. So etwas darf nicht passieren. Massenhaftes Elend können wir nicht zulassen.
Die Situation hat sich seit dem Bekanntwerden des Skandals nicht gebessert, sondern für die Betroffenen in höchstem Maße zugespitzt. Das Jobcenter hat Mitte Februar massenhaft negative Leistungsbescheide ausgestellt, die auch rückwirkende Rückforderungen
zur Folge haben, bei denen es darum geht, dass dem Personenkreis der Betroffenen die aufstockenden Sozialleistungen, die auf Grundlage von geschlossenen Arbeitsverträgen mit den Vereinen gezahlt wurden, zurückgefordert werden. Im Rahmen der geltenden Gesetzeslage ist es natürlich durchaus nachvollziehbar, derartige Leistungen zurückzufordern, wenn sie denn zu Unrecht ausgezahlt wurden.
Aber auch für Menschen, deren Namen in den Akten von organisierten Ausbeutervereinen aufzufinden sind, gilt es, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, gilt es, individuell zu prüfen, ob die Rechtsansprüche bestanden, und gilt es dann auch zu überprüfen, ob und wie Leistungen hätten gezahlt werden müssen. Diese Rechtsansprüche müssen überprüft werden. Da reicht auch keine deutschsprachige Rechtsbelehrung darüber, dass Einsprüche eingereicht werden können. Das hat offensichtlich nicht ausgereicht, um eine individuelle Überprüfung durchzuführen.
Wir müssen davon ausgehen, dass in vielen Fällen durchaus Arbeiten geleistet wurden. Wir müssen davon ausgehen, dass es sich nicht nur um Scheinarbeitsverhältnisse gehandelt hat, hinter denen keine reale Arbeit stand. Wir können davon ausgehen, dass Arbeiten im Hafenbereich, Arbeiten im Reinigungsbereich durchaus durchgeführt wurden. Die Tatsache, dass hier der Arbeitsschutz, dass hier auch geltende arbeitsrechtliche Richtlinien oder Gesundheitsschutzvorschriften oder das Mindestlohngesetz unterlaufen wurden, kann nicht zuungunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgelegt werden. Hier müssen strafrechtliche Konsequenzen gegen die Unternehmen eingeleitet werden, die von dieser Struktur profitiert haben. Es kann nicht sein, dass hier mit einer Massenvorverurteilung Leistungen eingefroren und gleichzeitig zurückgefordert werden. Wir fordern umfassende Aufklärung!
Das System, das auch Arbeitsrecht und Arbeitsschutz unterläuft, betrifft nicht nur diese Personengruppe. Das ist uns durchaus auch durch Berichte sowie durch Berichte des Senats aus den letzten Jahren bekannt. Das Problem an dieser Form von Ausbeutung ist, dass es eine besonders perfide Ausnutzung einer Notlage ist, da bewusst mit der Unkenntnis der Rechtslage und bewusst mit den Sprachbarrieren gearbeitet wird. Genau an dieser Stelle nimmt es eine spezifische Situation ein, auch in dem gewerblichen Ausmaß, in dem es in Bremerhaven stattgefunden hat.
eingefroren und die Betroffenen damit mittellos sind, häufig auch keine Wohnung mehr in Bremerhaven haben. Das bestätigt auch die Ortspolizeibehörde in Bremerhaven. Sie sind jedenfalls nicht mehr an ihren Meldeadressen anzutreffen. Die Polizei geht davon aus, dass viele Menschen den Rückzug angetreten haben, so nenne ich es einmal, und in ihre Heimat zurückkehren. Wir wissen davon, dass viele Menschen dennoch noch in Bremerhaven oder in anderen umliegenden Städten leben, bei Verwandten untergekommen sind, bei Bekannten untergekommen sind.
Woher wir das wissen? Fragen Sie einfach einmal. Gehen Sie einmal in die Beratungsstellen, fragen Sie die Solidarische Hilfe!
Nein, ich frage nicht die Vereine, die ich den Ausbeutungsstrukturen zuordne, sondern ich frage Vereine, die Beratungsangebote anbieten und Leute rechtlich vertreten, Leute auch bei den Bescheiden beraten haben, die durchaus darüber informiert sind, dass viele Menschen noch in Deutschland, viele Menschen noch in Bremerhaven leben! Wenn Sie das leugnen, können Sie das gern tun. Die Informationen liegen durchaus vor.
(Beifall DIE LINKE – Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Haben Sie das auch der Polizei erzählt, wenn Sie das so genau wissen? – Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Sprechen Sie doch mit den Lehrern, Herr Dr. Hilz, die werden Ihnen das auch bestätigen!)
Es gibt auch Informationen der Schulbehörde, die durchaus nahelegen, dass nach wie vor viele dieser Menschen, nämlich die Kinder dieser Menschen, noch in Bremerhaven sind. Das können Sie auch der Presse entnehmen. Das ist eine Tatsache, die schwer zu leugnen ist.
Als Linkspartei haben wir uns entschlossen, mit dem vorliegenden Antrag die Situation der Betroffenen zumindest an einigen Stellen zu verbessern und den Verbleib in Deutschland zu ermöglichen. Das Problem, dass die Mittel nun entzogen wurden und auch die Wohnungen nicht mehr vorhanden sind, führt dazu, dass die Menschen als Zeuginnen und Zeugen möglicherweise in einem Verfahren nicht mehr zur Verfügung stehen. Das könnte dazu führen, dass wichtige Belastungszeuginnen und Belastungszeugen verschwinden, die wir brauchen, um das Ausmaß dieses Skandals aufzudecken. Wir brauchen diese Menschen, um Aussagen gegenüber Unternehmen und profitierende Dritte zu bekommen. Deshalb hoffen wir auf die Zustimmung dieses Hauses und hoffen
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Niemand von uns hat sich vorstellen können, dass uns tatsächlich ein so groß angelegter Sozialbetrug, wie er wahrscheinlich in Bremerhaven stattgefunden hat, beschäftigen wird. Wir wissen aber, dass dies anscheinend nicht nur in Bremerhaven, sondern durchaus auch noch in anderen Kommunen mit einer vergleichbaren Struktur, ich sage einmal Duisburg, Dortmund, Offenbach, genauso geschehen ist. Allerdings hat Bremerhaven aus unserer Sicht hier sehr konsequent nach den vorliegenden Erkenntnissen gehandelt und entsprechend notwendige Schritte eingeleitet.
Führen wir uns noch einmal vor Augen, was hier passiert ist. Wahrscheinlich ist es so gewesen, dass in der Gegend – wie von Herrn Janßen beschrieben – um Varna herum tatsächlich Leute aus Bremerhaven ganz gezielt andere Menschen, nämlich in der Regel Roma, Menschen, die häufig gar nicht lesen und schreiben können, geschweige denn, dass sie der deutschen Sprache mächtig sind, angesprochen, geworben und – wir würden fast sagen – nach Bremerhaven geschleust und ihnen in Aussicht gestellt haben, hier nicht nur Arbeit, sondern auch Wohnungen zu bekommen und hier ein angenehmes Leben für sich und ihre Familie vorfinden und leben zu können. Man kann es diesen Menschen überhaupt nicht übelnehmen, dass sie nach Bremerhaven gekommen sind. Dessen ungeachtet ist klar, dass dieser Weg überhaupt nicht in Ordnung ist, dass sich daran Menschen auch in hohem Maße bereichert haben, auf der einen Seite natürlich diejenigen, die die Verantwortung für die Anwerbung übernommen haben, die diese vermeintliche Unterstützung bei der Beantragung von verschiedenen Leistungen getätigt haben, auf der anderen Seite aber auch die Unternehmen, die diese Menschen beschäftigt haben, oft zu unsäglichen Bedingungen, oder auch die Vermieter, die ihre zum Teil Schrottimmobilien zu unsäglichen Bedingungen tatsächlich vermietet haben.
Es gibt einen großen Kreis derer, die von diesem System profitiert haben. Es gibt natürlich den Kreis derer, die auch profitiert haben, die aber in einer anderen Art Verantwortung dazu stehen. Ich bin froh, dass Bremerhaven hier sehr stringent, nachdem festgestellt worden ist, dass es hier ein vermeintliches System organisierter Kriminalität gibt, entsprechende Schritte eingeleitet hat, das Jobcenter unter anderem seiner Aufgabe nachgekommen ist, diese Menschen
Dabei hat sich ergeben, dass viele Menschen den Weg ins Jobcenter nicht mehr gesucht haben, sie wahrscheinlich nach Hause zurückgegangen sind, wohl wissend oder ahnend, dass es jetzt in diesem System in Bremerhaven so nicht mehr weitergeht. Ich finde, es ist auch in Ordnung, dass Menschen, wenn sie merken, dass das System, in dem sie vielleicht sogar wohlmeinend glaubten, ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, und sie merken, dass sich das nicht realisiert, wieder in ihre Heimat zurückkehren und Bremerhaven verlassen.
Trotzdem gibt es genau die Fälle, die Sie beschrieben haben, Herr Janßen. Auch mir sind solche Fälle bekannt, auch wenn Sie das hier vielleicht mit Ihren Zwischenrufen in Abrede stellen. Ja! Jetzt, wo man dabei ist, diesen organisierten Kriminalitätsprozess aufzuklären, muss man aufpassen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet. Selbstverständlich gibt es genau das, dass Menschen jetzt versuchen, nicht mehr erkennbar zu sein, und das unter Bedingungen, die aus unserer Sicht nicht menschenwürdig sind. Wir erfahren auch, dass es auf einmal Menschen trifft, die schon sehr lange in Bremerhaven leben, die niemals auffällig geworden sind, aber jetzt von den verschiedenen Institutionen verpflichtet werden, Nachweise zu erbringen, die vielleicht nicht sachgerecht sind. Ich glaube, wir haben hier eine Dynamik, die jeder von uns nachvollziehen kann, wo man sehr genau aufpassen muss, dass man die richtigen Verantwortlichen trifft. Denn die müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Es muss dafür gesorgt werden, dass so etwas zukünftig nicht mehr passiert!
Gleichzeitig sind wir in einer humanitären Verpflichtung den Menschen gegenüber, die das Ende dieser Kette bilden.